SILVESTER IM SINGLE CLUB

Im ehemaligen Kegelkeller einer albanischen Kneipe findet seit dem vergangenen Sommer ein Künstlerprojekt statt, das sich bereits zum aufregendsten Kunstevent der Stadt etabliert hat. In unmittelbarer Nähe des Worringer Platzes ist der single club der angesagteste Ort der jungen Düsseldorfer Kunstszene schlechthin, in dem wilde Partys mit Live-Acts zelebriert werden.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Zustand Oktober 2011: Wandverkleidung von Max Schulze, Relief von Katharina Maderthaner und Prints von Stephan Machac; © Bild: Max Schulze

Initiiert und organisiert ist das Ganze von Alexander Wissel, der zuvor bereits die Oktober-Bar am gleichen Standort geleitet hatte und die finsteren Räumlichkeiten seit Juni mit einem Mix aus Skulptur, Installation, Performance, Musik und Party animiert. Ein Mal pro Monat füllt sich plötzlich die ansonsten verwaiste Kneipe und eine exotische Fauna erobert das Terrain.

September 2011: Lichtobjekt von Andreas Breunig; © Bild: Rolf
Juli 2011: Wandgestaltung von Piet Hejden und Stanton Taylor; © Bild: Johannes Bendzulla

Es herrscht das Prinzip der unökonomischen Energieverschwendung: Jede Veranstaltung dauert 24 Stunden, jedes Mal wird die gesamte Raumausstattung von ein paar Künstlern neu gestaltet – und dabei wird ein Mordsaufwand für eine sehr kurzlebige Angelegenheit betrieben. Für diese knappe Zeit werden nicht nur die Räume (in manchmal wochenlangen Arbeit) redesigned, sondern Bands kurzfristig gegründet und Performances choreographiert. Am ersten Samstag des Monats heißt es dann in eine brandneue Welt eintauchen, ein neues Thema entdecken und sich auf die jeweilige Stimmung einlassen.

Juni 2011: Die Band „Weisser Westen“; Bild: Max Schulze

Das Projekt von Alex Wissel auf eine besonders coole und fetzige Party-Location für Künstler zu reduzieren wäre jedoch zu kurz gegriffen. Der Single Club ist eine Art soziale Skulptur (Jupp darf sich ruhig in seinem Grab umdrehen), ein work in progress mit vorprogrammierter Todeszeit und höchstem Partizipationsfaktor.

Juli: Toilettengestaltung von Max Frintrop; © Bild: M. Frintrop

Im Laufe des Abends und der Nacht verändert sich nämlich das liebevoll realisierte Bühnenbild mitsamt exklusiven Requisiten. Der Club ist kein fertiges Vergnügungspaket, das passiv konsumiert werden will, sondern eine große interaktive Skulptur, die ständig auf Außenwirkungen reagiert. Der Raum lebt und bebt, wird ständig umgeformt; im Feuer des Gefechtes wird es auch unabsichtlich ramponiert und zerteilt, zerfetzt, verdreckt.

November 2011: Kostüme von Sarah Jane Hoffmann, Stangen und Schaukel von Jan Albers, Bühne von Jasmin Reif; © Bild: Jan Albers
Oktober 2011: Bühne von Wanda Koller, Wandverkleidung von Max Schulze; © Bild: M. Schulze

Am nächsten Tag hebt Wissel die Reste auf und fügt sie zu seiner Sammlung. Es gibt ein Single Museum, das Dokumentationszentrum, Reliquienschau (Jupp, bitte noch ein Mal umdrehen) und expanded sculpture in einem ist. Aus Erlebnis, Schweiß, Spaß, Zeit und Formen verdichtet Wissel ein Raumarrangement, das, getarnt in einer Ausstellung, das Projekt in seine nächste Dimension führt. Die Schraube wird noch ein Mal gedreht; die Reflexion über künstlerische Arbeit, Partizipation, Autorschaft, Originalität und Illusion erreicht ein neues Niveau der Komplexität.

Genau ein Jahr lang soll das Experiment dauern. Im Juni 2012 wird der Single Club,  – diese mimetische Illusion eines Nachtlokals, die Nachtschwärmer in ahnungslose Teilnehmer einer riesigen künstlerischen Aktion verwandelt und trotzdem viel mehr als eine leere Kulisse anbietet – seine Türen zum letzten Mal öffnen. Dieser strenge zeitliche Rahmen (bei aller Gestaltungsfreiheit des restlichen Bildes) ist ein Hinweis auf den konzeptuellen Hintergrund des Projektes von Alexander Wissel.

September 2011: Toilettengestaltung von Congress; © Bild: Rolf
Silvesterparty im Single Club
 
im Bistro Agi, Ackerstr. 5
 
Eintritt: € 10,- (inkl. ein Glas albanischen Champagner). Es wird um Abendgarderobe gebeten.
September 2011: Wandverkleidung von Nadim Vardag, Vorhänge von Julian Feritsch, Instrumente von Congress/Scheisse, Getränkehalter: Thorsten Schneider; © Bild: Rolf

Florian Kuhlmann – Konfiguration 7 #Berlin

Vergangenes Wochenende war Florian Kuhlmann mit der Installation ‚Konfiguration 7‚ in der Abteilung für alles Andere in Berlin zu Gast. Kuhlmann präsentierte dort einen Snapshot seines Langszeitprojekts der ‚Commons Collages‚ an dem der Netz- und Medienkünstler seit etwas mehr als 6 Jahren arbeitet.
Die großformatigen, sakral anmutenden, digital erzeugten Bilder, die sich im Spannungsfeld zwischen Pop und Surrealismus bewegen, stellt der Künstler nach Fertigstellung stets zum freien Download ins Netz. Auf limitierte Editionen wird zu Gunsten einer unbegrenzten Reproduzierbarkeit bewusst verzichtet.
In der gezeigten ‚Konfiguration 7‘ waren die Bilder diesmal in einer vergleichsweise klassischen Präsentationsform als großformatige Prints zu sehen. In der Mitte des Raumes stand ein Sockel mit USB-Slot, der nach dem Einstecken eines USB-Sticks automatisch die Bilder der Ausstellung überspielte.

Ausführliche Infos zum Projekt und zur aktuellen ‚Konfiguration 7′ gibt es auf seiner Webseite. Im dort ebenfalls zu findenden Essay ‚Konfigurationsmöglichkeiten einer medialen Allmende‚ liefert Kuhlmann einen kurzen zeitlichen Abriß der gesamten Projektentwicklung.

Die Collagen als Print an den Wänden. In der Mitte zu sehen der Sockel mit USB-Slot.

Nach einstecken eines USB-Sticks wurden die Original-Bilddateien automatisch auf den Stick kopiert.

Abteilung für alles Andere
www.a-a-a.cc
Ackerstraße 18
10115 Berlin

#Köln Timothy Shearer – The End of Season – Oder zur aktuellen Ästhetik des Konsumismus II

Der gebürtige US-Amerikaner und in Köln lebende Künstler Timothy Shearer war Ende September mit einer Einzelausstellung in der Simultanhalle in Köln zu Gast. Unter dem etwas melancholischen, aber durchaus zeitgemäßen Titel ‚End of Season‘ inszenierte Shearer eine seiner fokussiertesten, zugleich leicht tragikomischen, Arbeiten.

Zeitnahe zum Ausstellungsprojekt ‚300′ von Mark Pepper und Thomas Woll präsentierte Shearer mit ‚The End of Season‘ eine Installation die sich ebenfalls mit einer Ästhetik der billigen Oberfläche beschäftigte. Abstrakte – einer vergangenen Avantgarde – entliehene Muster auf häßlichen Alltagsgegenständen – vor allem Kleidung – stehen im Zentrum dieser Arbeit. Ebenso wie bei Pepper und Woll geht es bei Shearer um ein Faszination an der billigen Trashkultur von Lidl, Aldi oder Kick, die mit zunehmender Prekasierung und dem langsamen verschwinden der Bürgerlichkeit, zu einem Massenphänomen wird, welches die engagierteren von uns mit Hilfe von H&M und Konsorten zu kaschieren suchen.

Eine Sammlung von Wegwerffeuerzeugen sind wie Schmetterlinge im Setzkasten ordentlich und sauber präsentiert. Der Titel der Ausstellung erscheint im Monitor und wirkt wie der Abspann eines eben zu Ende gegangen Filmes auf die Ausstellungssituation ein. Shearer zeigte in der Simultanhalle eine Arbeit, die deutlich von einigem Balast älterer Experimente befreit ist und sich konzentriert mit den Phänomenen Farbe, Struktur, Muster, also Malerei, beschäftigt ohne dabei die umliegende Welt und das Geschen dort zu vergessen.

TIMOTHY SHEARER – The End of Season
24.09. – 22.10.2011

www.simultanhalle.de/

Hella Gerlach bei STUDIO (Berlin)

Der Off-Raum STUDIO, den Berit Homburg und Dominikus Müller seit Mai 2011 bespielen, besticht bereits durch seine charmante Lage. Auf einer Galerie am Kottbusser Tor gelegen und  umgeben von Cafés, ist der Kommunikationsfaktor groß. Besonders in den warmen Monaten bietet der Balkon die Möglichkeit mit der Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen und die Gruppe, die sich je um einen Ausstellungsort schart, zu bewirten. So ist Hella Gerlachs Ausstellung TAKE A SLOW DEEP BREATH! ELASTIC IMPRESSIONS erst einmal die letzte für diese Jahreszeit und wurde mit Schwarzer Suppe bei kühleren Temperaturen im Außenbereich beschlossen. Im Frühjahr wird es weitergehen.

von Julia Wirxel (Berlin)

© Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Der längliche Raum wurde anfänglich auf minimale Weise verändert, Fußleisten und die eher unansehnlichen Decken entfernt, so dass die Trägerstruktur den Blick auf die Kabel frei gibt. Hella Gerlachs (*1977) Ausstellung ist speziell für diesen Raum konzipiert worden. Da Raum, Werke und deren Präsentation so gut abgestimmt sind, würde man sich wünschen, der Raum könnte als Dauerausstellung eingerichtet bleiben. Der merkwürdige Holzboden wirkt als sei er für diese Präsentation verlegt worden. Vor allem die Stoffbahnen und die daraus entstehenden schwebenden Kabinette, z.B. Element II (Studiolo) (2011), gliedern den Raum, können umrundet und betreten werden.

"Element III" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs
"Element III" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Wunsch der Künstlerin ist es, nach einer Phase der imaginierenden Kontemplation diese Arbeiten anzufassen, in die Stofftaschen der Vorhänge zu greifen und die Ausbeulungen zu untersuchen. In den Taschen sind verschiedene Objekte aus Keramik oder Porzellan verborgen, die in Kommunikation mit dem Körper entstanden sind und nun mit dem Körper des Betrachters in Kontakt treten. Das Handstück (2011) kann man in die Hand nehmen, das Schulterstück (2011) auf seine Schulter legen und mit dem Teil für Zwei (2010), auf jemanden zugehen und ihm eine Hälfte zum Anfassen anbieten. Die Interaktion unterstützt das performative Element der gesamten Präsentation.

"Schulterstück" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs
"Teil für zwei" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Besonders auffällig sind die vier im Eingangsbereich liegenden, sehr verführerischen, roten Bälle (Four Balls, 2011). Das Rot und ihre Form lassen an Tomaten oder Clownsnasen denken, die als Fährte auf dem Boden ausgelegt sind. An einer zunächst nicht einsehbaren Stelle erhält man einen Einblick in das Innere dieser Objekte, da das Porzellan zersprungen ist. Die vier Bälle sind von einer ägyptischen Tradition, dem  Ritual of the Four Balls, inspiriert.

"Four Balls" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuch

Diese Thronbälle lehnen sich an das Ritual zur Raumdefinition an, werden dabei in die vier Himmelsrichtungen geworfen, erweitern, reinigen und schützen so spirituell den Raum und gehen somit über seine physischen Grenzen hinaus. (Ball Nummer vier wurde von der Vernissage – nach der Übung des Werfens – zu einer Lesung an einen anderen Ort mitgenommen und so aber in verbindender Weise noch weiter von dem Ausgangspunkt entfernt.) Die Bälle werden rasch mit der Hand geformt und zeugen so von der Handgröße der Formerin und ihres individuellen körperlichen Abdrucks.

"Fourth Ball" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs

Der Titel der Ausstellung weist bereits in Richtung Spiritualität, körperlicher und geistiger An- und Entspannung und den dazu gehörenden Übungen: Dies spiegelt sich in der Arbeit Matte (2011, Keramik, Autolack), die ein Hybrid einer Schriftrolle und Yogamatte sein könnte, jedoch durch ihre Materialität eine weitere Ebene erklimmt. Die Verwendung von Stoffen als Raumteiler kann ebenfalls auf asiatische Traditionen verweisen und ruft Assoziationen an Meditationsräume auf. Durch die Wahl von Nessel – in diesem Fall Blindstoff für Möbelpolsterungen mit französischer Naht – und Viskose in Schwefelgelb, Hautfarben und Schwarz wird der Raum leichtfedrig unterteilt. Die sich bewegende Luft bringt die Stoffkörper in Schwingung, sie werden wesenhaft, scheinen selbst zu atmen und sind zudem mit Körperteilen ausgestattet: Sie nehmen einen langsamen, tiefen Atemzug und folgen den elastischen Eindrücken, die von dem Gesellen (Geselle IV, 2011) ausgehen können, einem tanzenden Möbelstück, oder den nachzuspürenden Bewegungen der roten Bälle.

"Element II (Studiolo), Detailansicht" © Courtesy the artist / Bild: Linda Fuchs
TAKE A SLOW DEEP BREATH! ELASTIC IMPRESSIONS
 
im STUDIO
Ausstellung vom 30. 10–26. 11.2011
 
Adalbertstr. 96
 
10999 Berlin
 
s-t-u-d-i-o.net
 
studio.a96 (at) googlemail.com
 
 
 
Die nächsten Möglichkeiten Arbeiten Hella Gerlachs im Original zu sehen sind in München und Berlin.
 
 
 
Hella Gerlach und Kalin Lindena in der Tanja Pol Galerie, München
 
12.01.- 03.03.2012
 
 
 
StipendiatInnen des Arbeitsstipendiums für Bildende Kunst des Berliner Senats 2011
 
21. Januar – 12. Februar 2012
 
Eröffnung: 20. Januar 2012
 
 
 

WG/3ZI/K/BAR – Die dezemberausgabe

Am 8. Dezember ging es zum letzten Mal in diesem Jahr erneut hoch her im Malkasten. Die Sammlerin Julia Stoschek und der Galerist Max Mayer kochten für uns Wurst, Sauerkraut und Kartoffelbrei (deutlich feiner als es klingt); mit Georg Winter, Fritz Balthaus und Malte Rollof wurde auch für geistige Nahrung gesorgt. Wir waren da und haben es einfach genossen.

Ein Bildbeitrag von Sirin Simsek (Düsseldorf)

www.wg3zikb.de
ein haus für künstlerinnen.gäste.freunde

„HOSTED BY“ IM MAP

M-A-P: Diese drei Buchstaben stehen für drei Räume am Bilker Bahnhof und für das dort beherbergte Markus Ambach Projekte. Der Künstler Ambach, der nach dem titanischen B1/A40-Projekt immer größere Aufträge für die höchsten kulturellen Gremien des Landes zu bewältigen hat, hat ein Faible für die systematische Vernetzung und die forcierte Kooperation. Das war schon in seiner Reihe „The Chain“ zu spüren und es ist nicht anders bei der aktuellen Ausstellung „Hosted by“.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Markus Ambach lädt zwei Künstler (Erika Hock, Sascha Hahn) und ein Kollektiv (Volker Bradtke) ein, jeweils einen der drei Räume zu bespielen und zieht sich vollständig aus der kuratorischen Verantwortung zurück –  wenn ich es richtig sehe, hat Ambach an diesem Standort nie eine richtige kuratorische Tätigkeit ausgeübt. Die eingeladenen Künstler laden wiederum andere Künstler ein und generieren so eigene Formen der Kooperation. Es sind drei distinkte Ausstellungen entstanden, die drei völlig unterschiedliche Modi der künstlerischen Zusammenarbeit ausmachen. Ein interessantes Experiment mit ungleichen Ergebnissen.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)

Die Bildhauerin Erika Hock bespielt das Haus M und lädt dazu Kasper Akhøj aus Kopenhagen ein. Auch wenn die zwei Künstler es bisher nicht geschafft haben, sich persönlich kennen zu lernen, führt ihre Assoziation zu einer erstaunlich gut gelungenen Symbiose. Akhøj zeigt hier eine fotografische Installation, bestehend aus zahlreichen projizierten Bildern. Schwarz-weiße, zum Teil grobkörnigen Architekturaufnahmen oder Interieurs wechseln sich mit Portraits von einigen Menschen ab. An den Formen und an der Kleidung erkennt man die intellektuelle Aristokratie der 20er Jahre in ihrer avantgardistischen Umgebung. Scharfsinnige Beobachter identifizieren Le Corbusier und Eileen Gray, zwei Ikonen der Architektur und des Designs der Moderne. Während des langsamen und stetigen Laufes der Bilder erzählt uns eine Stimme  im Hintergrund die Geschichte dieser Menschen und dieser Orte. Es ist ein schönes Märchen um den Bau und die Restaurierung zweier Häuser, um die anekdotische Erfassung eines Inkunabels der Architektur, um die Utopien der Moderne, um die Verschmelzung von Kunst und Leben – wobei Akhøj Fakten und Fiktion eng verwebt und die Aussagekraft der Bilder von seiner Narration abkoppelt. Wir stehen – im postmodernen Sinne – vor einer Erzählung, die sich in den Myriaden von Möglichkeiten zwischen Realem und Möglichem auflöst.

Kasper Akhøj: o.T. (Schindler/Gray) (2009)
Dass diese Arbeit in einem der drei Pavillons des MAP präsentiert wird, also in einer Architektur, die sich selbst um Modernität bemüht, passt wie die Faust aufs Auge. Erika Hock führt die Annäherung noch weiter und gestaltet den langen Raum mit einer Paravent-artigen Abtrennung, die die Projektion von Akhøj umfasst. Ihre Struktur aus Holz und einem seidigen Stoff widerholt den Stahl-Glas-Rahmen des Raumes, der die Distinktion zwischen Innen und Außen operiert. Sie nimmt also eine neue Trennung in den Innenbereich vor, lässt aber aufgrund der bedingten Transparenz des Materials die architektonische Referenz durchschimmern.

Zugleich rahmt sie Akhøjs Arbeit ein und verschafft ihr die notwendige Dunkelheit. Diese Shifters, wie Hock die Modulen nennt, stehen also im stetigen Bezug zu ihrer Umgebung, die zitiert, reflektiert und zurückprojiziert wird. Auch wenn sie zu Diensten der anderen Exponaten zu stehen scheinen und als Projektionsfläche fungieren, schaffen sie es, ihre fragile Autonomie zu bewahren.

Erika Hock: Shifters (2011)
Ein wenig weiter sind zwei Objekte im Schaufenster ausgestellt und liegen da, als ob sie auf den Zugriff eines Design-Liebhabers warten würden. Ihre klaren Strukturen werden teilweise von weichen Konturen abgerundet; eine geschmeidige und elegante Angelegenheit. Auch diese Skulpturen behaupten sich zwischen erlesener Funktionalität und Autonomie. Mit ihren puristischen Linien und edlen Materialien erinnern sie an Designklassiker der Moderne – und weben dadurch eine neue Verbindungslinie zu Akhøjs Thematik.

Aber es bleibt hier alles beim Ansatz. Die Gegenstände – es handelt sich wohl um Zitate vorhandener Art Deco-Möbel –   taugen als Sitz, Regal oder Serviertischchen nichts. Sie sind nutzlose, selbstverliebte Dinge, die nichts anderes als ihre skulpturale Präsenz haben. Das Zusammenspiel beider Positionen erscheint ideal: Akhøj und Hock gewähren ihre Selbstständigkeit bei gleichzeitiger inhaltlicher Durchdringung. Ein feiner Zug.

Erika Hock: o.T. (2011)

Der minimalste Eingriff in den herausfordernden Räumen von MAP liefert Volker Bradtke im Haus A. Das Projekt, das sein bisheriges Lokal auf der Birkenstraße kurzfristig verlassen musste, war sicherlich froh, zwischenzeitlich von Ambach aufgenommen zu werden und die norwegische Künstlerin Toril Johannessen zeigen zu können. Wie gewohnt agiert das Künstlerkollektiv hinter Volker Bradtke gedeckt und aus der Distanz. Die Kooperation, wenn man sie als solche bezeichnen kann, beschränkt sich hier auf ein Kurator-Künstler-Verhältnis. Eine Gelegenheit, die Arbeit von Johannessen kennen zu lernen. Ihr techno-konzeptueller Ansatz bezieht sich auf Fragen der – formulieren wir es mal so: – technologisch bedingten Synchronizität. Zeitgleich zur Präsentation in Düsseldorf werden alle im MAP ausgestellten Arbeiten auch in Oslo gezeigt.

An der großen Uhr, die in einem der verglasten Schlauch der MAP-Räumen angebracht ist, geht der Zeiger höchst unregelmäßig, stockt immer wieder und beschleunigt ruckartig seinen Lauf. Er misst dabei nicht die Zeit, sondern – seinen Impulsen von einem Computer erhaltend – folgt dem Rhythmus des Datenverkehrs im WWW. Wenn dieser hoch ist, dann geht der Zeiger entsprechend schnell. Die Uhr funktioniert also als Pegel der menschlichen Aktivität im virtuellen Netz. Daneben an der Wand sind zwei Grafiken eingerahmt, die den Gebrauch des Begriffs „Synchronicity“ in ausgewählten psychologischen Zeitschriften und des Begriffs „Synchronization“ in naturwissenschaftlichen Zeitschriften vergleichend erfasst.  Hinter der neutral-wissenschaftlichen Fassade des Diskurses und den anhaftenden mise en abyme-Effekt, wirken die Arbeiten etwas zu demonstrativ und  pädagogisch-bemüht. Der intellektuelle Spaß hält sich hier in Grenzen.

Das Haus P ist das problematischste. Anders als bei dem konzentrierten Ansatz von Volker Bradtke und Erika Hock, hat sich Sascha Hahn für eine kleine Gruppenausstellung und für die Konfrontation verschiedener Medien entschieden. Hahn hat dabei ein „Portfolio“ mit vier Positionen aus Berlin erstellt. An sich keine schlechte Idee – aber weil sie so wenig Raum erhalten, bekommen die vier Positionen nicht wirklich die Chance, sich zu behaupten. Lobenswert ist indes die Tatsache, dass der gut gefüllte aber nicht überfüllte Raum ein  (gesamtkompositorisch gesehen) Gegenwicht zu den zwei anderen spärlich bestückten Häusern schafft.

Haus P

Besonders hervorzuheben wäre hier die Arbeit von Jörg Schlürscheid. Auch wenn man über die Angemessenheit der Präsentation nachsinnen kann (ob die Unmöglichkeit, die Installation von allen Seiten wahrzunehmen, Teil der künstlerischen Strategie von Schlürscheid oder nur eine fragwürdige kuratorische Entscheidung ist, könnte hier nicht bestimmt werden), ist sein „Nördlicher Wald“ ein der gelungensten Stück der Ausstellung. Schlürscheid recycelt Sockel aus etablierten Kunstinstitutionen und transformiert sie  in autonomen Skulpturen. Das Sehinstrument „Sockel“, für gewöhnlich ein Behilfsmittel zur Inszenierung und Legitimierung von Bildhauerei, fungiert dank einer minimalen Verfremdung und Neukontextualisierung zu einem künstlerischen Objekt, mit einer weiten Verwandtschaft zum Minimal Art.

Jörg Schlürscheid: "Nordischer Wald" (2011)

Sascha Hahn, der eigentlich aus der Malerei kommt aber eine besondere Vorliebe für das Medium Film entwickelt hat, ist selbst vertreten – „Angela“, ist der Film einer in der Kunsthalle Düsseldorf gedrehten Performance von und mit Angela Fette. Die Avantgarde-Pathetik des Films, der zwischen zwei schwarz bemalten Folien projiziert ist, wirkt ein wenig angestrengt. Hommage oder Kooperation?

Sascha hahn: Angela (2011)

Alexander Lieck ist in erster Linie Maler und hat einen Ansatz entwickelt, der sich nicht ohne Ironie auf die Abstraktionen der klassischen Moderne oder auf heroischen Positionen der nicht-gegenständlichen Kunst der Nachkriegszeit bezieht. Hier ist er mit zwei Bodenarbeiten vertreten, in denen hermetisch-glatte Materialien mit grob gemalten Holzklötzen und –brettern kombiniert werden. Lieck komponiert kleine dreidimensionale, suprematistisch-alike Objekte, die einige Leichen heraufbeschwören; hier ein Malewitsch zum anfassen, da ein Mondrian in der Spielstube und dort ein Schwitters ohne Schutzvitrine. Die xte Lektüre der Avantgarde und ihre universalistischen Anmaßungen sind stimmig und intelligent –  aber es ist eben die xte Lektüre.

Alexander Lieck: o.T. (2011)
Alexander Lieck: o.T. (2011)

Schließlich soll hier die Arbeit von Michael Franz Erwähnung finden. Es handelt sich um sehr unterschiedliche, im gesamten Raum verteilte Papier-Arbeiten. Darunter eine Mandala-artige Filsstift-Zeichnung und eine rätselhafte Collage. Ersteres Stück ist insofern interessant als das Medium relativ selten ist. Es lässt einen groben und nervösen Duktus zu und, durch die konzentriert-penible flächendeckende Technik, die Reminiszenz zur Schulzeit oder zu Hobbykunst schafft, sucht eine widersprüchliche Nähe zur Dekoration. Alles in allem ein desorientierendes Eklektizismus, das in dieser Form etwas profillos wirkte.

Michael Franz: o.T. (2010)
Michael Franz: o.T. (Kupka) (2007)
Michael Franz: o.T. (2011)
„Hosted By“ im Markus Ambach Projekte
Ausstellung vom 6.11- 23.12.2011
geöffnet Mi., Do. und Fre. von 11-16 Uhr
Bachstr. 139-143
www.markusambachprojekte.de

#Köln: Mark Pepper und Thomas Woll: 300 – oder Zur aktuellen Ästhetik des Konsumismus

Der Blogger macht seine Arbeit ja immer dann wenn der eigentliche Broterwerb und all die anderen Zwänge der modernen Konsumgesellschaft ihm Zeit und Raum dafür lassen. Bloggen ist also immer auch Hobby oder – so wie die Modelleisenbahn neben dem Partykeller – auch Option um einer Wirklichkeit zu entfliehen, die für den Blogger, aber auch für viele andere Zeitgenossen zunehmend verstörend, schizophrene Züge annimmt. Bloggen ist demnach Verschwendung, Verausgabung und nach den vorherrschenden, gegenwärtigen Wertvortstellungen sinn- und zweckbefreit, weil eben nicht konsumorientiert und damit nicht der wichtigsten Bürgerpflicht – der Steigerung des BIP – verpflichtet.

