Burchhard Garlichs und Michalis Nicolaides im Institut für Skulpturelle Peripherie

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Was bisher geschah: Ursprünglich betrieben von Petra Albrand und Friederike Schardt, entwickelte sich das Institut für Skulpturelle Peripherie in den letzten Jahren zu einem experimentellen Labor, das die Ränder und Grenzen der traditionellen Skulptur erprobte. Mit der Ausstellungsreihe „Brizzel“ ließen die zwei Frauen zwei Künstler in dem kleinen Speicherraum aufeinanderprallen und provozierten damit die systematische Konfrontation von nicht immer kompatiblen Positionen. Diese Dynamik der Gegenüberstellung endete im letzten Jahr aufgrund einer Baby-Pause von Schardt.

Mit dem Einstieg von Eva Weiner in das Projekt ist nun der Raum reaktiviert. Zusammen mit Albrand hat sie eine neue Ausstellungsreihe konzipiert, dessen Spielregeln eine leichte Abwandlung von Brizzel darstellen. Das Prinzip der Konfrontation bleibt beibehalten; man verschärft allerdings die Bedingungen einer möglichen Kooperation zwischen Künstlern und verengt das Zeitfenster des Zusammenkommens. Nachdem ein erster Künstler seine Arbeit installiert hat, bekommt der zweite Künstler 24 Stunden um auf die vorhandene Situation zu reagieren und einzugreifen. Der erste Künstler hat keine Mitsprache und muss passiv zusehen, wie sein proposal modifiziert wird. Das Ganze heißt treffenderweise Push und könnte prinzipiell für Reibungen sorgen. Allerdings ist in der aktuellen Show von Burchhard Garlichs und Michalis Nicolaides leider wenig von dieser potenziellen Spannung zu sehen.

Garlichs, der mit Sonja Meyer das Projekt Speicher U75 animiert und als Off-Raum-Betreiber eine sichere Hand aufweist, hat nun als Künstler drei Arbeiten in dem Institut ausgebreitet. Eine erste Wandarbeit besteht aus bunten Papierbahnen, die in einfachen geometrischen Formen geschnitten und getapet wurden – eine bewusst lapidare Geste, die den prekären Charakter der Intervention unterstreicht und mit ein wenig gutem Wille als Ironisierung der dekorativen Funktion von Kunst überhaupt interpretiert werden kann. Die zweite Arbeit kreuzt die erste und überlagert sie partiell. Da läuft ein Rautenmuster aus blauem Faden durch den gesamten Raum und verbindet Fenster, Wand, Holzpfeiler und Decke – alle wichtigen Raumelemente des Institutes. Diese – da auch – sehr dekorative (wobei weder verspielte noch kitschige) Verzierung besteht aus einem halbierten Sechseck, also aus einer Form, die als Zwischending zwischen Kreis und Viereck gilt. Gerade dieser gemischte Charakter des Motivs interessiert Garlichs, berichtete Albrand.

Die dritte Arbeit besteht schließlich aus einer Ansammlung von vorgefundenen Bildern, in denen sowohl eckige als auch runde Formen vorkommen. Dieses  Material hat Garlichs eingescannt und an eine Wand projiziert. In diesen Skizzenbuch-artigen Mini-Atlas greift Nicolaides ein: wie ein Trojaner fügt er seine eigenen Motive in die Reihe des Kollegen und mischt sich in dessen Ordnung ein. Aber weil Garlichs Reihe ohnehin nicht besonders stringent wirkt, lassen sich die zwei distinkten Arbeiten nicht auseinander halten. Wird von einem Trojaner erwartet, dass er sich an die fremde Umgebung anpasst? Soll der Virus mit dem Wirt verschmelzen?

Trotz der offensichtlichen Bemühung, eine ortsspezifische Arbeit zu realisieren, auf die Konfiguration des Raumes einzugehen und den spröden Arbeitsspeicher mit fremden, ornamentalen Elementen anzureichern, bleibt diese für mich erste Ausgabe von Push (die eigentlich die zweite der Reihe ist) enttäuschend. Das Format setzt eine Konfrontationsbereitschaft voraus, die von den Künstlern nicht eingelöst wurde. Nicolaides, dessen Arbeit mir bisher schon besser gefallen hat,  erwies sich diesmal als nicht bissig genug. Und Garlichs Interventionen hätten, in dem freien und unbeschwerten Rahmen des Instituts, ein wenig markierter und unkonventioneller werden können. Aber vielleicht wird die nächste Künstlerlosung mehr Spannung schaffen – wir bleiben dran.

