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Sommerausstellung in der Basis

von Havva Erdem (Frankfurt a. Main)

Nur wenige hundert Meter vom blau-gelben Riesen-Euro mit Sternchen  entfernt, liegt die BASIS. Der Gemeinnützige Verein und Vermittler von Atelierräumen vermietet seine Räume sowohl an freie als auch angewandte Kreative der Stadt. Die Arbeits- und Produktionsstätten der Geförderten verteilen sich auf zwei BASIS-Standorte: während die Elbestraße zusätzlich mit kleineren Projekt- oder Präsentationsräumen und einer Holz- und Siebdruckwerkstatt aufwarten kann, wird hier, auf der Gutleutstraße im beginnenden Frankfurter Bahnhofsviertel, der gesamte Erdgeschoßbereich des Gebäudes als 350qm-Ausstellungsfläche für junge, internationale Künstlerpositionen genutzt.

Stefanie Pretnar
Stefanie Pretnar

Es ist Sonntag-Abend, die BASIS hat zur Finissage der aktuellen Ausstellung geladen. Es ist anfangs nur dürftig besucht – zur etwas später stattfindenden Performance werden es ein paar Gäste mehr sein. Bei einem ersten, kurzen Streifzug gelange ich durch eine kleine Holztreppe zum Abschluss der Präsentation, zwei dunklen Räumen, aus denen das Licht bewegter Bilder flackert, und beginne – nun in umgekehrter Richtung – mit meiner Foto-Dokumentation.

Björn Drenkwitz

Schon im zweiten Raum zieht mich ein gerade anlaufender Kurzfilm von Björn Drenkwitz augenblicklich in seinen Bann. Es ist eine hypnotische Szene, grobkörnig und untermalt vom Rauschen der brandenden Wellen. An einem Strand tanzen zwei in die Jahre gekommene Frauen Arm in Arm und drehen sich etwas linkisch, aber allem Anschein nach ziemlich glückselig um sich selbst. Ich frage mich, warum das so beruhigend anzuschauen ist. Und als mir gerade klar wird, dass die Frauen sich zwar in Zeitlupe bewegen, die Wellen aber im – zwar ebenfalls gemächlichem – jedoch altbekannten Takt heranzurauschen scheinen, ist der Film schon zu Ende.

Dirk Krecker

Es ist übrigens die alljährlich stattfindende Sommerausstellung der BASIS, mit einer verhältnismäßig immer nur kleinen Auswahl aus den 135 in den angehängten Ateliers arbeitenden Künstlern. Der diesjährige Kurator Markus Lepper, zur Zeit Leiter des Kunstvereins in Gießen, hat sich für fünf Künstlerinnen und sieben Künstler entschieden. In seinem ausführlichen Begleittext erklärt er, dass der Titel der Ausstellung einer Arbeit des teilnehmenden Künstlers Dirk Krecker entlehnt ist, und arbeitet sich dann Raum für Raum mit Hintergrundinformationen zu den Protagonisten durch sein „Südliches Ackerland“. Kreckers titelgebendes Werk ist selbst bei der Ausstellung nicht vertreten, dafür hat man aber gleich an zwei Orten die Möglichkeit, seine – ausschließlich mit Schreibmaschine bearbeiteten – DIN-A4-Bögen kennenzulernen. Bei näherer Betrachtung der Arbeiten erscheint es plausibel, dass er umständlich die Schreibmaschine bemüht und nicht den Computer nutzt. Dieser ist mittlerweile zum Werkzeug für so vieles geworden, während es bei der Schreibmaschine immer allein um Worte ging. Um viele Worte. Um alle möglichen Worte. Worte, die Krecker wieder und wieder als Satzteile, z.B. „stressbedingte Selbstmordwelle“, auf ansonsten leerem und zerknittertem Papier vorbeiziehen lässt. Worte, die er zu sich wiederholenden Zeichenmustern umwandelt und zersetzt. Einzelne Buchstaben, die er durch beständiges Übertippen zu unkenntlichen, dunklen Blöcken verklebt. Worte, die zu Zeichen, und Zeichen die zu Strukturen von Bildern werden,- nebeligen Bildern, die von umherirrenden Menschen, Krieg und angelockten Vögeln erzählen.

