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„STRANGERS ON A TRAIN“ von JÖRG STEINMANN

Lange hat sich Jörg Steinmann nicht mehr auf den Düsseldorfer Straßen blicken lassen. Begleitet von merkwürdigen, zusammen gefrickelten Klanggeräten und stets auf der Suche nach urbanen Resonanzkörpern, die der Stadt ungehörte Töne erzwangen, hatte er sich in den letzten Jahren durch poetisch-humorvolle Klangperformances im öffentlichen Raum ausgezeichnet. Sein neues Projekt heißt „Strangers on a Train“ und fand seinen Abschluss am 31. Juli am Graf-Adolf-Platz.

„Strangers on a Train“, das ist zunächst ein Roman von Patricia Highsmith, der zum Klassiker der Kriminalliteratur avancierte als er von Alfred Hitchcock verfilmt wurde. Der Plot: Zwei Männer lernen sich in einem Zug kennen und schließen einen Pakt. Jeder soll im Auftrag des Anderen einen Menschen umbringen. Da die Männer sich bisher nie gesehen hatten, sollte dadurch das Motiv des Verbrechens für die Polizei undurchsichtig bleiben – der perfekte Mord wäre damit begangen.

Steinmann nutzte diese Vorlage für eine Aktion in zwei Teilen. Im November 2010 interviewte er zunächst Bahnreisende auf ihrem Weg ins Ruhrgebiet (und zurück) und fragte, wie der perfekte Mord für sie aussehen könnte, bzw. wie sie es anstellen würden, wenn sie Jemanden umbringen wollten. Es ist nicht gerade die Art von Fragen, die ansonsten im Regional Express gestellt werden – aber gerade dieser Moment der Überraschung war das, was Steinmann in seiner Interaktion mit gelangweilten Pendlern hervorrufen wollte. Er versetzte somit seine Mitreisenden in die Täter-Rolle und konfrontierte sie mit einer Frage, die so abstrus und entfernt war, dass sie ihre Fantasie wach rüttelte und plötzlich einen freien Raum öffnete – eine in der Psychologie übliche „Schock-Methode“ zur Auflösung von Denkblockaden.

Das „Gedankenspiel, das nicht zur Anleitung“ werden sollte, wie es in dem Video zu hören ist, regte auf jeden Fall Einige zu mehr oder weniger ernsthaften Überlegungen. Die sehr unterschiedlichen Antworten, die das – zumindest für die meisten unserer Zeitgenossen – Undenkbare zu einer gedachte Eventualität machten, wurden vom Künstler aufgenommen, zusammen geschnitten und transkribiert.

Ein halbes Jahr später erfolgte der zweite Teil der Aktion. An einem schönen Sonntag lud Jörg Steinmann zu einer Aufführung in zwei Durchgängen am Graf-Adolf-Platz ein. Mit einer Gitarre und ein paar elektronischen Verzerrern (dabei ein Gerät mit dem süßen Namen „Total Sonic Annihilation“), die die Hintergrundmusik liefern sollten, las und spielte er den Text, der sich aus den Ergebnissen seiner Befragung speiste. Diese Interpretation, die ebenso dokumentiert wurde und als zweite Stufe der Aneignung zu verstehen ist, schuf so eine neue Schleife in einem Stoff, der bisher durch einige Medien gegangen war.

Vom Buch zum Film zur Befragung und zum Hörspiel: Steinmann spielt mit den Verzerrungen und Verfremdungen, sucht aber vor allem die soziale Interaktion und, dank minimaler Ton- und Klanginszenierungen, sammelt ein Material, das das Reale in eine leicht entrückte, fiktive Atmosphäre versetzt.