Geschenke zum Fest für Euch und ein neues Projekt für uns!

Wir bedanken uns auch diese Jahr bei allen treuen und untreuen Leserinnen und Lesern für ein weiteres gemeinsames Jahr in der Perisphere. Wir danken fürs Klicken, fürs Lesen, fürs Anmailen und zu weilen, und in letztere Zeit doch mehr, ja auch fürs Kommentieren. Obwohl gerade letzteres, trotz der mittlerweile recht hohen Besucherzahlen hier, immer noch eher die Ausnahme als die Regel ist. Einmal abgesehen von Katrins Beiträge, die damit hier auch die Kommunikation explizit sucht und voran treibt.
Aber eigentlich ist es seltsam, und für mich immer noch nicht so ganz nach voll ziehbar, weil in anderen Bereichen Gang und Gebe, nur eben in der Kunst nicht – denn das Phänomen des Nicht-Kommentierens betrifft ja nicht nur uns, sondern eigentlich die meisten Blogs zum Thema. Wo ran liegt’s?

Mein persönliche Meinung ist ja, dass man zum Einen einfach zu höflich ist, um anonym seinen Senf dazu zu geben – gerade dann wenn es mal kritisch sein müsste, zum Anderen aber auch viele einfach Schiss haben sich öffentlich noch eine Meinung zu erlauben, oder auch nicht mehr die Kraft und den Mut haben sich eine zu Leisten. Das Risiko erscheint einfach zu groß, mit einer solchen anzuecken oder unangenehm aufzufallen. Es könnte der Künstlerkarriere – die bei 99%, mittlerweile eher 99,9% eh nicht kommen wird – schaden und könnte vieleicht Nachteile bedeuten im Ratrace um die wenigen begehrten Plätze in der Zirkusmanege des Whitecube.
Oder ist es der vermeintliche Glaube automatisch zu den Verlierern zu gehören, wenn man das Maul aufmacht und auch mal sagt, wie ausgesprochen hohl, dümmlich und komplett und im gar-nicht-positiven-Sinne sinnbefreit so vieles in der Bildenden Kunst mittlerweile ist?
Man, also ich, weiß es nicht. Mich würde es interessieren und eventuell Frage ich wirklich Katrin Herzner mal zu dem Thema, weil sie sich immer so große Mühe gibt die Dinge ausführlich und wirklich richtig zu klären.

Aber eigentlich ist es doch etwas Schade, dass man sich so schwer tut mit einer Debattenkultur hier im Netz, denn es gäbe viel zu kommentieren zur Kunst, gerade von denen die nicht an den angespitzten Orten wirken, sondern irgendwo in der mittelweile viel zu breiten Masse vor sich hin werken.

Eventuell nehmen wir uns das einfach mal als guten Vorsatz für 2014, die Debattenkultur anzuheizen, sowohl online als auch offline, und mal wieder mehr über das zu reden was uns zusammen hält, auch wenn ich das eigentlich nicht mehr so nennen will, bei all den Hirsts, Koons und Ai WeiWeis die unter dem gleichen Label wirken.
Aber es scheint ein guter Vorsatz und damit ein neues Projekt zu sein. Und in diesem Sinne passt dann auch der Titel unseres Weihnachtsgeschenks an Euch.
Die Edition ‚The new project“ gibts es nach dem Klick auf das Bild zum Download für Euch (auf der Webseite noch mal klicken um Download der Tif-Datei zu starten). Das Bild ist mit dem Tool eurer Wahl bis zu 100% skalierbar und lässt sich in jeder beliebigen Onlinedruckerei der Welt ausdrucken und innerhalb weniger Tage postalisch liefern. Und Jesus ist auch drin!

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http://www.thenewproject.de
publiziert und zum download unter CC BY-NC-SA 3.0
Auflage: ∞

Frohes Fest und alles Gute für das kommende neue Projekt 2014.

Wie alles wirklich funktioniert : die Wahrheit

Herzner wahr kopf—————
EPILOG

 

Zu Weihnachten wünsche ich mir neue Fragen.

Warum man mich fragen sollte?

Wie man auf dem Foto sehen kann, denke ich darüber schon etwas länger nach ….

Ich habe für die Antwort ein paar Anläufe aufs digitale Papier gebracht.
Das besondere an dieser Frage ist, dass ich da tatsächlich ausnahmsweise mal die Fachfrau bin.

Es frug der Stephan die wichtigste Frage zuerst, die ich als letzte dieses Jahres dann auch mal beantworte:

Herzner wahr Frage

Im Gegensatz zu allen anderen Texten, kann ich diesmal ganz sicher behaupten: Ich habe recht.
Was ich hier schreibe ist wahrer als alles andere überhaupt und braucht dafür 1348 Wörter.

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„was ich sehe“ – ein Film über Vera Lossau

Wäre er aus der Perspektive des Regisseurs, und nicht der dokumentierten Künstlerin, betitelt worden, hätte der Film von Wolfgang Waldmann „Was ich verstehen will“ heißen können. Stattdessen heißt er „was ich sehe“ und transportiert bereits bei dem erstrezipierten Textsubstrat diesen subjektiven Tonfall, der im gesamten Film vorherrscht. Der seit ein paar Monaten veröffentlichte Dokumentarfilm über die in Düsseldorf tätige Bildhauerin und Installations-künstlerin Vera Lossau ist nicht nur ein interessantes Zeugnis über die Arbeit und das Leben einer jungen, zeitgenössischen Künstlerin sondern darüber hinaus der rührende Versuch eines Filmemachers, das Mysterium der Kunst zu begreifen.

on demand Foto 6.Mai 2013

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Katja Donnerstag und Yvonne Klasen im Quartier am Hafen

Text: Maria Wildeis
Fotografien: Thilo Schmülgen

 

In Köln spielen zwei Künstlerinnen mit dem Licht: Die Flora, eine Halogenlampe für Pflanzenwachstum wirft purpurnes und grünes Licht auf ein dupliziertes Wandstück. Das neue Raumfragment wurde in der Mitte aufgespiesst und dreht sich um die eigene Achse, wenn man es anschubst. Dabei verändert sich die Farbe je nach Einfallswinkel.

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Katja Donnerstag & Yvonne Klasen: Dancing Wall

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Zwei bis drei Minuten Schweigen in einem sehr sehr langen Gespräch

Beim Eiskellerberg gibt es ein wirklich, wirklich, wirklich langes, aber eben auch wirklich, wirklich, wirklich lohnendes Gespräch mit Karl Heinz Rummeny, einem der Mitbegründer und langjähriger Betreiber des Düsseldorfer Off-Space Parkhaus. Das Parkhaus, gelegen im Garten des Malkasten, ist einer der schönsten und mittlerweile ältesten Projekträume der Stadt. Rummeny hat das Projekt 1997 zusammen mit Jost Wischnewski und Gregor Russ begründet.

Mehr müssen wir an dieser Stelle nicht verraten, denn alles andere lest Ihr bei eiskellerberg.

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Parkhaus, vierwändekunst Festival, 2010

 

Wie alles wirklich funktioniert : Der Düsenjet im Wasserkocher

kopf————–
PROLOG

Wir haben einen Wasserkocher der extrem lauten Sorte.
Der Kaffee wird nach alter Manier durch einem Kaffeefilter im Trichter direkt in die Kanne gebraut.
Man wird also nicht vom Kaffeeduft, sondern vom Wasserkocher gerufen.
Die nächsten Fragen können sehr gerne unten in der Kommentarkiste gestellt werden.
Wie bisher sich gezeigt hat, ist keine Frage zu schwer, zu doof oder zu wenig einfallsreich.
Zum Beispiel diese schöne Frage von Teresa Teetrinker:

Herzner Düsenjet Frage
Heute gibts aberhallo zu viel Text.

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Echt scharfe Fotos aus der Kölner Kunstszene der 90er Jahre

Beim Artblogcologne gibt es anlässlich der aktuell laufenden Ausstellung „Von Köln nach New York und zurück“ eine wirklich amüsante Fotostrecke über die Kölner Kunstszene der 90er Jahre, mit Fotografien von Caroline Nathusius.

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Kinosaal – Gasthof Worringer Platz

Das neueste Projektabschnitt vom Gasthof Worringer Platz verwandelt drei Fassaden des vielbefahrenen Verkehrskontenpunkts in Kinoleinwänden. Drei Künstlerinnen haben eigens für dieses schwere Milieu kurze Animationsfilme realisiert, die sich zum Teil auf die Architektur des Projektionsfläche, zum Teil auf die gesamte urbane Situation beziehen. Die Projektionsorte bilden ein signifikantes Dreieck entlang der Hauptverkehrsachsen Karlstraße, Kölner Straße und Worringer Straße.

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Frauke Berg

 

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Anna Lena Werner im Interview mit Shan Blume

Das hier wollte ich eigentlich schon seit Wochen mal bringen, kam aber einfach nicht dazu. Anna-Lena Werner von Artfridge hat ein Interview mit Freund und Kollegen Shan Blume gemacht. Shan Blume und ich haben uns vor einigen Jahren an der KHM kennen gelernt und dort zusammen studiert, und gefeiert. Dann, so etwa 2007, bin ich nach Düsseldorf und er ist mittlerweile in seine Heimat Berlin zurück.