Dirk Krecker

Darauf angesprochen erklärt Krecker, dass Vögel ja gleichzeitig „sowohl als Heilsbringer als auch Boten des Bösen verstanden werden können“. Der Absolvent der HFG-Offenbach, der zwischenzeitlich zwei Jahre in der Städelschule bei Thomas Bayrle studiert und dort innerhalb dieser kurzen Zeit die Meisterschülerweihe erlangt hat, entschied sich schon vor Längerem gegen die Malerei. Stattdessen arbeitet er auch im installativen Bereich.

Vorne= Flo Maak; Mitte = Wiebke Grösch + Frank Metzger; Hinten = Dirk Krecker
Vorne = Wiebke Grösch + Frank Metzger; Hinten = Dirk Krecker
Wiebke Grösch + Frank Metzger

Die einzelnen Räume der BASIS wirken abwechslungsreich, was sowohl an ihren zum Teil großzügigen, aber auch nischenartigen Raumeinteilungen liegt, als auch an ihren Fenstern, die mal dominant, mal fast verdeckt oder gar nicht erst vorhanden sind. In der linken Halle luken sie nur noch unter der Decke hinter nachträglich angebrachten, dicken Wandverkleidungen hervor, so dass man den Eindruck bekommt, dass es sich bei diesem Raum um einen unterirdischen handeln könnte – wie einem Bunker oder einer Forschungsstation.

 

Nicolaj Dudek

Hier wird das Thema Kosmos aufgegriffen. Nicolaj Dudeks Wandarbeit – ein nächtliches Firmament, das auf den ersten Blick zu eindeutig scheint – erweist sich als Sternenhimmel durch aufgeklebte Kaugummireste. Wenn der anfängliche Charme dieses Witzes jedoch verflogen ist, bleibt wenig zurück; so auch bei näherer Betrachtung seiner beiden kleineren Bilder. Denn während diese von Weitem noch interessant wirken, bleiben sie nach Aufdeckung des auch hier angewendeten Kaugummi-Jokes doch arg an der Oberfläche.

Christiane Feser

Christiane Feser, mit schwarz-weissen Fotoarbeiten vertreten, führt die kontrastreiche Dokumentation einer nicht näher spezifizierbaren Kraterlandschaft weiter, indem sie nachträglich alle darauf abgebildeten Erhöhungen kreuzförmig aufgeschnitten und von der Rückseite durchgedrückt hat. Die nun geöffneten Ausbuchtungen des Fotos haben die Form von Blütenrelikten, ganz ähnlich wie bei reifen Granatäpfeln. Diese ausgestülpten Einschnitte lassen die länglichen Schlagschatten im Bild nun zu Schatten einer Gegenwart werden, die aber nicht mehr nachträglich zur Realität der Fotografie werden kann – ein Paradox mit dem Feser spielt.

Valentin Beinroth

Valentin Beinroth verweigert sich der einheitlichen Vereinnahmung des Raumes. Schelmisch hat er das Kapitell der einzigen Raumsäule mit einem bunten Bananenkarton umschlossen. Diese Aktion wirkt zuerst einfach nur lustig, dann aber wie eine bissige Rückbesinnung auf den eigentlichen Bedeutungsinhalt des Ausstellungstitels und dessen Zusammenhang mit Land Grabbing in Schwellenländern und der Verwicklung westlicher Kreditinstitute in Nahrungsmittelspekulationen. Gleich einem neckischen Affen nimmt seine Arbeit die gesamte Ausstellungssituation aus dieser erhöht-distanzierten Position aufs Korn – wobei Affen das natürlich auch aus Angst machen, oder wenn sie nicht so genau wissen, was sie von einer Sache halten sollen.