Institut für Skulpturelle Peripherie
Gladbacher Strasse 56 (im Hof)
40219 Düsseldorf
Die Eröffnungen sind jeweils um 19.00 Uhr und die Arbeiten können an dem Eröffnungswochenende (Samstag und Sonntag) zwischen 11.00 und 16.00 Uhr noch angeschaut werden.Die kommende Ausstellung zeigt Wanda Sebastian am 18.05.12, mit Eingriff von Burchhard Garlichs.

 

MYSPACE im Kunstraum Kreuzberg

von Stefanie Ippendorf (Berlin)

 

Bunte bemalte Planen, Baumaterialien, ein durch Motoren auseinandergezogenes Gummiband, Aluminiumstreifen auf dem Boden sowie sorgsam lackiertes Holz – alleine diese Aufzählung einiger in der Ausstellung verwendeten Materialien verweist auf die Spannbreite der künstlerischen Arbeiten, die in >Myspace< vertreten sind. Die Erfahrung des Raumes als einen wesentlichen Aspekt der Wahrnehmung verstehend, haben die beiden Künstlerinnen Franziska Hünig und Alexandra Schlund eine Ausstellung kuratiert, die den künstlerischen Umgang mit räumlichen Erfahrung bzw. deren Transformation in ein bildliches Vokabular thematisieren soll. Für die Ausstellungsdauer von nur 8 Tagen haben nun 11 KünstlerInnen den Ausstellungstitel >Myspace< wörtlich genommen und haben den in mehrere kleinerer Räume unterteilten Projektraum im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien “in Beschlag“ genommen.

Alexandra Schlund
Nicola Stäglich

Viele der in >Myspace< gezeigten Arbeiten sind jeweils für den konkreten Ausstellungsraum konzipiert. So hat Alexandra Schlund mit >Cluster< eine Wandarbeit geschaffen, die aus großkopierten, photographischen Versatzstücken von Architekturmodellen und verschiedenen Klebebändern besteht und die aus der Ferne wie eine vereinfachte, nah herangezoomte Straßenkarte wirkt. Ursprünglich als Malerin ausgebildet, bezieht sich Schlund in ihrem Werk immer wieder auf Architekturen und urbane Landschaften, ohne jedoch reale Stadträume abzubilden. Wie an der Farbwahl unschwer zu erkennen, ist >Cluster< auch aus einem künstlerischen Dialog mit den drei abstrakten Werken von Nicola Stänglich, die im selben Raum präsentiert werden, hervorgegangen.

 

Franziska Hünig

Ähnlich inspirierend dürfte es auch beim Aufbau der gemeinsam in einem Raum gezeigten Werke von Franziska Hünig, Geka Heinke, Anke Mila Menck und Rebecca Michaelis zugegangen sein. So sind zum Beispiel Hünig und Heinke mit einem vorbereiteten Materialfundus angereist und haben den Raum im Bethanien als erweitertes Atelier genutzt. In einem mehr oder weniger parallel stattfindendem künstlerischen Prozess sind die Wandarbeiten >Ohne Titel< (Hünig) und >Kreise aufsteigend< (Heinke)  entstanden, die beide auf die Kraft der Farbe im Raum setzen. Wunderbar, dass Rebecca Michaelis ihre Bodenstücke >Bendpainting 1< und >Bendpainting 2< genau in diesem Raum platziert hat! Die auf Rädern angebrachten, länglichen Aluminiumstreifen spiegeln jeweils kleine Ausschnitte des ephemeren Geschehens im Raum wider.

Rebecca Michaelis und Geka Heinke

 

Christl Mudrak

Einen ganz anderen Ansatz wählte Christl Mudrak: Sie hat zwar einen ganzen Ausstellungsraum für sich, doch ist dieser auf den ersten Blick leer. Dass die Künstlerin hier gesaugt, die Fenster geputzt, die Luft durch einen Riesenkaktus gereinigt, mit Kerzenlicht erhellt und mit Gebeten und Wünschen bereichert hat, ist nur den ausgiebigen Materialangaben von >Clearing and Cleansing, Raumüberschreibung< zu entnehmen. Mudraks Verweigerungshaltung ist vielleicht durch die Tatsache zu erklären, dass die Künstlerin 2007 in eben jenem Raum schon einmal ausgestellt hatte (>Überhitzt<, Meisterschülerausstellung) und sie dem Vorangegangenen etwas gänzlich anderes entgegensetzen wollte.