Unvergessen sind und bleiben in jedem Fall die schräg-lustigen Nächte irgendwo zwischen ästhetischen Experimentalstudien, Happening, wahnhaftem Exzess und banal stumpfem Rausch im Dachgeschoß-Atelier der KHM.  Peter Zimmermann hatte zu dieser Zeit dort noch eine Professur für Malerei inne und die Räume dankenswerterweise organisiert.

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Atelier f. Malerei an der Kunsthochschule für Medien, Köln, 2005 oder 2006, Morgens gegen 6.30 Uhr

Auf dem Bild, das ist übrigens nicht Shan. Und bevor falsche Vorstellungen aufkommen, ich bin es auch nicht. Ich war zwar am Bühnenbild beteiligt, hielt aber bei dieser absurden abschließenden Performance in dem frühen Morgenstunden lediglich die Kamera. Continue reading „Anna Lena Werner im Interview mit Shan Blume“

Ein Abend in zwei Studios

Das Studio Roh und das Studio for Artistic Research hatten an diesem Freitagabend eingeladen. Jeder für sich. Jede auf seiner Seite des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Und jeder mit sehr distinkten Programmpunkten.

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Azin Feizabadi im SAR

Der Name „Studio“ und die Einbettung im selbstorganisierten Künstlermilieu der Stadt ist ziemlich alles, was diese Projekte verbindet. Der zeitnahe Besuch der Räume, besonders an diesem Freitag, machte klar, wie fern die Absichten und Ambitionen beider Studios voneinander stehen. Während das Studio Roh einen vorläufigen Höhepunkt in trashiger Theatralik erreichte, bemühte sich das Studio for Artistic Research um High-End-Kunst mit braven politischen Akzenten. Zwischen der effektbetonten Geisterbahn des Einen und dem einwandfreien aber steifen Professionalismus des Anderen lagen Lichtjahre der künstlerischen Strategie.

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Kurzgeschichten von Saskia Zeller, illustriert von Frauke Berg

Zu Weihnachten wünsche ich mir keinen Stieg Larsson, ich lese es sowieso nicht. Schenkt mir lieber „Die dunkle Seite der Sonne“.

 

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Soeben im Selbstverlag erschienen: Ein Buch über die afrikanischen Erfahrungen einer jungen Europäerin. Saskia Zeller erzählt, Frauke Berg zeichnet dazu. Schönes Ding, begrenzte Auflage, korrekter Preis: Konsumklon, was willst du eigentlich mehr?

 

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Wie alles wirklich funktioniert : ein paar Milliarden locker machen

Herzner Kopf Geld—————–
PROLOG:

 

VON WAS, VERDAMMMT, REDEN DIE DENN DA DIE GANZE ZEIT?

Was hat die Deutsche Bank eigentlich böses gemacht?
Oder überhaupt: Was ist ein Leitzins, und warum kann man ihn erhöhern und wen interessiert das?
Oder: Heißt es nicht doch Leihzins?

Und ich finde diese Fragen Scheiße.
Weil ich die Antworten wirklich gerne wüsste – und zwar einfach so – aus dem ff!

Seit ein paar Tagen habe ich aber einen ersten wichtigen Schritt Richtung Aufklärung geschafft!
Ich habe nämlich plötzlich verstanden, warum Thyssen-Krupp ihr Kapital erhöhen wollte, in dem sie neue Wertpapiere auf den Markt geworfen haben.

Und hier die Frage, für deren Antwort ich etwas länger gebraucht habe:

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Ich hatte eine Eingebung!
Sehr herzlichen Dank André!

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Wie alles wirklich funktioniert : U

Herzner U2——————
PROLOG:

Danke für die Fragen von letzter Woche!
Ich sammel weiterhin! Also sobald sich eine ergibt, kann man sie stellen, dort unten in der Kommentarkiste. Sie wird beantwortet, sobald es soweit ist.

Die Antwort auf die Frage mit dem Geld ist zum Beispiel in Arbeit, braucht aber noch mehr Zeit.

Und eine kurze Anmerkung zu „Warum sollte ich mich mit meinen Fragen ausgerechnet an Dich wenden? ;)“ ist auch schon zu sehr ausgeufert, um sie hier mal kurz in einem Nebensatz zu schreiben.

Lest doch einfach erstmal.
Wenn das hier ein Kunstwerk ist, liegen ohnehin 50% an Euch.

Diesen Mittwoch die Antwort auf die schöne einfache Frage mit dem U von Frauke, für die ich ihr wirklich ganz ganz herzlich Danke:

 

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In meiner Benutzeroberfläche werden die Kommentare tatsächlich eingereicht.

 

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Curart Popup Show

Der nachfolgende Text über die Onlinekunstplattform curart ist ein Gastbeitrag von Euphemia v. Kaler zu Lanzenheim. Die Dame mit dem schönen Namen ist Kunsthistorikerin und kümmert sich bei curart um die PR und den Aufbau von Kooperationen. Ich sage das vorweg, denn der Beitrag ist, ähm, … nun ja … für meinen Geschmack in Teilen etwas zu werbisch.

Aber! Ich hatte sie um einen Beitrag gebeten, weil mich ihr Projekt so wie das Theme Kunst, Markt und Internet in vielerlei hinsicht interessieren. Und man kann es an dieser Stelle ja auch mal offen zugeben, auch wir mischen nicht nur mit unserem Avantgardeblog und dem Startup adswarm in diesem höchst ambivalenten Feld so irgendwie mit.
Aber es geht ja auch einiges in dem Bereich und man wird sehen was davon in ein paar Jahren geblieben ist, was Strukturen verändert hat und was sich als Luftnummer heraus stellt.

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Ich hatte Euphemia also um einen Beitrag gebeten. Worauf hin sie so freundlich war, sich die Mühe zu machen einen Text über das Projekt curart zu schreiben. Und weil ich hier jetzt nicht in Ihrem Artikel herum schreiben möchte, kommt dieser mit bestem Dank an die Autorin genau so in den Blog. Ihr wisst ja bescheid.

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Politik der Langsamkeit – Beat Wyss im Gespräch mit Anja Martick

Das Gespräch zwischen Beat Wyss und Anja Martick über das Verhältnis von Kunst und Medien wurde ursprünglich auf der Webseite der Universität Duisburg-Essen publiziert. Freund Alec machte mich gestern darauf  aufmerksam – Danke!
Und da wir im Text lernen, dass der Tanz um das Original sowieso ein recht neuer Splin der Kunst ist, verlinken wir, danken wir und kopieren es hier her.

Politik der Langsamkeit

Beat Wyss im Gespräch mit Anja Martick,
Weimar, 18. Juni 1998

Herr Wyss, könnten Sie kurz Ihren persönlichen Werdegang schildern, und wo Sie jetzt tätig sind?

Ich unterrichte Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart und war zuvor an der Universität Bochum für das selbe. Ich komme eigentlich aus der Schweiz aber ich machte viele Wanderjahre nach den Vereinigten Staaten. In der Schweiz habe ich auch unterrichtet an der Eidgenössischen Technischen Hochschule.

Warum sind Sie von der Schweiz nach Deutschland gekommen?

Das sind Zufälle und zum Teil auch Absichten, ich habe in Deutschland studiert, in Berlin, und von daher hat es mich auch immer schon interessiert, hier zu leben und durch die Diskurse hier- ich find? das einfach ein bißchen lebhafter als in der behäbigen Schweiz.

Ihre ersten beiden Hauptwerke, also einmal „Der Wille zur Kunst“ und die „Trauer der Vollendung“, werden in die Kunstgeschichte eingeordnet, und das letzte Buch „Die Welt als T-Shirt“ ist eine Geschichte und Ästhetik der Medien. Wie sind Sie von der Kunst zu den Medien gekommen?

Für mich ist das eigentlich das selbe. Kunst ist ein Medium, ich finde ohnehin, es wäre eigentlich wichtig, gerade auch für Medienleute, daß sie begreifen, daß z.B. die modernen, die digitalen, die technischen Medien eigentlich nur ein Aspekt der Medien sind. Eine Kathedrale ist ein Medium, ein Buch ist ein Medium, ich fasse eigentlich das Medium als einen Filter zur Welt auf, den wir brauchen um sie zur verstehen.

Also ein Medium als Mittel?

Mittel, das Medium ist das Mittel die Welt anzuschauen, weil wir ohne ein Medium die Welt nicht verstehen.

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Carolina Redondo bei Bruch&Dallas

Text: Nadia Ismail

Fotos: Veit Landwehr

 

Inspiriert durch physikalische Prozesse, deren visuelle Struktur häufig eine geometrische Eigenästhetik besitzt, nutzt und transformiert die chilenische Künstlerin Carolina Redondo den Ausstellungsraum wie ein Experimentallabor. Diese besondere zellulare Situation, bei welcher der Passant und potentielle Ausstellungsbesucher der fortschreitenden Entwicklung ihrer künstlerischen Arbeit von außen beiwohnen kann, weckt Assoziationen an den Blick durch ein Mikroskop in eine Petrischale, in der organische Prozesse von ebensolcher Bedeutung sind wie das Resultat selbst.

