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Kunst im Hafen zeigt: „So machen wir das.“

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Die Malerei ist so reich, so kraftvoll, dass sie mit ihren eigenen Mitteln wunderbar auskommt. Die Malerei ist sich selbst Thema genug. Und zwar so sehr, dass sie – eigentlich – auf extrinsischen Genrediskussionen und verquasten Theoretisierungen gut verzichten kann. Die Farbe, die Geste, die Arbeit am Träger und das Spiel mit materiellen Grundeigenschaften bieten schon eine unendliche Vielfalt an Bildmöglichkeiten. Gerade in der Malerei klingen Begriffe wie „Aktualität“, „Erneuerung“ und „Innovation“ meistens furchtbar oberflächlich und überheblich. Fragen, die vor fünfzig Jahren gestellt wurden, sind noch nicht ausreichend beantwortet worden. Herangehensweise, die ein Jahrhundert alt sind, haben nicht an Dringlichkeit verloren.

Das beweisen vier Männer im besten Alter, deren malerischen Ansätze nicht erst seit gestern vertieft und ausgereift wurden. Wulf Aschenborn, Ioan Iacob, Markus Kottmann und Matthias G. Winter kennen und, wenn den Anschein nicht täuscht, schätzen sich seit vielen Jahren. Mitten im alten südlichen Industriegebiet der Stadt, da wo Immobilienmakler noch nicht zugeschlagen haben und wo einen Rest Freiraum noch vorhanden ist (aber die Lage ist heikel!), haben sie ihre Arbeiten ausgebreitet und eine zusammenhängende Ausstellung mit dem Titel „So machen wir das“ organisiert. In einer dem Verein „Kunst im Hafen“ angeschlossene Halle – ein sehr großes, wunderbar proportioniertes und übrigens mietbares Objekt (im Verein anrufen) – kommen die vier Freunde zusammen und präsentieren die Ergebnisse ihrer jeweiligen Untersuchung an dem Objekt „Malerei“.

Die Gemälde von Matthias G. Winter suchen die Spannung zwischen Gegenständlichkeit und Nicht-Gegenständlichkeit, Spontanität und Kalkül, Präzision und Laisser-Faire. Reminiszenzen an Landschaften werden in den mittelgroßen Formaten deutlich, gelegentliche Anlehnungen an der Malerei des Surrealismus – vor allem an Max Ernst – können identifiziert werden. Komplexe Überlagerungen von pastosen Farben ergeben Räume, die sich öffnen oder schließen, sich überlappen und sich durchdringen. Nicht selten baut der Maler trompe-l’oeil-artige Irritationen ein, lässt die materielle Tiefe der Farbe von ihrer visuellen Tiefe widersprechen. Die Logik des Bildes folgt nicht die der Natur, sondern entfaltet eigenartigen Gesetzmäßigkeiten. Für Winter ist das Bild ein Feld, in welchem bildinhärente Probleme gelöst werden. Schicht über Schicht, Farblage über Farblage, stellt sich der Maler neue Fragen, die er allein zu lösen sucht. Es ist ein langsamer Prozess; eine (beinah) unendliche Annäherung. Und, wenn nach fünf, sechs, manchmal sieben Jahren, das Bild abgeschlossen wird, gilt es, das Nächste anzugehen. Der Malvorgang als eine Junggesellentätigkeit; der Künstler als Anachoret.

Wie Marcel Duchamp hält der nächste Junggeselle – im Duchampschen Sinne –nichts von dem reinen Retinareiz der Malerei. Markus Kottmann ist sehr skeptisch dem potenziell spektakulären Charakter seines Faches gegenüber und distanziert sich auf leise und ironische Weise von manchen marktschreierischen und oberflächlich-exhibitionistischen Zügen der zeitgenössischen Malerei. Seit Jahren malt Kottmann beharrlich Doppelbilder. Kleine Formate, die die Pathosformel der gestisch-abstrakten Malerei aufs Korn nehmen. Auf 40 x 30 cm bringt er elanvollen, pseudo-expressionistischen Eklats fertig, mit einer Palette, die alles andere als heftig wirkt – es herrschen hier weiche, blau-lila Pastelltöne, die eine mutige und sarkastische Nähe zum dekorativen, Zahnarztpraxis-tauglichen All-Over suchen. Seine durchdachten Miniaturen sind die Surrogaten eines unbändigen und authentischen Ausdruck und lassen den zum Monument strebenden lyrischen Expressionismus zum Zwerg schrumpfen. Reduzieren ist nicht alles – die nächste Dekonstruktion der genialen, abstrakten Malerei erfolgt bei Kottmann durch Wiederholung. Denn jedes Bild wird – in einer kleineren Dublette – „nachgemalt“. Spontane Einfälle und plötzliche Erregungen werden mehr oder weniger akribisch rekonstruiert; der entscheidende Augenblick in der Retorte rekonstituiert. Steht man davor, sucht man in diesen Bildern Anfang und Ende, Original und Fälschung. Aber genau das Dazwischen interessiert Markus Kottmann – das unsichtbare Bild, das der Rezipient aus Erinnerungen und Projektionen selbst malt.