Auf diese Tatsache sei an dieser Stelle aus zwei Gründen verwiesen:

1. Weil diese Ausstellung, sowie eine weitere, noch zu behandelnde, mittlerweile mehr als zwei Monate zurück liegt und ganz einfach keine Zeit war, sich früher darum zu kümmern.

und 2. Weil es im September in Köln zwei wirklich außergwöhnlich gute Ausstellungen gab, die sich mit der Ästhetik von Massenkultur und Konsumismus beschäftigt haben.

Köln war und ist, nicht nur wegen der Sammlung im Museum Ludwig, bedeutende Metropole der Popart. Und so war es eben auch nur konsequent, dass Pepper und Woll diese Ausstellung in der Domstadt realisierten.

Zum Projekt 300

In der Einladung zur Ausstellung heißt es trotz der politischen Brisanz der Projekts wie gewohnt lakonisch formuliert „Pepper / Woll verweisen mit ihrer Arbeit auf eine Art Produktionsprozess, indem sie 300 von ihnen erworbene 1.00 Euro Artikel abformen. In der Zeit von 15 Tagen, kreiert das Künstlerduo ein schon in der Entstehung vergängliches Produkt, welches sich durch die Beschaffenheit von Papier, Wasser, Farbe und Leim vom ersten Tag der Erstellung bis zum Tag der Ausstellungseröffnung und darüber hinaus verändert.
Pepper / Wolls ,,300″ lässt auf den ersten Blick eine Rückkehr zu den traditionellen Werten des Handwerks vermuten, doch auf dem zweiten Blick lenken sie das Interesse auf die Behandlung der Oberfläche, jener brüchigen Linie zwischen dem Realen und seinem künstlerisch produziertem Abbild.“

Für den Autor dieser Zeilen deuten sich darüber hinaus auf den dritten Blick noch weitere Bezüge an. So kommt es unwillkürlich zu Assoziationen zu Pier Paolo Pasolinis Freibeuterschriften. Diese Schriften aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind leidenschaftlich formulierte Parteinahme für die von der zweiten Technischen Revolution bedrohte Natur und Kultur des alten, bäuerlichen Italien, dessen Werte Pasolini gegen die heraufziehende Barbarei des 21. Jahrhunderts in Schutz nimmt.
Pasolini schreibt dort etwa in einem Aufsatz über das Verschwinden der Glühwürmchen „Ich gäbe den ganzen Montedison-Konzern für ein Glühwürmchen her: ‚Gegenüber den Methoden dieses „neuen Faschismus“ (Pasolini) erscheint der traditionelle als hoffnungslos veraltet und ineffektiv: Mit Hilfe der elektronischen Medien. Allen voran des Fernsehens, verbreitet der „neue Faschismus“ seine Konsumideologie, gepaart mit sexueller Permissivität und falscher Toleranz. Bis in den letzten Winkel der Erde und nivelliert und standardisiert alle lokalen und regionalen Kulturen zu einem Einheitsbrei.“
Passolini deutet dort mit drastischen Worten eine Eskalation der kapitalistischen Mißverhältnisse an, die aktuell immer deutlicher zu Tage tritt und viele von uns derzeit mehr oder weniger sprach- und orientierungslos zurücklässt.

Auf den vierten Blick bietet sich über den Titel 300 ein Verweis auf die gleichnamige Comicverfilmung von Frank Miller von 2007 an, die sich ebenfalls, wenn auch mit den Mitteln des Films, mit einer Ästhetik der Barbarei und der Massenkultur beschäftigt. Die Artefakte dieser Barbarei der Massenkultur aus den 1-Euro-Shops unserer Welt sind es, die Pepper und Woll hier für ihre Arbeit inspiriert haben. Nach diesen Vorlagen haben die beiden in einer 15-tägigen Akkordarbeit ihre vergänglichen Objekte produzierten und sind dabei wieder einmal an die Grenzen ihrer eigenen Belastungsfähigkeit vor gestoßen. Es hat sich gelohnt!

Die künstlichen Kopien

Im hintersten Raum zu sehen: Die Originale.

300;
Pepper / Woll
Ausstellungsdauer: 3. – 23. September 2011
Kunstverein Kölnberg

FINALE IM INSTITUT FÜR SKULPTURELLE PERIPHERIE

Abschied vom Brizzel. Nach vielen Monaten intensiver und bezugsreicher Arbeit fand am vergangenen Wochenende die letzte Ausstellung der Reihe statt. Friederike Schardt konzentriert sich nun auf ihr Baby und ihre Kunst und überlässt den Raum ihrer bisherigen Mitstreiterin, Pe. Diese hat vor, die kleine Lackierwerkstatt ab März des kommenden Jahres unter dem gleichen Name weiter zu treiben. Dabei wird sie von der Bildhauerin Eva Weinert unterstützt. Das Projekt soll sich nicht wesentlich verändern: Es werden künftig Arbeiten gezeigt , die am Rande der klassischen Skulptur liegen. Für das Finale wurden alle Künstler, die je an der „Brizzel“-Serie teilnahmen, eingeladen. Ein Bildbericht.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Claudia Hinsch (Bild: Pe)
Claudia Hinsch (Bild: Pe)
Julia Bühnagel
Eva Weinert (Bild: Pe)
Friederike Schardt
Thomas Ruch
Thomas Ruch (Bild: Pe)
Danielle Riede (Bild: Pe)
Max Sudhues (Bild: Pe)
Sandra Hoitz (Bild: Pe)
Valerie Krause
Pe (Bild: Pe)
Timka Tewes
Lars Wolter (Bild: Pe)
Eva -Maria Kollischan (Bild: Pe)
links an der Wand: Karsten Weber; rechts: Lars Wolter
Christina Kramer und Sonja vom Brocke (Bild: Pe)
Kai Rheineck (Bild: Pe)
Kai Rheineck (Bild: Pe)
hinten: Alexander Hermanns; vorne: Marie

MÜHLENKAMPF IN GARATH

Don Quichote schlägt zurück – und zwar ausgerechnet in Düsseldorf-Garath. In einem Stadtteil, der eher als sozialer Brennpunkt als eine Brutstätte der Kunst gilt, hatte sich die Gruppe Mühlenkampf bis vor wenigen Wochen eingenistet. Das Kollektiv führte dort viele Wochen lang verschiedene Aktionen durch, die sich alle auf die besondere Situation dieses besonderen Stadtteils bezogen. Nun dass der Winter einbricht zieht sich Mühlenkampf fürs erste zurück und plant die Rückkehr zum Frühling 2012. Eine günstige Zeit für einen Rückblick.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Die Idee der sozialen Plastik wurde nicht mit Joseph Beuys begraben. Gerade am Wirkungsort des Schamanen sind in den letzten Jahren Künstlerprojekte mit einem „sozial-reformatorischen“ Hintergrund entstanden, die als Fortführungen der künstlerischen Utopien der 70er Jahre interpretierbar sind. Auch wenn sie aus einigen Menschen besteht, die gerade eingeschult wurden als Beuys starb, beruft sich Mühlenkampf auf den großen Jupp. Die Gruppe ist von Künstlern, einem Politikwissenschaftler, einer Psychologin und einem Friedensforscher gebildet und versteht sich als offene Plattform zur Transformation der sozialen Realität. Ihre Akteure meiden die Galerie, das Museum und alles, was an einen white cube erinnern könnte. Sie betten ihre konkrete Intervention lieber in den sozialen Raum ein und, in der Tradition einer kontextorientierten, prozessualen Kunst, suchen sie den Dialog mit der Umgebung.

Die Metapher des Kollektiven ist hier nicht – wie sonst üblich in der Szene – die des Unternehmens (Konsortium), der Dienstleistung (interim) oder der Pop Band (Hobby Pop Museum), sondern die der Universität. In ihrer gemeinschaftlichen Erscheinung tritt Mühlenkampf als „Hochschule für Weltgestaltung in ständiger Gründung“ und entwickelt die Vorstellung der Universität als Ort des stetigen Lernens und des Experimentierens. Ein soziales Labor, also, in dem sowohl theoretische als auch praktische Lösungen besprochen und exerziert werden. Anders als bei der Soziokunst-Generation der 1980er Jahre verfügt das Kollektiv jedoch über eine gute Portion Selbstironie und versteht es, soziale Relevanz mit abgeklärter Distanz zu verbinden.

Für ihr Projekt in Garath wurde Mühlenkampf von der Stiftung Vivarte – ein Verein zur Förderung des kulturellen Lebens in dem ansonsten stiefmütterlich behandelten Stadtteils – angesprochen und unterstützt. Ziel war es, eine Arbeit vor Ort zu entwickeln, die auf die Spezifitäten der Schlafstadt eingeht und auf Interaktionen beruht. Die Hochschule bekam ein Apartment in zentraler Lage als Büro und etablierte sich zudem in einem Ladenlokal, um die Nähe zur Garather Öffentlichkeit zu schaffen. Die erste Arbeitsphase bestand aus einer Forschung vor Ort. Für die Fremden von Mühlenkampf ging es darum, den Kontakt zu den Einheimischen herzustellen und die Struktur des Stadtteils zu begreifen. Dabei drehten sie die Idee der Dienstleistung um: Sie forderten die Garather Bevölkerung auf, Stadtführungen gegen ein Honorar zu realisieren. Diese Bürger-Führungen, mit ihrem subjektiven und inoffiziellen Charakter, zeichneten erste Wege einer Handlung.

Die Haupterkenntnis dieser Erkundung lautete: In Garath fließt die Ware hinein und der Verkehr hindurch – aber es gibt kein genuines Garather Produkt, das von dieser Randzone aus in die weite Welt  geht. Garath produziert nichts. Gearbeitet und geschaffen wird woanders. Und dies galt es nun für die Studierenden von Mühlenkampf zu verändern. Im Sommer gestalteten sie Workshops, an denen die hiesige Bevölkerung teilnahm und ihre Ideen einbrachte, um aus dem Stadtteil einen Produktionsstandort zu machen. So wurden Pilze gezüchtet, die an ein benachbartes  Restaurant geliefert wurden, kleine hängende Gärten realisiert, die jeder Mensch an seinen Fenstern anbringen konnte oder Geschichten gesammelt. Darüber hinaus wurde das öde Zentrum des Stadtteils in eine Bühne verwandelt. Regelmäßig fanden dort Aktionen statt, die den ständig fließenden Strom von Menschen in der Fußgängerzone zu verankern versuchte – denn Garath erscheint für viele als ein Ort ohne Aufenthaltsqualität.

Gerade diese letzte Metapher bringt die Arbeit von Mühlenkampf auf den Punkt. Es geht um ein Gestalten des Stroms, um ein Umlenken des sozialen Flusses – eine reine skulpturale Angelegenheit, also. Diese Qualität rückt das Projekt in der Nähe der sozialen plastik, fern von der sozialen Animation.

 
Mühlenkampf kehrt zurück im nächsten Jahr!

SZOBART in BUDAPEST

Die erste Spur auf der Suche nach einer Budapester Off-Initiative führt zu ein Projekt, das  von deutschen Künstlern mitinitiiert wurde: Teresa Szepes, Charlotte Schmid und Eike Harder kuratierten und betreuten für einen Monat “Szobart”. Den ausstellenden Künstlern der Finissage gelang es, sich innerhalb des vom Projekt gegeben Rahmens zu bewegen und gleichzeitig eine eindringliche Ausstellung zu realisieren.

Bilder: Axel Braun

Das Konzept von “Szobart”, bei dem eine wöchentlich wechselnde Künstlergruppe jeweils Freitagabends das Ergebnis ihrer Arbeit präsentierte, schuf einen Freiraum, in dem kontinuierlicher Wandel herrschte und der unabhängig vom institutionellen, Budapester Kunstbetrieb funktionierte. Das Projekt fand seinen Platz in einem leerstehenden Ladenlokal und den darunterliegenden Kellergewölben. Für die letzte Ausstellung wurden drei deutsche Künstler eingeladen, die die Möglichkeit eine ihnen fremde Umwelt zu erkunden nutzten und all jenes, was sie für bemerkenswert hielten, archivierten.

Auf halber Treppe, beim Heruntersteigen in den katakombenhaften Ausstellungsraum, bekommt der Besucher die erste Ahnung von der Grundstimmung der Ausstellung: Er trifft auf einen Index von kleinen, in schwarz-weiss auf Faxpapier gedruckten Fotos, die Ausschnitte aus einem städtischen Umfeld zeigen. Schon diese visuelle Hilfestellung lässt auf einen dokumentarischen Anspruch schließen.

Von hier aus ist gleich auch schon der erste Blick auf die gemeinsame Arbeit von Axel Braun, Colin Penno und Max Schaffer möglich: reconstructed column. Eine archoälogisch anmutende Installation aus mehreren umgefahrenen, aus der Innenstadt zusammengetragenen Straßenbegrenzungen. Trotz ihrer zentralen Positionierung und theatralischen Beleuchtung, passt sie sich durch die minimalistische Formsprache perfekt in den Raum ein, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und ist wohl das eindruckvollste, das Kernstück der Ausstellung. In diesem Exponat verdichtete sich sowohl die für alle drei Künstler typische reduzierte Ausdrucksweise als auch deren gemeinsamer archäologischer Ansatz.

Der Besucher ist nach den ersten, sehr intensiven Eindrücken auf sich gestellt und muss die schlecht beleuchteten, verschachtelten Nebenräume selbst erkunden. Hinten links findet sich, hinter einer Mauer versteckt, die Arbeit von Axel Braun: Über das unverputzte Mauerwerk wurde Schwefelpulver verteilt, das – von einem Spot in Szene gesetzt – den Eindruck enstehen lässt, es würde aus der Wand selbst geradezu herausschwitzen. Die Augen müssen sich erst an die wechselnden Lichtverhältnisse gewöhnen, um dieses bei gebotener Aufmerksamkeit umso eindringlichere Werk wahrzunehmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Backsteingewölbes öffnet sich eine weiterer dunkler Nebenraum. Auch hier gelingt die Irritation durch eine Setzung, die sich die Lichtsituation zu Nutzen macht: Colin Pennos bildhauerische Arbeit erscheint, trotz einer meiner Meinung nicht besonders interessanten Formgebung, aufgrund der geschickten Inszenierung sowie einer zwischen matt und glänzend osszilierenden Oberfläche unheimlich und bedrohlich. Diese Rekonstruktion eines „sich im Umbau befindlichen Kirchturms am Ufer der Donau“ wirkt im Zusammenspiel mit dem ausladenden Gemäuer wie die Hinterlassenschaft eines nicht nachvollziehbaren Vorgangs und bescheinigt Penno einen wachen Blick sowohl für die neue Umwelt als auch für die Räumlichkeiten.

Im gleichen Raum, hat Max Schaffer ein Fax an der Rückseite einer Säule befestigt. Es ist die Kopie eines Briefes den Schaffer beim “Entleeren des Briefkastens einer seit Jahren leerstehenden Markthalle” gefunden hat. Sowohl das Fax wie auch der Rentenkassenbescheid, sind  Relikte des Vergangenen und eine Spur der  Forschungsarbeit der Künstlergruppe.

Ein vierter Raum, vielmehr Lüftungsschacht, ist Ausgangspunkt für das perfomative Element der Ausstellung: Unter dem Eindruck der Bauarbeiten in der Stadt,wurde die Arbeitsweise ungarischer Bauarbeiter ( großer Aufwand, mit relativ bescheidenem Ergebnis) für die Performance übernommen. In einem Lüftungsschacht eingerichteten “Labor” wurde über Stunden, auf umständliche Weise Teer erhitzt; Dieser dann in mehreren Gängen in den oberen Raum gebracht, um eine dort vorgefundene, noch von den Bauarbeiten stammende Unebenheit im Beton, mit Teer auszugießen. In dieser Aktion vereinen sich schlussendlich alle für die Ausstellung bezeichnenden Charakteristika. Eine auf der Beobachtung der Umwelt basierende Vorgehensweise, deren Endprodukt mit Rücksichtnahme auf die Eigenheiten des Raums fragil gesetzt wurde und eine bleibende, aber unscheinbare Spur hinterlässt.

Der bewusste Verzicht auf die oberen, durch Bar und Veranstaltungen belebten Räume, erwies sich als Vorteil für die konsequente Ausstellung. Die Ideen zu den vor Ort geschaffenen Werken wurden im Dialog formuliert und es fand sich sichtbar eine gemeinsame Formsprache. Das Ergebnis waren jedoch  autonome Werke, die allesamt eine Reaktion auf die vorgefundene Raumsituation und das urbane Umfeld darstellten.

Szobart” wurde von Budapestern besonders positiv aufgenommen: Die Offenheit und gleichzeitige Ernsthaftigkeit den Künstlern und Werken gegenüber, positiv aufgenommen. Die Einzigartigkeit dieses Projekts und seine zeitliche Begrenzung wurden mehrfach ausdrücklich bedauert. Ob es sich tatsächlich um einen Einzelfall handelt, wird die Such nach den nächsten off-spaces in Budapest zeigen.

Bandprobe im Kulturpalast Wedding (Berlin)

Bandprobe ist ein Ausstellungsprojekt von Antonia Nordmann und Katja Pudor. Das Konzept: die beiden Künstlerinnen bzw. auch eine zum Projekt eingeladene, dritte Person, treffen an verschiedenen Orten zusammen, um mit vorher festgelegtem Material gemeinsam an einem Werk zu arbeiten. In meist recht kurzer Zeit schaffen sie so raumgreifende Installationen aus malerischen, grafischen und akustischen Elementen. Nach einer Vielzahl von >Bandproben< bespielen Pudor und Nordmann nun den Kulturpalast Wedding. Der Raum ist von den roten, ausgeschnittenen Pinselstrichen Pudors und den an einer Kette aufgereihten, gelben Stoffbahnen Nordmanns durchzogen. Nyla van Ingen hat dem eine klangliche Komponente zugefügt, indem sie den Raum mit Geräuschen, die während des Aufbau- und Entstehungsprozesses entstanden sind, beschallt.

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

v.l.n.r.: Nyla van Ingen, Antonia Nordmann, Katja Pudor
Bandprobe – ein Projekt von Antonia Nordmann und Katja Pudor, Gast: Nyla van Ingen
29. Oktober – 4. November 2011
Kulturpalast Wedding International
Freienwalder Strasse 20
13359 Berlin-Wedding
Kontakt: 0179/2154847
www.kulturpalastwedding.com

FRAUKE BERG UND MAGDALENA VON RUDY IM SLOWBOY

Eine Zeichnerin und eine Videokünstlerin kollidieren absichtlich in einem Plattenlabel. Das Ergebnis: Ein Tremor ersten Grades. Tremor,  der mit „Beben“ oder „Zittern“ übersetzt werden könnte und sowohl eine konvulsionsartiges Zucken der Muskeln als auch die von einem Vulkan hervorgerufenen Vibrationen bezeichnet, ist der Titel der gemeinsamen Ausstellung von Frauke Berg und Magdalena von Rudy im Slowboy.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Frauke Berg und Magdalena von Rudy sind zwei Künstlerinnen mit distinkten Sensibilitäten. Eine gegenseitige Schätzung für ihre jeweilige Arbeit hat sie zusammengebracht, und, weil sie sich auf das Spiel dieser Ausstellung eingelassen haben, haben sie Zeichnungen ausgewählt, die eine unleugbare Verwandtschaft aufweisen.

Frauke Berg und Magdalena von Rudy (Foto: Krischan Ahlborn)

Wer in die zwei distinkten Welten von Berg und von Rudy eintaucht, wird von unwahrscheinlichen Kreuzungen, monströsen Verwandlungen und unmöglichen Überschneidungen überrollt. Es sind Welten der stetigen Metamorphosen. Welten, in denen menschliche Figuren tierische Attribute erhalten, in denen Tiere von vegetalischen Auswüchsen befallen werden, in denen Kreaturen auf den Seziertisch gelegt werden oder in denen amöbenartige Gestalten sich in den Raum ausbreiten, als ob sie aus ihrer amorphen Struktur schlüpfen und zu Körpergliedern mutieren wollten. Es sind Welten der Mehrdeutigkeit, der unfertigen Gestalten, des offenen Raumes, der umgekippten Perspektiven, der unbekannten Folgen und der nicht absehbaren Möglichkeiten.

Zeichnungen von Magdalena von Rudy
Zeichnungen von Frauke Berg

Berg und von Rudy machen – jede auf ihre spezifische Art – Gebrauch von einer Strategie der Windung. Das Fremde offenbart sich erst durch das Vertraute. Das Unheimliche entwickelt seine étrangeté aus seinen gewöhnlichen, ja trivialen Wurzeln. Ansätze werden selten zu Ende ausgeführt, Bewegungen vorgetäuscht und Richtungen abrupt gewechselt. Jedes Motiv hat mindestens eine klar identifizierbare (und unspektakuläre) Reminiszenz; hier ein Kind, da ein Hund, dort ein Tisch, eine Gurke oder ein Gesicht. Eine Verschiebung der räumlichen Ordnung, eine unerwartete Färbung eines Bildteils, eine Überlappung von Motiven bringen aber diese banalen Formen in einen neuen, verstörenden Zusammenhang.

Frauke Berg

Trotz ihrer Gegenständlichkeit, die surrealistische Collagen evozieren, sind weder die Zeichnungen von Frauke Berg noch die von Magdalena von Rudy narrativ angelegt. Sie verzichten meistens auf Raumangaben, auf eine natürliche Umgebung oder einen erzählerischen Rahmen. Sie fokussieren beinahe ausschließlich auf ein Motiv, das in dieser Prägnanz die sprachliche Klarheit und Eindeutigkeit des lógos erhält.Beide Ansätze nähern sich dem Seltsamen, Nebulösen und Undefinierbaren mit einer erstaunlich präzisen Akkuratesse.

Magdalena von Rudy

Die Motive der beiden Künstlerinnen entstehen nicht aus dem Bauch oder aus einem „Gefühl“ heraus. Ihre Mal- und Zeicheninstrumente sind nicht die Seismographen der Seele oder des Herzens. Sie sind die ausführenden Organe einer rational urteilenden Instanz. Diese Zeichnungen sind nicht der Ausdruck von spontanen Visionen, authentischen Alpträumen oder erlebten Phantasmen. Auch wenn sie nicht eindeutig sind, sind sie das Produkt eines analytischen Prozesses.

Sound-Performance von Frauke Berg zum Finissage. An der Wand ein Video von Magda von Rudy (Foto: Krischan Ahlborn)

Beide Ansätze nähern sich dem Seltsamen, Nebulösen und Undefinierbaren mit einer erstaunlich präzisen Akkuratesse. Die pointierte Linie von Berg oder der klar umrissene Pinsel von von Rudy bringen genau auf den Punkt, was sie gleichzeitig verbergen und verfremden. Ambivalente Botschaften werden eindeutig formuliert. Alles in allem erzeugen sie keine Atmosphäre, sondern artikulieren eine Sprache – wie fremd und unzugänglich diese Sprache auch immer sein mag.

Günter Herke vom Slowboy
 
Slowboy
Oberbilker Alle 290
Ausstellung „Tremor“ 1.10. – 28.10.2011
www.slowboy.de
 

FUZZY DARK SPOT im Raum für Zweckfreiheit (Berlin)

Der Raum für Zweckfreiheit ist genau ein solcher. Er wandelt nach Bedarf seine Funktion: Neben Ausstellungen finden Filmvorführungen statt, ebenso transformiert er sich zur Werkstatt, in der gearbeitet wird und Besprechungen erfolgen. Den Raum für Zweckfreiheit als Off-Kunstraum gibt es seit Ende 2007. Bisher haben 13 Projekte stattgefunden, für die Jan Ketz verantwortlich war. Mit dem neuesten Projekt hat Wolfgang Oelze den Titel der Ausstellung mit Bravour verteidigt.

von Julia Wirxel  (Berlin)

li.: Goesta Dierks: Best Practice; re.: Heike Mutter und Ulrich Genth: o.T.

Die aktuelle Präsentation ist etwas Besonderes. Der Künstler Wolfgang Oelze hat die Auswahl der Positionen getroffen. Neben eigenen Arbeiten sind Werke von John von Bergen, Goesta Diercks, Heike Mutter und Ulrich Genth, Stefan Panhans, Alexander Rischer, Oliver Ross und Andrea Winkler zu sehen. Der Titel der Ausstellung ist metaphorisch zu verstehen: Man betritt hier keine Black Boxes oder hält sich nicht an einem dunklen Ort auf, um Diaprojektionen zu betrachten. Den Betrachter auf eine ungewisse oder falsche Fährte zu locken oder die intellektuellen Ausschweifungen in der Kommunikation der Arbeiten untereinander und in Bezug zum Ausstellungstitel zuzulassen ist ein typischer Zug für den Raum. Dabei werden die Kunstwerke allerdings nicht als dröge Belege für verschwurbelte Thesen missbraucht. Fusselige, verschwommene, unscharfe dunkle Flecken sind auf eine je besondere Weise in allen ausgestellten Arbeiten zu entdecken. Wenn man sich nur lange genug mit ihnen auseinander setzt und ein wenig mehr über sie und ihren Entstehungszusammenhang erfährt, können sie auch sehr erhellend werden. Oder, wie es Jan Ketz betont, handelt es sich um in der Luft hängende „Fragezeichen“, die immer wieder in Verbindung mit den gezeigten Arbeiten entstehen.

li.: Heike Mutter und Ulrich Genth; vorne re.: Oliver Ross: Engung und Weitung

Bei Heike Mutter und Ulrich Gerth lässt ein Bewegungsmelder ein ansonsten unbewegliches Objekt (o.T., 2010) in hoher Geschwindigkeit um sich selbst drehen, so dass ein kühlender Luftzug durch den Raum fegt. Die aus Stahl, Aluminium und Styropor bestehende Arbeit dreht sich wie ein wild gewordener Bulle und ist durch ihre so entstehende Unschärfe kaum zu fassen. Wenn man den hellen Schweif entdeckt hat, denkt man einmal mehr an ein Tier oder elektronisches Bullriding. Im Ruhezustand klingen kristalline Formen an, die an die kubistischen Züge der Tiere Franz Marcs erinnern (wenn man in die ferne Kunstgeschichte ab-schweift). Viel wichtiger ist aber das Material  Styropor; ein banales Baumarktmaterial, das sich immer noch ein wenig gegen die gängigen skulpturalen Werkstoffen auflehnen darf. Es handelt sich um weißes Styropor, das in seinen Einzelteilen exakt aneinandergefügt und auf einer grauen Metallkonstruktion platziert wurde. Einer weiteren Tradition sind die beiden Künstler verhaftet, wenn sie in ihren Materialangaben das Publikum nennen. Ohne sie und ihre physischen Bewegungen kann sich die Arbeit nicht entfalten, ist unfertig. So ist dem Styroporobjekt, der Maschine, der Bezug zur Performance immanent, obwohl die Künstler selbst oder eine andere Person nicht anwesend sein müssen. Sie verschwinden im Fuzzy Dark Spot.