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Die Verflechtung von bildender Kunst, Forschung und Wissenschaft setzt sich thematisch und inhaltlich in der Ausstellung fort, wie der Titel Gravity Matters bereits erahnen lässt. Gleich einem Parcour bewegt sich der Besucher durch die Räumlichkeiten, dessen Richtung durch die bewusst gesetzten Plastiken im Raum gelenkt wird. Die überlebensgroßen Elemente, deren hölzerne Rahmen mit Tapete verkleidet sind, verhindern den freien Blick in den Showroom. Lediglich die von Hand geschnittenen Aussparungen, die der geometrischen Struktur der Tapeten folgen, gestatten eine partielle Durchsicht und erzeugen einen nahezu dreidimensionalen Effekt. Damit nimmt der Rezipient von Beginn an die Ausstellung multisensuell wahr. Er wird gezwungen, sich sowohl visuell als auch körperlich zu der Architektur und den ausgestellten Exponaten zu verhalten. Um einzelne Arbeiten in der Gänze zu erfassen, ist ein physisches Bewegen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Ausstellungsraumes notwendig. Ebenso wie den Körper lenkt Redondo das menschliche Auge, das stets auf eine neue, von ihr geschaffene, artifizielle Struktur im Raum trifft, die sich von der bestehenden Architektur ornamental abhebt, um sich in nächsten Augenblick optisch mit ihr zu verbinden.

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Wie alles wirklich funktioniert : Der Anfang

Denken—————————-
PROLOG:

Wer beim Lesen zwischenzeitlich aufgibt, scolled umgegehend runter bis:
Herzner das wichtige

 

 

 

 

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HAUPTTEIL:

Guten Tag liebe Leser.

Mein Name ist Katrin Herzner.
Ich bin auf diese Welt gekommen, um Licht in die Sache zu bringen.

 

Herzner Herzner
Ich könnte erklären, wie ich in diesen blog hier gekommen bin, zum Beispiel,
oder warum ich gerade mit dem Rücken zu einem Holzofen
in einem halbsanierten Haus von 1903 an einem Tisch sitze, der mir nicht gehört.
Oder das mit der Hose links im Bild.

 

Ich bin hier, um zu erkären, wie das alles funktioniert: die inneren und äußeren Systeme, die ganzen Zahnräder, Querverbindungen und Kettenreaktionen, Zufälle und vorher bestimmtes, Liebe, Sex, Hass, Kunst, Sonnenauf- und untergang, die Missachtung und Wertschätzung der Rechtschreibung, Hausbau- und sanierung und das mit den Farben.

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#LSDSL im GOLD&BETON

Schlimm war das. Sie hatten uns versprochen: Nie wieder. Never again. Aber Florian Kuhlmann und Timothy Shearer bekamen den Befehl von höheren Wesen, die fürchterlichste Ausstellung des Jahres zu produzieren. Sogar da scheiterten sie: Es wurde  die beste Ausstellung des Jahrtausends.

Gut, dass es nur zwei Tage dauerte. Gut, dass es am Ebertplatz stattfand, wo nur Künstler, Alkoholiker und Aussteiger verweilen. Die Manifest-Ausstellung, die schon am vergangenen Sonntagabend von den Gesundheitsschutzbehörden der Stadt Köln mit einem großen polizeilichen Aufgebot geräumt wurde, hätte möglicherweise noch mehr Opfer gefordert. So bleiben die moralischen Schäden einigermaßen überschaubar.

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IMG_9360 Continue reading „#LSDSL im GOLD&BETON“

Constant Dullaart mit einer Doppelshow in der Future Gallery und bei Import Projects

OMG Freunde! Warum nur eigentlich geht alles was man macht immer so unfassbar langsam? Warum ist aber trotzdem nie Zeit für das Wichtige, nie Zeit für Kontemplation, nie Zeit für intensive Beschäftigung, für ein Vertiefen und ein Herumfeilen? Warum ist die wertvollste Ressource, die Lebenszeit, eigentlich so knapp in einer Welt die gigantische Überschüsse produziert und eigentlich schon lange nicht mehr weiß wohin mit all den Artefakten und Objekten die täglich aus den Fabriken herauskommen? Und warum rackern wir uns, nach dem es gelungen ist, reale Objekte im Überfluss zu produzieren, nun an der Erzeugung der virtuellen ab?
Nicht das dieser Artikel Antworten auf die Fragen liefern wollte, aber ein Blick auf die realen, irrealen und hyperrealen Objekte unsere Zeit ist anhand der Betrachtung der nachfolgenden Ausstellung drin.

Constant Dullaart ‚Jennifer in paradise‘

Es geht um die Arbeit von Constant Dullaart, dieser ist gebürtiger Holländer, lebt in Berlin und arbeitet von dort aus international, medial. Seine Arbeit dreht sich um die digitalen Realitäten, deren Auswirkungen auf unser Leben, und um das Medium, welches beides mit jedem neuen Tag und jedem Klick näher zusammen bringt. Im Herbst hatte er unter dem Titel  ‘Jennifer in Paradise’ seine erste Einzelpräsentation als Doppel-Solo-Show. Doch auch die 12 Monate davor waren nicht von schlechten Eltern, an 30 Ausstellungen wirkte der umtriebige Kollege in dieser Zeit mit.

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„Open Your Eyes“ von Sebastian Hartmann

Es ist in der Kunstwissenschaft nicht viel anders als in der Physik-, Literatur- oder Ingenieurwissenschaft – und auch nicht anders als in der profanen Welt des Kommerzes: Je kleiner die besetzte Nische ist, desto überschaubarer bleibt die Konkurrenz. Wer sich auf ein Randthema konzentriert, wird automatisch zum Experten erklärt und irgendwann als „Papst von…“ gekürt. Eine hartnäckig verfolgte Hyperspezialisierung lohnt sich früher oder später. Man läuft zwar immer Gefahr, das Leben eines schrulligen und monothematischen Forschers zu verbringen und letztendlich als verkannte Koryphäe der technischen Kristallographie oder der Sorabistik zu vereinsamen, aber wer sich schlau anstellt und ein wenig Glück hat, kann sich zu einer Autorität in seinem Fach profilieren. Manche gelernte Kunsthistoriker schießen sich beispielsweise auf Orchideenfächer wie die der Gartenkunsttheorie oder der mittelalterlichen Elfenbeinkunst, andere haben es auf die Projektraum- und Off-Szene abgesehen. Und noch andere auf Street Art.

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Sebastian Hartmann auf Past Up-Jagd

In der Regel liegt die Motivation für solchen Hyperspezialisierungen in einem überbordenden Enthusiasmus für die Sache. Sebastian Hartmann gilt als begeisterter Experte der Düsseldorfer Street Art-Szene und, dank eines unermüdlichen Einsatzes, entwickelt sich langsam zur Kapazität in diesem Bereich. Dabei hat der gelernte Kunsthistoriker diese besondere ästhetische Welt erst vor kurzem – um genau zu sein: 2010 – für sich entdeckt. Dieser späte Anfang wurde aber von einer sehr intensiven Hingabe und einem erstaunlichen Fleiß gefolgt. Trotz eines erfüllten professionellen Lebens betreibt Hartmann den Blog Streetartmag, wo er über die Street Art-Szene in Düsseldorf und Hamburg (und immer wieder in der restlichen Welt) berichtet. Neben dem Blog bietet er geführte Spaziergänge durch die Straßen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, um die neusten Paste Ups, Graffiti und Murals zu entdecken – eine angesichts der Kurzlebigkeit der Gattung heikle Angelegenheit. Und nun, als ob dies alles nicht genug wäre, liefert Hartmann ein Buch zum Thema Street Art in Düsseldorf.

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Très chic, gab’s bei mir aber nicht
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Diese Hand ist nicht meine Hand

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Carl Hager und Hans Hoge im plan.d

Die Paarung stimmt. Auf den ersten Blick wirkt die aktuelle Ausstellung im plan.d homogen. Formelle Verbindungen zwischen den Arbeiten von Carl Hager und von Hans Hoge werden rasch gesponnen. Auch wenn die zwei Herren unterschiedliche Ausgangspunkte haben und ihr Umgang mit dem Material nicht vergleichbar ist, spürt man eine unleugbare Verwandtschaft, wenn man durch die Räume der Projektgalerie geht.

Hans Hoge
Carl Hager
Carl Hager

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Spot on Marija Bozinovska Jones

Bild und Text by Marija Bozinovska Jones

Spot on ist das Format auf perisphere, in dem wir Künstler zu Wort kommen lassen und Ihnen die Möglicheit bieten, einen Teil Ihrer Arbeit zu präsentieren. Marija Bozinovska Jones zeigt heute 6 Bilder mit Text, angesiedelt zwischen Pop, Sub- und Trashkultur.

Future of the Past

Diese Arbeit wurde vor kurzem in Berlin ausgestellt und beschäftigt sich mit Identitätsdefinierung in einer Zeit digitaler transkultureller Existenz, durch Gegenüberstellung alter und moderner Elemente, beispielsweise eine antique Büste und 3D Technologie. Durch die Betonung der nationallen Identität spiele ich mit dem Begriff ‚Nationalismus‘; als fiktiven Kurator habe ich ein Land mit einem kontroversen Name festgelegt (F.Y.R.O.M.). Gleichzeitig ist Alexander der Große auf Grund mit seiner metaphysischen Frage ‚Wer bin ich?‘ Pièce de résistance. Ich habe in der Galerie einen politischen Rave inklusive Musik, Nebel und Laser inszeniert.