Ioan Iacob bildet die einzige explizite gegenständliche Position der Gruppenausstellung. In seinen meist großen Formaten hat sich der gebürtige Rumäne und ehemalige Graubner-Schüler ganz der Komplexität der Farbe gewidmet. Er bedient sich zwar klassischen Gattungen, wie Landschaften, Stillleben, Porträt, etc. – diese bilden aber (ohne als Alibi abgetan zu werden) gewissermaßen das notwendige Gerüst, worauf die körperlichen und psychologischen Eigenschaften der Farbe „untersucht“ werden. Dieses Gerüst wird in einem langen Prozess der Bildfindung von Farbablagerungen „aufgefüllt“. Iacob geht zunächst von einem dunklen Grün aus, bedeckt es in einem späteren Arbeitsschritt von einem dunklen Rot und entwickelt von da aus seine Motive. Trotz der 30 bis 40 in sehr feiner Lasurtechnik aufgetragenen Farbschichten, setzen sich am Ende die untersten Lagen durch und tragen zur komplexen Erscheinung bei. Es sind lakonische Sujets, die eine wunderbare Stille ausstrahlen und zu einer aufmerksamen Farbwahrnehmung einladen. Denn Iacob will das Wesen der Farbe verstehen. In unserem Gespräch bewies er ein beeindruckendes Wissen und eine außerordentliche Sensibilität für dieses Phänomen. Seine Bilder sind Begegnungen mit der Farbe, die ein genaues, differenziertes und scharfes Schauen verlangen.

Er setzt auch zahlreiche Farbschichten ein. Er spielt auch mit Überlagerungen. Er malt auch geduldig und langsam. Wulf Aschenborn, der vierte Künstler im Bunde, ist der einzige, der sich in den Raum wagt und eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Plastik vor seinen gemalten Werken ausstellt. Dieses Knäuel bildet den Überbleibsel eines ganzen Arbeitsjahres. Es sind die vielen Klebestreifen (ein Import aus den USA), die Aschenborn auf seine Leinwände in verschiedenen Mustern geklebt hat. Hier auch ist das Prinzip der Farbablagerungen dominierend: Der Künstler überträgt eine Farbe auf die Bildoberfläche, verdeckt dann Teile von dieser mit Band, übermalt sie dann mit einer anderen Farbe, verdeckt es, usw. – durchgeführt nach einem bestimmten, auf der Rückseite des Bildes notierten Plan, überlappen sich so bis zu 16 Farben in dicken, einheitlichen Schichten. Dann werden einzelne Klebestreifen losgelöst und die Komposition nimmt langsam Form an. Aschenborn legt teils zufällig teils bestimmt und präzis ganze Bereiche seines Bildes frei, definiert Schwerpunkte im Bildaufbau und sucht in den Untiefen der Bildgeschichte bestimmte Farben und Nuancen die er, wie ein Eichhörnchen, dort eingebuddelt hat. Abschließen und aufschließen. Zudecken und freilegen. Verbergen und hervorholen – das sind die Modi einer spielerischen Malerei, die sich Regeln fixiert, um dagegen zu verstoßen.

Aus den vorausgegangenen Bemerkungen sollte es klar geworden sein: „So machen wir das“ ist eine Malerausstellung. Den Herren geht es ausschließlich um malereiimmanente Fragen; Farbe, Leinwand, Komposition, etc. Und, naja, Maler interessieren sich in erste Linie für Wände. Das führt dazu, dass der Raum der Halle so gut wie unbeachtet wird, was angesichts seines Potenzials wahrlich Schade ist. Dies schmälert ein wenig den positiven Eindruck des gesamten Unternehmens. Immerhin bezeichneten die vier Künstler ihre Kooperation, die mit einem deftigen Grillabend am Rhein endete, als „eine runde Sache“. Dem hätte ich nichts hinzuzufügen.

 

„So machen wir das.“
Matthias G. Winter, Markus Kottman, Ioan Iacob, Wulf Aschenborn
Ausstellung v. 318-9.9.2012
geöffnet Sa 14-20 Uhr und So. 14-18 Uhr
Werft 77. Kunst im Hafen
Reisholzer Werftstr. 77
40589 Düsseldorf