John von Bergen: Sentimental and Non-Sentimental Monuments to Failure (Screwgun)

Auch John von Bergens Arbeiten erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Der Akkuschrauber, dessen obere Hälfte fehlt, wirkt zunächst wie eine Edelvariante aus Metall. Oder man verliest sich und leitet vom Titel „gun“ (Sentimental and Non-Sentimental Monuments to Failure (Screwgun), 2007) zunächst eine Waffe her. Der Schraubendreher ist hier selbst verdreht, so als sei er unter eine Schiffsschraube gekommen oder als eine unmenschlich kräftige Person das Arbeitsgerät genommen und in einem Wutanfall in zwei Teile zerlegt hätte. Aber es handelt sich nicht um Metall, sondern um Polymer-Gips, Glasfaser und Graphit, durch den die metallene Farbigkeit und der Glanz entstehen. Genauso gehört das recht zarte Regal zu der Arbeit. Auch hier geht man zunächst dem Künstler auf den Leim: Diese dünne Platte ist ebenfalls extra aus Gips gegossen worden.

li.: O. Ross: Engung und Weitung; re. Wolfgang Oelze: Wyoming # 4

Die anderen Arbeiten der Ausstellung, schwarz-weiße und farbige Fotografien, Rauminstallationen, Wandarbeiten und Drucke behandeln die Schärfe und Unschärfe, wie in Wolfgang Oelzes Fotografie „Wyoming #4“, in der geheimnisvoller Rauch ins seiner Vergänglichkeit festgehalten ist und an einen Spuk erinnert und dessen Herkunft vielleicht ganz profan vom Künstler aufgelöst werden kann. So ist es dem Künstler in seiner Auswahl gelungen, die Ungenauigkeit und das „Dunkle“, Ungeklärte in seiner Unschärfe exakt auf den Punkt zu bringen.

Raum für Zweckfreiheit
Ausstellung vom 24. September bis 23. Oktober 2011
Adalbertstr. 71, Hinterhaus
www.zweckfreiheit.de
Jan Ketz 0163 1622 339
Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 16.30 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung
www.fuzzydarkspot.biggerthanlife.de
 
 
KINO in der Werkstatt 20 Uhr Einlass, Beginn: 20.30 Uhr
Sonntag 06.11. 2011 Do You Remember Sarajevo? (BiH 1999)
Sonntag 04.12. 2011 A Woman Under the Influence (USA 1974)

Aberle, Lorenz und Tetzlaff im Kunstraum

Wie gestern angekündigt setzen wir unseren kurzen Exkurs in die institutionelle Kunstsphäre der Landeshauptstadt fort. Mit dem Kunstraum wagen wir uns allerdings nicht zu sehr ins Offizielle und erwähnen hier dank eines reinen Bildbeitrags die vierte Ausgabe der Ausstellungsreihe „5 X 3“, für die die Arbeiten der Kölner Künstler Christian Aberle, Tamara Lorenz und Jürgen Tetzlaff zusammen getragen wurden. Kuratorin ist Elke Kania.

zwei Objekte von Tamara Lorenzaus der vierteiligen Installation "Favorisierte Version Nr. 13"

a.d. Wand: J. Tetzlaff; vorne: T. Lorenz
a.d. Wand: C. Aberle; vorne: T. Lorenz
Jürgen Tetzlaff
Jürgen Tetzlaff
Christian Aberle
(v. l. n. r.): Tamara Lorenz, Jürgen Tetzlaff, Christian Aberle
Elke Kania

Alexis Dirks im Atelier am Eck

Aufgrund der relativen Apathie, die die Düsseldorfer Off-Szene ergriffen hat, blicken wir ausnahmsweise auf das Atelier am Eck und den benachbarten Kunstraum. „Ausnahmsweise“ weil die zwei Räume im Düsseldorfer Süden eigentlich nicht zur Kategorie der selbstorganisierten Künstlerprojekte gehören und daher wenig in diesem Magazin zu suchen haben. Die federleichten Strukturen werden vom Kulturamt finanziert und bilden – immerhin – einen Ort, an dem junge Positionen einen ersten Kontakt zur Öffentlichkeit erproben können. Heute fangen wir mit der Ausstellung von Alexis Dirks im Atelier am Eck an. Dirks ist die aktuelle Stipendiatin des Landes NRW und zudem schottische Austauschkünstlerin der Stadt. Morgen geht’s weiter mit dem Kunstraum. Status: No comment (aber die Raumcollagen von Dirks sind kleine Perlen, die man sich nicht entgehen lassen sollte!!).

li.: Medals (2011), Öl / Giclee-Print; re.:Sepia Circle (2011) Collage
Double Flash (2011), Öl / Giclee-Print
A New Woman (2011) Giclee Print
Roman Forest (2011) Inkjet Print
Alexis Dirks

Netzkunst meets Streetart – #Release1

In letzter Zeit ist es etwas ruhiger hier gewesen, das wissen wir. Aber bevor sich unsere treuen Leserinnen und Leser nun Sorge machen, dass diesem ambitionierten Onlinemagazin schon nach kurzer Zeit wieder die Luft ausgegangen sein könnte, hier die Entwarnung.
Keine Bange, keine Panik, wir können Euch beruhigen!
Denn wir sind nach wir vor da, arbeiten weiter, werden auch so schnell nicht verschwinden, sind höchst aktiv, nur momentan einfach mit einem weiteren Projekt voll und ganz ausgelastet, weil auch unser Tag leider nur 24 Stunden hat.
Der Teaser des erwähnten, weiteren Projekts hängt schon seit einigen Woche hier auf der Seite und so mancher Leser hat schon einen mutigen und schnellen Click gewagt (das verraten zumindest die Logfiles des Servers).

TransPrivacy – Netzkunst meets Streetart hat nach Monaten der Vorbereitung endlich begonnen. In den nächsten 4-5 Wochen werden auf den Straßen Düsseldorfs internationale Künstlerpositionen gezeigt, die es so bisher noch nicht in unsere Weltmetropole der Kunst am Rhein geschafft haben.
Das Projekt legt den Fokus auf die Netzkunst und transferiert die dort vertretenen künstlerischen Positionen aus der Medienöffentlichkeit in den öffentlichen Raum der Stadt. Thema von TransPrivacy ist der Wandel der Begriffe des Öffentlichen und des Privaten im Kontext der Digitalisierung und Vernetzung der Welt. Neben den bereits erwähnten Positionen der Künstler, werden Wissenschaftler, Autoren und Blogger im Blog auf der Webseite mit Textbeiträgen auf das Thema eingehen und Stellung beziehen. Es wird spannend!

Aktuelle Infos immer auf der Webseite des Projekts, auf Twitter, Google+ und auf facebook. Die Bilder der ersten Release sind auf flickr zu sehen, natürlich unter CreativeCommons-Lizenzen.

TransPrivacy – Netzkunst meets Streetart

Release1

Filippo Minellie – In your Ass

Stefan Riebel – ‚In silent memory of a time before Google (B.G.)‘

Vera Lossau und Maren Maurer im Raum für Kunst

Wie konnte das denn bloß passieren? Das Show-Room-Projekt von Matthias Emtges, schlichtweg „Raum für Kunst“ genannt, war uns bisher entgangen. Dabei existiert der kleine Raum in Oberkassel seit über zwei Jahren. Und zeichnet sich mit einem konsequenten und schlüssigen Programm aus. Die aktuelle Präsentation im Raum für Kunst bringt Vera Lossau und Maren Maurer zusammen.

Die zwei Künstlerinnen, die hier bereits jeweils eine Einzelausstellung hatten, haben die Show gemeinsam konzipiert – eine vernünftige Angelegenheit angesichts der gedrängten Maßen des Raumes – und beziehen sich auf A Room of One’s Own, einem Text von Virgina Woolf. Ein Stapel von fotokopierten Exemplaren des Büchleins begrüßt den Besucher direkt am Eingang der gefühlten 20 m² des Ortes.

Wer sich darauf einlässt und die Hefte durchblättert, wird immer auf Stellen stoßen, die Lossau und Maurer jeweils unterstrichen haben. Ein eigenes Zimmer, wie die deutsche Fassung des Buches heißt, handelt von dem freien Raum, den sich Künstlerinnen und Autorinnen erkämpfen müssen. Damit ist jener physische Raum gemeint, der zur Produktion einer künstlerischen Leistung notwendig ist; selbstverständlich ist hier aber auch der psychische und geistige Raum intendiert, den Frauen zu Woolfs Zeit nur umständlich für sich gewinnen und gestalten konnten. Dass die Hommage an die britischen Autorin von zwei zeitgenössischen Künstlerinnen in einem Raum namens Raum stattfindet, erscheint ja… angemessen.

Der Ausgangspunkt ist also eine Reflektion der Bedingungen einer schöpferischen Tätigkeit aus weiblicher Perspektive; und Gott sei Dank wird dieses schwerfällige (wenn auch legitime) Sujet nicht allzu stringent behandelt. Lossau und Maurer hantieren nicht mit der pädagogischen Keule, sondern interpretieren die Arbeit und Haltung von Virginia Woolf auf differenzierte und persönliche Weise. Der Raum ist intelligent bespielt und ausgewogen verteilt. Während Lossau streut, unterschiedliche Ebenen okkupiert und vorhandene Einrichtungselemente in ihre Intervention integriert, konzentriert sich Maurer auf eine Wand.

Vera Lossau: o my dog

Die Arbeit von Vera Lossau weist diese sonderbare Mischung aus Humor, Sarkasmus, poetischer Feinheit und latent kritisch-entblößender Haltung auf, die wir bereits in anderen Zusammenhängen gesehen und gemocht hatten. Ihr präziser Blick verweilt auf banalen Situationen mit lachhaftem Potenzial und transformiert sie dank einer unmerklichen Verschiebung in existentielle Metaphern. Wie in ihrer Videoarbeit o my dog, in der die (nicht immer geglückte) Dressur von Hunden zu einer ebenso irrwitzigen wie auch leicht deprimierenden Angelegenheit gemacht wird. Bello muss zwar nicht ganz über seinen Schatten springen, das Durchbrechen des Rings of Fire evoziert jedoch einen dramatischen rite du passage, der, um das Groteske der Situation zu vollenden, von einer verzerrten und debil klingenden Fassung von Amazing Grace begleitet wird.

Vera Lossau: o.T.

Auch eine wunderbar kleine, zierliche, fragile Plastik aus Zinkguss hat Lossau im Raum platziert. Zwei verbrannte Streichhölzer, die sich vorsichtig umringen wie Balletttänzer, sind auf einem überdimensionalen Sockel befestigt worden. Die Vanitas-Symbolik gepaart mit der erloschenen Dynamik dieser zwei winzigen Objekte hat etwas Rührendes und Herzbewegendes – ohne sentimental zu wirken. Aber als ob sie sich fürchten würde, schmalzig zu wirken und ins Pathetische zu verfallen, demontiert Lossau die Sensibilität ihrer Arbeit und verpflanzt sie auf einem betont klotzigen Sockel, der die hochfeine Poesie bewusst und gezielt monumentalisiert – und dadurch bricht. Ist das eine Maßnahme der Selbstironie, um den Hang zur Romantik zu verbergen?

Mauren Maurer: Triangle I-III

Die wohl bekannteste Anekdote über Virginia Woolf betrifft ihren Besuch des hochgesicherten und geheimen Kriegsschiff Dreadnought: Mit ein paar anderen Freunden schminkte und verkleidete sich die Schriftstellerin zu einem orientalischen Diplomat und erhielt einen würdevollen Empfang der britischen Marine auf dem Schiff. Maren Maurer erwähnte diese Geschichte, als sie mit mir über ihre neueste Assemblage Triangel I-III sprach. Zu sehen waren drei eingerahmte Dreiecke, die auf einem grünlichen Mantelstoff hingen. Je nach Orientierung seiner Spitze ist das Dreieck entweder das Symbol der Dreifaltigkeit oder ein Zeichen, das an weibliche Geschlechtsteile erinnert. Maurer, die sich in ihren letzten Arbeiten mit der modischen, gesellschaftlichen und politischen Tragweite der Intimfrisur beschäftigte, hat sich hier für die sexuelle Orientierung der Form entschieden – also mit der Spitze nach unten – und das Innen des Dreiecks mit unterschiedlichen Texturen und Strukturen belebt.

Das Sichtbarmachen des Intimen, auch in ihrer kodierten Ausprägung, das Umkehren des innen nach außen, die Tarnung (der Stoff, der als Rahmen der drei eingerahmten Bilder diente, evozierte ein Camouflage) und das Thematisieren der Weiblichkeit waren die offensichtlichen Bezügen zu Woolf und zur Dreadnought-Episode. Der Clou der Assemblage war ihre unsichtbare Komponente: Hinter dem Stoff verbarg sich nämlich eine Tür. Und im Zusammenhang mit der sexuellen Konnotation der Arbeit bekam diese Tür eine starke Präsenz, die das Ensemble noch aufwertete. Unwillkürlich müsste ich an das letzte Werk von Marcel Duchamp denken.

Marcel Duchamp: Etant donné...
Marcel Duchamp: Etant donné...

Alles in allem also eine feine, ausgewogene und intelligente Ausstellung, die sich zwar schnell erfassen lässt, doch Einiges an Aufmerksamkeit fordert. Mit seiner Wahl hat Matthias Erntges hier zweifelfrei eine gute Hand aufgewiesen. Ohne Allüre investiert der eigentliche Kulturmanager viel Zeit und Geld in ein idealistisches Projekt, das langfristig konzipiert ist. Kein Glam-Faktor, kein aufgeblasenes Ego und Kommunikationsterror auf die sozialen Netzwerken, aber ein Programm, das, jenseits jenes kommerziellen Druckes, eine  Möglichkeit zum Experimentieren ermöglicht. Das spricht sich herum: Dass Erntges mit Künstlern kooperieren darf, die in manchen namhaften Galerien vertreten sind, ist als Zeichen der Anerkennung und des Vertrauens zu bewerten. Außerdem gehört er möglicherweise zu den letzten Kuratoren auf Erde, der Einladungskarten zu seiner Ausstellungen mit handgeschriebenen Adressaten und auf postalischem Weg versendet… Das nennt man Stil.

Vera Lossau
Maren Maurer
Raum für Kunst
Sonderburgerstr. 2
D’dorf-Oberkassel
www.raumoberkassel.de

Verstecken und Entdecken zu den Kunstpunkten 2011

Kunst und künstlerisches Schaffen hat immer auch etwas mit dem bürgerlich geprägten ‚Märchen vom Entdeckt werden‘ zu tun. Darin wirkt der Künstler Jahrzehntelang unbeirrt im stillen Kämmerlein vor sich hin, bis eines Tages endlich der Durchbruch und die damit verbundene finanzielle Entlohnung für all die Mühen der durchlittenen Armut kommt.
Und wir wollen Ehrlich sein, es ist nicht einfach sich von dieser Wunschvorstellung zu befreien – denn wer wünscht ihn sich nicht, den Sechser im Lotto.

Doch es ist zu einfach, sich diesem hartnäckigsten aller Mythen des Kunstsystems mit abgeklärtem Spot anzunähern. Wer sich mit dem Prozess des künstlerischen Schaffens Abseits des Glamours beschäftigt, der merkt sehr schnell wie prekär die Arbeits- und Lebensumstände oftmals sind. So braucht es wirklich nicht viel Phantasie um sich auszumalen wie empfänglich mancher dort für Märchen wird.

Und während etwa der Akademie Rundgang in Düsseldorf jedes Jahr – mittlerweile eigentlich fast ausschliesslich – die Aura der sexyness und coolness junger, aufstrebender Kunststars versprüht, bieten die Kunstpunkte oftmals einen Blick auf die andere Seite ein und des selben Systems.
Denn in zahlreichen, offenen Ateliers ist die Symbiose aus Warenfetisch und Kunstwerk offensichtlich nicht geglückt. Und so sind die gebotenen Einblicke  für den sensiblen Betrachter in vielen Fällen auch mit einer gewissen Tragik verbunden, die der Erkenntnis entspringt, dass all zu vielen Künstlern der große Durchbruch für immer versagt bleiben wird.

Wobei die Tragik ja nicht darin begründet liegt, dass es dem Künstler oder der Künstlerin nach gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen an Erfolg mangeln würde. Die Tragik basiert eben vielmehr darauf, dass der zugrundeliegende Mythos an zu vielen Orten offensichtlich nicht entzaubert und kein adäquater Umgang damit gefunden wurde.

Ein weiter Weg

Das war jetzt zugegeben recht Weit ausgeholt, für einen Beitrag, in dem es eigentlich um einige Bilder eines einzigen Atelierbesuches anlässlich der Kunstpunkte 2011 geht.
Aber es passt dann doch, denn der Weg zu diesem Ort war ebenfalls lang und führte auf ziemlich verschlungenen Wegen durch das irgendwie doch recht eigenartige Terrain Oberkassels.

Und natürlich geht es hier nicht ohne Grund um Entdecken oder Verstecken und damit verbundene Erfolge und Mißerfolge. Denn bei den Künstlern die sich am hintersten Ende der Böhlerwerke, ganz am Ende von Oberkassel, am Rand von Düsseldorf eingerichtet haben, war die oben beschriebene Tragik trotz der offensichtlichen Abgeschiedenheit nicht zu erkennen. Denn der abgelegene Ort auf dem Werksgelänge erschien nicht als Verbannung oder als ein Abgeschoben-und-von-der-Welt-vergessen sein, vielmehr hatte es etwas von einem gut behüteten Rückzugsgebiet. Die abgelegene Ecke erscheint dem Besucher als ein Ort der überhaupt nicht darauf aus ist entdeckt zu werden. Um so schöner wenn es einen über lange Umwege dann doch dorthin verschlägt.

Und jetzt die Bilder.

Hansaallee 321, Ateliergemeinschaft auf dem Gelände der Böhler Werken

Julia Alberti, Annette Gut, Sigrid Haun, Martin Lampe und Marta Pankratova sowie Michaela Masuhr

Werkstattausstellung

Martin Lampe

entzaubert Künstlermythen und entgeht der Tragik


Museum im Koffer [MiK.]

Sigrid Haun

Weitere Bilder ohne Kommentar

Arbeiten verschiedener Künstler, deren Namen gerade leider nicht zur Hand sind.

KUNSTPUNKTE 2011: FOTOSAFARI TEIL II – Update

Same procedure as last week. Unser bravouröses Team kennt kein Wochenende und schwitzt oder macht sich nass um Bilder der Kunstpunkte 2011 zu fangen. Wie bereits erwähnt: Folgende Fotostrecke ist das Produkt einer unsystematischen, nicht-selektiven Jagd.

Indes erscheint ein Fazit der diesjährigen Veranstaltung nicht einfach. Geklagt wurde in zahlreichen Ateliers über den niedrigen Zulauf, mit einem geschätzten Rückgang der Besucherzahl von bis 50% im Vergleich zum letzten Jahr. Ein paar Künstler waren auch über den wahrgenommenen, stetigen Qualitätsverlust der Kunstpunkte verärgert. Und auch uns erschien es, als seien mittlerweile doch ein wenig zu viele Bastler, Kunstkrempel-Produzenten, Hobby-Maler und kreative Hausfrauen ins Boot gesprungen. Manche Ateliers erinnerten doch leider sehr an Weihnachtsbuden oder Schulkirmess-Stände, mit Früchtetee und erschwinglichem, selbstgemachtem Buntkrams als an richtige Produktionsstätten der Kunst – hier besteht die Gefahr längerfristig die Seriosität und Relevanz des Projektes in Frage zu stellen. Mehr denn je zuvor vernahmen wir während unserer Tour Künstlerstimmen, die eine Selektion der Teilnehmer forderten.


URSULA STRÖBELE UND GÄSTE

 

JOHN DUNN

URSULA STRÖBELE

HERBERT WILLEMS

SUSANNE FASBENDER

JOCHEN SAUERACKER

NICOLE MORELLO

NORIKA NIENSTEDT

MICHAEL JONAS

JOACHIM STALLECKER IM RAUM FÜR MALEREI

MARKUS KOTTMANN

Foto: Sabine Krogel
Foto: Sabine Krogel

AXEL HIPPE

SYLVIE HAUPTVOGEL

DANIELA S. BAUMANN

CHRISTA VON SECKENDORFF

ISABEL OESTREICH IM PLAN.D.

MAUDE MARIS

SYBILLE BERKE

JAN KOLATA

SOHEI HASHIMOTO

ANJA GARG

Peter Schmidt

KENNT POLEN KEIN OFF?

Dank eines Austauschprogramms des Adam-Mieckiewicz-Instituts habe ich die Chance und die Ehre gehabt, eine Woche lang in Polen mit einer kleinen Gruppe von Künstlern und Kuratoren zu verbringen. Das Programm war sehr reichhaltig – und ich habe trotzdem jede Lücke genutzt, um mehr über die polnische Off-Szene in Erfahrung zu bringen. Dabei bin ich zu ersten Erkenntnissen gekommen: Polens Künstler sind nicht auf die Alternative erpicht.

In Warschau

Warschau, Lodz und Krakau waren die drei Stationen einer Studienreise, die hauptsächlich aus Galerien- und Museenbesichtigungen sowie aus Gesprächen mit  einheimischen Kuratoren, Institutionsleitern und wenigen Künstlern bestand. Ich könnte hier im Allgemeinen über die erstaunliche Vitalität und das unleugbare Selbstbewusstsein eines Kunstbetriebes berichten, das sich clever zwischen Osten und Westen zu positionieren weiß, will aber der Prägnanz halber nur auf die Aspekte eingehen, die mit einer selbstorganisierten Künstlerschaft zu tun haben.

Łódź Kaliska, Jahrgang 1988

Da ich mit sehr beschränkten Vorkenntnissen der dortigen Verhältnisse auftrat und nicht wirklich hoffte, zufällig dem Herz der Warschauer Subkultur zu begegnen, begann ich direkt, bei Kuratoren, Künstlern und Museumsleitern systematisch nachzufragen. Und bekam da von allen Seiten die gleiche Antwort: Es gibt momentan in Polen keine erwähnenswerte Off-Szene. Damals, ja, vor der Wende, als die furiosen Neo-Dadaisten der Gruppe Łódź Kaliska noch für Zensur sorgten und nicht zur Touristenattraktion verkommen waren (www.lodzkaliska.pl)… Damals, ja, da war etwas, das die Idee einer selbstorganisierten, nicht-institutionellen Kunstszene noch vertrat. Aber heute… Nein, heute sei es entschieden anders.

Jeder Befragte versicherte mir, dass es in Polen so gut wie keine Off-Szene in den Bildenden Künsten gibt. Die meisten von ihnen, wenn auch gut informiert, vernetzt und in ständigem Austausch mit der lokalen Kunstszene, konnten mir keine Hinweise auf eine einigermaßen strukturierte Alternative geben. Adam Mazur, Kritiker und Kurator im Centrum Sztuki Współczesnej, im Schloss Ujazdowski und einer der führenden (Vermittler-)Köpfe der polnischen zeitgenössischen Kunst, gab mir auch direkt zu Anfang eine gute Erklärung: Den Künstlern geht es in Polen zu gut. Eine zynische Antwort?

Das Centrum Sztuki in Warschau mit einer künstlerischen Intervention

Nach Mazur haben die meisten jungen Künstler in Polen keine Zeit und keine Lust, sich am Rande des etablierten Kunstbetriebes zu organisieren – denn sie werden von Anfang an Bestandteile des Kunstbetriebes. Mit 24, 25 Jahren wird der Nachwuchs direkt von der Kunstakademie abgeholt und vor das Publikum gezerrt. „Es gibt überall im Land junge Kuratoren, die nur noch nach jüngeren Künstlern Ausschau halten und diese schnell lancieren wollen“, erzählte mir Mazur, dessen Worte von einem – tatsächlichen sehr jungen – Kurator an seiner Seite bestätigt wurden. Die Sammler und die Institutionen seien so scharf auf neue Positionen, dass es keine Notwendigkeit zur Selbstorganisation, hieß es. Polen, das Schlaraffenland für zeitgenössische Künstler? Es kann sein, dass Mazur das Bild ein wenig zu kontrastreich zeichnet, aber, angesichts der vielen Bestätigungen seiner Kollegen, muss etwas Wahres dran sein.

Das MS2 in Lodsz. It's so professional.

Was passiert aber mit denjenigen, die nicht direkt in das System integriert werden und nicht früh gepflückt werden? Denn letztendlich wird nicht jeder Absolvent einer Kunsthochschule zum gefeierten Nachwuchskünstler der Nation gekürt. Gründen sie dann Künstlergruppen und erobern sie auf eigener Faust Ausstellungsräume, um ihr Schicksal ein wenig auf die Sprünge zu helfen? Versuchen sie, ihre Arbeit an die Öffentlichkeit zu bringen? Nein – diese Unglücklichen, so meine verschiedenen Quellen einhellig, arbeiten weiter vor sich hin und schlagen sich mit Gelegenheitsjob durch. Die Vorstellung, selbstständig initiativ und zu einem Unternehmer seines Selbst zu werden sei ihnen völlig fremd. Mit der stoischen und gleichgültigen Resignation eines Oblomov, warten sie.

Das frisch eröffnete Mocak in Krakau

Und was passiert aber mit denjenigen, die aus ideologischen und idealistischen Gründen entschieden haben, die Alternative zu wählen? Was ist mit den Querköpfen, die die Regeln des herrschenden Kunstbetriebs nicht akzeptieren? Die gibt es einfach nicht, so Mazur weiter. Die jungen, polnischen Künstler suchen das System anstatt es umzugehen. Sie wollen die  Integration, die offizielle und kommerzielle Anerkennung und interessieren sich für diese Chimäre namens „Selbstbestimmung“ (ein sehr westliches Konzept) keineswegs. Ein wenig enttäuscht fing ich langsam an, mich mit der Tatsache abzufinden, dass es in Polen keine nennenswerte Off-Szene gibt.

Kurz vor meiner Abreise jedoch, als ich an einem Abend in Lodz (die polnische Hauptstadt des Theaters und eine Hochburg des Films) herumspazierte, entdeckte ich in einem Innenhof eine Szenerie, die mich wieder an eine selbstorganisierte Künstlerschaft hoffen ließ. Dort fand eine  Gruppenshow statt, die in Zusammenarbeit zwischen der Kunsthochschule von Lodz und Krakau entstanden war. Im Jazzga (eigentlich eine Musikkneipe) und in dessen Vorhof wurden fünf Leinwände auf Behilfsgerüsten gespannt, um Filme und Videoloops zu projizieren. Gezeigt wurden kurze, vorgefundene Filmsequenzen, die die Studenten jeweils verarbeitet hatten – es war also eine akademische Übung, dessen Ergebnissen an einem unakademischen Ort präsentiert wurde.

Loopimy sie hieß die Show –  ein Wortspiel, dass, neben der Loop-Komponente, ein bisschen klingt wie „wir mögen uns“ oder „wir starren“. Interessante, wenn auch nicht weltbewegende Beiträge, tolle Location, extrem angenehme Atmosphäre. Das Ganze wurde von Łukasz Ogórek und Ola Knychalska organisiert. Ich habe da einige Menschen kennen gelernt, die mir zwar bekräftigt haben, dass die artists-runned-spaces in Polen nicht gerade wie Pilze aus dem Boden schießen, mich aber trotzdem an weitere Projekten dieser Art verwiesen haben. Darauf werde ich zu einem späteren Zeitpunkt zu sprechen kommen.  Also gibt es doch eine aktive Szene am Rande der Institutionen und des Kommerz.