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There will be burgers

Zwischen der Figur des Künstlers und der Figur des Ingenieurs besteht seit dem Verschwinden des Universalkünstlertypus ein ganz besonderes Spannungsverhältnis. Es ist eine Art von Weltgestaltungs-Wettstreit zwischen Mythos und Ratio, der sich durch die Geschichte zieht, und in dem wir – mit Blick auf die totale Rationalisierung der Welt – derzeit leider keine all zu gute Figur machen. Von daher, ist das natürlich eine gute Sache, wenn die Leuten, wie am 28.9.2013 geschehen, bei Projekten wie dem Art Hack Day Berlin im LEAP zusammen kommen, um zusammen zu denken und zu arbeiten .

THERE WILL BE BURGERS ist eines der Ergebnisse dieses 24-stündigen Hackmarathons. Es ist Webseite und Skulptur, und nach Definition der Autoren eine ‚24 hour crowd sourced sculpture‚. Für einen begrenzten Zeitraum von 24 Stunden wurde über das Netz, Twitter, Facebook und E-Mail Geld für eine temporäre Skulptur bestehend aus Mc Doalds Burgern gesammelt. Per paypal konnte man den Kaufpreis eines Hamburger und eines Veggieburgers überweisen, nach Ablauf der 24 Stunden wurde dafür dann bei Mc Donalds das Material für die Plastik gekauft: 85 Hamburgers and 37 Veggieburgers.

Ich habe mit Sebastian Schmieg, einem der beteiligten, ein Kurzes Inerview per E-Mail geführt.

Photo by Michael O’Brien

fk: Um was gehts in dem projekt?

ss: Innerhalb von 24 Stunden konnten Menschen uns per PayPal Geld senden, damit wir bei McDonald’s Cheesburger und Veggieburger kaufen. Als Gegenleistung bekamen sie ein Foto ihres Burgers, auf den ihr Name projiziert wurde. Anschließend wurden die Burger – 85 Hamburger und 37 Veggieburger – zu einer Pyramide gestapelt und letzten Endes von den Ausstellungsbesucher/innen komplett verdrückt.
Warum — das sehen alle Beteiligten vermutlich unterschiedlich. Mich hat interessiert, wie hier ein ziemlich dämliches, technisch-kommerzielles System aus Social Media, PayPal, McDonald’s und „personalisiertem Produkt“ als dampfende Pyramida in den Ausstellungsraum gelangt. Dort stand dann u.a. der künstlerische Leiter der Transmediale mit einem Burger in der Hand. Das ganze Geld ging natürlich an McDonald’s.

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FAST SENKRECHT, auf jeden Fall Richtung oben – im Honigbrot

 

Katerina Kuznetcowa & Alexander Edisherov: Wolkengraphie
Marie Gerlach: Gleich kommt das Zeichen, Detail

Die Künstler zeigen Arbeiten auf zwei Etagen, sowie dem Treppenhaus des Galerienhauses. Als Meisterschüler der Klasse Maik und Dirk Löbbert schlossen sie alle in den vergangenen Jahren ihre Ausbildung an der Akademie Münster ab. Das gemeinsame Medium, die Bildhauerei, findet in ihren Werken sehr unterschiedliche Ausdrucksweisen. Sie verbindet eine gute Portion Witz und Gelassenheit und eine starke Bezogenheit zum Umgebungsraum. Das Assoziationsspektrum reicht vom persönlichen Erlebnisraum bis zum Gesellschaftsraum, wie z.B. in der Intervention von Stefanie Klingemann. Sie verwandelt den Nutzraum “Treppenhaus” in einem Galerienhaus von einem möglichst neutral und wertfrei gehaltenen Ort in eine typisch häuslich eingerichtete Fläche, durch den Einsatz von Fußläufern, Topfpflanzen und fragwürdigen Dekoartikeln. Continue reading „FAST SENKRECHT, auf jeden Fall Richtung oben – im Honigbrot“

Visiting AWA – der MAGIC RABBIT im Düsseldorfer Underground

Davon gibt es wirklich nicht viel hier. Und wenn schon, dann natürlich immer in der Nähe des einen Platzes, dort, wo es dann eben immer ist, wenn in Düsseldorf etwas ist. Aber, so ist diese Stadt nun mal, da kann man nicht viel machen, sondern muss damit leben, und nicht immer ist das schlecht.
Es ist nicht Berlin, doch wir wissen schon warum wir da sind – und auch warum wir bleiben. Vielleicht wird nicht so viel rum gevögelt hier, dafür gibt es mehr Jobs und etwas weniger Hartz IV. Und das sind Dinge, die werden dann irgendwann doch wichtiger, wenn man langsam reifer und etwas älter wird…

Aber manchmal da treibt es uns dann doch noch mal raus in den Undergound, und wir trinken und schauen was da heute so geht, sehen uns an wie man jung, schön und geil ist beim feiern. Erinnern uns zurück, stellen fest, dass etwas vorbei ist was einmal war, genießen die damit verbundene leichte Melancholie, bestellen dann aber, wenn die Anderen gerade ankommen um richtig durch zu starten, doch das letzte Bier.
Denn, zu hause, dort wo es uns dann hinzieht, schlafen und wachsen gerade die zukünftigen Feiernasen, Drogenfreunde und großen Trinker heran. Und bis die aber mal soweit sind all das zu erforschen, machen wir Ihnen erst mal die Milch warm und singen Ihnen die Schlaflieder.

Und jetzt die Bilder vom vorletzten Wochenende (25.10.) aus der AWA-Bar
Giulia Bowinkel + Felicitas Rohden präsentieren: MAGIC RABBIT @ AWA

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Situation Dortmund

Bilder: alle geklaut.

Meist wird die Offszene in NRW auf zwei Städte reduziert: Köln und Düsseldorf. In der Tat liegt der regionale Schwerpunkt der selbstorganisierten Künstlerschaft auf der kleinen rheinischen Schiene. Mit ihren Kunsthochschulen, einer sehr aktiven und ehrgeizigen Galerieszene, der Präsenz von zahlreichen Museen und Kunstinstitutionen sowie einer großen Anzahl an Künstlern aller Generationen, die sich dort aufhalten, erfüllen Köln und Düsseldorf alle Voraussetzungen für ein Blühen des Offs. Dagegen ist die autonome Kunstszene in Essen, Aachen, Duisburg oder Münster – bis auf ein paar Ausnahmen – so gut wie inexistent. Gegenüber der Köln-Düsseldorfer Achse findet man nur in zwei Städten des Ruhrgebiets ein nennenswertes Gegengewicht: Bochum und Dortmund. Wir werden in einem künftigen Artikel auf Bochum zurückkommen, denn dort braut sich gerade Interessantes zusammen. In Dortmund ist die Lage nicht minder spannend, die politischen Grundbedingungen sind aber fundamental anders.

Schickes Ding mit Kultur innen drin: Der Dortmunder U
Die Zeche Zollverein. Auch in Dortmund sehr beliebt.

Rückblick: Im Zuge der Ernennung von Essen und 52 weiteren Kommunen zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010, wurde der im maroden Ruhrpott dringend benötigte „Kulturwandel“ zu einem der führenden Paradigmen der Großveranstaltung gemacht. Kulturwandel hieß in diesem Fall, dass die obsolete „Industriekultur“, die die Region seit über 150 Jahren prägte, ersetzt werden sollte. Im Hinblick auf den interkommunalen Wettbewerb um die Anziehung von relevanten Kaufkräften sollte diese neue „Kultur“ gerne von positiv konnotierten Adjektiven angereichert werden – „kreativ“, „urban“, „unternehmerisch“ oder „weltoffen“ sollte sie ja unbedingt werden. Das Zielpublikum dieser Maßnahme war klar: Die Industriebrachen sollten von jungen, leistungsfähigen und zukunftsorientierten Schichten erobert werden; die Losers des Sekundärsektors, die entweder in Frührente geschickt wurden oder in Mini-Jobs verschwanden, waren eh nicht mehr zu retten.

les chefs de la créativité, v.l.n.r.: Stadtdirektor Jörg Stüdemann, NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin und Ecce-Geschäftsführer Dieter Gorny.

Nun, was haben die Off-Räume in diesem Prozess zu suchen? Sie tragen ganz einfach zur Solidität des Projektes „Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet“ bei. Sie sind Bestandteil einer Strategie, die, ausgestattet mit vielen Mitteln und manchen klugen Köpfen, die Infrastruktur und das Humankapital der Montanzeit in das Zeitalter der kreativen Ökonomie zu überführen beabsichtigt. In Dortmund, Sitz des European Center for Creative Economy, ist diese Entwicklung deutlich zu spüren. Mittel- bis langfristig sollen hier mehr Unternehmen und Start-Ups angesiedelt werden, die im verheißungsvollen Bereich der Kreativwirtschaft arbeiten. Aber bevor die gute Saat der creative classes sich in dieser Landschaft entfalten und erblühen kann, muss der Boden entgiftet werden. Und für die Drecksarbeit sind Offspaces allemal gut genug.