Viola Bittl
Viola Bittl

Der Kurator Markus Lepper sieht die Bedeutungsebene des Titels eher in der Möglichkeit und Aufgabe der Künstler Themenkomplexe und Fragestellungen zu bearbeiten und vergleicht die Ausstellung mit einem Garten, der ganz unterschiedliche Felder besitzt und z.B. durch eine in ihm verwirklichte Ordnungsstruktur zusätzliche inhaltliche Tiefe erhalten kann. So hat er, während der Vorbereitungsphase, der einzigen klassischen Malerin, Viola Bittl, einen der kleinsten Räume der BASIS mit der Bitte ans Herz gelegt, mit diesem wie mit einer „Schatzkiste für Malerei“ umzugehen, was sich im Nachhinein als vorausschauend und feinfühlig erweist, denn tatsächlich strahlt der Raum nun genau das aus. Das mag wohl zu gleichen Anteilen am Zusammenspiel der schlichten Hängung, den robust-dicken, holzgrundartigen Leinwänden, deren kalkigem und zurückgenommenem Charakter und nicht zuletzt an dem kammerartigen Raum liegen.

Jin-Kyoung Huh

Und vielleicht auch an der noch dezenteren Arbeit einer zweiten Frau, Jin-Kyoung Huh, die neben dem bestehenden Ein- und Ausgang den Akzent einer dritten – wenn auch nur vermeindlichen – Öffnung an der Wand angebracht hat,- die Erinnerung an einen Durchgang, der nie existiert hat. Huh ist im letzten und eigentlich ersten Raum der BASIS, dessen eine Breitseite Abschnitte mit Sprossenfenstern durchziehen, ebenfalls mit einer zweiten Arbeit vertreten. Alle hier ausgestellten Werke stellen Bezüge zu den Fenstern her, sei es durch durchsichtige Materialien, reflektierende Oberflächen, gitterartige Strukturen oder entsprechende Aufreihungen. Huh schafft auch hier eine ruhige Projektionsfläche, indem sie auf drei schlichten Papierbögen einen schwarzen Edding-Stift Linie um Linie seine Kräfte aushauchen liess. Drei Abschnitte, drei Lebensalter. Der Klassiker.

Flo Maak
Flo Maak

Eine engagierte kuratorische Arbeit kann schlussendlich also auch aus der Jahresausstellung einer Ateliergemeinschaft – falls man den gemeinsamen Nenner der präsentierten Künstler so bezeichnen darf – eine durchaus sehenswerte Ausstellung machen. Gänzlich eigeninitiativ war bei „Südliches Ackerland“ aber die abschließende Performance von Dirk Krecker, der sich noch einen disziplinenübergreifenden Gast dazu einlud: Anne Jung, von der Hilfsorganisation Medico International. Der gemeinsame Auftritt war in je zwei, sich abwechselnde Text- und Soundblöcke unterteilt. Jung trug sehr ernst ihre Interpretation von „Südliches Ackerland“ mit Beschreibungen der wichtigsten Mißstände dieser Welt vor, während Krecker kurze Abschnitte aus YouTube-Interviews (politisch-wirtschaftlichen Inhaltes) mit eindringlichen und schallenden Tönen zu Rhythmen vermischte und durch extreme Wiederholung zerfetzend parodierte,- so als würde man sich durch den gesamten Frequenzbereich eines Radios durcharbeiten und jeder klare Empfang nur leere Worthülsen an die Oberfläche bringen… Während die Fakten und Zahlen von Jung und ihr etwas bemüht wirkender Zynismus beim Aufdecken der desolaten Weltsituation, mich nicht wirklich berührten, löste Kreckers Sound am Mischpult genau das fehlende Gefühl aus. Dass dies seine erste Performance war, hat man dem Künstler nicht angemerkt. Die Veranstaltung endete mit einer Diskussionsrunde, in der sich ein Gespräch um die Möglichkeiten und Auswirkungen der Zusammenarbeit von Künstlern mit karitativen Unternehmen entspann.

Anne Jung und Dirk Krecker

 

Sommerausstellung 2012
Kuratiert von Markus Lepper
Eröffnung 9.August 2012 19:00 Uhr
10.-26. August 2012
Di-Fr 11:00-19:00 Uhr
Sa/So 12:00-18:00 Uhr
 
BASIS
Gutleutstrasse 8-12
60329 Frankfurt am Main
 
www.basis-frankfurt.de
www.soundcloud.com/ume-pop