Martin Schepers

Martin Schepers hat an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Siegfried Anzinger Malerei studiert, wagt sich aber inzwischen auch auf das Terrain der Plastik vor. >Verwerfungen< ist eine Materialschlacht aus Holz, Gips, Draht, Fensterscheiben, Pressspanresten und anderen typischen Baumaterialien, die aus fünf kastenartigen Modulen zusammengesetzt ist. Dazu zeigt er die großformatige Zeichnung >Großer Querschnitt<. Mit den aus der Geologie stammenden Werktiteln ist ein vager Hinweis auf den Kontext der Arbeiten gegeben. Konkret basieren Schepers Werke auf den Kenntnissen, die er bei “Forschungsreisen“ zum Braunkohletagebaugebiet in der Lausitz gewonnen hat.

Ilona Kálnoky

>strrr…< wiederum ist eine wunderbar verspielte, kinetische Arbeit von Ilona Kálnoky. Ein raumhohes Gummiband ist hier zwischen Boden und Decke aufgespannt. Über eine Angelschnur sind die beiden Seiten des Gummibandes mit zwei kleinen Seilwinden verbunden, die dafür sorgen, dass sich das Band verzieht und dabei Vierecke oder dreieckige Formen im Raum erzeugt.

Ina Geißler

… in your room, in >Myspace<.

 

MYSPACE – RAUMINTERVENTIONEN
Ina Geißler//Geka Heinke//Franziska Hünig//Ilona Kalnoky//Anke Mila Menck//Rebecca
Michaelis//Christl Mudrak//Martin Schepers//Nicola Stäglich//Alexandra Schlund//Benedikt Terwiel
Kunstraum Kreuzberg / Bethanien ( Projektraum 1)
21.04.- 29.04.2012
Öffnungszeiten: täglich von 12 – 19 Uhr
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
U-Bahn Kottbusser Tor
www.kunstraumkreuzberg.de

Projektraum Rottstr. 5 in Bochum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

 

Mit ihren herunter gekommenen Gebäuden, ihren Sex-Shops und ihren zwielichtigen Kneipen ist die Rottstraße für die bürgerliche Bevölkerung von Bochum das Synonym des Anrüchigen schlechthin. Für die Akteure der hiesigen Kulturszene ist dieselbe Straße jedoch ein wichtiger Treffpunkt geworden, wo, jenseits aller Halbwelt-Romantik, ein unabhängiger Raum des Austauschs und der Vermittlung entsteht. Gerade auf der Nummer 5 verdichtet sich die Off-Szene. Angetrieben von einigen initiativreichen Produzenten und Vermittlern, organisiert sich hier der Widerstand gegen eine zentrale Lenkung des kulturellen Angebots. Nach den bitteren Erfahrungen von 2010, als Essen und das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europa erklärt wurden und spektakulären Mainstream-Großprojekten die Arbeit der altansässigen Kulturproduzenten in den Schatten stellten (in Bochum wäre der Platz des Europäischen Versprechens von Jochen Gerz zu nennen), will man sich auf seine Stärke zurückbesinnen: lokale Relevanz.

 

Eine lokale Relevanz findet man allemal auf der Rottstraße 5. Auf halben Weg zwischen Innenstadt und Jahrhunderthalle, mitten im Bochumer Westend, entwickelt sich etwas, was manche Medien gerne als „Kreativviertel“ bezeichnen. Die unter einer S-Bahn-Brücke gewonnenen Resträume, die lange als Produktionsstätte eines Fensterherstellers dienten, beherbergen seit ein paar Jahren ein kleines Theater, dessen unorthodoxes Programm von der Kritik gefeiert wird. Nebenan wurde 2005 eine Projektgalerie für Experimente aller Arten geöffnet. Federführend für einen Großteil des Programms ist nun Georg Mallitz, ein diplomierter Geologe, Philosoph und langjähriger Kunstvermittler, der, zusammen mit Christiane Conradt und im Auftrag des Hauptmieters des Ortes, Manfred Duch, den Raum animiert. Anstatt auf hippe Internationalität zu setzen, aktiviert Mallitz die lokale, bzw. regionale Szene und verstärkt damit ein lebhaftes Bochumer Künstler-Netzwerk.