Die Galerie 143 nach einem Anschlag von Neonazis

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Eastern Omen im d-52

Der Kontakt kam auf dem akademischen Weg: Bianca Bocatius, eine der drei Betreiberinnen von d-52, lernte die Kunsthistorikerin und Kuratorin Stacey Koosel während einer Tagung kennen. Schnell kamen die zwei Frauen auf die Idee, eine Ausstellung zur zeitgenössischen estnischen Kunst in Düsseldorf zu organisieren und damit die hierzulande ziemlich unsichtbare baltische Kunst zu vertreten. Eine sehr löbliche Initiative, vor allem wenn man den relativ hausbackenen und lokalpatriotischen Charakter der hiesigen Projektraumszene kennt…

Selbstverständlich kann und will eine Ausstellung aus dem Off nicht als Spiegelbild einer nationalen Kunstszene fungieren. Vor allem nicht, wenn bloß drei Beiträge gezeigt werden – was übrigens ein bisschen mager ausfiel. Aber die Intention der Kuratorin war eben nicht, nationale Klischees zu bestätigen, sondern drei exemplarische und jungen Figuren aus dem fernen Osten und weiten Norden erstmalig in Deutschland vorzustellen. Continue reading „Eastern Omen im d-52“

Einweihung der medialen Plastik local.#non.access in Berlin

Es ist schon wieder eine ganze Weile her und ich wollte es schon längt einmal gemacht haben, kam aber einfach nicht dazu, weil die Zeit so rast und so vieles zu tun und zu erledigen ist. Man kommt ja einfach zu nichts. Kaum ist der Montag endlich überstanden, der Einstieg in den Arbeitsalltag leidlich geschafft und der Kater vom Wochenende verdaut, da verschickt man noch ein oder zwei E-Mails, führt ein paar Telefonate und Zack, da ist der Freitag schon wieder, eine weitere Woche herum und man dem Ende wieder ein Stück näher. So zumindest kommt es mir derzeit vor und in mir wächst der Verdacht, dass es einem beim letzten Wimpernschlag genau so vorkommen wird, verdammt schnell und verdammt schnell vorbei gewesen.

Aber ich schweife ab.

Denn eigentlich wollte ich Euch auf local.#non.access, das letzte in Berlin realisierte Projekt, hinweisen. Ohne dabei jetzt zu sehr übertreiben zu wollen, und in aller Bescheidenheit, die Nummer ist ein wirklich epochales Ding geworden, in der Form noch nie dagewesen und natürlich ironisch, technisch, paradox und hochpolitisch, wie es sich für echten Avantgardeshit eben gehört.

In Kooperation mit km.temporaer und mit der Unterstützung ausgewählter, internationaler Topnetzkünstler konnten wir da einen echten Coup landen und die erste mediale Plastik ever installieren. Das Ganze ist ein Meilenstein geworden bzw wird einmal einer gewesen sein. Continue reading „Einweihung der medialen Plastik local.#non.access in Berlin“

Hacker-Offspace Chaosdorf und Garagelab Düsseldorf

hackaday.com bringt gerade eine Serie über Hackerspaces in Europa. Hackerspaces sagt Euch nichts?
Das sind im Prinzip die Offspaces der Nerds, Geeks und all der anderen Protagonisten der Hacker- und Netzkultur. Dort wird programmiert, über Programmierung gesprochen, über Physik diskutiert, über die Welt philosophiert, aber auch in Eigenregie geforscht – meist mit Schwerpunkt auf Computertechnologie, aber eben nicht nur.  Do-it-yourself ist eine der treibende Kräfte dort, Open-Source das dominierende Softwaremodell und 3D-Drucker sind derzeit ziemlich heiß.

Eigentlich geht es dort gar nicht so viel anderes zu, als in den Projekträumen der Künstler, nur dass man auf das uniforme Weiss verzichtet (dafür aber der Pinguin allgegenwärtig ist), nicht ständig Artefakte raus und rein räumt und es mehr gut bezahlte Spezialexperte für komplizierte Sonderanwendungsfälle gibt.

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Perisphere Portrait online!

Sie ist endlich raus! Die neue Perisphere-Serie kommt in die Öffentlichkeit und erhält sogar eine eigene Plattform: Perisphere-Portrait. Das Prinzip ist einfach, der Anspruch groß: Wir portraitieren in Web-affiner Form Künstler aus Düsseldorf, stellen ihnen drei Fragen, gewähren ihnen drei Minuten zum Antworten und packen das Ganze in drei Einstellungen. Auf Dauer soll ein Archiv angelegt werden, eine Art Verzeichnis der lokalen Künstlerschaft – wobei wir uns bewusst auf die Generation der 35-55-jährigen beschränken.

Harte Konkurrenz für Tatort: Für den Anfang stellen wir sechs Künstler ins Netz und fügen jeden Sonntag Abend einen neuen Clip hinzu. Man sieht sich!

Danke an Julia für die Bilder des Abends:

 

 

Kamera und Schnitt: Lars Klostermann

Redaktion: Emmanuel Mir

Programmierung: Florian Kuhlmann

Deckkraft featuring…

alle Bilder: deckkraft

 

Künstlerkollektive wirken auf den ersten Blick als eine Sondererscheinung der Kunstgeschichte, waren dabei – und bleiben bis heute – wichtige Herden von Entwicklungen und Erneuerungen. Spätestens seit Anfang der Moderne (ob die Nazarener in Deutschland oder die Schule von Barbizon in Frankreich) sind Bündnisse geschlossen, Formen der Zusammenarbeit gefunden und somit die Mythen des genialen Einzelnen und des abgekapselten schöpferischen Ichs relativiert worden. Zwar erscheinen die 1990er und 2000er Jahre mit ihrer Vorliebe für den Typus des Künstlers als Einzelkämpfer rückwirkend als superindividualistisch, aber die schleichende Repolitisierung der Künstlerschaft und eine Neuentdeckung der kollektiven Arbeit in den darauffolgenden Jahren ließ die Zahl der Künstlergruppen fühlbar wieder steigen.

Wenn die Relevanz von Künstlerkollektive nicht infrage gestellt werden kann, erscheint die Form des Künstlerduos historisch deutlich seltener. Der Kenner der zeitgenössischen Szene wird zwar sofort mit den Namen von Gilbert & George, Fischli & Weiss oder Eva & Adele (Vorsicht, Verwechslungsgefahr mit Dick und Doof!) angeben, der affine Kenner sogar behaupten, dass Künstlerduos en vogue sind, alles in allem wirkt die künstlerische Zusammenarbeit im Pärchenmodus doch exotisch. Und an dieser Stelle darf man sich fragen, was Deckkraft eigentlich ist. Ein poststrukturalistischer Kolchos mit der ethischen Einstellung einer Künstlergruppe aus den frühen 80ern? Der Codename einer Malmaschine, ein System zur unendlichen Produktion von neuen Bildern? Ein anonymes Konstrukt, das trotz aller Expressivität der Malergebnisse sich gesichtslos zeigt – ein Daft Punk der Malerei? Ein Binom, das sich nie genug ist und stets nach externen Bereicherungen sucht – wie eine Superband in ständiger Gründung? Das von Marc von Criegern und Walter Eul erfundene Deckkraft erinnert jedenfalls an nichts Gesehenes oder Gehörtes. Continue reading „Deckkraft featuring…“

So nah so fern in Nürnberg

Unser Kollegin Anna Lena Werner vom artfridge-Blog hat in Nürnberg ein recht großes Projekt kuratiert und gemeinsam mit den dort agierenden Künstlern realisiert. ‚So Nah so fern‘ war der Titel der Gruppenausstellung auf dem ehemaligen AEG-Gelände.

Wir haben uns als Teaser mal vier Bilder kopiert, den Rest gibt es nach dem Klick bei Ihr im Blog.

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Unser Nachbar Herr S im Gespräch

Herr S ist, ohne es wohl zu wissen, seit Jahren unser Nachbar. Natürlich ist er keiner der direkten, also keiner von denen, die man Morgens in der Dusche und Abends auf dem Klo hören muss, aber er ist so Nahe dran, dass unser Babyphon bis etwa 7 oder 8 Meter vor seine Wohnung reicht – ich habe das in einem anderen Zusammenhang ausprobiert.
Darüber hinaus ist er wohl wirklich einer der Künstler, die mir in den letzten Jahren die meiste Zeit am nächsten waren; mehrmals die Woche trennen uns nur wenige Meter voneinander. Während er aber entspannt oben in seiner Altbauwohnung sitzt (oder schläft) und versucht keine Fehler zu machen, fläze ich – immer noch angestrengt – 3 Meter unter ihm im Stammcafe herum, um mich vor dem Fehler der Arbeit zu drücken und den wenigen Lohn, vor dem ich mich nicht drücken konnte in Latte Macchiato oder – wenn auch zunehmend seltener – in Bier umzuwandeln.
Doch trotz dieser Nähe trennen uns Welten. Während er sich zuweilen mit schwersten Materialien herum plagen muss um den gewählten Raum zu prägen, sind es bei mir ephemere Informationen und Konzepte, die einen Ort definieren. Und Währen wir uns an den äußersten Rändern der Perisphere verdient machen, muss unser Nachbar Herr S seine Tätigkeit mitten drin in der Kernzone verrichten.
Aber trotzdem darf er hier bei uns ins Blog rein. Weil das ja auch mal schön ist, wenn der Nachbar im Internet was zu sagen hat, dem man auch gerne zu hört. Und weil man beim zuhören das Gefühl hat, dass Herr S trotz seiner Arbeit im Zentrum die Randgebiete nie ganz verlassen hat.

Und da man die Videos der Freunde vom Eiskelllerberg leider nicht einbinden kann, wie ich eben erst zu meinem größten Bedauern feststellen musste, bleibt hier nur das Verlinken in diese Richtung. Deshalb heißt es jetzt erst mal Abschied zu nehmen von der Perisphere um hier zu klicken, und dann hoffentlich wieder zu kommen.