KUNSTPUNKTE 2011: FOTOSAFARI TEIL I

Das Wetter war am Samstag zu schön, am Sonntag zu schlecht – und Sie haben die Kunstpunkte verpasst. Gut, dass es uns gibt. Trotz des akuten Personalmangels und eines sehr begrenzten Zeitfensters haben wir ein paar Eindrücke von der alljährlichen Veranstaltung eingefangen, während dessen die gutwilligen Düsseldorfer Künstler ihre Ateliertüren öffneten. Hier eine unkommentierte, unselektierte und systemfreie Bildreihe. Nächste Woche geht es weiter…


MARTINA ROSENKRANZ

DIETER MARSCHALL

KARL ARNOLD

KLAUS KLINGER (FARBFIEBER e.V.)

SEBASTIAN KALITZKI

HANNE HORN

BIRGIT HUEBNER

CHRISTA K. GATHER

ULRICH-GERHARD SCHABBRAK

ABDELHADI EL AIDI

MASAMI TAKEUCHI

FRANZISKA VON HASSELBACH

HIROYUKI MASUYAMA

MASANORI SUZUKI

AXEL BRANDT

Im Vordergrund: Ludwig Sapper

LUDWIG SAPPER

STEFANIE PÜRSCHLER


JUNE PEACH AKA. DAGMAR BECHHAUS

EVA WEINERT

CHRISTEL BLÖMEKE MIT SCHÜLERN EINES RATINGER GYMNASIUMS

MARTIN STEINER

JENS BUHL

Netznachbarn – eine virtuelle Rundschau

In unregelmäßigen Abständen präsentieren wir hier augewählte Links zu lokalen Onlineprojekten, die #irgendwasmitkunstundoff zu tun haben oder die wir eben sonst einfach geil finden. Im Januar hatten wir einen Artikel zum Kölner Musik-Magazin Netlabelism.com, dieses Mal ist das Spektrum weiter gefasst.

Los geht es heute mit einem Blog über Mode, Film und Architektur, dann folgen gleich drei Künstlerplattformen aus Düsseldorf und der Blick auf eine relativ junges Projekt, einen Veranstaltungsblog mit der Möglichkeit Termine selber eintragen.
Als nächstes ein Link zu einem schönen, aber derzeit ruhenden Projekt aus dem Umfeld der Kunstakademie.
Dann noch der Hinweis auf eine ortlose Netzradiostation aus Köln-Mühlheim sowie auf ein, aus Düsseldorf stammendes, Projekt zu Klangkunst und Musik.
Zum Abschluss dann bildende Bildkunst: ein fotografische PolaroidArchiv im Netz.

Mode, Film und Architektur

Ein Düsseldorfer Blog welcher zwar der Mode verpflichtet ist, aber als Inspirationsquelle Film und Architektur angibt, die Grenzen also bewusst überschreitet, interessiert uns natürlich. Zumal die Architektur hier eben nicht nur als schicke Bühne für Modeshootings herhalten muss, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sujet beabsichtigt ist.
Über die Qualität der Auseinandersetzung kann und will ich hier kein Urteil abgeben, da weder Architektur, noch Mode, am ehesten dann vielleicht noch Film zu meinen Fachgebieten zählen.
Deshalb bitte einfach selber klicken, hier geht es zum aktuellesten Artikel.

Künstlerplattformen in und aus Düsseldorf

Weiter geht es mit zwei, respektive drei, derzeit im Aufbau befindlichen Kunst/Künstlerplattformen aus Düsseldorf. Eigentlich hatte ich sogar noch ein viertes Projekt dieser Art entdeckt, finde aber leider den Link nicht wieder.

Als erstes also das Projekt von Sven Blatt www.kunstduesseldorf.de.
Er definiert das Projekt selber wie folgt „KunstDuesseldorf  ist eine offene, interaktive Plattform für alle, die sich mit dem Thema KUNST beschäftigen: Künstler, Ateliers, Galerien, Veranstalter, Kunstliebhaber etc. Die Nutzung dieses Portals ist kostenlos.
Das Projekt ist nach wie vor lebendig, wird betreut und regelmäßig aktualisiert, könnte aber mal einen etwas potenteren Server vertragen. Der Zugriff auf die Seite ist zuweilen leider doch recht langsam.

Eine weitere Kunstplattformen mit ähnlichem Erscheinungsbild (düster-dunkel) befindet sich unter www.duesseldorfer-kuenstler.de.
Das Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dr. Eve Sattler, Joe Hennig, Tobias Basan und Vera Sattler. Die Initiative möchte gemeinsam die Arbeit in Düsseldorf ansässiger Künstler durch Information, Austausch und Vermittlung zum Publikum unterstützen.

Zu guter Letzt, das derzeit wohl ambitionierteste Projekt: Qjubes die Kunstplattform. Qjubes ist zwar nach wie vor in der Testphase, das Anmelden und Ausprobieren ist aber bereits möglich. Qjubes ist ein Projekt von Philipp Gürtler und Walter Padao. Der ein oder andere Leser wird die Beiden womöglich als Organisatoren des Provisionären Salons kennen. Zusätzlich zu der, noch im Aufbau befindlichen, Community gibt es seit einigen Monaten den Qjubes-Blog. Der Blog wird von Sven Grünwitzky und Philipp Sternfels redaktionell betreut und bringt zur Zeit regelmäßige Berichte über Kunst und Ausstellungen aus Düsseldorf und Berlin.

Studentenzeitung und Veranstaltungsblog

Ein eigentlich sympathisches, aber leider derzeit sehr stilles Projekt ist dasZeitung, ein Blog mit Veranstaltungshinweisen aus dem Umfeld der Kunstakademie. Wie gesagt derzeit nix los, deshalb auch kein Bild, aber wer weiß, eventuell kommt da ja noch mal was. Wir behalten mal ein Auge drauf.

Nun der Hinweis auf die leerseite.com, eine kleines, feines und kluges Projekt, das schnell erklärt ist: leerseite.com ist ein Veranstaltungskalender bei dem man nach kurzer Registrierung selber seine Termine einstellen kann.
Eine gute Idee einfach umgesetzt. Einziges Manko ist derzeit, es werden leider nur Bilder und keine Texte angezeigt. Für die Indizierung durch Suchmaschine ist das suboptimal, für einen Veranstaltungskalender ist das nicht unbedeutend. Es wäre also sicherlich eine gute Investition dem Projekt bei Gelegenheit mal ein Texteingabefeld zu spendieren.

Zum Abschluss Ton und Bild

Jetzt noch ein kurzer Blick den Rhein aufwärts nach Köln, denn dort hat sich im Frühjahr 2011 das Projekt muelgrimeradio.de gegründet. muelgrimeradio.de ist ein Internetradiosender mit Schwerpunkt auf elektronischer Musik. Die Macher sind zumindest in Teilen mit der Kölner Netlabelszene verbunden, die gespielte Musik ist aber nicht auf Netlabels beschränkt.

Das besondere an dem Projekt ist, es gibt kein zentrales Studio. Die Sendungen werden täglich von anderen Orten in Köln-Mülheim aus gefahren.

Zurück in Düsseldorf führt uns der nächste Klick dann zu jahrgangsgeraeusche.de, einem Projekt von Axel Ganz. Axel Ganz bringt dort schon seit einiger Zeit diverse Bereiche der zeitgenössischen Musik und Klangkunst zusammen und verbindet diese redaktionelle Arbeit mit dem, von ihm selber fortgeführten Klangarchiv.
Hier sammelt er Töne und Geräusche von unterschiedlichen Orten und bietet sie im MP3-Format unter cc-Lizenz zum freien Download an. Das stöbern lohnt, es finden sich Skurilitäten wie die Lautsphäre einer Bibliothek neben dem Geräusch klappernder DVD-Cases. Eine tolle Sammlung die hoffentlich noch lange fortgeführt wird.

Wir enden mit dem Bild, oder besser gesagt mit den Bildern eines Bildarchivs, bestehend aus Polaroidportraits Düsseldorfer Künstlern aus der Zeit von 1977 bis 1992: www.polaroidsammlung.de/.
Zum ersten mal bin ich zu später Stunde im WP8 auf das Projekt aufmerksam gemacht worden. Durch Zufall kam ich mit Gunnar Tjaden, dem verantwortenden Künstler ins Gespräch, und auf einmal standen wir vor dem türkisfarbenen Apple neben dem WP8-Tresen. Gunnar war so nett und zeigte mir die Webseite während er mir die Hintergründe erzählte und den ein oder anderen intimen Einblick in das Projekt und zu denPersonen gewährte.
Wie gesagt, es war schon spät und so sind sicherlich einige wichtige Information im Nebel der Erinnerung verschwunden. Wenn ich mich recht entsinne, gab es aber wohl Überlegungen von Seiten eines Museums die Arbeit anzukaufen, leider weiß ich nicht was daraus geworden ist.

Das war es für heute. Weitere Links und Informationen zu Projekten im Netz die #irgendwasmitkunstundoff zu tun haben, bitte gerne per E-Mail an florian.kuhlmann (at) vierwaendekunst.de oder einfach unten in die Kommentare.

Danke fürs lesen und bitte bleiben Sie an den Apparaten!

THE GREAT NATIONS OF EUROPE im WP8

Trotz der Neueröffnung der Filmwerkstatt und der Bemühungen der Black Box ist Düsseldorf immer noch keine richtige Kinostadt geworden. Neben diesen zwei Institutionen gibt es hier kaum Raum für experimentelle Filme. Die Videokünstlerin Susanne Fasbender, die mittlerweile in der Stadt etwas wie eine One-Woman-Vermittlungsinstanz in Sache Kunstfilm geworden ist, versucht immer wieder im Alleingang das hiesige Angebot zu verbessern. Sie zeigte am vergangenen Samstag ihre letzten Entdeckungen im WP8.

Ihre stetigen Filmrecherchen, kombiniert mit ihrem aktuellen Interesse an die riots in London und Birmingham, führten dazu, dass Fasbender sich in letzter Zeit ganz auf Großbritannien konzentriert hatte. Sie hat an diesem Abend über ein Dutzend Beiträge ganz unterschiedlicher Herkunft und Natur zusammen gestellt und präsentiert. Dabei war die Fasbendersche Auswahl wider Erwarten kein eklektizistisches Potpourri, sondern eine gut gemischte und abwechslungsreiche Folge, die einheitlich wirkte. Die Vorliebe der Künstlerin für politische und soziale Themen diente als roter Faden der Vorstellung.

Fintan D. Ryan: Press Conference

Es überwogen also dokumentarische Kurzfilme, deren Sujets mal sachlich-distanziert (Esther Johnson), mal intim-erzählerisch (Louis Henderson) behandelt wurden. Und zwischendurch ein paar pädagogische Einschübe, um die eigenartige und komplexe politische Struktur der britischen Krone zu verstehen – ein irrwitziges Konstrukt, das den rasanten Animationsfilm von C.G.P. Grey zu entwirren versucht.

Oliver Braid: The Craft

Noch zu sehen: Übergewichtige Schauspieler-Amateure, die mit den billigsten Mitteln ihren Lieblingsfilm in irgendeiner öden Vorstadt nachdrehen und aus einem normierten Hollywood-Produkt eine persönliche, wenn auch lausige Interpretation machen – Appropriation Art von der Basis aus (Oliver Braid). Zwei enttäuschende Videos von PJ Harvey, die in ihrem letzten CD-Projekt mit England und den Engländern abrechnet und dabei nichts anderes als platte Klischees aneinander reiht.

Sam Holden: Hector and me

Und weitere bizarre und eigenwillige Typen, die ihren eigenen Weg gehen und zu kleinen, lebendigen Denkmälern gegen die Systemkonformität gemacht werden – wie dieser schräge Leguan-Liebhaber, der in einer kleinen Wohnung mit seinem riesigen Tier namens Hector lebt (Sam Holden). Oder ein sympathisches aber widerspenstiges Pärchen im besten Alter, das einen angeordneten urbanen Umstrukturierungsplan nicht akzeptiert und, mitten in einer Ruinenlandschaft, den Abrissbaggern trotzt (Tim Brunsden).

Anita Ponton: The Siren Song

Die einzigen Exkurse zu Formen, die sich vom sozial-dokumentarischen Tonfall distanzierten, waren die Filme von Fintan D. Ryan und die Interpretation von Anita Ponton; eines Auszugs des legendären Scum-Manifesto von Valerie Solanas – deren deutsche Übersetzung übrigens von Susanne Fasbender kongenial vorgetragen wurde.

WP8
Kölner Str. 73
www.wp8.org

„STRANGERS ON A TRAIN“ von JÖRG STEINMANN

Lange hat sich Jörg Steinmann nicht mehr auf den Düsseldorfer Straßen blicken lassen. Begleitet von merkwürdigen, zusammen gefrickelten Klanggeräten und stets auf der Suche nach urbanen Resonanzkörpern, die der Stadt ungehörte Töne erzwangen, hatte er sich in den letzten Jahren durch poetisch-humorvolle Klangperformances im öffentlichen Raum ausgezeichnet. Sein neues Projekt heißt „Strangers on a Train“ und fand seinen Abschluss am 31. Juli am Graf-Adolf-Platz.

„Strangers on a Train“, das ist zunächst ein Roman von Patricia Highsmith, der zum Klassiker der Kriminalliteratur avancierte als er von Alfred Hitchcock verfilmt wurde. Der Plot: Zwei Männer lernen sich in einem Zug kennen und schließen einen Pakt. Jeder soll im Auftrag des Anderen einen Menschen umbringen. Da die Männer sich bisher nie gesehen hatten, sollte dadurch das Motiv des Verbrechens für die Polizei undurchsichtig bleiben – der perfekte Mord wäre damit begangen.

Steinmann nutzte diese Vorlage für eine Aktion in zwei Teilen. Im November 2010 interviewte er zunächst Bahnreisende auf ihrem Weg ins Ruhrgebiet (und zurück) und fragte, wie der perfekte Mord für sie aussehen könnte, bzw. wie sie es anstellen würden, wenn sie Jemanden umbringen wollten. Es ist nicht gerade die Art von Fragen, die ansonsten im Regional Express gestellt werden – aber gerade dieser Moment der Überraschung war das, was Steinmann in seiner Interaktion mit gelangweilten Pendlern hervorrufen wollte. Er versetzte somit seine Mitreisenden in die Täter-Rolle und konfrontierte sie mit einer Frage, die so abstrus und entfernt war, dass sie ihre Fantasie wach rüttelte und plötzlich einen freien Raum öffnete – eine in der Psychologie übliche „Schock-Methode“ zur Auflösung von Denkblockaden.

Das „Gedankenspiel, das nicht zur Anleitung“ werden sollte, wie es in dem Video zu hören ist, regte auf jeden Fall Einige zu mehr oder weniger ernsthaften Überlegungen. Die sehr unterschiedlichen Antworten, die das – zumindest für die meisten unserer Zeitgenossen – Undenkbare zu einer gedachte Eventualität machten, wurden vom Künstler aufgenommen, zusammen geschnitten und transkribiert.

Ein halbes Jahr später erfolgte der zweite Teil der Aktion. An einem schönen Sonntag lud Jörg Steinmann zu einer Aufführung in zwei Durchgängen am Graf-Adolf-Platz ein. Mit einer Gitarre und ein paar elektronischen Verzerrern (dabei ein Gerät mit dem süßen Namen „Total Sonic Annihilation“), die die Hintergrundmusik liefern sollten, las und spielte er den Text, der sich aus den Ergebnissen seiner Befragung speiste. Diese Interpretation, die ebenso dokumentiert wurde und als zweite Stufe der Aneignung zu verstehen ist, schuf so eine neue Schleife in einem Stoff, der bisher durch einige Medien gegangen war.

Vom Buch zum Film zur Befragung und zum Hörspiel: Steinmann spielt mit den Verzerrungen und Verfremdungen, sucht aber vor allem die soziale Interaktion und, dank minimaler Ton- und Klanginszenierungen, sammelt ein Material, das das Reale in eine leicht entrückte, fiktive Atmosphäre versetzt.

Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet im Künstlerhaus Bethanien in Berlin


Im Rahmen des Frikk-Festivals, Berlin, dass sich in besonderer Weise den darstellenden Künsten widmet, war die Performance „Les Petites Rouges“ von Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet zu erleben.

Die Lyrikperformance der beiden Schauspielerinnen kommt auf den ersten Blick schrill und aufreizend daher und bedient scheinbar jeden Voyeurismus. Denn sie folgen den Spuren des Marquis de Sade, dessen geheimnisumwittertes Werk für Pornographie und Perversion steht.

Aber de Sade gehört eindeutig auch in den Kontext der Aufklärung und Sätze wie : „Es wäre der Triumph der Philosophie, wenn es ihr gelänge, Licht auf die dunklen Wege zu werfen, deren sich die Vorsehung bedient, um die Ziele, die sie sich im Bezug auf den Menschen gesetzt, zu erreichen; (…)“ sprechen für den aufklärerischen Impetus.

Mit Blick auf die jüngsten Skandale hinsichtlich Kindesmißbrauch und Kinderpornographie zeigt sich bestürzend klar die Aktualität des Themas. Barbarella Lichtenstein und Mary Puppet widmen sich in bizarren, schrillen Bildern dem brisanten Themenkreis. Provokant stellen sie den Tabubruch und den eigenen Körper zur Schau. Eine sinnliche und ambivalent lustvolle  Betrachtung der dunklen Seite der menschlichen Natur, der  das Projekt Aufklärung viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkte, denn de Sade wurde ja bekanntlich verurteilt und seine Gedanken zur Sexualität aus den bürgerlichen Bücherschränken verbannt.

Die Puppet-Lichtenstein Coop.  sucht nicht nur den Körper zum Schauobjekt zu machen, sondern erzählt eine visuelle Geschichte der Zurichtung von Körper und Körpergesten.  Hierin liegt der Unterschied. Dass vielfach diese feine Differenz übersehen wird und die Performance als Fleischbeschau wahrgenommen wird, nehmen die beiden in Kauf. Sex sells und sorgt für Aufmerksamkeit. Wer dies leugnet, ist ein Heuchler.

In diesem Sinne: Glitzer für die Welt, man!

PETER MÜLLER IM REINRAUM

Tony Cragg-Schüler hocken nicht in ihrer Klasse herum in der Hoffnung, abgeholt zu werden. Sie gehen mit ihrer Arbeit in die weite Welt hinaus. Oder zumindest nach Düsseldorf-Mitte oder Oberbilk. Vorletzte Woche trafen wir einen dieser (ex-) Schüler  im Raum für Vollendete Tatsachen. Letzte Woche trafen wir einen Anderen im reinraum. Was werden die kommenden Wochen bringen?

„Beleuchten“ heißt die aktuelle Ausstellung von Peter Müller in der ehemaligen öffentlichen Toilettenanlage. Und tatsächlich ist jede Zelle des Ortes in einem besonderen Licht getaucht, mal Blau, mal Rot, mal Gelb, und empfängt jeweils eine einzige Skulptur. Im zentralen Raum der Ausstellung ist eine Arbeit präsentiert, die viel an die expressive Bildhauerei der Nachkriegszeit erinnert. Modernistisch anmutend, von filigraner Dynamik und trotzdem geballt und dicht, steht das Objekt auf einem Sockel wie eine Perle in ihrem Schmuckkästchen. Angeregt durch die Bilder der Rauchsäule der Deepwater Horizont, hat Müller eine große Arbeit konzipiert, die zur Zeit im Kunstverein Oberhausen ausgestellt ist –  während das Modell im Düsseldorfer Untergrund zu sehen ist.

Das Material der Plastik ahmt Wellpappe täuschend echt nach, was interessante mikro-Durchblicke ermöglicht und ihren grafischen, linearen Charakter unterstützt. Die Negativräume kommen so stärker zur Geltung, was zum Schwung und zur Leichtigkeit der Arbeit beiträgt.

Im Hintergrund sind z.T. direkt über die Pissoirs Fotos der gleichen Arbeit in anderen Toilettenanlagen angebracht worden –  da thront die Plastik im Klo des Neusser Rathauses oder des Malkasten. Müller hat in der Tat einige öffentliche WCs abgeklappert und die Skulptur kurz dort ablichten lassen um, wie er selbst erzählte, zu überprüfen, welcher Einfluss der Raum auf die Rezeption seiner Arbeit ausübt.

Ein wenig weiter steht ein Turm aus Kuhhörner, die, wie eine Wirbelsäule, an der Vertikale montiert sind. Wer glaubt (wie ich es zunächst getan habe), dass Peter Müller vom Material ausgeht und, im besten Craggschen Stil, sich an den Grenzen des Stoffes genussvoll reibt um dessen Widersinnigkeit zu erfahren und zu zähmen, irrt sich. „Erst die Idee, dann das Material und schließlich die Form“, verriet mir der Künstler. Der spielerische Umgang mit sehr unterschiedlichen Materialien sowie eine gewisse Neugier sind in Müllers Arbeit unleugbar, aber die idea scheint in seiner Prioritätshierarchie noch vor dem designo zu stehen. Stets haben diese Gebilde eine konkrete Beziehung zur Welt, zur Aktualität, zu all dem, was der Künstler sieht, hört und beobachtet.

Jede gute Ausstellung im reinraum ist eine Ausstellung, die den sehr spezifischen Charakter des Ortes berücksichtigen muss. Der unheimlich dominante Zug des Raums bedeutet einen Zwang für jeden Künstler – Letzterer kommt aber nicht drum herum das besondere genius loci anzudeuten und zu reflektieren. Müller war erfreulicherweise nicht so naiv, seine Arbeiten wie Solitäre in die Klozellen zu  stellen. Durch den vorsichtigen und gut dosierten Rückgriff auf einen Sockel hebt er seine Skulptur von dem Umfeld ab. Zugleich geht er auf dieses Umfeld ein, wie die überdrehte Lichtinszenierung des gesamten Schaus und die Fotoserie bezeugen. Um die Frage der Skulptur allein geht es bei Peter Müller nicht. Um die Fragen der Form, des Materials, der Struktur und der Textur geht es nicht ausschließlich. Auch der Ausstellungskontext wird zum vollwertigen Bestandteil der skulpturalen Arbeit gemacht.

Ausstellung bis zum 27.7.2011
Finissage am 27.7.2011 mit einem Künstlergespräch um 19.30 Uhr
geöffnet am 13.7., 20.7., 27.7, je um 19.30 Uhr
www.reinraum-ev.de

RALPH HAUSER und BEA OTTO IM RAUM FÜR VOLLENDETE TATSACHEN

Das dialogische Prinzip scheint ein bevorzugter Präsentationsmodus der Off-Szene zu sein: Wie im Institut für Skulpturelle Peripherie oder in der Gesellschaft für Streitorientierte Kulturforschung, setzt der Raum für Vollendete Tatsachen auf systematische Paarungen und versucht offensichtlich, eine fruchtbare Reibung zwischen zwei ganz unterschiedlichen Positionen hervorzurufen. Diesmal mit mäßigem Erfolg.

Alles, oder fast, spielt sich auf dem Boden ab. Kleine bis mittelgroße Objekte, klecksweise verteilt, ignorieren die Wände und okkupieren den charakteristischen Boden des Raumes. „Okkupieren“ ist in diesem Kontext eindeutig zu stark: Alles hier ist so bescheiden, konzentriert, leise und in sich gekehrt. Eine Arbeit von Otto traut sich, die schmale Ablage vor dem Fenster zu besetzen; eine Arbeit von Hauser entfaltet sich sogar in die Vertikale und erreicht Menschengröße. Mehr Spektakel ist nicht drin. Alles wirkt ansonsten nüchtern, bedachtsam und gemessen.

Die pieces von Bea Otto oszillieren zwischen perfektem Diskurs und lapidarem Statement. Ihre Interventionen, die ganz auf die Eigenschaften des Raums zugeschnitten sind und dessen Proportionen, Materialität, Volumen, Farben, physischen und atmosphärischen Qualitäten reflektieren, bilden die Ergebnisse von präzisen Beobachtungen vor Ort. Diese Objekte sind praktisch als übertragene Pendantstücke mancher Raumaspekte zu sehen: Sie nehmen direkt Bezug auf bestimmte Details der vorhandenen Räumlichkeiten, unterstreichen architektonische Elemente, betonen ein Material oder verlängern eine Kurve.

Bea Otto

Manchmal sind sie auch eine weite, indirekte Übersetzung des Beobachteten. Dabei erfolgt die Übertragung auf lässiger bis rotziger Art; hinter der strengen, pseudo-minimalistischen Hülle der Objekte verbirgt sich oft ein verschmitztes, freches Lächeln, das erst im zweiten Augenblick zu entdecken ist. Otto bezeichnet ihre Herangehensweise als „vorübergehende brüchige Ortsfindung“ – eine sperrige aber zutreffende Umschreibung.

Bea Otto

Im Gegensatz zu Ottos Arbeiten, sind die Skulpturen von Ralph Hauser unabhängig vom Raum entstanden und, auch wenn sie bezugsreich sind, wirken dadurch autonomer und verschlossener. Hauser präsentiert hier zwei „Lampen“-Arbeiten und eine Skulptur aus Stoff und Ton. Die Lampen haben einen vagen modernistischen Touch; es könnte sich um preiswerte Nachahmungen von Bauhaus-Klassikern handeln oder um Kopien irgendwelcher Designerstücken, die in der Werkstatt eines Bastlers entstanden wären. Eine der Lampen evoziert den elitären Glanz von hochwertigem Design, besteht aber aus einem Notenständer und einer türkischen Teekanne, die zu diesem Zweck gezielt gesucht wurden (es ist also weder ein präpariertes Ready-Made noch ein Objet Trouvé im surrealistischen Sinne).

Ralph Hauser neben seiner Plastik

Die Stoff- und Tonskulptur hat ihrerseits symbolistische Züge und sucht anscheinend die Nähe zu Rodin, Claudel oder von Stück. Nach eigenen Aussagen geht es für Hauser um die persönliche, nicht-virtuose Aneignung von Klassikern der Hochkultur: Warum sollte man so viel Geld für diese Objekte ausgeben, wenn man sie selbst bauen kann? Zynischer Kommentar der Praxis des Empowerment oder unverfrorene Naivität? Jedenfalls knüpft Hauser mit erstaunlicher Frische an demokratische, real-utopische Diskurse, die man spätestens seit den 1980er Jahren vergessen hatte.

Ralph Hauser

Keine der zwei Positionen, die im Raum für vollendete Tatsachen präsentiert sind, ist wirklich enttäuschend. Die zugleich solide und subtile Arbeit von Bea Otto überrascht zwar nicht; ihr feines Gespür für winzige – aber entscheidende – Details sowie ihre Intelligenz für den Ort sind immer ein Genuss. Und mit der Bereicherung einer reinen skulpturalen Intervention mit einem (versteckten) soziologischen Diskurs, bringt Ralph Hauser seinerseits einen originalen Ansatz, der die Fetischisierung der Kunstware in Frage stellt – wohl aber gleichzeitig neue Fetischen hervorruft.

im Vordergrund: Otto; dahinter: Hauser

Was diese zwei sich zu sagen haben, bleibt allerdings rätselhaft. Vielleicht verbindet  sie ihre lässig-coole Haltung? Eine  harmonische Okkupierung der Raumvolumen und eine stimmige Aufteilung in der Galerie schaffen noch längst keinen gelungenen Dialog. Und zwei gute Künstler zeitigen nicht unbedingt eine gute Ausstellung. Die friedfertige Kohabitation im Raum für vollendete Tatsachen erzeugt weder Fragen noch Funken; am Ende beharren Otto und Hauser auf ihren jeweiligen Standpunkt, ohne dass der Ansatz eines Austausches stattgefunden hätte. Beim Zusammenwürfeln ihrer Gäste scheinen die Raumbetreiber Katharina Maderthaner und Christian Schreckenberger dem Zufall zu viel überlassen zu haben.