 

Gewiss ist der Raum an sich nicht gerade einfach zu bespielen. Die dominanten Tonnengewölbe verbieten eine gescheite Präsentation von Malerei oder Grafikarbeiten; der Schwerpunkt liegt demnach auf Bildhauerei, Installation oder Performance. Die gute Akustik inspiriert auch Klangkünstler; bis vor kurzem war eine Klanginstallation von Robert Rosshoff in dem leeren Halbzylinder zu erleben. Die Galerie ist ziemlich das Gegenteil eines White Cube und bleibt eine Herausforderung: In ihrer Auseinandersetzung mit dem ungewöhnlichen Volumen des Raumes, sind die Künstler gezwungen, die üblichen Inszenierungsmodi ihrer Arbeit zu revidieren und auf neue Lösungen zu kommen.

Ansicht der Ausstellung Angst vor Licht

Auch wenn sie sich in einem Innenhof versteckt, ist die Rottstraße 5 keineswegs als kulturelle Enklave aufzufassen. Punktuelle Projekte, die die hiesige Bevölkerung einbeziehen und die umliegenden Läden als Präsentationsplattform nutzen, werden immer wieder realisiert – wie für das Großprojekt Angst vor Licht, das am Ende letzten Jahres stattfand. Demnächst soll eine riesig lange Wand in der Verlängerung der S-Bahn-Brücke als Ausstellungsfläche benutzt werden, so dass  der öffentliche Raum stärker bespielt wird.

Georg Mallitz, Kurator

Apropos Brücke: Auch wenn die Bochumer Szene einen besonders starken Zusammenhalt aufweist und Mallitz an weiteren Projekten mit lokalen Produzenten tüftelt, werden Brücken zu Münster, Essen und Düsseldorf geschlagen. Der redselige und Ruhr-verliebte Kurator sucht die Verbindung zu den dortigen Kunstakademien, bzw. Kunstschulen und hat eine kühne Vision entwickelt: Er will seine Heimatstadt als Auffangbecken verschiedener Strömungen in der Rhein-Ruhr-Münsterland-Region profilieren und gerade auf der Rottstraße eine Konvergenz der Medien bewirken. Es ist ambitioniert und leicht größenwahnsinnig – und deshalb gefällt es uns besonders.

 

Eine sehr gute Nachricht haben wir noch: Trotz seines gut gefüllten Terminkalenders wird Georg Mallitz künftig für perisphere schreiben und aus dem Ruhrgebiet berichten. Größenwahnsinnige Typen – wenn sie gut sind – sind bei uns immer gut aufgehoben. Schließlich wollen wir die Welt mit diesem Blog erobern.

Katrin Laade und Charlie Citron im plan.d.

ein Bildbeitrag von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Rauminstallation von Charlie Citron

 

an der Wand: Katrin Laade

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Charlie Citron

 

Katrin Laade

 

Katrin Laade
Katrin Laade
Katrin Laade

 

Katrin Laade

 

Katrin Laade und Charlie Citron
im plan.d.
Dorotheenstr. 59
40235 Düsseldorf
Ausstellung vom 31.3-22.4.2012
geöffnet Samstags und Sonntags v. 15-18 Uhr
und nach Vereinbarung: 0179 59 000 62

Henrik Vibskov feiert sein Zehnjähriges bei Ruttkowski68

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

 

Das Schreiben über die Kunst und die Künstler ist nicht meine, sondern nach wie vor die Domäne vom Kollegen Mir. Und so soll es auch bleiben, denn hier macht jeder das was er am besten kann. Ich habe allerdings nach wie vor die bessere Kamera und bin dank jahrelangem Training auch (noch) besser mit Photoshop. Von daher ist die Aufgabenverteilung klar: Beim Herrn Mir geht es ans Eingemachte, während ich die schönen Bilder für Zwischendurch liefere. Damit unsere Leser vor dem Schauen aber zumindest ein paar kurze Infos zum Geschauten bekommen, habe ich das wichtigste aus der Pressemeldung herauskopiert – Strg-C und strg-V sind auch hier wie so oft meine Freunde.