 

 

 

18 Thesen von Hans Abbing zur Künstlerarmut. So wie einige kritische Bemerkungen zum Status der Autonomie in diesem Zusammenhang.

Der nach folgende Text stammt aus der Feder des Künstlers, Soziologen und Ökonomen Hans Abbing und wurde erstmalig im Handout zur Veranstaltung der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK) ‚Are Artists Rich?‘ – Workshop und Parlamentarischer Abend in den Badischen Stahlwerken Kehl, November 2012, www.igbk.de/projekte/are-artists-rich-2012 veröffentlicht.
In der deutschen Fassung ist er ursprünglich bei thing.frankfurt erschienen. Stefan Beck machte mich via F***book darauf aufmerksam. Ich habe ihn Eins-zu-Eins kopiert und hier übernommen. Besten Dank nach Frankfurt!

Update: Unten habe ich nach freundlichem Hinweis durch Hans Abbing den Dwonload-Link zu seinem Buch Why are Artists Poor, The exceptional economy of the arts im PDF-Format angehängt.

Bild via http://www.kukik.de/kunst-trotzt-armut/

Vorschläge zur Bekämpfung der Künstlerarmut

Empfehlungen für politische Entscheidungsträger

Basierend auf Beobachtungen in den Thesen 7-17

Von Hans Abbing Continue reading „18 Thesen von Hans Abbing zur Künstlerarmut. So wie einige kritische Bemerkungen zum Status der Autonomie in diesem Zusammenhang.“

Keine Drogen mehr im Darknet? Zitatesammlung des Cypherdealers Dread Pirate Roberts

Aus gegebenem Anlass:

Collected Quotations Of The Dread Pirate Roberts, Founder Of Underground Drug
Site Silk Road And Radical Libertarian

In public, the pseudonymous Internet drug czar known as the Dread Pirate Roberts
doesn’t say much. Roberts‘ website, the illegal, anonymous drug-selling black
market known as the Silk Road, has survived only because of its creator’s
discretion. On the rare occasions when DPR speaks to the press, he (or she) does
so in short messages, and–at least in my case–only through the anonymizing
service Tor, the same cryptographic tool used to prevent the Feds from tracking
down the Silk Road’s servers or its users. Thanks to that discretion, the Silk
Road’s Bitcoin-driven narcotics trade has thrived for more than two years
without being shut down by law enforcement, and its founder hasn’t been
identified. Continue reading „Keine Drogen mehr im Darknet? Zitatesammlung des Cypherdealers Dread Pirate Roberts“

Grotevent und Maderthaner in der SITTart Galerie

Gequetscht zwischen der Zentrale der Ergo-Versicherung und dem Golzheimer Friedhof, also zwischen herausragender Vertikalität und definitiver Horizontalität, zwischen Kapital und Tod, liegt das hübsche Atelierhaus des Vereins Düsseldorfer Künstlers. Der Verein ist übrigens einer der ältesten seiner Gattung in ganz Deutschland und bildete vor der Erfindung der Künstlersozialkasse so etwas wie ein Sicherheitsnetz für die lokalen Kunstschaffenden. Das Haus in bester City-Lage, unweit des Rheins, des Museum Kunstpalast und des Hofgartens, wurde bereits mehrfach von Immobilienplänen bedroht, die gerne ein wenig mehr Stahl und Glas im Düsseldorfer Stadtbild gesehen hätten. Es konnte sich bisher immer knapp retten und nun scheint sein Erhalt für eine Weile gesichert zu sein.

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Adorno kotzt. Madonna inszeniert. Guten Morgen Düsseldorf. Hello Revolution!?

Adorno würde aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Stelle kotzen, davon können wir wohl ausgehen. Andererseits schrieb er ja auch „Nur solches Denken ist hart genug, die Mythen zu zerbrechen, das sich selbst Gewalt antut.“
Und ich persönlich bin mittlerweile so ratlos bezüglich der immer schneller auf uns zu rollenden Katastrophe, dass ich sogar dazu bereit bin, hier globalen Popstars einen Platz einzuräumen.

Von daher Hier und Heute keine kritische Theorie sondern totale Affirmation des Spektakels!
Madonna mit #SECRETPROJECTREVOLUTION.

via artforfreedom.com

40 Grad Urban Art

Zeitgleich mit dem großen Street Art-Festival CityLeaks in Köln fand am Wochenende das Finale von 40 Grad Urban Art in Düsseldorf statt. Bis zu 20 verschiedenen Standorten in der Stadt wurden von Street Art-Künstlern neu gestaltet. Die Veranstaltungen rund um das Festival – einige mussten wetterbedingt leider ausfallen – waren durchweg gut besucht. Auch wenn wir mit der ästhetischen Qualität der Ergebnissen alles anderes als glücklich sind und urbane Kunst anders verstehen als Oberflächenbehandlung, ziehen wir respektvoll  den Hut vor der Energie und dem Engagement, die die Macher des Festivals Klaus Klinger und Klaus Rosskothen mobilisiert haben.

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Vom Himmel hinter den Lidern. Christoph Korn und Peter Ewig.

Im Sonnenaufgang gemeinsam erwartend durch die großen Fenster des Raumes der Gladbacher Straße in den Himmel schauen. Es bildet sich ein Chor. Mit geschlossenen Augen stehen die Kinder im Raum.

 

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Wir verabschieden uns vom d-52…

Fünf Jahre ist es her. Da kamen acht Künstler, Grafikdesigner und Kunsthistoriker zusammen und gründeten einen Projektraum in einer fensterlosen, bunkerartigen Halle auf der Rather Straße. Aus der bunten Truppe wurde relativ schnell ein kleiner, homogener fester Kern von drei Personen – drei Kunsthistorikerinnen –, die nun vor Kurzem bekannt gegeben haben, dass sie ihre Tätigkeit an diesem Standort einstellen wollen. Bianca Bocatius, Katja Benner und Sabine Rolli werden am Ende des Jahres Platz machen und ihre kuratorische Arbeit in einer anderen, raumunabhängigen Form fortsetzen.

Bocatius, Benner und Rolli

Klassischerweise ist das Ende eines Projektraumes meistens durch persönliche Veränderungen in der Biografie dessen Betreiber verursacht. Im Fall d-52 ist es nicht anders: Eine Vollzeitstelle, ein Umzug – und schon ist die Zeit für das umständliche Baby nicht mehr da. Man hätte ja auf die Bremse drücken können, aber, anstatt einer Drosselung des Ausstellungstempos oder gar einer allmählichen Erschlaffung, haben sich die drei Macherinnen für einen klaren Schnitt entschieden. Den drei Frauen war es vor allem zu schade, den Raum zu lange unbespielt zu lassen. Continue reading „Wir verabschieden uns vom d-52…“

…und wir heißen das m330 willkommen!

Wer es mit der Künstlerkarriere ernst meint, aber an Aufmerksamkeitsdefizit leidet und keine merkliche Präsenz im lokalen Kunstbetrieb aufweisen kann, sollte auf ein Werkzeug zurückgreifen: den Projektraum. Es ist für den Kunstschaffenden  nie schlecht, in einem Off-Raum auszustellen und ein wenig Öffentlichkeit zu generieren. Besser ist es aber noch, einen Off-Space zu gründen und es selbst zu animieren. Das persönliche Netzwerk des Raumbetreibers erweitert sich schlagartig und seine Reputation, bzw. seine Autorität nehmen deutlich zu – ebenso wie die Sichtbarkeit seiner Arbeit, bzw. seine Präsenz in der Szene. Die aktive Beschäftigung mit einem Projektraum kann nicht unbedingt einen Karrieresprung garantieren, verspricht zumindest kurzfristig eine lokale Steigerung der Aufmerksamkeit.

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Kunstfestival Strom – 3. Auflage

Seit mehr als einem Viertel Jahrhundert bestehend hat sich der Verein Kunsthaus Rhenania zu einer kleinen Institution der autonomen Kunstszene in Köln entwickelt. Das Kunsthaus Rhenania ist zunächst ein großes Atelierhaus in bester Lage, ein ehemaliger Getreidespeicher, der von 1926 an die verkehrstechnisch evidente Nähe zum Rhein nutzte und schon vierzig Jahre später, also lange bevor man im Rheinland und im Ruhrgebiet von einem Strukturwandel sprach, in einen kreativen Think Tank umfunktioniert wurde. Mittlerweile werden ca. 40 Künstler aller Sparten dort beherbergt; das Haus ist also in erster Linie eine Arbeitsstätte. Neben dieser Werkstattfunktion erfüllt das Kunsthaus Rhenania auch eine vermittelnde Funktion. Seminare, Workshop sowie Ausstellungen finden regelmäßig statt. Seit 2011 gibt es sogar ein hauseigenes Festival, Strom, das die schwierige Balance zwischen wir-bezogener Selbstzelebration (viele Künstler des Vereins werden ins Programm übernommen) und relevanter kuratorischer Arbeit schafft.