Ausstellung vom 30.6.-16.7.2011
geöffnet Samstags 13-17 Uhr
Oberbilker Allee 317
www.vollendete-tatsachen.de
 

dok25a zeigt Nicola Schrudde und Monika Schiefer

In den schönen Räumen in Oberkassel sind derzeit lediglich drei Werke von zwei Künstlerinnen zu beschauen. Doch es erweist sich erneut, dass Weniger eben Mehr sein kann! Es ist eine meditative Ausstellung der leisen, subtilen Töne. Klassische Ölmalerei von Monika Schiefer steht neben einer installativen Arbeit von Nicola Schrudde, die Skulptur und Fotografie zusammenbindet.


Monika Schiefer präsentiert nach beinah 15-jähriger Ausstellungspause eine ausgesprochen sensible Malerei, die mit Recht als peinture zu bezeichnen ist. Mit kleinen Pinselstrichen bearbeitet sie die Leinwand und generiert Farbstrukturen, die äußerst empfindlich auf Licht reagieren und ein Wechelspiel der nuancierten Farbigkeit zur Anschauung bringen. Farben, als Taten des Lichts frei nach Goethe werden so zum Erlebnis und bergen ein geheimnisvolles Innenleben.

Eine erfrischend unprätentiöse und gleichwohl handwerklich versierte Künstlerin erteilt einer schnellen, möglichst motivisch provokanten Malerei eine deutliche Absage. Das Beharren auf das sichtbare Changieren als Ergebnis einer sorgfältigen Malerei ermöglicht einen sehr offenen Raum der Deutung und bleibt dem Betrachter überlassen. Es geht nicht um Beliebigkeit, sondern um eine weder narrativ manipulierende noch sonstwie hierarchisch strukturierte Kommunikation. Also eine klassische Haltung, die den inneren Dialog vor dem Werk forciert.

Nicola Schrudde bespielt mit ihrer installativen Arbeit den zweiten Raum. Eine silbrige Tonskulptur wird mit einer auf Plexiglas projezierten Fotofolge konfrontiert. Motivisch handelt es sich um Florales; während das auf dem Boden liegende Objekt deutliche Arbeits-Spuren aufzeigt und eher assoziativ an etwas Pflanzliches erinnert, bilden die Fotos ein Blatt und silbrig anmutende Tautropfen ab. Irritierend wirkt die leichte Verschiebung des Motivs während der Projektion. Dies rührt vom ursprünglichen Videomaterial her. Einige Standfotos wurden für die Arbeit verwendet.

Die Konfrontation der unterschiedlichen Medien sowie das Zusammenziehen von konkrten und vagen Bildelementen macht den Reiz der Installation aus. Auch hier wird der Betrachter zur eher meditativen Reflexion animiert. Darüber hinaus stellt sich im Schwarz-Weiß der Fotografie ein hohes Maß an Abstraktion dar, welche das Natürliche von Blatt oder Tautropfen in den Hintergrund drängt. Dergestalt gewinnt das Formale ein besonderes Gewicht und ruft den Diskurs zur Ästhetik erneut in Erinnerung.

Alles in allem eine ruhige und beschauliche Präsentation, wovon sich offenkundig das Publikum am Eröffnungsabend wenig berührt zeigte. Gerne mit dem Rücken zur Kunst stehend, immer bemüht sich zu vernetzen oder über die Lasten des Broterwerbs als KunstbeamtIn zu lamentieren, stellt sich mir verstärkt die Frage nach dem Niveau des Düsseldorfer Ausstellungsbesuchers.

R.I.P.: Grau6 und CapitalGold

Gleich zwei Projekträume haben am vergangenen Samstag ihre Aktivität in Friedrichsstadt eingestellt. Keine Panik, es ist längst noch kein Aderlass: Aufgrund der räumlichen und personalen Verbundenheit von Grau6 und Capitalgold, war es voraussehbar, dass das Verschwinden der einen Initiative den Tod der Anderen mit sich ziehen würde. Und auch wenn das Projekt CapitalGold von Anfang an auf drei Jahre begrenzt war, ist es bedauerlich, dass der Standort verlassen wird. Derweil fragt man sich, ob nicht eine geographische Verschiebung der Düsseldorfer Off-Szene stattfindet: Friedrichsstadt hat zwei Referenzen verloren und Flingern – das Bobo-Quartier schlechthin – zwei neue innerhalb von wenigen Wochen bekommen: Volker Bradtke (wir berichteten) und – wenn man’s als Off betrachtet will – die Filmwerkstatt. Gentrifizierung, ich verstehe dich nicht mehr…

ONFFF – Andrea Lehmann und Paule Hammer – Teil 1

Es ist schon einige Zeit her und so richtig OFF ist das was jetzt kommt ja auch nicht, das geben wir zu. Aber was solls? Es sind trotzdem zwei schöne Interviews die wir 2009 in der Sammlung Philara mit Andrea Lehmann und Paule Hammer gemacht haben und Ihnen, geschätzte Leser und Zuschauer, natürlich nicht vorenthalten wollen.

Wir beginnen heute mit dem ersten Teil:
zu Besuch bei Andrea Lehmann

weiter geht es dann in der kommenden Woche mit Paule Hammer.

MAX SUDHUES und JON MOSCOW im INSTITUT FÜR SKULPTURELLE PERIPHERIE

Eine raue Luft weht in Bilk. Wir berichteten letzte Woche von den knallharten Konfrontationen, die derzeit in der Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung stattfinden. Am westlichen Rand des Stadtteils werden derweilen im Institut für Skulpturelle Peripherie zwei Künstler systematisch der Herausforderung gestellt, in einem kleinen Raum miteinander klar zu kommen. Allerdings mit deutlich sanfteren Akzenten – hier ist eher die Harmonie als der Streit gesucht.

Seit beinahe einem Jahr lassen Friederike Schardt und Petra Albrand in regelmäßiger Abfolge zwei Künstler im Lackierraum einer Schreinerei  aneinander brizzeln und freuen sich über die Ergebnisse. Brizzeln? Ja, brizzeln: Wenn zwei künstlerische Positionen, die sich irgendwie am Rande der Bildhauerei einordnen lassen (s. der Projektname) mehr oder weniger willkürlich zusammen gebracht werden und aufeinander Bezug nehmen müssen, dann gibt es Chancen, dass es brizzelt. Ich schätze, dass Elektronen, Billardkugeln und Bienen brizzeln. Sowie Künstler brizzeln, wenn sie in einem Raum von gefühlten 30m² eingesperrt werden…

Jon Moscow und Max Suedhues sind die zwei aktuellen Brizzler vom Dienst und, so viel sei vorweggenommen, ihre forcierte Mitbewohnerschaft hat sich als sehr glücklich erwiesen. Ich weiß nicht, ob die zwei schon zuvor zusammen gearbeitet haben, aber es ist ihnen gelungen, einen Raum zu kreieren, der mal von einer harmonischen Verschmelzung, mal von einer folgenreichen Kollision zeugt. Hier wird die Peripherie als auswucherende, grenzenfreie und proteische Totalität definiert: Skulptur, im weitesten Sinne, von der Decke bis zum Boden, an der Wand und in der Luft. Skulptur als präpariertes Ready-Made, als raumgreifende Videoprojektion, als intimistische Installation, als stimmungsvolle Bildkonstruktion. Skulptur als subtile Okkupation der Horizontalen, der Vertikalen; Skulptur als Modulation der Fläche und des Volumens, Skulptur in Bewegung, auf der Kippe und mit Klang.

Das kleine Zimmer ist wie ein Parcours gebaut, der den Besucher regelrecht dazu zwingt, physisch aktiv zu werden. Wer hier etwas sehen will, darf sich nicht zu schade sein, um in die Knie zu gehen oder sich gegen eine Wand zu drücken. Bei der Platzierung ihrer Arbeiten, scheinen Moscow und Suedhues den potenziellen Rezipienten stets vor Auge gehabt und dessen abwesenden Körper in der Distribution der Volumen berücksichtigt zu haben. Auch wenn diese Interaktivität nicht an zentraler Stelle steht, ist die Komponente der körperlichen Einbeziehung des Betrachters hier unleugbar.

Trotz der bedrängten Inszenierung des Raums wirken die einzelnen Arbeiten jedoch leicht, fragil und luftig. Sie bestehen aus armen Materialien, die ohne Bombast assembliert wurden. Sie behaupten sich auf prekärer Weise. Mehr schlecht als recht hängen sie an Fäden und Kordeln, rotieren halbwegs um ihre eigene Achse oder stehen da, als ob sie gleich abgeholt werden wollten. Manchmal tauschen sie Gleichgewicht, technologische Perfektion und High-End-Qualität vor. Manchmal fangen sie an, eine Geschichte zu erzählen, manchmal erzählen sie einen Witz sogar zu Ende. Manchmal nehmen sie Bezug zum Raum und tun so, als ob sie irritieren wollten (diese projizierte Flamme auf der hölzernen Decke); manchmal kümmern sie sich nicht um den Raum und irritieren tatsächlich (dieses projizierte Bild von Suedhues, das wie eine Collage wirkt aber keine ist). Manchmal werden Formkorrespondenzen gesucht und gefunden, Relationen geschaffen; manchmal eben nicht. Es brizzelt eben sehr.

Weg vom individuellen Ghetto und vom Star-Kult, weg vom monografischen Modus und vom selbstverliebten Monolog, hin zu gezwungenen und zeitlichen Allianzen, zu offensiven Konfrontationen oder zu bereichernden und unerwarteten Dialogen. Das Institut für Skulpturelle Peripherie, genau wie die GSK (s. Eintrag vom 10.6) und wie MAP (als das The Chain– Konzept noch funktionierte),  hat sich für die Verknüpfung und die Verkettung entschieden. Ist das eine Tendenz?

Jon Moscow
 
3.6.2011-12.6.2011
Gladbacher Strasse 56
Samstags und sonntags 15-18 Uhr
www.institut-fuer-skulpturelle-peripherie.de

Paul Czerlitzki vs. Benedikt Gahl/Veit Kowald in der GSK

Immer Mittwochs zwischen 19.00h und 22.00h bietet die Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung (GSK) ein mehr oder weniger sportives Spektakel. Zwei Künstler, zwei Werke, ein Sieger. Das Publikumsvotum entscheidet den Zweikampf per Stimmzettel; der Sieger muß seinen Titel eine Woche später gegen einen neuen Mittstreiter verteidigen.


Gahl / Kowald

Basisdemokratie versus Elitarismus?

Die Frage nach ästhtischer Relevanz oder überhaupt kunstimmanente Überlegungen die ausgestellten Arbeiten betreffend, verbieten sich hier von selbst. Im Zentrum steht die Aktion der Entscheidungsfindung mit allen ihren Begleiterscheinungen und nicht der Artefakt. Interaktion und Begegnung werden inszeniert und benötigen die Werke lediglich als Vorwand einer Kommunikationsform, die dem Zwang zum Konsenz  zu entfliehen sucht und Entscheidung forciert. In dieser Verkürzung liegt der Reiz und die Gefahr, Kunst noch einmal mehr als schnell- erfassbares Konsumgut zu etablieren. Geschmackskriterien sind selbstverständlich nach wie vor irrelevant hinsichtlich des Kunsturteils, das ist allen Beteiligten gleichermaßen klar – und dennoch besteht gerade in der Möglichkeit des persönlichen Bewertens mit spürbarer Konsequenz die unerquickliche Nähe  zu den viel versteckteren und nicht reflektierten Formen der medialen Kunstkritik- und Wahrnehmung.

Czerlitzki

Zweifellos offenbart sich in dem provokanten Konzept ein durchaus zeitgemäßes Schema der Unterhaltung, bestens bekannt durch allerlei Shows, die das soziale Miteinander polarisieren in Verlierer und Sieger. Gleichzeitig erweist sich die vorgegebene Struktur als eine Möglichkeit insbesondere für junge Künstler sich den Konkurrenzkämpfen des Kunstmarktes zu stellen und Ablehnung oder Anererkennung zu relativieren. Denn natürlich entscheidet innerhalb der drei Stunden weniger die Qualität der vorgestellten Arbeiten, sondern vielmehr die Stärke des Freundeskreise über den Ausgang des Wettstreites.

Auch der Hype um die Star-Kuratoren wird durch die Zufälligkeit der konkurrierenden Exponate obsolet. Vermittelt doch die gängige Praxis der Kunstpräsentation zunehmend den Eindruck, dass es bei Ausstellungen letztlich um die jeweilige KuratorInnen und deren wie auch immer superlativisch zu lobende Zusammenstellungsarbeit gehe. Dieser Attitude erteilt das clevere Konzept von Jana Schröder, Andreas Breunig, Johanna Bücker und Clemens Rathe definitiv eine Absage.

Und das ist gut so!

Paul Czerlitzki

Den teilnehmenden Künstlern mag es auch schon mal unter die Haut gehen, denn Ablehnung zu erfahren, ist in jedem Fall unangenehm bis heikel. Die von den Protagonisten zur Schau getragene Coolness täuscht daher nicht über die Anspannung hinweg die mit dem anstehenden Konkurrenzkampf einhergeht, allerdings trägt der kleine Härtetest unbedingt dazu bei, die jeweilige Sozialmaske zu erfinden, zu definieren und zu verfeinern.

Benedikt Gahl und Veit Kowald

Ein spannendes Experiment, das zunächst recht schlicht erscheint sich aber als gesellschaftlich relevant und ungeheuer komplex mit Blick auf Kommunikation und Wahrnehmung des eher elitäten Feldes sozialen Handelns, dem Raum von Kunst und Kultur darstellt. Die Problematisierung von Rezeption und Wertung berührt dabei den beinah reflexionsresistenten Zirkel der sogenannten Kulturschaffenden ebenso wie die Kulturwirtschaft.

Und wer würde wohl als Sieger hervorgehen, ließe man Struth gegen Kriwet in den Ring?

Gesellschaft für streitorientierte Kulturforschung
jeden Mittwoch ab 19 Uhr
Merowingerstrasse 28
gsk-info.blogspot.com

KAI WELLER bei DAMENUNDHERREN

Zwischen Bühnenbild, Verlies und Beobachtungsstation: Die klinischen Höllen, die zu den bevorzugten Sujets von Kai Weller gehören, lehnen sich an jene Tierkäfige an, die in allen Zoos Europas mehr oder weniger kunstvoll eingerichtet werden und die Illusion eines natürlichen Lebensraums vorgaukeln. Für seine Ausstellung bei damenundherren entfernt Weller die Tiere aus seinen Gemälden und behält die Räume.

Unsere Freunde die Tierfreunde sollten es also nicht missverstehen: Diese Bilder sind keine Anklage gegen die Tierhaltung und ihre politische Motivierung ist eher verhalten. Diese Bilder sind der Vorwand einer prinzipiellen Beschäftigung mit dem Raum. Für den Wahlberliner Kai Weller, der eigentlich Philosophie studiert hat und sich seit anderthalb Jahren ausschließlich mit Malerei auseinander setzt, ist die malerische Praxis eine Möglichkeit, das Spannungsfeld zwischen Gegenständlichkeit und Struktur zu erfahren.

Foto: Kai Weller

Denn, trotz des klaren Bekenntnisses für das Reale und trotz des leichten Hangs zur Erzählung, der sich hinter diesen stillen Interieurs verbirgt, ist Wellers Kunst eher auf die Konfigurierung einer inneren Raumstruktur angelegt als auf die Erzeugung einer Stimmung. Seine Malerei ist in erster Linie Konstruktion – nicht Licht, nicht Farbe – sondern logische Entfaltung der Fläche in den Raum, sowie die Brechung dieser Logik. Trotz des ausgearbeiteten kühlen und aseptischen Zustands dieser Zellen, fungieren die gemalten Käfige nicht als expressive Orte, sondern sind die Medien einer Reflexion (und eines Spiels) mit dem und in den Raum.

Foto: Kai Weller

Die Räume von Kai Weller speichern weder Geschichten noch Erinnerungen, sie laden sich nicht mit Emotionen auf, sie erzeugen keine Atmosphäre – oder diese Atmosphäre ist nur ein Nebenprodukt – und sind nicht die onirischen Spielplätze von Träumen, Fantasien und Wünschen. Zumindest in dieser Hinsicht unterscheidet sich Wellers Projekt von denen eines Neo Rauch, Matthias Weischer oder Daniel Richter, die den Künstler besonders beeindruckt haben. Anders als diese illustren Vertreter der Neuen Leipziger Schule, fokussiert sich Weller auf die Räume selbst und verzichtet weitestgehend auf Narrativität.

Foto: Kai Weller

Dabei nutzt er die heterotopische Qualität der bemalten Vivarien und Käfige voll aus, die zwischen absurden Landschaften ohne Natur und kranken Stillleben ohne Leben schwanken. In diesen illusorischen Attrappen baut er schwarze Löcher, inszeniert kleine Strudel, installiert optische Widersprüche und destabilisiert mit wenig Mühe das Raumgefühl. Er manipuliert also. Diese Ver-rückung des Realen schafft eine „Belebung des Todes“, wie Weller selbst formuliert, die jedoch nicht im surrealistischen Sinne zu verstehen ist. Die leblosen Gegenstände werden zu Teilen eines dynamischen Systems gemacht, das aus Spannungslinien, Ausgleichsbereichen, Verbindungsgliedern und Störfeldern besteht.

Man merkt dieser Malerei deutlich an, dass sie zerebral gesteuert ist. Man merkt auch an manchen Stellen, dass diese Malerei noch reifen muss. Dass, zum Beispiel, eine Differenzierung der wiedergegeben Texturen ihr gut tun würde, dass eine breitere, reichere Palette den Reiz steigern und dass eine aufmerksamere Beachtung der Lichtkomponente ihre Effekte noch intensivieren könnte. Kurz gesagt: Das intellektuelle Vergnügen einer Dechiffrierung der Ambivalenzen, das Weller in seine Malerei streut, benötigt noch einen adäquaten Körper, einen sinnlichen Gegenpart, der aus diesen reinen Denkspielen hochkomplexe und spannende Objekte machen würde.

Kai Weller
Kai Weller bei damenunderren
„Das innen im außen“
Oberbilker Allee 35
14.05.2011 – 27.05.2011
www.damenundherren.de

4. CABINETTSITZUNG IM CABINETT

Abseits der obercoolen Düsseldorfer Kunstszene und ihren blasierten Vertretern, abseits der Neuauflage des Post-Post-Neo-Geo und der sensationellen Entdeckung einer Hyper-Trash-Minimalism-Bewegung in den Kellern von Friedrichstadt oder in den Hinterzimmern von Flingern, wachsen hier und da, in verborgenen und leisen Nischen, zarte Blüten, die dem Rummel der selbsternannten Kunstmetropole zu entkommen versuchen.

Foto: A. Lechtenberg

Diese Blüten sind einsam: Sie sind nicht (oder nicht mehr) an das soziale Netzwerk der Kunstakademie und ihrer Absolventen gebunden und zeigen eine Kunst, die weder hipp noch geil ist – und z.T. sogar gar nicht zeitgemäß wirkt. Sie werden – wenn überhaupt – naserümpfend von den gut informierten, aufstrebenden Jüngstern (wovon so oft hier die Rede ist) wahrgenommen und in die inkonsequente Liebhaber-Kategorie abgeschoben. Es ist gewissermaßen das Off der Off-Szene, die Alternative in der Alternative. Das Cabinett gehört zu diesen seltenen Blüten. Entstanden Ende 2007 auf Initiative der Textil-Designerin Andrea Dietrich, und in unregelmäßigen Abfolgen in ihrer kleinen Werkstatt durchgeführt, knüpft die Idee an die Sammler-Kabinette der Aufklärung, die zugleich Orte der Bildung und der kultivierten Unterhaltung waren.

Foto: A. Lechtenberg

Die Gattung des Kabinetts ist also per se ein Raum zwischen Öffentlichem und Privatem, Intimität und Offenheit. Und genau diesen Charakter spürt man, wenn man das kleine Zimmer  in Dietrichs Wohnung betritt. Anders als in den üblichen artists-run-spaces herrscht hier ein freundlicher, ungezwungener und aufmerksamer Tonfall; eine familiäre Verbindlichkeit, die ganz ohne Beck’s Gold, Gauloises Blonde und den dazu gehörenden Pokerface-Seitenblicken auskommt. Ja, dieser Raum ist anders – sowie die Kunst, die dort präsentiert wird.

Foto: A. Dietrich

Für die 4. „Sitzung“ teilen sich vier Künstler die paar Quadratmeter des Kabinetts. Andrea Dietrich zeigt auf einer Wand freie Arbeiten, die nichts mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun haben. Angeregt von Bildern und Motiven, die sie im mikrobiologischen oder geologischen Zusammenhang beobachtet hat – und die prinzipiell an die evolutiven Prozesse der Natur anknüpfen –, schafft sie sog. „Farbkollektionen“, in denen changierende Farbkombinationen und –texturen systematisch erprobt werden. Das Ensemble wird noch von schwarz-weiß-Fotos von extrem vergrößerten mineralischen Objekten ergänzt.

Foto: A. Lechtenberg

Eine ähnliche Konzentration auf die Farbe findet man in den Arbeiten von Adolphe Lechtenberg wieder, allerdings mit einer stärkeren intuitiven Note, die ganz auf die Systematik von Dietrichs Arbeitsproben verzichtet. Aus zeichnerischen Entwürfen heraus entwickelt Lechtenberg objekthafte Gebilde, die zu Farbträgern fungieren und den Ausgangspunkt einer Ausdehnung der Farbe in den Raum bilden. In der Tradition von Klein, Rothko oder Graubner, werden diese Objekte von ihrer körperhaften Präsenz enthoben, erzeugen Farbe und Licht und definieren den Raum neu.

X. García - Foto: A. Lechtenberg

Die Mexikanerin Ximena García, seit fünf Jahren in Deutschland und zur Zeit in der Klasse von Gostner untergebracht, präsentiert grafische Arbeiten, die einen ebenso starken Bezug zum Raum entfalten. Dabei arbeitet García nicht mit der Ausstrahlungskraft der Farbe, wie Lechtenberg, sondern greift auf transparente Papierschichten zurück, die durch ihre Überlagerung plastische Effekte hervorrufen und eine dreidimensionale Illusion erzeugen. Die Flachware, in einem kastenähnlichen Silikon-Rahmen umfasst, verwandelt sich in ein Objekt.

H. Erdem - Foto: H. Erdem

Formell gesehen, bildet der Kasten von Havva Erdem eine Antwort auf die voluminöse Zeichnung von García. Die Künstlerin hat einen Schrein gebaut, der ein mysteriöses Objekt aus Fischhaut, Schwanzflossen und Schmetterlingsflügeln beherbergt. Das bizarre Gebilde, das aus einem Märchen entkommen sein könnte, verwehrt sich den Blick des Betrachters, zieht ihn aber unweigerlich an. Dabei ist die Aufbewahrungsschatulle genau so raffiniert konzipiert wie das Objekt selbst; ihre Materialien und Formen sind symbolisch beladen und tragen zur geheimnisvollen Inszenierung der Skulptur bei.

Ein ungesehener Gegenstand, zwischen Pflanzlichem und Tierischem, wie aus einer fernen und gefährlichen Reise zurückgebracht: Es ist vor allem Erdems fantastisches Schmuckstuck, das den Bezug zur Wunderkammer und  zum Amateurkabinett am deutlichsten repräsentiert. Aber die Geschlossenheit der gesamten Ausstellung sollte an dieser Stelle unbedingt gewürdigt werden: Trotz der Originalität und Spezifität der einzelnen Arbeiten, die auf den ersten Blick einen heterogenen Eindruck machen könnten, entwickeln sich nach einer Weile feine Korrespondenzen und leichte Verbindungsfäden, die all die vier Positionen zusammen bringen und dieses 4. Kabinett zu einer runden Sache machen.

 
 
 
Cabinett
Ausstellung v. 22.5-2.6.2011
Andrea Dietrich
Gustav – Poensgen – Str. 59
40215 Düsseldorf
Tel.: 0211-392885
www.cabinett.culturebase.org
Öffnungszeiten: Sa. 16.00 – 18.00 Uhr und nach tel. Vereinbarung
 

DIE SCHÜSSEL LEUCHTET im WP8

Susanne Fasbender hat am vergangenen Samstag eine kleine subjektive Auswahl von Filmen im WP8 gezeigt, die bei den drei letzten Kunstfilmtagen bereits präsentiert wurden. Um es kurz zu machen: Ich war nicht dabei und werde also nicht darüber berichten.

Unsere Agentin (alle Fotos hier: Stefanie Pürschler) war jedoch vor Ort und hat einige Bilder realisiert, die somit einen Eingang in das Archiv finden. So kommen wir einigermaßen unserem Anspruch nach, die Düsseldorfer Off-Szene restlos zu rezipieren.

Alles was ich weiß (und es ist nicht viel), ist dass die Schüssel, wovon die Rede hier ist, ein fluoreszierendes Bild von Melanie Richter war. Darauf ist ein Pissoir zu sehen. Wer an Duchamp denkt, hat offensichtlich den Anfängerkurs zur Strategien der Postmoderne (Stufe 1) belegt und bestanden.

Und eine sehr erfreuliche Mitteilung: Susanne Fasbender, die die letzten drei Ausgaben des Kunstfilmtags nahezu in Alleinregie organisiert hat (www.kunstfilmtag.de) und, aufgrund des großen Aufwandes, die Veranstaltung eigentlich nicht mehr weiterführen wollte, macht weiter! Sie wird mit organisatorischer und kuratorischer Verstärkung an der vierten Ausgabe arbeiten, die 2012 stattfinden soll.

FELIX BURGER im PARKHAUS MALKASTEN

Romantischer Dünkel in der Wolfsschanze, ein Themenpark voller Heimatgefühle, Führer-Mystifizierung und Verherrlichung des Künstlers; und dann noch ein paar Gastarbeiter für Lohengrin. Wer sich in die dunkle Höhle des Felix Burger wagt, wird möglicherweise an Jonathan Meese erinnert werden. Nicht ganz zu unrecht. Nur dass Burger mit leiseren Tönen auftritt und eine eher verhaltene und subtilere Art pflegt.

Ehe der Besucher des Parkhauses in den düsteren Raum eintritt, stößt er auf die Rückseite eines Bühnenbild-Elements und ahnt schon, dass alles, was noch kommen wird, eine perfide Illusion oder eine trügerische Inszenierung sein könnte. Exakt: Der Hang zum Theatralischen ist in der neusten Installation von Felix Burger nicht von der Hand zu weisen – sowie sein offensichtliches Vergnügen, die Ebene des Realen und des Fiktiven zu vermengen.

Foto: Felix Burger

Der Münchener hat im idyllisch gelegenen Parkhaus eine in sich geschlossene Welt erschaffen, bestehend aus heterogenen Elementen, die formal oder inhaltlich zusammen verwoben und in der großen Rhapsodie namens Schliersee eingebunden werden. Eine Welt, düster und romantisch wie eine Oper von Richard Wagner, eine Welt mit urdeutschen Landschaften, folkloristisch-nationalistischer Architektur und teutonischen Helden. Eine Welt aus Bildern, Musik, Schattenspielen, Dokumenten und Requisiten. Vor hundert Jahren oder mehr hätte man von einem Gesamtkunstwerk gesprochen − was uns wieder zu Wagner führt.