Henrik Vibskov, der vor allem für sein nach ihm benanntes Modelabel bekannt ist macht neben der Kunst auch Musik: er ist der Drummer der Elektro-Band Trentemøller und stellt weltweit in Museen und Galerien aus. Jetzt hat er Station in Köln gemacht, dort feiert er unter dem Titel Ruttkowski;68 – Vibskovski;72 das erste Jahrzehnt seiner Karriere. Auf seine typisch verspielte Art hat Vibskov 30 hölzerne Objekte angefertigt, die an die Vorstellungskraft appellieren sollen. Was auf den ersten Blick kindlich, spontan und zufällig wirkt, ist vom Künstler durchdacht.

Wir waren vor Ort, haben uns die Arbeiten angesehen und Bilder mit gebracht.

Einsames Bild an weißer Wand

Viele Bilder im kleinen Raum

Lustige Objekte in Holz hinter Glas

 

Ruttkowski68 – Vibskovski;72
13. April – 20. Mai 2012

www.ruttkowski68.com/
Bismarckstrasse 68
50672 Köln

Das Freie Kunst Territorium in Bochum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Wenn es prinzipiell stimmt, dass eine unabhängige Kunstszene sich vor allem in großen, reichen Städten entfalten kann und von einem vorhandenen Angebot an kommerziellen Galerien, Kunsthochschulen oder Museen besonders profitiert, gibt es jedoch genug Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Bochum ist beispielsweise nicht gerade prädestiniert, ein solche Kunstszene zu beherbergen. Aber die Stadt besitzt eine wichtige Voraussetzung um Kunstschaffenden anzulocken: Preiswerte bis sehr preiswerte Mieträume in zentraler Lage.

Diese Tatsache hat Uwe Siemens dazu bewegt, die besser gestellte Stadt Essen zu verlassen und sich in ein verwaistes Gebäude von Thyssen-Krupp im Zentrum von Bochum anzusiedeln. Zusammen mit Christoph Gruse, Cristóbal Márquez, Dorothee Schäfer, Gabi Moll und Joanna Zadora-Gruse hat Siemens 2009 das Freie Kunst Territorium (FKT) gegründet, eine Ateliergemeinschaft, die die fantastischen räumlichen Möglichkeiten ihres Standortes ausschöpfen möchte.

En Teil der FKT-Truppe: Uwe Siemens, Christof Gruse, Gabi Moll, Dorothee Schäfer und Zorro

Die Zentrale des FKT befindet sich einem langgestreckten, bungalowartigen Gebäude, in dem lungenkranke oder verletzte Angestellte von Thyssen-Krupp sich bis vor ein paar Jahren behandeln ließen. Mit der strukturellen Umwandlung der Firma hätte das in den 1950er Jahren errichtete Mini-Sanatorium eigentlich abgerissen werden müssen. Aber während die umliegenden Hallen verschwanden, wurde das Haus aufgrund seiner industriekulturellen Relevanz – sowie mancher interessanten architektonischen Details – unter Denkmalschutz gestellt und blieb erhalten.

Bild: T. Bocian
Bild: T. Bocian

Ein Glücksfall  für Künstler und Kreative: Hier gibt es extrem preiswerte Quadratmeter und jede Menge Raum. Thyssen-Krupp kann sich übrigens glücklich schätzen: Das FKT, sowie die anderen Nutzer des Hauses, pflegen und hüten das Objekt und garantieren es vor einem sicheren Verfall. Der Schwerpunkt des FKT an diesem Standort liegt auf die Atelierarbeit. Die Künstler haben sich in den relativ niedrigen Räumen eingerichtet und, neben der Fortführung ihrer eigenen Produktion, veranstalten immer wieder Workshops und Kurse in Malerei, Bildhauerei oder Aktzeichen für ein Laienpublikum.

Christof Gruse im Atelier

Atelier Gabi Moll
Atelier Dorothee Schäfer

Diese Öffnung der Gemeinschaft zur Öffentlichkeit wird noch deutlich verstärkt durch die zahlreichen Ausstellungen, die in den Kellern des Hauses stattfinden. Dort sind keine riesigen Hallen zu erwarten, aber es ist immerhin genug Platz, um kompakte Präsentationen in guten Bedingungen zu ermöglichen. In unregelmäßigen Abständen werden hier lokale bis regionale Künstler präsentiert; monumentale Projekte sind eher ausgeschlossen.

Zu dieser Ausstellungstätigkeit kommen noch diverse interdisziplinäre Projekte, die die Schnittstelle zu Literatur, Theater und Musik suchen. Die passend betitelte Masala-Reihe bringt beispielsweise Künstler aller Sparten in dem Haus zusammen und, mit diversen Programmpunkten, schafft eine Festivalstimmung auf kleinstem Raum.