Markus Linnenbrink: Niewiederschnellsagen (remix)

Die dritte Auflage von Strom war – das können wir direkt vorwegnehmen – eine sehr gelungene. Die Kuratorin der diesjährigen Veranstaltung, Maria Wildeis, hat sich auf ephemere Kunstformen konzentriert und spannende Positionen gefunden, die prozesshafte Arbeitsweisen bevorzugen. Dass sich dabei viele Namen wiederfanden, die Wildeis in der Vergangenheit in dem eigenen Projektraum Honigbrot ausgestellt hatte, wunderte nicht und wurde als legitimer kuratorischer Rückgriff zur Kenntnis genommen. Wenn man sich als Ausstellungsmacher für eine bestimmte Kunstsparte, bzw. für einen bestimmten Geist und eine bestimmte Haltung konsequent engagiert, ist es selbstverständlich, dass die 1. Choice-Liste nicht ständig neu geschrieben wird.

Evangelos Papadopoulos: Untitled

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Eiltank im Studio Roh

Eine Gruppenausstellung ohne übergeordnetes Thema. Eine Ausstellung ohne konzeptuelle Leitlinie. Ohne explizite Botschaft. Ohne ausformulierte Fragestellung. Wie entspannt, luftig und befreiend. Einfach ein paar befreundete Künstler einladen und das Publikum für einen Abend und zwei Tage einlassen. Eine solche Unbefangenheit bedarf nicht viele Worte und schon gar keine kunstwissenschaftliche Begleitkommentare.

Rebekka Benzenberg

Christian Berg

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Dietrich, Klompen und Wit im Cabinett

Es war ruhig, sehr ruhig in den kleinen Show-Room von Andrea Dietrich. Überhaupt war es an diesem lauen Spätsommer-Abend sehr ruhig in allen Düsseldorfer Off-Spaces. Das Off-Programm der Kunstpunkte (jene offene-Ateliers-Veranstaltung, die den Voyeurismusdrang des hungrigen Kunstpublikums befriedigt) hätte zu einem lustvollen Rundgang durch die unabhängige Szene werden können. Viele Projekträume hatten für diesen Termin ein neues Programm gestaltet und standen erwartungsvoll da. Aber bis auf die Gastkünstler und einige treue Anhänger war kaum ein Mensch an diesen Orten zu sehen. Der Grund dafür? Eine suboptimale Koordinierung des Kulturamts. Warum müssten die Kunstpunkte ausgerechnet an diesem mit Kulturterminen verstopften Wochenende gelegt werden? Nach der langen Sommerpause erwachten am Freitag Abend nämlich die Akteuren des Kunstbetriebes wieder – und zwar alle gleichzeitig. Alle Galerien der Stadt, die an dem beliebten DC (ein großer Zusammenschluß von Düsseldorfer und Kölner Galeristen) teilnehmen, präsentierten ihr neues Programm. Die Kunstsammlung NRW eröffnete zeitgleich die große Calder-Ausstellung. Das Opening der neuen Show in der Julia Stoschek Collection zog Hunderten in Oberkassel. Für die Kunstrebellen wurde die Eröffnung des Urban Art Festivals 40 Grad ein obligatorischer Anlaufspunkt. Und am Samstag und Sonntag waren auch noch die besagte Ateliers zu besichtigen- ganz abgesehen von den Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum, die ein potenzielles Restpublikum mobilisierten. Die eventgeile Stadt Düsselodrf opferte also ihre freie Szene – eine Szene, die ohnehin unter Aufmerksamkeitsdefizit leidet. Ein Sabotage hätte nicht besser funktioniert.

Marco Wit

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Trockendock im Institut für skulpturelle Peripherie

In wenigen Wochen werden die drei Betreiberinnen des Instituts für Skulpturelle Peripherie zu Gast in Hamburg sein. Petra Albrand, Eva Weinert und Friederike Schardt sind vom Kunst- und Kulturverein 2025 e.V. eingeladen worden und werden im Gegenzug einige Vereinsmitglieder aus der Hansestadt in ihrem kleinen Düsseldorfer Speicher ausstellen. Bevor sie mit ihrer Arbeiten gen Norden fahren, wollten sie eine Art „Trockenübung“ vornehmen und die für Hamburg geplante Skulpturen und Installationen „zu Hause“ ausbreiten. Das Ergebnis: Vier Arbeiten, die auf unterschiedlichster Art und Weise einer maritimen Atmosphäre heraufbeschwören und sich auf die bevorstehende Fahrt in die Hafenstadt beziehen.

 

Friederike Schardt

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Der anarchistische Geruch von Pappe – ein Gespräch mit Rob Voerman

Rob Voerman

Emmanuel Mir: Wenn man deine Arbeit betrachtet, merkt man sofort die Affinität zur Architektur oder zum Urbanismus. Deine großen begehbaren Skulpturen sind funktionale Behausungen, die durchaus benutzt werden können. Hast du Architektur studiert?

Rob Voerman: Nein, ich komme ausschließlich aus den Bildenden Künsten. Ich habe Kunst in Kampen, einer kleinen niederländischen Stadt, studiert und schon damals war ich sehr an Architektur interessiert. Ich hatte während der Studienzeit einen Schwerpunkt in Bildhauerei, aber das Bauen war für mich wichtiger, spannender. Seit Ende der 1990er Jahren habe ich mich mit Architekturtheorie intensiv auseinandergesetzt und für mich ging es – und geht es immer noch – darum, zu  verstehen, wie eine Stadt funktioniert, wie sie benutzt wird, was für funktionelle Räume entstehen.

Tarnung #2 (2008), Holz, Glas, Plexiglas u.d.M.. 600 x 600 x 300cm
Pressure, 2012, Silkscreen, pencil and soot on paper, 118 x 198cm

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Das. Ist. Geil. Pepperspray!

Wie ja bereits geschrieben, die meisten Presse-E-Mails und Einladungen zur nächsten Vernissage öden ganz schön an. Man scannt das bis zur zweiten Zeile, scrollt einmal drüber und klickt sich schnell raus bevor man vollends wegdöst. Eine freudig begeisterte E-Mail mit Hinweis auf junge, frische, internationale, grenzüberschreitende, wahlweise ungesehene oder eben auch prämierte Kunst folgt der nächsten. Wo kommen diese ganzen Künstler eigentlich her? Wo wollen die alle hin? Das wird noch einmal wirklich spannend zu sehen, was aus diesem immer währenden Strom in ein paar Jahrzehnenten geblieben ist.

Ich weiss, ich weiss, man soll nicht immer so negatives Zeug schreiben. Das verdirbt die gute Stimmung, an irgend etwas will man ja noch glauben können in diesen nüchternen Zeiten, und ja! auch mich nervt das permanente rumgenörgele zu Weilen. Darüber hinaus passt die Kritik natürlich nicht in die allgemeine Begeisterung und Emphase die man dem K-Metier mittlerweile allenthalben entgegen bringt, ohne aber davon abzusehen, es zeitgleich immer weiter zu Gunsten von naturwissenschaftlichen Ingenieursleistungen im Dienste der fortwährenden Konsumoptimierung zu marginalisieren und zu banalisieren. (Kompliment übrigens an Alle die den ganzen Satz bis hier gelesen haben).

Und weil ich eben auch nicht immer nur herum kritteln möchte, gibt es heute mal was echt geiles – und eine Ausnahme noch dazu. Denn den nachfolgenden Tip habe ich als CRM-Massmailer-based-PR-Meldung von Helena S. vom Buraeu N (Achtung Seite ist voll mit Bilder, Browser schmiert ab) als Werbung für Peres Projects bekommen. Und bei aller mittlerweile antrainierten Skepsis, war das eine echte Sternstunde der E-Mail-Zustellung, die ich Euch natürlich nicht vorenthalten möchte.

Mike Lood Ask Officer Pepperspray

Mike Lood – Ask Officer Pepperspray from Mike Lood After Dark.

Ich kannte Mike Lood bisher nicht, finde das aber alles sehr viel versprechend. Und da der Mann in Berlin sein wird, wenn ich auch gerade mal wieder eine Weile in der Hauptstadt bin, könnte es eventuell sogar passieren, dass ich im September nach langer Zeit mal wieder eine Galerie betreten werden, um mir seine Sachen vor Ort anzusehen.

Bis dahin aber erst mal online, denn noch mehr Sachen von Mike Lood findet Ihr hier, auf seiner Webseite. Die facebook-Farm Videos sind im übrigen ebenfalls verdammt gut, ebenso wie seine wirklich eigenartigen Collagen. Mein Tip für Euch: Ansehen!

(via E-Mail. Danke Helena!)

Katja Stuke und Oliver Sieber bei Tina Miyake

Katja Stuke und Oliver Sieber lieben das Print-Medium. Plakate, Fotokatalogen, Fanzines, Bildbänder, Stickers, Druckerzeugnisse aller Arten, selbstproduzierte Heftchen und große Literatur – das alles lieben sie, konsumieren sie, produzieren sie und sammeln sie. Vor allem Katja Stuke arbeitet auf der Basis vorhandener Medienbilder, also Bilder aus zweiter Hand, die sie dekontextualisiert und auratisch auflädt – während Oliver Sieber Porträts die Codes der Subkultur ergründet. Diese Aufmerksamkeit für produzierten und reproduzierten Bildern spiegelt sich sowohl in der eigenen künstlerischen Arbeit als auch in der kuratorischen Praxis.

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Schluss mit dem Herumgeschwurbel und der leidenschaftslosen Betriebsamkeit!

Ein Gespräch mit Erik Stein vom Donnerstag-Blog über Kunst, Netz und unser Medium.