Der Raum selbst, mit seiner spärlichen Beleuchtung und seiner von Vitrinen geschützten Reliquiensammlung, hat alles von einer gebastelten Walhalla. Das Modell eines bescheidenen Alpenhäuschens thront in einer Ecke; die Pläne des Gebäudes (übrigens: Jahrgang 1940 – ein gesegnetes Jahr) findet man am anderen Ende des Raumes. Zusammen mit Bauplänen einer mysteriösen unterirdischen Anlage (Stichwort: Verschwörungstheorie), die zur Belustigung der Masse (Stichwort: Disneyland; übrigens: war Walt nicht ein bisschen faschistisch?), bebaut werden sollte.  Weiterhin wären in diesen Vitrinen zu verzeichnen: ein merkwürdiger Vertrag (nicht mit Blut gesiegelt, aber Faust lässt trotzdem grüßen), die echte Fälschung von pseudo-historischen Dokumenten mit losem Bezug zur allgemeinen bayerischen Thematik, sowie die  Masken des Künstlers, auch sichtbar in dem schwarz-weiß-expressionistischen-Riefenstahlschen-Film, welcher in einer anderen Ecke des Raumes projiziert wird. Wagners Lohengrin liefert den Soundtrack zum Film, eine runde Sache angesichts der entsprechenden Schallplatte, die, das hatte ich ausgelassen, sich ebenso unter der Vitrine befindet.

Verheddert in einem schlechten Klischee des 19. Jahrhunderts, auf der Suche nach logischen, formellen oder narrativen Bezügen, die die Puzzleteile der Installation zusammen bringen würden, navigiert der Betrachter von einem Element zum nächsten, laviert zwischen Geschichte und Erzählung, Historie und Anekdote, Fantasie und Fakten, Inszenierung und Dokument. Ein höchst anspruchsvolle mentale Reise, dicht und stark; verführend und entfremdend zugleich.

Die Installation, die zunächst nur für die Ausstellung im Parkhaus entstanden ist, wird in wenigen Wochen und in einer leicht veränderten Form in der Simultanhalle (Köln) präsentiert werden.

Foto: Felix Burger
Felix Burger im Parkhaus
Schliersee – eine Parthie im bayerischen Hochlande
21.5.-5.6.2011
Parkhaus im Malkastenpark
Jacobistr. 6a
geöffnet mittwochs v. 19-22 Uhr und sonntags v. 14-18 Uhr
www.parkhaus-duesseldorf.com

THYRA SCHMIDT bei DI.VITRINE

Der Stempel ist gerade noch lesbar. Am 23.9.1992 wurde eine Postkarte für Thyra Schmidt, geb. Früchtenicht, im Postbüro Westerland (Sylt) entwertet. Die Bildseite zeigt einen malerischen Strand an der „schönen Nordseeinsel Sylt“. Im Vordergrund ein verdächtig gut platziertes Blumenbeet; in der Mitte ein ach so typisches, stattliches Strohdachhaus; im Hintergrund der belebte Nordsee-Himmel. Die Karte ist anonym. Es ist eine Liebeskarte.

Die Karte eines verliebten Menschen, der es nicht wagt, die Frau seiner Träume persönlich zu begegnen und anzusprechen. In gedrungener Schrift, Zeile für Zeile, bekommen die fragile Scheu und die zitternde Verehrung eines Unbekannten ihren minimalen Ausdrucksraum. Eine bescheidene Postkarte – also letztendlich etwas wie ein offener Brief – als erste, fieberhafte Kontaktaufnahme. Ein Gedicht, wie ein leiser Ruf. Eine Hoffnung – Flaschenpost. Es ist rührend. Es ist schön. Es ist poetisch. Es ist ein wenig kitschig.

Es ist publik. Es ist groß. Es ist stark beleuchtet und unter Glas. Es brüllt. Es ist in einer Passage ausgestellt, die zu den Gleisen der S-Bahn-Station Bilk führt. Es ist so vergrößert worden, dass jeder anonyme Passant die anonyme Karte gut lesen kann. Jeder kann an dieser angefangenen Liebesgeschichte teilnehmen. Jeder kann in das Herz und in die Seele eines schüchternen Menschen eindringen. Jeder wird zu einem potenziellen Voyeur gemacht. Wie in den Aktionen und Installationen von Sophie Calle, wird jeder Mr. Nobody in die intime Sphäre der Künstlerin eingeladen und kann sich deren Romanze aneignen.

Aber im Gegensatz zu Sophie Calle, die die Ebenen des Intimen und des Privaten noch mit fiktiven Elementen verzerrt, haben wir es hier nicht mit einem Fake zu tun. Thyra Schmidt hat diese Postkarte tatsächlich erhalten. Sie war damals gerade 17 Jahre alt und lebte in Norddeutschland. Nach dieser Karte folgten noch einige, ähnliche Briefe, genauso leidenschaftlich und anonym. Irgendwann wurde der Verliebte entblößt – und wer es genau wissen will, kann auf Nachfrage erfahren, dass es zu einer Liaison zwischen Schmidt, geb. Früchtenicht, und dem Verfasser der Karte kam.

Fast zwanzig Jahre später wird die persönliche Geschichte schamlos unter das Volk gebracht. Es ist schamlos, weil  – anders als die massmedialen Liebesgeschichten, die zum modernen Opium der Bild-, Gala- und Brigitte-Leser geworden sind – es kein Glanz und kein Glamour in dieser Karte stecken. Es ist auch keine schmutzige Story, keine schlüpfrig-geile Enthüllung, die das kranke Bedürfnis der Massen nach einer angeblichen Transparenz von „Prominenten“ stillen würde. Nein; es ist hier gerade das Romantische, Zerbrechliche und Vertraute, das Authentische und Nicht-Entfremdete, das in die Agora geworfen wird.

Das Künstlerpaar Dagmar Keller und Martin Wittwer hat Thyra Schmidt in den Bilker Bahnhof eingeladen und damit eine für diesen stark frequentierten Durchgangsort kongeniale Position gefunden. Die beiden großen Vitrinen, die vom Kulturamt verwaltet werden, werden tagtäglich von tausenden Pendlern mehr oder minder wahrgenommen. Das Licht ist hier entweder zu grell oder ungenügend, die Materialien lieblos und dreckig, die Raumabschnitte ausschließlich funktional gedacht. Bis auf einige Clochards und zwielichtige Gestalten, die sich zwischen Trinkhalle und Fotoautomat gelegentlich aufhalten, sind die Körper stets in Bewegung und die Blicke ausweichend. Es ist Öffentlichkeit in ihrem gnadenlosen Zustand. Die zarte und leise Liebeserklärung an der Wand ist eine Perle in der Gosse. Es ist die dezidierte Geste einer Künstlerin, die das Intime zu einer res publica macht. Wenn der Künstler sich in einem ständigen Prozess der öffentlichen Schaustellung befindet, ist derseelische Streeptease von Schmidt eine konsequente – wenn auch in ihrer Radikalität leicht störende – Entscheidung.

di.vitrine
im S-Bahnhof Bilk
Eröffnung am 19.5.2011
Ausstellung vom 20.5.-2.9.2011
24 Stunden eröffnet

KEREN CYTTER bei VOLKER BRADTKE

Neues in Flingern: Auf der Birkenstraße wurde im ehemaligen Ladenlokal einer Glaserei ein Raum eröffnet, dessen Namen einige Rätsel aufgibt. Untypisch für ein Off-Projekt: Für den Anfang wurden nicht irgendwelche frische Absolventen der Kunstakademie zusammen gewürfelt und zur Gruppe erklärt, sondern eine international renommierte Künstlerin präsentiert, die in den Genuss einer kleinen Solo-Show kommt.

Hinter der Initiative stehen Adam Harrison, Alexander Lorenz und Philipp Rühr, die für die Neueröffnung des Ladens eine zahlreiche Künstlerschaft mobilisiert hatten. Und vor allem Keren Cytter gewinnen konnten. Cytter hat in ihrer Wahlheimat Berlin vier Kurzfilme realisiert, die eine lose narrative Verbindung unterhalten und mal auf Monitoren gezeigt, mal an die Wand projiziert wurden.

Es wurde ein wahnsinniger Aufwand zur Neutralisierung der vorhandenen Räume betrieben. Der Bildhauer Christian Odzuk hat eine modulierbare Struktur aus Holz konzipiert, die  sich an die Präsentationsanforderungen anpasst und praktisch als „Innenpavillon“ im Laden fungiert − eine Lösung, die nicht nur praktischer und flexibler, sondern auch deutlich anspruchsvoller als die üblichen Trennwände sein dürfte.

In diesem leicht verschachtelten Rahmen entdeckt man die Filme von Cytter in verschiedenen Formaten. Es sind relativ kurze Vignetten, deren lineare Narrativität zunächst klassisch wirken mag. Cytter erzählt Geschichten von jungen Menschen in der Großstadt, skizziert Liebes- und Freundschaftsverhältnisse, hält kleine Begegnungen und Machtspiele fest, alterniert mikrogesellschaftliche Ereignisbeschreibungen mit allegorischen (aber unspektakulären) Szenen voller naiv-anmutender Poesie. Sie verfolgt mit einer geschmeidigen Kamera eine Handvoll Figuren, die aus dem jungen Berliner Künstlermilieu zu stammen scheinen; ein Milieu, das die Filmemacherin selbst gut kennt. Es ist ja bekannt, dass Cytter mit Menschen arbeitet, die keinerlei Schauspielerfahrung haben, sondern aus Freunden und Bekannten bestehen, was ihren Filmen einen charmant-amateurhaften Charakter verleiht.

Wichtiger als der Plot selbst sind jedoch die Mittel der Erzählung, die zum eigentlichen Sujet der Kurzfilme gemacht werden. Denn, parallel zur Erzählstrange, webt Cytter in all ihrer Produktionen eine versteckte Meta-Ebene, die die Instrumente der Erzählung aufnehmen, beleuchten und reflektieren. Im besten Brechtschen Stil schaffen diese Verfremdungseffekte eine Distanz zur Narration und rücken so in den Bewusstsein des Betrachters.

Cytters filmischer Ansatz ist ein dekonstruierender. Ob Licht, Ton oder das Schauspielerspiel: Einzelne Bestandsteile des Films werden isoliert und unter ein Brennglas gestellt, um deutlicher wahrgenommen zu werden. Die Erzählung selbst degeneriert zur Staffage sekundärer Bedeutung; die Prozesse des Erzählens parasitieren sie immer wieder und drängen sich im Vordergrund – was zu leichten Störungen und logischen Schnitten in der konventionellen Handlung führt. Als Clou schafft Cytter lasche Verbindungen von einem Film zum nächsten. Bild-, Ton- und Textschichten werden hin- und her geschoben, musikalische und motivische Komponente aufgegriffen und zitiert. Gerade in dem homogenisierten Raum von Odzuk, ist dies ein gelungener Zug. Ganz schön postmodern, indeed.

Volker Bradke (und nicht BradTke) war übrigens ein Autodidakt, der in den 1960er-Jahren in die Düsseldorfer Kunstszene verkehrte und erfolglos versuchte, sich als Künstler zu etablieren. Der zynische Gerhard Richter, der in Bradte den Prototyp des kleinbürgerlichen common man mit künstlerischem Anspruch sah, realisierte 1966 eine bissige eintägige Hommage-Ausstellung in der Galerie Schmela, betitelt nach den Namen dieser Randfigur.

Ausstellung v. 7.5.-5.6.2011
Ausstellungsraum Volker Bradtke
Birkenstr. 47
www.volkerbradtke.com

3-DAY STAND IM ATELIERHAUS WALZWERKSTRAßE

Eine Ausstellung, die den widrigen Umständen ihrer Entstehung deutlich erkennen lässt und trotzdem sympathisch daher kommt: Die Initiative von Jan Holthoff und Ethan Pettit ist zwar unbedingt begrüßenswert, das kuratorische Ergebnis des Düsseldorf-Brooklyn-Austausches lässt jedoch zu wünschen übrig.


 

Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Das unkuratierte Sammelsurium auf der Walzwerkstraße als Hölle zu bezeichnen wäre zwar maßlos überzogen, das Projekt erinnert jedoch daran, dass alle guten Ausstellungsideen nicht unbedingt in einer guten Ausstellung münden. Aber nun die Geschichte von Anfang an: Vor nur einem halben Jahr kamen Jan Holthoff und Ethan Pettit auf die Idee, eine engere Verknüpfung zwischen New Yorker und Düsseldorfer Künstler zu etablieren. Ersterer Anstifter ist ein ehemaliger Brandl-Schüler, der Zweite ein New Yorker  Maler und Grafiker, mit Hauptwohnwitz im Kiez von Bushwick (ein Stadtteil von Brooklyn).

Ohne allzu tiefe konzeptuelle Ansprüche und bar jedes ausgefeilten theoretischen Ansatzes, entschieden sich die zwei Männer einen sehr kurzfristigen transatlantischen Austausch zu initiieren und Werke von befreundeten Künstlern zwischen den Kontinenten zirkulieren zu lassen. Die Mittel waren knapp, eine institutionelle Förderung nicht vorhanden (bis auf die freundliche Unterstützung von Gil Bronner, der den Raum der Philara Sammlung zur Verfügung stellte); an einen klassischen Kunsttransport war nicht zu denken. Pettit packte bei seiner letzten Düsseldorf-Überfahrt so viele Werke wie nur möglich in seinen Koffer (was ihn dazu zwang, ausschließlich relativ kleine grafische Arbeiten auszuwählen), Holthoff trommelte seinerseits ein paar Künstlerkollegen in der Landeshauptstadt zusammen und – fertig war die Ausstellung.

Jan Holthoff

Unter diesen Umständen versteht man besser, wie es zu einer solch heterogenen und willkürlich wirkenden Ausstellung kommen konnte. Mit Hilfe von Konstantin Lange, haben sich Holthoff und Pettit zwar bemüht, formale oder thematische Bezüge zu schaffen, aber überzeugend ist das Ergebnis trotzdem nicht – zu gebrochen und inkongruent ist der Gesamteindruck und zu schwankend die Qualität der einzelnen Arbeiten. Den Machern ist übrigens die Schwäche der Präsentation bewusst. Ihnen ging es allerdings nicht um die Realisierung einer (nach institutionellen Maßstäben) klassischen Ausstellung, sondern um die prinzipielle Ermöglichung eines privaten deutsch-amerikanischen Transfers – wobei der Transfer sich nicht auf die Künstler, sondern auf ihre Werke bezieht. Was letztendlich zählen sollte, war dass die Arbeiten von New Yorker Künstler in Düsseldorf sichtbar werden und vice versa. Und wenn dies das Primärziel des Projektes ist, dann darf „3-Day Stand“ als Erfolg gelten.

Ethan Pettit

Jedenfalls geht der Austausch weiter: Wenige Tage nach der Eröffnung in Reisholz werden Pettit und Lange nach NY fliegen mit samt einigen grafischen Arbeiten der Düsseldorfer Künstler in ihren Koffern. Die Brooklyn-Ausstellung findet dann im Atelier von Pettit statt und wird vorwiegend aus größeren amerikanischen und kleineren deutschen Werken bestehen. Konstantin Lange hat sich mit einer Performance gemeldet und das dortige Publikum wird (möglicherweise zum ersten Mal) in Kontakt mit einigen Vertretern der Düsseldorfer Szene treten. Das ist auch eine positive Folge dieser Initiative.

Johanna Rzepka
Vincent Bambini


Als ich ihn fragte, was die Brooklyn-Bushwick-Szene ausmacht und wie die Düsseldorfer im Vergleich dazu steht, antwortete Ethan, dass der Grad an Gestaltungsfreiheit in NY höher sei. Spontane Kunstevents, die den Leerstand nutzen und ein riesiges Publikum in verlassenen Hallen anziehen werden nicht vom Ordnungsamt gefährdet. Die Regulierung des öffentlichen Raums ist dort nicht so streng wie hier, was einem andere Möglichkeiten eröffnet und eine ganz andere Energie frei setzt. Pettit behauptete weiterhin, dass die Amerikaner „funkyer“ seien, dass die Genre – zumindest in Brooklyn – sich stärker durchmischten und die Distinktion zwischen Hoch- und populärer Kultur weniger ausgeprägt sei als in Düsseldorf, wo der Einfluss einer Kunstakademie deutlicher zu spüren ist. Diese Bemerkungen, so richtig sie sein mögen, fanden keine Bestätigung in der Ausstellung, die eher eine Art „International Style“ aufwies.

Fazit: Das Wichtige an diesem kurzlebigen Projekt ist nicht das Produkt selbst – die Ausstellung – sondern die Tatsache, dass, auf eine private Initiative fußend, eine selbstorganisierte Szene – egal ob sie sich als solche versteht oder nicht – sich international vernetzt und eine Kommunikation von einem Kontinente zum nächsten etabliert. Trotz aller Bedenken zum konkreten Ergebnis dieser ersten Vernetzung erhält das Projekt von Pettit und Holthoff deshalb das Prädikat wertvoll und all unsere Wünsche für die Zukunft.

Petra Fröning

PRÄSENTATION DER WERKSTIPENDIATEN bei ONOMATO

Nicht selten schließen Off-Räume strukturelle Lücken, die die öffentliche Hand oder ihre privaten Partner hinterlassen, bedienen vernachlässigte Medien und Genre und tragen somit zur Vielfalt des lokalen Kulturlebens bei. In Düsseldorf, nach den schwierigen Jahren der Lüpertz-Ära in der Kunstakademie, hat sich eine dieser Lücken im Bereich der Film-, Video-und Klangkunst angesiedelt. Nun ist eine nicht-institutionelle Initiative in die Bresche gesprungen und stemmt aus eigener Kraft ein Stipendium für Künstler, die sich eben mit diesen Medien befassen.

Onomato, der sich schon längst über den Status eines einfachen Kunstvereins hinaus entwickelt hat und, neben seiner Verlagstätigkeit, auch ein reichhaltiges Programm an Vorträgen, Filmprojektionen und theoretischen Diskussionen anbietet, hegt so etwas wie einen institutionellen Bildungsanspruch. Es gibt z.B. Pläne zur Bildung eines Kunstinstituts mit vermittelnder Funktion („Kepos“), das sich den Schnittstellen zwischen Wort, Bild und Ton widmen würde. Ein durchaus ambitioniertes Projekt im Kontext der Off-Szene. Ein Vorgeschmack dieser „Schule“ liefert das Stipendiumprogramm, das im Frühjahr durchgeführt wurde und dessen Ergebnisse am 2.4. präsentiert wurden.

Es passten nicht alle in den Raum

Das Stipendium von onomato unterscheidet sich von anderen Modellen dieser Art. Es vergibt nicht einfach Geld und freut sich über eine Ausstellung (eigentlich vergibt es überhaupt gar kein Geld), sondern schafft eher die Bedingungen für eine künstlerische Weiterentwicklung. Für seine erste Austragung in dieser Form, bekamen die fünfzehn Stipendiaten drei Monate lang freien Zugang zu allen Ton- und Filmgeräten des Vereins und konnten z.B. die Schnittplätze und das Aufnahmestudio in Anspruch nehmen.

Da das Prinzip des Stipendiums darin besteht, den Austausch zu ermöglichen und eine möglichst bereichernde Reflexion und Selbstreflexion zu implementieren, wurden externe Dozenten regelmäßig eingeladen, um auf die jeweiligen Projekte der Stipendiaten zu reagieren. Abwechselnd fand einen wöchentlichen Plenum für Bild und Ton statt, in denen die Fachspezialisten präzis auf die einzelnen Arbeiten eingehen konnten. Dabei wurden immer wieder theoretische Einschübe geleistet: Christoph Korn las z.B. einen Text über das Geräusch – als Konzept und Phänomen –, der wiederum zum Ausgangspunkt einer Diskussion diente. Dazu wurden noch technische Kurse, ganz auf die Bedürfnisse der Stipendiaten zugeschnitten, kreiert und animiert.

Es passten nicht alle 15 Stipendiaten in das Bild

Es ist also weniger eine materielle als eine ideelle und intellektuelle Förderung, die hier intendiert ist. Der Prozess der Ausreifung und technischen Umsetzung einer Idee ist dabei wichtiger als die Produktion eines Ergebnisses, das im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden soll − wobei drei Monate viel zu kurz sind, um sich auf diesen Prozess einzulassen, wie einige Teilnehmer meinten. Eine Abschlusspräsentation gab es jedoch, und diese erschien stimmig und freundlich, mit einer guten Balance zwischen feierlicher Stimmung und entspannter Atmosphäre. Zunächst wurden die Beiträge auf Leinwand projiziert und von Frauke Tomczak kurz vorgestellt. Später bekam man die Gelegenheit, sich bei jeder einzelnen Arbeit zu vertiefen.

Weil das Schreiben über fünfzehn Künstler  eine unheimlich undankbare Aufgabe für den freiwilligen und nicht vergüteten Kunstblogger ist, soll sich diese Rezension auf einige, wenige Bemerkungen begrenzen. Die Vielfalt der Beiträge war jedenfalls beeindruckend: Von der üppigen, überladenen und sinnschwangeren Bilderwucht eines André Yuen zur meditativen, puristischen und fast minimalistischen Klangbild-Harmonie einer Stefanie Pürschler, vom sachlichen Dokumentar von Veronika Peddinghaus zur stimmungsvollen Ortsbegehung von Lilian Czolbe – die große Bandbreite des Stipendiums konnte klar stellen, dass onomato eine Schule (im Sinne einer betreuenden Institution) werden will ohne eine Schule (im Sinne eines dogmatischen Programms) werden zu wollen. Mir ist auch aufgefallen, dass die Tonspur vieler Arbeiten besonders fein – wenn nicht gar raffiniert – war. Anscheinend wurde aufmerksam an dieser Komponente gearbeitet.


INTERMITTENZ bei BARTLEBOOTH & SMAUTF

Dass die Düsseldorfer Off-Szene nicht allein aus den Absolventen der Kunstakademie und der FH oder aus den Arty-Spontis der Kreuzung Friedrichstadt/Bilk besteht, wissen wir hier spätestens seit dem letzten Eintrag: Die drei Betreiberinnen von d-52 sind nämlich angehende Kunsthistorikerinnen, die in ihrer unmittelbaren Auseinandersetzung mit lebendiger Kunst einen entscheidenden Beitrag zur selbstorganisierten Szene leisten. Nun zeigte für eine knappe Woche einer ihrer Kommilitonen eine Gruppenausstellung in seiner Wohnung. Martin Wolthaus ist sein Name.

Der überaus freundliche Martin Wolthaus ist eigentlich im Schloss Dyck beschäftigt und, parallel dazu, schreibt eigenständig an den Fußnoten seiner Dissertation. Aber als er vor kurzem eine kleine Wohnung auf der Himmelgeister Straße kaufte und diese nicht sofort beziehen konnte, kam er auf die abwegige Idee, eine Ausstellung in den leeren Räumen zu organisieren. Und so lud er sechs Künstler ein, die zuvor auf dem Rundgang der Kunstakademie gesichtet oder empfohlen wurden, und platzierte sie mit einem ausgesprochen feinem Sinn für den Raumcharakter in drei Zimmer.

Katharina Maderthaner

Nur eine dieser Künstler, nämlich Katharina Maderthaner, ließ sich von dem Ort inspirieren und entwickelte eine spezifische Intervention in der Küche. Diese Arbeit, eine chamäleonische Wandinstallation, verschmolz so gut mit ihrer Umgebung, dass sie von einigen Besuchern nicht auf Anhieb als Bestandteil der Ausstellung erkannt wurde. Die leicht hervorspringende Erhebung, die vage an eine Toastbrot-Scheibe erinnert, war perfekt eingebaut und gab den Eindruck, seit einer Ewigkeit an diesem Ort zu stehen. Was ihren skurrilen und mysteriösen Charakter noch betonte.

Benjamin Zanon

An der gegenüber liegenden Wand waren Kupferstiche von Benjamin Zanon, einem Deacon-Schüler, zu sehen. Die Drucke evozieren Karten von Megastädten monströser Ausmaßen, oder aber – weniger evident – organische Gebilde, die sich in den Raum ausdehnen. Venen/Schnellstraßen schneiden die breiten Zellen/Wohnblöcke und organisieren die komplex strukturierte Bildfläche in ungleich behandelten Bereichen. In einem fortwährenden Vorgang des Verdichtens, zeichnet Zanon eine Topografie des Rhizoms und, gegen die Leere kämpfend, füllt allmählich die freien Bereiche seiner Platten mit winzigen Zeichen. Die verschiedenen Stadien der Entwicklung gehen nicht verloren, denn jede Platte wird im Prozess der Radierung mehrfach, so dass der regelrechte Wachstum des Motivs zum integralen Bildbestandteil gemacht wird.

Heiko Räpple

Während die „Küchenwerke“ eine verhaltene und diskrete Wirkung ausübten, stellte das Wohnzimmer andere Weichen. Die Arbeit von Heiko Räpple, zum Beispiel, wurde über ein angefanges Loch in dem Boden platziert und bildete den interessantesten Ansatz des Schaus. Seine Skulptur gibt sich als abstrakte Komposition, deren Expressivität beim ersten Augenblick plump wirkt. Trotz der unleugbaren haptischen Qualität, fällt der ärmliche Kontrast zwischen dem Schaumstoffkörper und den spitzen Holzsplitter sofort auf.

Aber der Bezug dieser „Supernova“ zum Raum ist weitaus interessanter. Die Skulptur, die so aggressiv in den Raum hinausragt und, von einem Kern ausstrahlend, eine unheimlich dynamische und plastische Kraft entwickelt, weigert sich zugleich dem Raum. Auf einem Träger gebaut, in einer Ecke angebracht, bietet sie letztendlich nur eine singuläre Ansicht und wirkt beinah wie die Maske und die oberflächige, ironische Grimasse einer expressiven Skulptur.

Katharina Kiebacher

Zum Balkon hin wurde die Arbeit von Katharina Kiebacher projiziert. Die Ansichten von Glasgow, die die Künstlerin während einer City-Mapping geschossen hat, sind eine Ansammlung von banalen und funktionalen Gebäuden und gesichtslosen Straßen, die die Parallele zum Balkonblick und die ebenso unspektakuläre und wenig malerische Kreuzung zwischen Himmelgeister- und Kopernikusstraße sehr gut vertragen (da auch: kluge Platzierung). Die Präsentation der Fotos, die einen starken subjektiven und zugleich beiläufigen Blick aufweisen, waren nur für die Ausstellung realisiert worden.

Michael Koch

Der aufmerksame Betrachter hat möglicherweise im Nebenraum einige speckige Spuren an der Wand entdeckt, die die Stelle markieren, an denen ein Bett stand. Diese Ecke im Schlafzimmer war für eine Foto-Installation von Michael Koch prädestiniert: Das größte Bild des Ensemble zeigt ein geplatztes Kopfkissen woraus flauschigen Daunen entfliehen. Nahaufnahmen von weiteren weichen Materialien und Objekte, in dramatische, hell-dunkel-Kontraste inszeniert, vollenden die Wandebene.