Sibylle Pieper - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez
Anja Schreiber - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez
Mia Sellmann - Performance während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez
Lesung von Witek Danielczok während Masala 2011. Bild: © Cristóbal Márquez

Apropos Raum: Das Gelände um die FKT-Zentrale steht der Gruppe auch zur Verfügung und wirkt zunächst unendlich groß. Die denkmalgeschützte Lage hält Investoren fern und, außer den üblichen halbwilden Tieren, haben die Künstler keine Nachbarn, die sich über Lärm beschweren können. Von solchen räumlichen Zuständen träumt die Künstlerschaft der großen Städte. Der Bochumer postindustrielle Garten wird immer wieder in Anspruch genommen, um Kunst im Freien auszustellen oder außergewöhnliche Aktionen zu realisieren. Im Mai startet eine poetische Performance-Nacht, in der Gedichte beim Vollmond und an unterschiedlichen Stellen des Gelände vorgelesen werden. Auch bei dem kommenden Natur-Festival wird eine Brachfläche bespielt.

Diese besondere räumliche Großzügigkeit, gepaart mit der Erreichbarkeit des Ortes, führen zu regelmäßigen externen Anfragen – die Lage ist für Konzerte, Partys und größere Freiluft-Events so toll, dass es eigentlich nicht überrascht. Die Gemeinschaft lässt aber nicht jeden zu und überlegt sich genau, wer rein kommt und wer draussen bleibt. Nicht-kommerzielle Projekte, die eine gewisse Geistesverwandtschaft zu den Grundsätzen des FKT aufweisen und trotzdem ein anderes Publikum generieren können, bekommen meistens den Zuschlag. Demnächst wird hier z.B. das Forum Freies Theater aus Düsseldorf eine Produktion realisieren.

Selten genug um unterstrichen zu werden: Das FKT ist übrigens kein e.V. und hat auch keine Ambition, ein solcher zu werden. Trotz des möglichen finanziellen Vorteils dieser Rechtsform, hat keiner Künstler wirklich Lust, Vereinsarbeit zu leisten und Zeit an administrativen Angelegenheiten zu verlieren. Das „Freie“ des Freien Kunst Territoriums ist wohl ernst gemeint…

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt.

Normalerweise immer Montags, wegen Ostern diesmal Dienstags: Unser Video zum Start in die Woche.

Wir hoffen, auch Sie hatten ein erholsames Osterwochenende im Kreise von Freunden und Familie. Für alle die auch nach dem großen Familienfest immer noch nicht genug von den eigenen Geschwistern, Kindern, Enkeln oder Neffen haben, ist das folgende Video – für alle anderen aber auch.

Kommen Sie gut in die Woche, arbeiten Sie nicht zu viel und lassen Sie sich den Spaß an der Kunst nicht verderben.

Die Klasse Katharina Grosse bei Transmission e.V.

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Der Worringer Platz gilt immer noch als laute und stinkige Verkehrsdrehscheibe in der Stadt. Mit der Verpflanzung der sog. „grünen Insel“, mitsamt Dönerbude, verbesserter Beleuchtung und neuem Pissoir (das war übrigens ein toller Wurf…), hat sich die Kommune vor ein paar Jahren darum bemüht, die dortige „Aufenthaltsqualität“ zu erhöhen. Trotz dieser halbgaren Maßnahme entspricht der unwirtliche Fleck immer noch nicht der Grunddefinition eines öffentlichen Platzes und taugt als Ort der Begegnung, des Austausches oder des Verweilens wenig.

Bis auf die Präsenz des unverwüstlichen Künstlervereins WP8 (ein Pionier an dieser Stelle) und des Glashauses, war der Worringer Platz nicht gerade der Treffpunkt der Intellektuellen und der Avantgarde. Einmalige Projekte wie die Ausstellungen in der Bauhaus-Filiale oder relativ kurzlebige Initiativen wie das Hobbypop-Museum in der alten Posthalle kamen und gingen. Und nun rollt die nächste Welle – und diese wirkt massiver, als alles, was bisher an dem Standort erlebt wurde. Daniel Fritschi hat seinen gehypten Foyer mittlerweile etabliert; ob die Kunst-Komponente allerdings immer noch eine so große Rolle spielt, ist uns nicht klar. Der Galerist Max Meyer hat sich unweit des Platzes niedergelassen und sorgt für ein konzeptuelles und minimales Gegengewicht zur Döner-Meile. Julia Stoschek, wie wir berichteten, ist zur neuen Nachbarin des WP8 geworden und macht demnächst Programm dort. Regelmäßige und intime Ausstellungen in seinem Grafik-Kabinett veranstaltet seinerseits Sebastian Riemer. Und nun das: Ein Verein namens Transmission richtet sich auf der Worringer Straße ein und bespielt eine ehemalige Halle im Hinterhof der Meyer-Galerie.

Es sind immerhin um die 20 Mitglieder, die den Verein animieren. Seine Front-Frau, Anna Czerlitzki, hat Kunstgeschichte an der Uni Düsseldorf studiert und verspürte den Drang, sich für die hiesige Kunstszene einzusetzen – eine für junge Kunsthistoriker seltene Angelegenheit. Sie trat in Kontakt mit der Klasse von Katharina Grosse aus der Kunstakademie Düsseldorf, die ihrerseits auf der Suche nach einer neuen Spielstätte war. Die vier Wände der ehrwürdigen Institution an der Eiskellerstraße waren den Studenten zu eng geworden; Möglichkeiten, mit dem Raum zu experimentieren und den akademischen Rahmen zu brechen waren da nicht vorhanden. Grosse, deren Lehre sich auf die Wahrnehmung der besonderen Eigenschaften eines Raumes und auf die Entwicklung einer adäquaten künstlerischen Reaktion konzentriert, betrachtete die vorhandenen Ateliers der Akademie als ausgeschöpft und wollte den Spielraum ihrer Schüler ausweiten. Es musste ein Ort gefunden werden, der einen eigenständigen Charakter besitzt und den junge Künstler mit neuen Problemen konfrontiert.

Die Lagerhalle auf der Worringer Straße 57 bietet eine solche Herausforderung. Zufälligerweise kamen Verein und Klasse auf diese schöne Räumlichkeit im Hinterhof der Galerie Max Meyer und waren ziemlich schnell vom Ort begeistert. Neben der großen, zentralen Halle, die von einer langen Empore bekrönt ist, befinden sich in dem Keller weitere Räume zum bespielen, die, selbstverständlich, einen ausgeprägten Charakter besitzen und nicht für jede Arbeit tauglich sind.

Nun sollen sich die Studenten mit dem genius loci auseinandersetzen. Im Rotationsprinzip  werden die Räume von Mai bis Juli besetzt; die Ergebnisse dieser ortsbezogenen Arbeit werden dann in einer Ausstellung präsentiert. Trotz einer Förderung der Kunstakademie reicht das Geld nicht ganz für die Miete. Der Verkauf kleinerer Papierarbeiten und Editionen, der am vergangenen Wochenende stattfand, sollte diese Lücke schließen – und nach Aussagen der Organisatorin verlief die Veranstaltung sogar besser als erwartet. Live-Musik, Performances und Happenings rundeten das Programm ab. Wir haben aber nur den Kuchenstand und einen Haufen sich selbst zelebrierender Bohemienanfänger erlebt – selber schuld.

Und was passiert denn, wenn Grosse und ihre Studenten wieder nach Hause einkehren? Da tritt Transmission stärker in den Vordergrund und veranstaltet seine erste Ausstellung. Angekündigt sind junge Künstler aus Warschau. Weiterhin soll der Ort als Plattform eines verstärkten Austauschs zwischen Kunstakademie und kunsthistorischem Institut der Uni Düsseldorf dienen – eine Maßnahme, die in der Stadt längst fällig war. Darauf sind wir sind besonders gespannt.

 

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt.

Alkohol und Drip Painting: Wir haben die Söhne von Jackson Pollock auffindig gemacht. Farbe und die Malerei sind nach wie vor wichtige Bestandteile der Kunst. Immer wieder finden Künstler neue Möglichkeiten des Umgangs damit, so wie etwa diese Freunde des Headbangings.

Viel Vergnügen und eine gute Woche!


Demential! Cum varuiesc rockerii din Regie: cu parul!!