Die dreidimensionale Entsprechung besteht aus gefalteten, mehr oder weniger weißen Tüchern und Stoffen. Schöne, schlüssige Arbeit, die formelle und sinnliche Verbindungen von einem Element zum nächsten (und auch zum Raum) schafft und aus wenigen Grundmaterialien eine starke erzählerische Dichte entfaltet.

Niels Sievers

Angesichts des subtilen Zusammenspiels von Raum und Werk, die die Ausstellung bis dahin aufwies, wirken die zwei kleinen Bilder von Niels Sievers ein wenig deplatziert. Nicht dass sie an sich enttäuschend wären: Die Landschaftsmotive im Miniaturformat, die auf CD-Hüllen gemalt wurden (die Notwendigkeit dieses Trägers habe ich immer noch nicht verstanden), weisen eine durchaus malerische Sensibilität auf. Es sind lakonische, naive und beinah romantische Gedichte, voller Stille und Nostalgie, die vorsichtig und behutsam geflüstert werden – geflüstert, um ihre zerbrechliche Schönheit nicht zu verschrecken. Nein – an sich sind die Arbeiten gelungen ; angesichts der besonderen räumlichen Situation hätte man sich jedoch eine offenere Auseinandersetzung mit der Wohnung gewünscht. Aber manche Maler sind so auf ihre Arbeit fixiert, dass sie ihre Umwelt vergessen…

Der überaus freundliche Martin Wolthaus gab zu, mit Intermittenz Blut geleckt zu haben – und künftig weitere Projekte kuratieren zu wollen. Da die Wohnung aber umgebaut werden soll, ist es nicht vorgesehen, eine Folge der Ausstellung an diesem Ort zu realisieren. Schade, eigentlich. Wir können nur hoffen, dass er beim nächsten Mal eine genauso glückliche Hand haben und eine genauso präzise Ausstellung realisieren wird…

Bartlebooth und Smautf sind übrigens die Hauptfiguren des exzellenten Romans von Georges Pérec „Das Leben Gebrauchsanweisung“. Diejenigen, die das Meisterwerk von Pérec gelesen haben, werden den Bezug zur Ausstellung sofort erkennen. Und diejenigen, die bisher auf das Buch verzichten konnten, haben nicht verdient, diesen Blog weiter zu lesen und werden gebeten, ihre Kiste auszuschalten und sich in eine Bibliothek oder Buchhandlung zu begeben. See you in 750 Seiten.

Intermittenz bei Bartlebooth & Smautf
kuratiert von Martin Wolthaus
Himmelgeisterstr. 33
26.3. – 1.4.2011
www.martin-wolthaus.de

NACHTSPEICHER23 ZU GAST BEI D-52

Vor einigen Wochen erhielt unsere schöne Stadt Besuch von einer Berliner Off-Initiative, dem Büro Adalbert, die ein Lokal an der Graf-Adolf-Straße okkupierte (s. Eintrag vom 17.2.). Seit wenigen Wochen ist nun eine Hamburger Off-Initiative zu Gast in unserer schönen Stadt zu Besuch und okkupiert die Hallen von d-52. Fazit: Off-Betreiber ganz Deutschland, vereinigt euch!

nachtspeicher23 ist ein Kollektiv von zurzeit 6-7 aktiven Mitgliedern, die sich in Hamburg Sankt-Georg eingenistet hat (www.nachtspeicher23.de). Die Gruppe hat sich erst 2008 gegründet, wirkt aber von hier aus hyperaktiv, wenn man erfährt, dass um die 20 Ausstellungen pro Jahr gestemmt werden. Neben diesem rasanten Ausstellungsbetrieb wird vor allem der Austausch zu fremden Gleichgesinnten gesucht – und zwar in höheren Maßen als bei anderen, vergleichbaren Off-Projekten. So fand bereits ein Transfer mit Berlin-Kreuzberg  (und zwar mit Scotty Enterprise) statt und die Vernetzung auf Bundesebene soll weiter gehen. Der erste Stich in der selbst ernannten Kunststadt Düsseldorf erfolgte auf informellem Wege: Sabine Rolli, eine der drei Betreiberinnen von d-52, erfuhr von der Hamburger Initiative und lud sie kurzerhand in die Landeshauptstadt.

Die Schau „Ein einzig‘ Rausch“ im d-52 ist also der erste konkrete Ausdruck dieser Vernetzung. Bevor die Düsseldorfer Vetretung sich im Laufe des Jahres auf die Reise nach Hamburg machen wird, präsentierte sich eine Auswahl aus neun Künstlern, die im Dunstkreis von nachtspeicher23 steht, bei uns. Und – auch wenn ich dort ein zu seltener Gast bin – ich muss gestehen, dass die Gruppenausstellung das (vorläufige) Beste ist, was ich inder Rather Straße gesehen habe. Trotz einer thematischen Bindung (es ging um das Rauschhafte im weitesten Sinne – also um Extase, Drogen, Visionen, Funkstörungen und Kopfschmerzen) und der Tatsache, dass viele Arbeiten nur für diese Gelegenheit geschaffen wurden, bleibt die Präsentation angenehm offen.

Malerei und Grafik sind die zwei bevorzugten Medien der Ausstellung,  was vermutlich an den logistischen Möglichkeiten des Transfers liegt. Anders als in Düsseldorf, wo der lange Schatten von Lüpertz & Co. noch Wirkung zeigt, halten sich  bei den Hamburgern gegenständliche und abstrakte Positionen in Balance. Und weil mein Leben aus anderen Nettigkeiten besteht, als nur Blogeinträge zu schreiben, kann und will ich nicht auf alle neun Künstler eingehen.

Thorsten Dittrich

Beeindruckt war ich besonders von den Arbeiten von Thorsten Dittrich, die die mediale Ausrichtung der Ausstellung am besten reflektieren: diese grafisch-betonte Malerei (oder malerische Zeichnung) sucht das Gleichgewicht zwischen freier Geste und geführter Linie – auch wenn Letztere noch zu sehr im Vordergrund steht. Die Gebilde, die  seine Kompositionen bestimmen und die sehr plastisch in Szene gesetzt werden (eigentlich: zu plastisch, denn dadurch werden sie ein wenig plakativ), wirken wie technoid-organische Körper, entstanden zugleich aus dem zufälligen Prozess der Malerei und dem kalkulierenden Geist eines Ingenieurs. Reminiszenzen an der  düsteren Sci-Fi-Welt eines H.R. Giger bleiben dabei nicht aus.

Es ist für meinen Geschmack zu viel inszenatorischer guter Wille dabei (die hell-dunkel-Effekte, die die „Gebilde“ in den Vordergrund bringen, sind unnötige, kitschige Elemente und die sauberen Farbkleckse an der Oberfläche bringen einen manierierten Tonfall, der fast an der Ernsthaftigkeit dieser Malerei zweifeln lässt); aber alles in allem sehe ich großes Potenzial und eine unleugbare Kraft in der Arbeit von Dittrich.

Gut gefallen haben mir auch die Installation und die „Bilder“ von Eva Koslowski, die mit Nylonstrümpfen arbeitet und das Fetischmaterial zieht, überlagert, reißt und auf zwei- oder dreidimensionale Flächen spannt. Es ergeben sich durchaus interessante grafische Strukturen, die aus der Schichtung der feinen Masche bestehen. Nett, kommt mir aber irgendwie bekannt vor.

Tanja Hehmann

Die Vignetten von Tanja Hehmann sind köstliche Miniaturen, in denen Figuren und Gegenstände in einen  surrealistischen Farbstrudel eingetaucht werden. Die Künstlerin, die den Austausch mit d-52 gemanagt hat, greift immer wieder auf Fotovorlagen zurück, die sie neu komponiert und koloriert, bis  die realistischen und malerischen Ebenen sich vollständig vermischen.  Ihre mal kompakten und kräftigen, mal dekorativen und spielerischen Verfremdungen lassen die vorgefundenen, banalen Alltagsituationen in einer bizarren und durchaus anziehenden Form- und Farbwelt stürtzen; ein Paralleluniversum voller verstörrender Schönheit, in dem das Vertraute und das Fremde eine Allianz wider Willen eingehen. Man fühlt sich unweigerlich an Max Ernst und Neo Rauch erinnert, und die post-surrealistische Ambiante der gesamten Leipziger Schule lässt grüßen. Aber die kleinen Arbeiten sind so gut, dass diese klare Ahnlehnungen nicht weiter stören. Eine Qualität, die sich übrigens in den großen Formaten von Hehmann nicht finden lässt –  ihre malerische Technik ist zu ungenau und ihre erzählerische Lust zu eindimensional.

Nora Chrosziewski

Die Kompositionen von Nora Chrosziewski sollten hier noch  Erwähnung finden. Es sind komplexe Ablagerungen von Farbschleiern, die geduldig geschichtet und präzis „gestoppt“ werden. Die Sedimente verdichten sich zu mehr oder weniger durchsichtigen Flächen, die das Bild letztendlich konstruieren – auch hier schwebt der Arbeitsmodus zwischen Loslassen und Kontrollieren.

Lena Oehmsen: Auszug aus einem Kommunikationsarchiv des 21. Jahrhunderts (1.1. - 31.1.2011)

Lena Oehmsen bildet die einzige eindeutige konzeptuelle Position der Ausstellung. Ihr zweigeteilter Beitrag ist eine nüchterne, distanzierte und fast kalt wirkende Auflistung von Bild- und Textmaterial, das sie bei Facebook gefunden und einen Monat lang gesammelt hat. Dieses Konvolut an Porträts, die die Freunde von Lena zu Selbstdarstellungszwecken in das soziale Netzwerk  eingespeist haben, wurden jeweils auf einen einzigen fantomhaften Schatten reduziert. Durch diese entkontextualisierende Verschiebung und Verfremdung sind nur noch Standardgesten und x-beliebigen Posen zu sehen, sinnentleert und leicht morbid – eine schwarze Armee von gut gelaunten Klonen, die in die Kamera schauen. Der zweite Teil dieser Arbeit besteht aus mehreren Hunderten Karteikarten, auf denen Oehmsen die Facebook-Posts kopiert hat, die sie innerhalb 31 Tagen empfangen durfte. Ein zum Teil bestürtzender Einblick in der Nichtigkeit und Belanglosigkeit dieses Kommunikationsmittels, der hauptsächlich als Träger von armseligen und überflüssigen Gedanken und egozentrisch-hirnschissigen Anmerkungen fungiert.  Und eine zusätzliche Motivation, mich aus diesen schwachsinnigen, elektronischen sozialen Netzwerken zu halten. Meine Zeit vergeude ich lieber mit der Redaktion von Rezensionen – eine bedeutsame und erbauliche Aufgabe, die der Menschheit zugute kommt.

Ein einzig‘ Rausch
Ausstellung vom 13.3.-25.3.2011
Freitags 17-19 Uhr
Sonntag / Feiertag 15-17 Uhr
d-52. raum für zeitgenössische kunst
Rather Straße 52
www.d-52.de

Intervention in der Flügelstraße

Der Frühling bringt eine frische Brise: Abseits des verkrampften sozialen Anspruchs und des lästigen Mitteilungsbedürfnisses mancher Wandmaler der Stadt, beweist ein Laie, dass die Straße jedem Mann gehört und dass Street Art durchaus auf Wände verzichten kann – und dies mit einer angenehmen Gelassenheit.

Pünktlich zum Frühlingsanfang und zu den ersten Sonnenscheinen hat Herr Ökkes Yildirim, seinerzeit Besitzer des Büdchens an der Ecke Flügelstraße/Linienstraße und glücklicher Oberbilker, die Straße zu einem surrealistischen Schauplatz verwandelt. Geschätz 200 Gitarren hat er an die Bäume gehängt – bis Anfang April verzaubern sie den Himmel über der Flügelstraße.

Die Initiative geht allein auf Yildirim zurück, der seine Zeit und sein Geld in diese Angelegenheit engagiert hat und sich damit scheinbar eine Freude machen wollte. Gerade diesen privaten Impuls und die Abwesenheit von jedem ideologischen Hintergrund macht diese Intervention begrüßenswert. Es ist zwar kein revolutionärer Akt, der die Geister noch lange prägen wird, aber eine freie Geste, die unbedingt nachgeahmt werden soll.

Eine Künstlerin, die ich zufälligerweise vor Ort traf, fand das Ensemble „zu dekorativ“ und hätte lieber nur einen bestückten Baum gesehen. Meinerseits habe ich mich dabei nie gefragt, ob wir vor einem Kunstwerk stehen würden und dieses im Kontext des Kustbetriebs beurteilt werden sollte. Die aktive Inbesitznahme des öffentlichen Raums und der Akt der „Verzauberung des Realen“ sind an sich legitim genug, um die Intervention (ich will nicht von einer Arbeit sprechen) als gelungen zu sehen – auch wenn der „Hobbykünstler“ (wz-newsline.de) sich nicht nach den Regeln und im Kontext des Kunstsystems artikuliert.

Und was sagt der Sonntagskünstler dazu? Laut Medienbericht, wollte er „Oberbilk positiv darstellen“ (wz-newsline.de). Soso. Bei soviel bürgerlichem Engagement sollte die Marketingabteilung der Stadt Düsseldorf , die ihrerseits mit dem „blauen Band am Rhein“ den Frühling bemüht  (diese Krokusse an den Rheinterassen, die das Natur-Tourismus-Event der Woche bilden), sich herzlich bei Yildirim für seine Initiative zur Erhöhung der Lebensqualität im Stadtteil bedanken.

OLIVER GATHER im Showroom Tina Miyake

Vom genius loci zur Mikrosoziologie: In der Vergangenheit ist Oliver Gather vor allem durch Aktionen aufgefallen, die sowohl auf die historischen, politischen und soziologischen Komponente eines Ortes eingingen als auch dessen immante poetische Qualitäten unterstrichen. Dann kam ein leichter aber unerwarteter Schwenk, und auf einmal waren es mehr Menschen als Systeme, die Gather interessierten. Menschen mit ihren kleinen Geschichten, ihren alltäglichen Strategien und ihren unspektakulären Methoden, den Raum zu erobern. Im Show-Room der Modedesignerin Tina Miyake ist die letzte Entwicklung des unerwarteten Schwenks zu sehen.

Oliver Gather (links mit Handschuhen) vor seiner Sammlung. Foto: Christof Wolff (www.null-zwo-elf.de)

Der Künstler als Sammler: Die CarSpamCardCollection (auf gut deutsch: Autohändlerkarten-sammlung) des Düsseldorfers Oliver Gather ist eine einmalige Anthologie von Kärtchen, die Autofahrer meistens auf ihren Windschutzscheiben finden und, nebst einer anekdotischen Fotografie und einer großgeschriebene Telefonnummer, das prizipielle Kaufinteresse eines Autohändlers bekunden, Fahrzeuge aller Arten und in aller Zuständen zu kaufen. In der Regel werden die Kärtchen direkt weggeschmissen und geraten, wie andere Flyers für Pizza-Lieferungsservices oder private Flohmarktankündigungen, sofort in Vergessenheit. Genau da setzt Gather ein. Wie ein Dipterologe (vgl. www.duden.de; auch sehr nützlich: www.klugscheisser.de) des 19. Jahrhunderts dringt er in die urbanen Djungel unserer Städte ein und verfolgt die Spuren der Kärtchen auf dem Boden. Man stellt sich Gather mit Tropenhelm und Schmetterlingnest vor, jubilierend vor jedem neuen Exemplar, das er vom Gulli retten kann.

Foto: Peter Podkowik

Diese Nebenprodukte der Dienstleistungsgesellschaft werden liebevoll aufgelesen und in eleganten Holzkisten zusammen getragen. Gather recycelt also das Recyclingsangebot von Second-Hand-Händlern und wertet es auf – schon durch seine bloße Aufmerksamkeit. In seiner Wunderkammer des Trivialen entwickelt er dann eine Taxonomie der Kärtchen, die nach Anbieter, Farben, Bildmotiven oder rhethorischen Formeln klassifiziert werden. Diese penibel und konzentrierte Tätigkeit, die sicherlich auf irgendwelchn Urtriebe der Menschheit zurückzuführen ist und sich jedenfalls auf jedes beliebige Objekt ausweiten lässt (so sammeln manche Schweizer ihr Leben lang Kaffeesahne-Deckel), gepaart mit dem systematischen Vorgang der Klassifizierung, lädt plötzlich die unbeliebte Werbung mit einer neuen Wertigkeit auf und zieht sie regelrecht aus dem Domäne des Abfalls und stellt sie auf dem Podest des Edlen und Wertvollen.

Foto: Peter Podkowik

Ich glaube nicht, dass Gathers Sammlung eine erneute Parodie auf das manische Verhalten des Sammlers (wie bei Feldmann oder Collin-Thiébaut) oder ein ironischer Kommentar der musealen Institution und der Entstehung von Werten (wie bei Broodthaers) ist. Natürlich geht es hier auch – wie erwähnt – um die Statusfrage des ausgestellten, bzw. gesammelten Objektes und um die Legitimität mancher Kunstwerte. Aber es scheint eher das Interesse an soziologischen Phänomenen zu sein, die den Künstler zu dieser absurden Tätigkeit führt. Diese Karten verweisen nämlich nicht nur auf das Geschäft mit gebrauchten Wagen hin; sie sind die konkreten Spuren des Verteilers, der durch die Stadt geht und sich gezwungenermaßen die Strassen aneignet. Wie Hänsel und Gretel hinterlässt er Spuren aus buntem Plastik; unbewusst markiert er seinen Weg und macht sein Parcours sichtbar – Gather läuft nach und hält den Streifzug fest.

Ich weiß, dass Gather sich für diese Art von winzigen, unbedeutendsten Spuren unserer Zivilisation interessiert, und dass er auf solche gesellschaftliche Mikrointeraktionen besonders achtet und sie in seine Arbeit integriert; ich weiß, dass Gather diese ansonsten unbeachteten Spuren als Indikatoren unserer Beziehung zum Raum versteht. In dieser Hinsicht ist diese kleine Ausstellung der originelle Beitrag eines Künstlers zur Mikrosoziologie.

Ausstellung bis zum 16.4.2011

Showroom Tina Miyake

Ackerstr. 39

www.tinamiyake.de

Danke an die zwei Fotografen ! Endlich bekommt dieser Blog vernünftige Bilder.

Das BÜRO ADALBERT ist zu Besuch in Düsseldorf

Zurzeit gibt es in Düsseldorf knapp dreißig unterschiedliche Off-Projekte mit künstlerischem Schwerpunkt. Im Schnitt gibt es aus diesem Bereich mindestens eine neue Ausstellungseröffnung oder Veranstaltung pro Woche. Und weil wir immer noch nicht satt sind, kommt Berlin zur Hilfe.

Wenn meine Informationen stimmen, gab es Anfang der 1990er-Jahre ein Künstlerprojekt namens Büro Bert. Es war in Berlin ansässig und hatte sich vorgenommen, in unterschiedlichen Städten der  Republik zu intervenieren, um das politische Potenzial von Kunst im öffentlichen Kontext auszuloten. Das Unternehmen war also nomad – was damals immer noch ganz hip war – und vor allem politisch motiviert – was damals schon ziemlich out gewesen sein dürfte. Als ich neulich hörte, dass zeitgleich zum Rundgang ein ominöses „Büro Adalbert“ aus Berlin sich auf der Graf-Adolf-Straße angekündigt hatte, glaubte ich zunächst an einem Sequel. Weit gefehlt: Außer dem lustigen Büronamen und dem nomadischem Prinzip hat das Büro Adalbert rein gar nichts mit dem älteren Projekt zu tun – und wusste noch nicht mal davon.

Das Büro Adalbert ist eine kleine Gruppe von Künstlern aus der Hauptstadt, die Ausstellungen an fremden Standorten organisiert und den vorgegebenen Leerstand kurzfristig bespielt. Dabei werden für jede neue Ausstellung Künstler eingeladen, die nicht explizit zur Kerngruppe gehören und für Frische und Erneuerung sorgen. Es ist also eine typische selbstorganisierte Initiative, die offensiv in die Öffentlichkeit geht und den Kontakt zu Künstlerkollegen sucht. Liest man die Pressemitteilung der – übrigens professionell und seriös wirkenden – Gruppe durch, stößt man auf Begriffe wie „Förderung des Austauschs“ oder „Erweiterung unseres Netzwerkes“, die die Absichten der forschen Künstler deutlich macht.

Der erste Ausflug des Projektes außerhalb von Berlin führte Dominik Halmer (Büroleiter), sowie drei weitere Künstler, in einen ehemaligen Laden an der Graf-Adolf-Straße. Vier distinkte Positionen, die sich gut im schlauchartigen und diffizilen Raum einfügen und, ohne sich von einander abzuschotten, ihre Integrität bewahren.

Heinz Martin Breuer

Heinz Martin Breuer, ein ehemaliger Meisterschüler von Immendorf, sucht aktuell sein Glück in China. D.h.: Er lebt und arbeitet dort. Merkwürdig, wenn man – natürlich aus europäischer Sicht – die Qualität der chinesischen Malerei betrachtet und die plumpe Fantastik und plakative Figuration, die Jahr für Jahr den europäischen Markt fluten, erleiden muss. Wir wollen lieber nicht wissen, was Breuer dort sucht, aber eine Ahnung hätten wir ja. Seine zusammen gesetzten Motive, die wie zerrissene Zitate erscheinen, suchen unbedingt den größtmöglichen Kontrast. So trifft das Glatte, Figürliche und brav Aufgetragene auf das Wild-gestische, und sein grafischer Stil lässt immer Farbflecken zu, die, trotz aller Liebe zum Motiv und zur Zeichnung, an die Materialität der Malerei erinnern. Die starke schwarzweiße Akzente betonen noch die Fremdheit und Distanz dieser Bilder.

Dominik Halmer

Mit einem ähnlichen Prinzip, jedoch völlig anderen Mitteln präsentiert Dominik Halmer vier Arbeiten auf ungrundierten Leinwänden. Weniger roh und expressiv als der Kollege Breuer, dekliniert Halmer vereinzelte Motive, Gesten und Malspuren durch, die er gekonnt in Szene setzt. Die heterogenen Objekte, die an der Oberfläche seiner Kompositionen schweben, scheinen weniger für ihre genuine Bedeutung oder ihre Symbolkraft gewählt zu sein als für ihre Texturen und Stofflichkeiten. Schattierungen, Abdrücke und abstrakte Passagen artikulieren sich subtil im Raum und behaupten deutlich ihre Andersartigkeit. Besonders bei der hyperrealistischen Darstellung von glänzenden Oberflächen stellt Halmer sein technisches Können unter Beweis. Und überzeugt trotzdem nicht. Sein Fluss der Dinge ist zu steril und intelligent; zu gewollt, um richtig zu berühren. So bleibt man bewundernd aber unbeteiligt vor diesen Gemälden.

Ria Patricia Röder

Das fotografische Medium ist durch Ria Patricia Röder vertreten. Die jüngste Künstlerin der Clique macht einen extremen Verbrauch von Blitzlichtern, die sie bei der Aufnahme von nächtlichen Szenen einsetzt. Dies ergibt ein haloartiges, kaltes und sehr scharfes Licht, das sich auf wenige Objekte konzentriert und einen Großteil der Landschaft im Dunkeln lässt. Ein interessanter Zugang zu dieser besonderen Technik, der jedoch noch in der Phase der Entwicklung erscheint: Die Notwendigkeit (und dadurch: die Qualität) der Motive, worauf Röder zurück greift, war nicht gegeben.

Andreas Breunig

Andreas Breunig, schließlich, hat drei Skulpturen hingestellt und damit ein bisschen Humor in eine ansonsten sehr ernsthafte und ein wenig zu formelle Angelegenheit gebracht. „Androni Super Pro“, sein bäuerliches Hommage an Marcel Duchamp, ist zugleich eine Vorbeugung vor Georg Herold. Das Rad nimmt den Geist der Modernität auf die Schüppe und lässt die Postmoderne noch einmal drehen. Und auch die „Androni Hyper Pro“, die ich als einen Arschabdruck interpretiert habe und den Besucher am Eingang des Raumes begrüßt, schafft es wunderbar, die Atmosphäre einer Ausstellung zu lockern, die, gerade wegen ihrer professionellen und bemühten Betreuung, einen Gesamteindruck von Steifheit hinterließ.

RUNDGANG DER KUNSTAKADEMIE 2011

Virtueller Rundgang durch den Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf.

No Comment.

Und wie es so schön heißt: Click to enlarge.

P.S.: Die folgende Auswahl ist keineswegs repräsentativ eines persönlichen Geschmacks, sondern lediglich ein unsystematischer und launischer Versuch, die Eindrücke eines jeden Besuchers fest zu halten. Manchmal muss dieser Besucher aufs Klo und verpasst die eine oder andere Klasse; manchmal ist er in einem Gespräch verwickelt und vergisst, ein Bild zu machen; manchmal hat er einfach kein Bock, die Kamera aus der Tasche zu holen. Dies erklärt die mysteriösen Lücken der Darstellung.

Klasse Tony Cragg

• Klasse Katharina Fritsch


Klasse Durs Grünbein

 

eine Klasse für sich

Klasse Siegfried Anzinger

Klasse Katharina Grosse

 

Klasse Eberhardt Havekost

Klasse Christopher Williams

 

Ess-Klasse (oh no!)

 

Klasse Hubert Kiecol

Klasse Richard Deacon

Klasse Thomas Grünfeld

•  Klasse Aussicht

Klasse Didier Vermeiren

 

Klasse Martin Gostner



Klasse Georg Herold



Klasse Lieber Gott

Klasse Andreas Schulze


Klasse Peter Doig

Arkadengang


Klasse Herbert Brandl

Klasse Andreas Gursky

Klasse Marcel Odenbach


Zuordnung verpennt, aber schöne Dinger




GIULIA BOWINKEL und FRIEDEMANN BANZ in der VASELINE

Nein, die Ankündigung der neuesten Ausstellung der zwei Open-Gründer nimmt nicht Bezug auf einen Porn-Klassiker der 1970er-Jahre. Auch wenn es so schön passt.

Für alle, die ihre Möbel und Einrichtungsgegenstände bei IKEA kaufen und „Vaseline“ mit einem Gleitmittel assoziieren würden: Vaseline ist ein Laden für Retro-Artikel und Vintage-Deko-Zeug in der Altstadt. Eine Art Ali-Baba-Höhle für werdende Bourgeois Bohemiens und eingesessene Crazy People. Der Inhaber Rolf Buck hat in der Vergangenheit einen Raum seines Garage-Ladens für Künstler zur Verfügung gestellt. Und nach einer Weile die dort unregelmäßig stattfindende Ausstellungsreihe eingestellt. Und dann wieder reaktiviert. Und dann wieder eingestellt. Und nun dürfen Bowinkel und Banz, um die es, seit ihrer fantastischen Oktober-Bar, ruhiger wurde, den kellerartigen Nebenraum bespielen.

Eine kleine, konzentrierte Ausstellung mit wenigen Werken.  Giulia Bowinkel und Friedemann Banz greifen auf ihre typische Collage-Technik zurück und erleichtern diese aber substanziell, indem sie sich weitgehends auf zweidimensionale Kompositionen beschränken – alles anderes wäre in diesem Raum unsinnig – und insgesamt weniger müllig und chaotisch werden.