Rundgang der fadbk in Essen

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Seit über 10 Jahren gibt es sie, die freie Akademie der bildenden Künste in Essen Kupferdreh. Die kleine, überschaubare Einrichtung mit der idyllischen Lage an dem Baldeneysee unterscheidet sich in vieler Hinsichten von anderen Kunsthochschulen im Lande: Jeder Student kann gleichzeitig bei mehreren Professoren oder Dozenten studieren und steht deshalb nicht in einem so engen Verhältnis zu seinem Mentor wie in den sonstigen, klassischen Kunstakademien. Anstatt des üblichen esprit de corps und der starren Klassenmentalität, die in den deutschen Kunstakademien herrschen, ist die Struktur der Lehre in der fadbk offen und durchlässig. Ein wenig nach dem britischen Modell erleben die Studenten dort eine große Freiheit.

 

Die gut ausgestattete Schule ist übrigens zum großen Teil berufsbegleitend orientiert. Diese Tatsache schraubt das Durchschnittsalter deutlich in der Höhe; nicht selten sind die Dozenten und Professoren jünger als ihre Studierenden – und Letztere lassen sich vor allem am Wochenende blicken.

 

Wenn der Rundgang einer Kunsthochschule tatsächlich als Spiegelbild der Qualität ihrer Lehre gelten soll, lässt sich, kurz und bündig, Folgendes über das Niveau der fadbk sagen:

Die Bereiche der Bildhauerei sind deutlich unterrepräsentiert. Der (erdrückende, beinah einseitige) Schwerpunkt der Lehre liegt hier auf Grafik und Malerei. Dass andere Medien möglich und willkommen sind, ist deutlich an den gut eingerichteten Werkstätten für Skulptur oder an den High-End (aber verwaisten) Videoschnittplätze zu erkennen – allerdings wird das Angebot nicht richtig angenommen.

Andrea Wyskott-Blauschek (Klasse Köpp)

Die relative Reife der Studierenden führt zu einer sofort erkennbaren Ernsthaftigkeit ihrer Auseinadersetzung mit Kunst. Dies ist noch längst kein Kriterium für Qualität, aber zumindest eine Grundbedingung für Qualität. Wer sich mit 40 oder 50 Jahren in den Kopf setzt, Kunst zu studieren, und sich auf die Gebühren der Privatschule einlässt, meint es in der Regel ernst – und ist dabei selten ein absoluter Anfänger. Wenn man hingegen die Absprungsrate von jungen Studenten in den herkömmlichen Kunstakademien betrachtet und die chronische Unentschlossenheit der Künstler-Aspiranten, versteht man auch das (teilweise) bestürzende Niveau der dortigen Rundgängen.

Uwe Siemens (Klasse Schneider / Schrudde)
Uwe Siemens (Klasse Schneider / Schrudde)

 

Konkret heißt dies: Exit die pathetische und expressive Schmiererei und die post-wilden Akzente; die Malerei wirkt in Essen selten so pubertär, ungeschlachtet und willkürlich wie in Düsseldorf. Abgesehen von ihrer jeweiligen Relevanz sind dort die Fragestellungen deutlicher formuliert und konsequenter verfolgt. Auch im Bereich  des Unzulänglichen sind die Unterschiede beider Institutionen vielsagend: Da wo die schwächsten Arbeiten im letzten Rundgang der Düsseldorfer Kunstakademie einfach belanglos und aufgeblasen wirken, sind die schwächsten Arbeiten in Essen konventionell, blaß, angepasst und akademisch.

C. Katja Veiser (Klasse Schrudde / Mechler / Köpp)

 

Grazyna Burek (Klasse Hantzsch)
Nicole Krinn (Klasse Mechler / Köpp)

 

Andrea Wyskott-Blauschek (Klasse Köpp)

 

 

Kristine Tusiashvili (Klasse Hantzsche)
Kristine Tusiashvili (Klasse Hantzsche)
Denise Ogan (Klasse Hantzsche)

 

Christian Schüler (Klasse Schneider)
Christian Schüler (Klasse Schneider)
Pit Molling (Klasse Schneider)
Pit Molling (Klasse Schneider)

 

Nicole Krinn (Klasse Mechler / Köpp)

 

Anna Schneider (Klasse Parlow / Schrudde)

 

 

Ralf Altreuther (Klasse Schneider)

Marlies Langenhorst (Klasse Schneider)

 

Claudia Knuth (Klasse Mechler / Köpp)

 

Christine Fischer (Klasse Ruch)

 

Der einzige Rundgang der Bundesrepublik mit freiem Büffet