Die zwei ehemaligen Oehlen-Schüler lassen zwar noch Wörter, Motive, Typos, Formen, Syntaxen, Farben und letztendlich Sinnzusammenhänge zusammen purzeln, es wirkt hier jedoch nicht so opulent und auswuchernd wie in den früheren Arbeiten. Zeichen der Reife?  Reaktion auf die Raumbedingungen? Wunsch des Gastgebers? Wer weiß es?

Zwei Bilder sind sogar eingerahmt und ich vermute: ES IST KEINE IRONIE. Oho.

Ein Fazit? Eine Ausstellung, knapp und spritzig wie ein Quickie.

Die Ausstellung ist vom 7.2. bis zum 28.2. zu sehen.

Vaseline

Wallstr. 35

Die SAO PAULO BIENNALE im MAP

Geschickter Coup: Philipp Rühr und Henning Fehr, beide noch Studierende der Kunstakademie, suchen und finden die Nähe zur älteren Generation Düsseldorfer Künstler und positionieren sich als die legitimierten Vermittler der (sehr) jungen Szene.

Das bisher geltende Kettenprinzip (ein Gastkünstler lädt für die nächste Ausstellung einen Künstler ein, usw.) der Präsentationen im Markus Ambach Projekte (MAP) scheint vorerst abgeschlossen: Angetan von einer Ausstellung im Capital Gold, lud Ambach höchstpersönlich Philipp Rühr und Henning Fehr dazu ein, die drei Räume am Bilker Bahnhof zu bespielen. Damit wäre es mit dem ortsbezogenen Charakter der Kunst und der internationalen Ausrichtung der gezeigten Künstler vorbei. Die erste sichtbare Auswirkung dieser Veränderung war der Andrang und die Verjüngung des Publikums während der Eröffnung am 29. Januar. Ein charakteristischer Zug dieser Szene: Düsseldorf stellt sich aus, also geht Düsseldorf aus.

Jonas Gerhard: RGB Jongleur
Jonas Gerhard: RGB Jongleur

In den drei MAP-Blöcken wurden sehr abwechslungsreiche Positionen zusammen getragen, Konzeptkünstler und Malerfürste, Hoffnungsträger und alten Eisen, Museumsgrößen und Akademiestudis. Eine erfrischende Mischung, die jedoch insgesamt ein wenig ziellos wirkt. Die Hängung ist zwar zum großen Teil nachvollziehbar, ab und an aber fragwürdig. So sieht man schon – trotz aller Qualitätsunterschiede der Arbeiten – was Tobias Hantmann und Jonas Gerhard, die im ersten Raum präsentiert sind, verbindet: einerseits die Dekonstruktion und Rekonstruktion des spektakulären Bildes, und anderseits ein Interesse für Wahrnehmungsphänomene. Da, wo Hantmann allerdings eine zugleich faszinierende wie verstörende Sehmaschine baut,  die ein dreidimensionales Bild aus zwei zweidimensionalen Bildern schafft und dieses dank einer Spiegelvorrichtung in den Raum projiziert (Bild), treibt Gerhard die Demonstration ein wenig zu weit und gerät unwillkürlich in den Bereich der pädagogischen Veranschaulichung. Seine Apparatur, wenn schon technisch einwandfrei und perfekt reguliert, führt nicht neues vor und erinnert eher an die selbstreflexiven Spielereien mancher Vorreiter der Videokunst (Bild). Um auf die Hängung zurück zu kehren: Die unmittelbare Nähe dieser zwei jungen Künstler zu Ian Wallace, mit einer sehr schönen konzeptuellen und dekonstruktivistischen Arbeit aus 1969, ist noch einigermaßen vertretbar. Was aber Markus Lüpertz mit seiner „Landschaft“ dazwischen verloren hat, bleibt ein Rätsel. Es wäre denn, es ist Humor.

Tobias Hantmann: Der erste Hirte
Tobias Hantmann: Der erste Hirte

Im nächstes Block wurde Bier und Suppe verteilt und der Raum war so belagert, dass die Arbeiten der Gastkünstler Philipp Rühr und Henning Fehr völlig untergingen.

Luft bekam man erst ein paar Meter weiter, im schlauchartigen Gang, der von Felix Schramm und Sutter bespielt (Bild) war. Die Kooperation ergab drei Arbeiten, alle sehr unterschiedlich und betont eklektizistisch. Ich habe sie als ironische Kommentare zur skulpturalen Praxis (oder zu einigen ihrer Möglichkeiten) aufgefasst, zwischen minimalen Materialfetischen, interaktiven, raumbezogenen Basteleien und dekorativem Kitsch. Besonders die Keramikstudien erinnern zwangsläufig an einer Serie, die Thomas Schütte Anfang der 1990er Jahren produziert hatte – und dieser Künstler könnte letztendlich als Pate für alle drei Werke stehen.

Sutter / Schramm
Sutter / Schramm

Und, welch eine Überraschung: Im dritten und letzten MAP-Raum trifft man auf einem Modell von Thomas Schütte, teilweise 1987 entstanden und 2011 erweitert (Bild). Den Raum dominierend, wirkt es wie ein Sequel – oder ein Ausläufer – der Retrospektiven in Bonn und Madrid.

Ein wenig weiter ist Bettina Marx mit einer erlesenen Auswahl von kleinen Bildern vertreten (Bild). Vage Stillleben oder angedeutete Interieurs, in denen die Farbe in all ihren denkbaren physischen Zuständen durchdekliniert und die heterogensten Gesten auf engstem Raum erprobt werden. Dabei behält Marx die Balance zwischen einer genauen, grafischen Pinselführung und einen sehr freien, organischen Duktus. Die Raffinesse und Virtuosität dieser Malerei erstaunt; der Einfallsreichtum, der nie bemüht wirkt und von einer gewissen Großzügigkeit bezeugt, hat einige Betrachter an diesem Abend länger beschäftigt. Nach dieser sinnlichen Opulenz, muss ich gestehen, dass ich es mir mit der trockenen-analytischen Konzeptarbeit von Dominic Osterried schwer getan habe. Damit bin ich nur ungerecht, denn seine Hefte hätten meine Aufmerksamkeit durchaus verdient. Für das nächste Mal…

Bettina Marx
Bettina Marx

Alles in allem eine gelungene Ausstellung, auch wenn sie einige Fragen auswirft. Die dringendste unter ihnen betrifft die einzigartige und keineswegs formal begründete Mischung aus jungen, unbekannten und älteren, renommierten Künstlern. Sind hier ein Markus Lüpertz, eine Candida Höfer oder ein Günther Förg, die mit alten, kleinen und zweitrangigen Arbeiten vertreten sind, wirklich notwendig? Muss man auf einer Edition von Rodney Graham zurückgreifen, um eine weitere internationale Referenz aufweisen zu können? Was war der Sinn der punktuellen Einfügungen von großen Namen in dem nicht-etablierten, kunstbetriebskritischen MAP-Rahmen? Auf die Gefahr hin, als Verschwörungstheoretiker der hiesigen Kunstszene abgestempelt zu werden, vermute ich hinter der Sao Paolo Biennale eine kluge Strategie der Positionierung.

Denn Fehr und Rühr sind nicht nur eine interessante und durchaus ansehnliche  – wenn auch aus kuratorischer Sicht fragwürdige – Ausstellung gelungen. Sie haben zudem – und vielleicht in erster Linie – die größte PR-Maßnahme ihrer jungen Karriere geschaffen. Unter der Schirmherrschaft des durchaus respektierten, erfolgreichen und bestens vernetzten Markus Ambach, bringen sich die zwei Studenten ins Gespräch, erwirken durch die Präsenz älterer Kanonen (sowohl Schütte als auch Höfer wurden übrigens an diesem Abend leibhaftig gesichtet) eine gewisse Legitimität und (fast institutionelle) Anerkennung für ihrer Arbeit und entpuppen sich als die Sprachröhre der aktuellen Kunstakademie-Generation. Geschickt. Und die Menschenmenge, die sich am vergangen Samstag auf dem MAP-Gelände drängte und normalerweise nicht in dieser Ausmaß zu sehen ist, hat bewiesen, dass Rühr und Fehr ihr Ziel erreicht haben. Von den zweien wird man noch hören…

Manche Maler waren an diesem Abend vom Bleirahmen des Lüpertzbildes regelrecht begeistert.
Manche Maler waren an diesem Abend vom Bleirahmen des Lüpertzbildes regelrecht begeistert.

MAP Markus Ambach Projekte
Bachstr. 139-143
40217 Duesseldorf
Tel. (0049) 0211-15927623

Performance von NESHA NIKOLIC feat. Chineselightbulb im FOYER

Die Subjunktiv-Veranstaltung des Monats: Es hätte spannend werden können, wenn die Performance stattgefunden hätte.

Erlebnisprotokoll, Freitag 28.1.2011:

21.37 Uhr

Ich betrete das Foyer vom Foyer. Stelle die erneute Veränderung des Lichtkonzepts fest und freue mich darüber. Grüne Laserpunkte wandern auf weißen Luftballons, begleiten mich bis zum hinteren Raum. Das Beton-Ungetüm von Thomas Woll und Mark Pepper liegt immer noch da, wie eine sympathische, schlaffende Bestie. Gehe direkt zur Bar.

21.42 Uhr

Fritschi steht schon hinter dem Pult. Ich trinke und starre begeistert auf den grünen Laser-Sternenhimmel über der Tanzfläche. Es ist schön, wie ein Urlaubstag in der Maschine. Versuche, wieder sachlich zu werden.

21.58 Uhr

Nicht viel los um diese Uhrzeit. Ein paar Schatten bewegen sich langsam oder sitzen da. Warten auf die Performance. Ich habe gehört, Nesha Nikolic sei ein heftiger Kerl, er gäbe alles, pass auf. Ziemlich radikal, ziemlich bekloppt. Ich gehe zurück zum Foyer vom Foyer. Na schau: Da ist ja schon ein bisschen Hard Trash vom besagten Künstler. Ich denke, es könnte gleich weh tun.

22.09 Uhr

Trinke und unterhalte mich.

22.14 Uhr

Johannes Döring, der wie immer den künstlerischen Teil des Abends geplant hat, lässt sich blicken.

22.21 Uhr

Nesha Nikolic steht mit einem Saxophon in einer dunklen Ecke. Pustet einige, durchaus melodiöse Akkorde aus. Ein weiblicher Schatten aktiviert sich an einem Bass und einem Synthesizer. Elektronischer Hintergrund, ruhig, bedächtig. Die zwei nehmen sich Zeit, bauen langsam auf, steigern sich unmerklich. Muss an Bowie denken, Berlinphase. Tut doch nicht weh. Quatsche ein wenig mit Flo.

22.25 Uhr

„Schnauze halten! Schnauze halten!“, befehlt der Künstler im Mikro. Bin wohl zu laut geworden. An der Bar unterhalten sich auch ein Dutzend anderen Menschen, aber sie sind so weit, man hört sie nicht. Ich halte die Schnauze; ich habe eh nichts mehr zu sagen.

22.27 Uhr

„Aus technischen Gründen muss abgebrochen werden“, sagt plötzlich Nikolic. Stellt sein Saxo hin und geht. Der weibliche Schatten steht da verdutzt, ruft nach. Spielt noch ein bisschen, in der Hoffnung, er kommt wieder. Aber der Typ ist weg, und das ist nicht Teil der Performance. Ich halte die Szene fest, ein Bild für die Ewigkeit.

Foyer
Worringer Platz 4
40210 Düsseldorf

info@foyer-duesseldorf.de

Musik von sehr weit weg, aus einer anderen Welt

Neben der Kunst ist massig Platz.

Denn Off-Kultur hört bekanntlich nicht bei der Kunst – der bildenden nämlich – auf. Das Off gibt es überall und in den unterschiedlichsten Bereichen hat es die verschiedensten Namen. In der Musik war es früher etwa der Punk, später dann die Indieszene, die sich irgendwo Abseites des Mainstream mit eigenen Labels und Vermarktungsmodellen ausprobiert und durch geschlagen hat.

Aus welchen Gründen sich die Protagonisten dort nun ausgetobt und im Selbstversuch verausgabt haben, können und wollen wir im Einzelnen nicht definieren oder festlegen.
Für uns aber steht der Gedanke des Selbermachens sowie die Idee des ‚die Dinge in die Hand nehmen‘ und die damit verbundene Freiheit nach wie vor als wichtiger Bestandteil von Sub- und Offkultur um Vordergrund.

Denn die Lust an der Unabhängigkeit von Institutionen und den mit Ihnen verbundenen Regeln, ist nach wie eine wichtige Triebkraft für lebendige und offene gesellschaftliche Entwicklungen.

Nur dort, wo sich noch ein Mindestmaß an anarchisch-subversivem, regel- und grenzenlosem Spiel zwischen den Protagonisten entwickeln kann, besteht die Chance auf etwas Neues.
Nur an solchen Orten kann sich überhaupt noch entwickeln, was über genügend Potential verfügt, sich der stetig zunehmenden Entropie entgegenzustellen, dieser entgegenzuwirken, sie zu unterminieren und vielleicht sogar in Teilen wieder aufzulösen.

Andere Orte und andere Kulturen – lokal geerdet, global vernetzt

Nun gibt es, wie Eingangs erwähnt zahlreiche dieser Orte, die sich äquivalent zu unserem Off-Begriff verhalten. Einer davon ist die Szene der Netlabels, eine Musikkultur die sich primär über das Internet definiert und fast nur virtuell existiert. In gewisser Hinsicht sind sie die Erben der Mailorder-Idee, verzichten Sie doch weitgehend auf eine lokale Präsenz und verschicken ihre Musik – nun digital als Downloads – weltweit.
Allerdings, und das unterscheidet diese Labels, ebenso wie die dort vertretenen Musiker, tun sie etwas, was für einige so gar nicht in das gültige Menschenbild passt: Sie verschenken ihre Kunst, ihre Musik.
Denn die allermeisten dieser Labels stellen die Musik ihrer Künstler, ähnlich der Opensource-Idee, einer weltweiten Fangemeinde frei und kostenlos zur Verfügung. CreativeCommons-Lizenzen spielen hierbei eine bedeutende Rolle.

Hier im Rheinland ist eines der Zentren dieser digitalen Kultur- und Musikszene. Hier konzentrieren sich zahlreiche Netlabels, oder besser gesagt, die Betreiber leben in der Region. Aus dieser Kultur heraus hat sich auch netlabelism.com gegründet, eine freies Magazin aus der Netlabelszene für diese gemacht.

Allen die sich mit diesem Phänomen, der Idee, vor allem aber mit der Musik einmal näher vetraut machen wollen, sei diese Plattform als Einstieg nahe gelegt. Wir wünschen viel Vergnügen – beim Entdecken, vor allem aber beim Hören.

Weiterführende Links zum Thema

CAPITALGOLD zeigt HENNING FEHR, LUKAS MÜLLER und DAVID CZUPRYN

Mit einigen, wenigen anderen Künstlerprojekten der Stadt (in erster Linie Open und ExPeZe) erweist sich CapitalGold als eine der aktivsten autonomen Außenstellen der Kunstakademie. Die aktuelle Ausstellung präsentiert drei Studenten der ehrwürdigen Anstalt und bespielt zum ersten Mal alle Räume des Ladens.

Full House. Links an der Wand: H. Fehr. Rechts: L. Müller

Der erste Raum ist ein Farbkracher. Die konzeptuelle Grafikserie von Henning Fehr und die gegenständlichen Gemälde von Lukas Müller, mit ihren betont kontraststarken Kompositionen, sind geschickt zur Straße hin platziert worden und strotzen vor jugendlicher Potenz. Dabei sind die Herangehensweisen der zwei Künstler eindeutig unterschiedlich.


 

Lukas Müller

 

Die Kunst von Lukas Müller ist eine Art Höllenfahrt durch die Moderne. Auch wenn er behauptet, die Motive seiner grell-pastosen Landschaftsbilder aus persönlicher Erfahrung gewonnen zu haben, sind die zahlreichen kunsthistorischen Anleihen von Müller nicht von der Hand zu weisen. Kandinsky, Klee, Macke (sehr), Kirchner (weniger) oder sein Namensvetter Otto (eben Müller) werden herbeizitiert und durch den Fleischwolf der naiven Malerei (Rousseau & Co.) liebevoll geschreddert. In klumpingen, direkt aus der Tube gepressten und kaum vermischten Farbflächen werden zumeist bayerisch angehauchte Landschaften gebildet, in denen alle stilistischen und handwerklichen Regeln der Malerei schonungslos über den Haufen geworfen werden. Der Mann und seine Kunst sind insofern destabilisierend, als sie äußerst freundlich und arglos daher kommen und die alten Fragen des Geschmacks, der Professionalität und des Könnens brachial in Frage stellen – hinter dem Vorwand einer authentischen, ironiefreien Malerei. Erfrischend und qualvoll zugleich.


 

Im Hintergrund: Henning Fehr

 

Henning Fehr hat im selben Raum eine Serie von gleichformatigen Bildern gehängt, die sich visuell gegen Müller gut behaupten. Auf jedes Blatt sind vertikale Streifen in einer zweier-Farbkombination, übermalt von Begriffen wie „The Locust“, „The Donald“ und „The Littel“. Die Begriffe, in großen, ebenso farbigen und lasierten Buchstaben geschrieben, haben angeblich eine teilweise negative Konnotation in der angelsächsische Sprache. Ihre exakte Bedeutung aber – falls es eine gibt – tritt deutlich hinter ihrer gestalterischer Qualität zurück. Den Farbdialog, der das tapetenähnliche Muster und die expressive Schrift unterhalten, ist durchaus ansprechend, beinah verführerisch. In den hinteren Räumen ist die Stimmung gedämpfter. Die zweite große Bildreihe von Fehr verzichtet auf Sprachspiel, Handschrift oder Expressivität. Auf vier Bänder entwickelt sich ein elegantes Raster in grauen Tönen und Schwarz – kühl und verspielt zugleich, aalglatt aber doch lebhaft, höchst ästhetisch, eigentlich schon dekorativ. Ein Flirt mit der Hochglanzwelt des Designs?


Im Vordergrund: David Czupryn

Vor dieser Arbeit hat David Czupryn seine kleine Bildhauerkiste geöffnet und einige seiner Werke auf einer bescheidenen Platte ausgebreitet. Styropor, Gips, Knete, ein Rest Holz und eine Streife Alufolie. Form und Unform; Material und Objekt; Raum und Volumen; Monument und Sperrmüll; Geschichte und Ideal; Erzählung und Avantgarde; Abstraktion und Gegenständlichkeit; rau und raffiniert; architektonisch und organisch; frech gebastelt und brav modelliert. Czuprin surft mal auf dieser, mal auf jener Welle. Er evoziert, deutet an, setzt an; aber lässt sofort alles Angefangene im Schwebezustand. Die heterogensten Inspirationen und Motivationen addieren sich, türmen sich, überlappen sich oder reihen sich. Kein tour de force in diesem Eklektizismus, keine Demonstration; eher eine lakonische Folge von Gesten, ein Repertoire der Möglichkeiten der Bildhauerei. Ohne Pathos, ohne Pose, ohne Genieallüren. Aber mit einem leicht ironischen Augenzwinkern.


Drei unverwechselbare Positionen, drei distinkte Stimmen – und trotzdem ein gemeinsamer Tonfall. Die Nonchalance von Fehr, Müller und Czupryn, ihr unbeschwerter bis nachlässiger Umgang mit gewissen künstlerischen Traditionen, ihre stilistische Pluralität und ihre mehrdeutige Praxis erinnern an der abgeklärten „anything goes“-Haltung von Künstlern wie Kippenberger, Oehlen oder Büttner. Nachdem Markus Heinzelmann und Stefanie Kreuzer die These aufgestellt haben, es gäbe eine neue „postironische Generation“ (s. die aktuelle Ausstellung im Leverkusener Schloss Morsbroich), ist die Schau im CapitalGold der Keim einer neuen, ironischen Generation? Ist der Rückkehr einer selbstbewussten Beliebigkeit und einer eklektizistischen Formsprache das Programm der Künstler, die in den 1980er geboren sind und langsam den Weg zur Öffentlichkeit finden? À suivre…

Suchspiel: Ein Schlumpf hat sich im Bild versteckt! Findest du ihn? Ein Tipp: er trinkt kein Bier!

CapitalGold

capitalgold.de

Oberbilker Allee 37

Die Ausstellung ist nach telefonischer Absprache (0163  45 77 259) vom 15.1. bis zum 28.1. zu besichtigen.

PLAN.D. zeigt DEBORA KIM und LUDGER HEINISCH

Gibt es ein geheimes Abkommen zwischen den Machern von plan.d. und der südkoreanischen Botschaft? Ist das Lokal an der Dorotheenstraße eine getarnte Schleuse für die Infiltration japanische Künstler in Deutschland?
Wichtige und weltbewegende Fragen, die wir, aus Mangel an Beweisen, gerne an die zuständigen Instanzen weiter geben. Die auffällige Affinität von plan.d. zu asiatischen Künstlern wird jedenfalls mit der Ausstellung von Ludger Heinisch und Debora Kim neu bekräftigt. In gewohnter Manier lädt ein plan.d.-Mitglied einen Gastkünstler ein und sie bespielen zusammen sämtliche Räumen der Galerie.

Nun wurde also Debora Kim, in Seoul geboren und in Braunschweig studiert, von Heinisch eingeladen. Wie Letzterer auf Erstere kommt kann nur gemutmaßt werden. Möglicherweise handelt es sich um eine direkte Bewerbung von Kim (plan.d. ist einer der wenigen Off-Räume, der regelrecht von Künstlermappen überschüttet wird), möglicherweise um einen persönlichen Kontakt; stilistische Verwandtschaften sind in den Werken der zwei Künstler jedenfalls nicht auszumachen.

Für ihre dreidimensionalen Arbeiten und ihre Rauminstallation geht Kim von einfachen Formen aus, die zum Repertoire des Minimal Art gehören (Kubus, Viereck), und umhüllt diese mit farbigem Garn. Sie spielt mit der warmen Materialität des Textilfadens, mit seiner haptischen Qualität, mit seinen Farbmöglichkeiten, und bricht somit die formale Strenge der puristischen Skulpturen.
Der unspektakuläre und triviale Stoff, der eine bescheidene weibliche Haushaltsarbeit evoziert (der Autor dieser Zeile ist selbstverständlich männlich; die lustigsten Protestbriefe werden in diesem Blog publiziert), rundet regelrecht die harten Kanten der Stelen und der symmetrisch angeordneten Kuben ab.
In einer kleinen Bildserie lotet Kim weiterhin die Möglichkeiten des Materials aus und schafft abstrakte Kompositionen, die eine systematische Nähe zur Malerei (ob informelle oder minimale) suchen.

Ludger Heinisch spielt seinerseits mit Verfremdungen und Manipulationen, und bevorzugt dabei weder Medium noch Sujet. Eine Fliege, eine Steckdose, das menschliche Auge; die visuelle Eigenschaften von allgegenwärtigen Gegenständen sind die Ausgangspunkte seiner lustvollen Verzerrungen, die oft an der Grenze zur optischen Täuschung stoßen.
Trotz der Wiederkehr des Insektenmotivs, wirkt seine Arbeit weniger systematisch und konstant als Kims Werk; im wahrsten Sinne des Wortes flatterhafter, freier, und, anscheinend, von einzelnen inspirierten Momenten getragen. Im surrealistischen Sinn provoziert er kleine Gedankensprüngen, die die scheinbare Ordnung des Realen leicht erschüttern. Allerdings platziert Heinisch im Keller der Galerie gebastelte Schmetterlinge und Kokons, die die Grenze seiner handwerklichen und konzeptuellen Fähigkeiten zeigen.

Es geht weiter!

Und eine gute Nachricht am Rande des tatsächlichen Ausstellungsbetriebs des plan.d. für 2011: Die Miete ist drin. Nachdem im vergangenen Herbst Gerüchte eines anstehenden Umzugs des Vereins kursierten, erfuhren wir, dass die Finanzierung der laufenden Kosten mindestens für das erste Halbjahr gesichert sei.
Grund der Umzugserwägung war die Streichung der Förderung durch die Stadt – manche Vertreter im Beirat waren nämlich der Meinung, dass ein Off-Space, das schon über zehn Jahre besteht und eine solche professionelle Arbeit leistet, keine finanzielle Unterstützung mehr benötigt und endlich selbstständig agieren soll. Eine Logik, die, im Extremfall, das Ende der Subvention aller Kulturhäuser der Stadt einläuten würde… Wir freuen uns also mit plan.d. auf die nächsten Ausstellungen und auf vielen neue Künstler aus Japan, Korea oder sonstwo.

www.galerie-plan-d.de

Dorotheenstr. 59

40235 düsseldorf

Miniaturen – ein Videoprojekt von Lars Klostermann

anlässlich des vierwändekunst festivals letztes jahr hat der dokumentarfilmer lars klostermann unter dem titel ‚miniaturen‚ verschiedene, aktive düsseldorfer off-spaces dokumentiert. er wagte dabei den versuch mit seiner kamera und wenigen subjektiven, dafür aber um so präziseren, einstellung die charakteristika der einzelnen orte herauszuarbeiten.
er arbeitet dabei mit ruhigen, nicht immer konventionellen einstellungen im stile des ‚direct cinema‘, als fliege ‚an der wand‘ oder auch mal ‚am boden‘. darüber eröffnet er dem zuschauer perspektiven welche sich beim regulären besuch so nicht anbieten.

neben den konkreten ausstellungsräumen und off-orten zeigt das miniaturen-projekt aber auch ganz allgemeine formen der präsentation und rezeption von kunst im jahr 2010 in mitteleuropa. lars klostermann bietet so einen unaufgeregten einblick in räume die von künstlern, kulturschaffenden und aktivisten besetzt und für ihre zwecke inszeniert werden. darunter sind zahlreiche orte, die noch vor gar nicht all zu langer zeit funktionen in handel, produktion und handwerk inne hatten, heute aber von dieser ökonomie nicht mehr benötigt werden.

eigenartigerweise dringt nun die kunst, also der traditionelle ort der verschwendung und verausgabung, als soziales phänomen in die aufgebenen räume vor. gleichzeitig lässt sie aber die frage offen, ob diese überhaupt in der lage ist diese fehlstellen sinnvoll zu besetzten oder gar zu schliessen.

das miniaturen-projekt findet ihr unter

http://vimeo.com/vierwaendekunst

Hallo Welt! – jetzt als online-mag: vierwände Off

es geht weiter denn es gibt immer noch was zu tun!

vierwände off ist unser jüngstes projekt. an dieser stelle werden wir unsere arbeit über off- und subkultur fortsetzen. wir beobachten das geschehen, berichten und reflektieren darüber, denn wir sind der meinung das phänomen des off gibt nach wie vor genug her um es nicht aus den augen zu lassen. wie der ort über den wir berichten wollen, ist auch dieses projekt ein raum für experimente und versuche. wir sind offen für vorschläge, hoffen auf zuspruch und lassen uns – wenn es zu uns und dem thema passt – auch auf gastbeiträge ein.

wir sind selber gespannt, wie es wohl weiter geht.
deshalb unser aufruf an sie:
bitte bleiben sie an den apparaten, es bleibt spannend!