Eigentlich wollte ich diesen Artikel mit einem brüllend komischen Wortspiel beginnen, welches mir noch Heute Morgen im Bett in den Sinn kam. Irgendwas in der Art von ‚ein Interview mit Donnerstag am Donnerstag‘, oder ähnliches. Aber es gibt Ideen die sind auch beim besten Willen nicht witzig, da hilft einfach nix, auch wenn man sich das noch so sehr wünscht. Und wenn man das zum eigenen großen Glück noch rechtzeitig bemerkt, dann lässt man das einfach. Weshalb wir denn nun auch die Kalauer Kalauer sein lassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Denn heute geht es um die Besten; oder besser, geht es um den angeblich besten Kunstblog im deutschsprachigen Raum. Und – Achtung wieder Kalauer – dabei meine ich natürlich nicht uns. Nicht dass wir es nicht sein könnten, aber wir sind bekanntlich viel zu gut erzogen und darüber hinaus auch zu bescheiden um uns selber so loben zu können.
Nein, es geht wie zu Anfang bereits angedeutet um den Donnerstag Blog, welcher aktuell unter Kolleginnen und Kollegen einen hervorragenden Ruf genießt. Matthias Planitzer etwa lobte bereits im März „Der Donnerstag, „Weblog für Kunst & Danach“, führt als derzeit vermutlich bestes deutsches Kunstblog vor, welche Qualität hierzulande online erreicht wurde,…„, Blitzkunst aus Berlin hat aktuell nur Gutes für das Projekt übrig und auch ich gebe zu, dass mir das Projekt immer besser gefällt.

Was zu Beginn ein wenig wirkte wie die verbitterte Abrechnung einiger im Kunstbetrieb zu kurz gekommener, hat sich Stück für Stück in eine ernst zu nehmende, kritische und kluge Instanz entwickelt. Fundierte, vor allem aber nach vollziehbare Analysen und Ausstellungsbesprechungen ohne unnötig aufgeblasenes Herumgeschwurbel treffen auf Humor und Witz. Die Minikolumnen ‚Lesezirkel‘ und ‚Sprechblasen‘ sind kurzweilige Ansätze für den geschickten Umgang mit der medialen Themenflut, das Format ‚Kurzmitteilung‘ ist unter anderem auch eine ironische Remineszenz an den populären Kurznachrichtendienst Twitter. Das sind ohne Zweifel gute und originelle Ideen in dem unsrigen, sonst so konservativen und behäbigen Themengebiet Kunst. Und so merkt man trotz des strikten Fokus schnell, dass hier Leute am Werk sind, die in der Lage sind noch etwas Anderes außer Kunst, Szene und Zirkus wahr zu nehmen.

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Stein mit Vollaustattung in Dortmund

Es geht um Energie. Es geht um Freiheit. Es geht um den öffentlichen Raum. Es geht um Interaktivität und um die Mündigkeit des Bürgers. Es geht um politische Kunst. Es geht um den Austausch und den Fluss – in nicht kommerzialisierter Form. Mitten in Dortmund soll ein neues Kunst am Bau-Projekt entstehen, das zeigen wird, dass Kunst durchaus in der Lage ist, an dem politischen (Stichwort: Energiewende) und wirtschaftlichen (Stichwort: public/private) Diskurs teilzunehmen und aktiv einzugreifen.

Die vier vom Dortmunder Kunstverein eingeladenen Künstler Mark Pepper (D), Thomas Woll (D), Lutz-Rainer Müller (D) und Stian Ådlandsvik (NO) planen einen überdimensionierten, archaisch anmutenden Stein in der Innenstadt zu platzieren, welcher mit modernster Technik ausgestattet wird. In Zusammenarbeit mit Studenten der TU Dortmund entwickeln sie ein Konzept zur Energiegewinnung mittels eines Windrades, welches auf dem Stein installiert werden und ihn mit Energie versorgen soll. Diese Energie wird jedem Passanten frei zur Verfügung gestellt.

Erste Realisierungsschritte wurden bereits unternommen; nun stockt das Projekt ein wenig und erfährt Widerständen verscheidener Arten. Nicht nur, dass die Finanzierung nicht vollständig gesichert ist (Leute, es geht um schlappen 5.000 €; wißt ihr eigentlich was ein Wahlplakat in der Dortmunder Innenstadt kostet?), sondern es kommt noch dazu, dass RWE nicht besonders amused ist, kostenloser Strom im öffentlichen Raum  zu spenden. Nicht, dass der brave, konsumierende Bürger auf die Idee kommt, Energie könnte geschenkt werden!

 

Kurzum: Es geht um eine Alternative. Natürlich sind wir dabei! Bist du dabei? Wenn du, geneigter Leser, dich immer noch nicht zwischen Linke, Grünen und Piraten entschieden hast, triff doch die Wahl, die alles entspricht: www.startnext.de/stein-mit-vollaustattung.

 

 

Transphaire in der Beton-Box

Nachdem er zur Präsentation seiner Arbeit in der BetonBox eingeladen wurde, entschloss sich der Maler Wolf Raskin nicht allein zu spielen und lud vier weitere KollegInnen ein, die schönen, rauen und überschaubaren Räumlichkeiten zu okkupieren. Eine kleine, dichte Show sollte Transphaire werden, konzentriert auf fünf Positionen der abstrakten Malerei aus Düsseldorf, die, fast alle, zu einer Generation gehören („mittelalte Künstler“ hörte ich an diesem Abend; und damit waren wohl Menschen zwischen 40 und 50 gemeint).

W. Raskin und W. Aschenborn. Letzterer hielt die Eröffnungsrede

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Katrin Herzer schickt eine Mail und spricht im Arnsberger Kunstverein über Gordon Matta-Clark

Uns erreicht mittlerweile ein kontinuierlich wachsender Strom von E-Mails angefüllt mit einem Haufen Kunst-PR-Mist. Das allermeiste davon ist eher deprimierend, weil im verschwurbelten Kunst-Diskurs-Sprech gehalten, der Donnerstag-Blog macht ja zumindest eine Mini-Kolumne aus dem Best-of in diesem Quatsch. Wird sind was das angeht leider etwas weniger gewitzt, bei uns wird sofort weg geklickt, da helfen auch die tollsten CRM-Mailer mit persönlich automatisierter Lieber-Florian-Ansprache nix.
Inhaltlich ist eben dieser eine Teil uninteressant bis belangslos und ein weiterer Teil davon so an unserem Thema vorbei, dass ich mich zu weilen doch Frage, ob die Klicks auf unseren Blogs eventuell doch nur von lauter verzweifelten PR-Praktikanten auf der Suche nach einer weiterer E-Mail-Adresse für ihre Excell-Tabelle stammen. Denn mal ganz ehrlich Leute, gab es in diesem Blog seit bestehen eine einzige Musik- oder Plattenrezension? Liebe E-Mail-Versender, lest Ihr eigentlich was wir hier schreiben oder wollt ihr nur lesen dass wir über Euch schreiben?

Manchmal aber erreicht einen dann doch eine Nachricht der man entnehmen kann, dass sie von jemanden verfasst wurde, der noch denkt – und nicht nur sendet. In diesem Fall ist der Der eine Die; Katrin Herzer heißt die Dame, und war auch schon mal bei uns im Blog.
Um was es in der E-Mail geht habe ich in der Überschrift angedeutet, soll sie Euch aber lieber selber erzählen. Continue reading „Katrin Herzer schickt eine Mail und spricht im Arnsberger Kunstverein über Gordon Matta-Clark“

Kunst? Nein Danke!

Eine ganze Weile mussten sie in der Hauptstadt kämpfen, diskutieren und streiten, letztes Jahr hatten sie endlich Erfolg. Seit 2009 haben sie geplant und geredet, seit 2012 sind sie ein neuer Haushaltsposten. Und so kommt es, dass die Berliner freie Szene nun Preise für Projekträume vergeben kann.
Sieben Räume werden am 18. September durch eine Jury ausgezeichnet, die Preise gehen dieses Jahr an: Altes Finanzamt, Kreuzberg Pavillon, KUNSTrePUBLIK, LEAP, Netzwerk-Projektraum “Hip Hop Stützpunkt mit From Here To Fame & Common Ground Gallery“, uqbar e.V., Walden Kunstausstellungen e.V.

LAST EXIT TO SPACE – 18. September 2013 | 20:00 | HAU1

So eine Auszeichnung ist natürlich schön, wirklich interessieren würde das aber wohl niemanden, wenn diese denn nicht mit einem Preisgeld versehen wäre. Und dieses Preisgeld kann sich mit jeweils 30.000 Euro Förderung pro Projekt für ein Jahr sehen lassen. Das ist im Kontext der freien Szene eine ganz ordentliche Summe, mit der man durchaus  auch etwas bewerkstelligen kann. Zumindest dann, wenn man, so wie wir das hier im Kulturprekariat gelernt haben und gewohnt sind, hocheffizient und kostenbewusst arbeitet.
Begleitet wird das Jurierungsverfahren durch eine Publikation die zur Preisverleihung am 18. September erscheinen wird. Continue reading „Kunst? Nein Danke!“

Gold und Beton am Ebertplatz in Köln

Ein Text von Timothy Shearer

Um ein Projekt am Laufen zu halten braucht man Power.

Voller Elan und Energie war die erfolgreiche Eröffnung des erstmal zeitbegrenzten Projektraumes Gold + Beton.
In den ehemahligen Räumlichkeiten der Halle der Vollständigen Wahrheit, die sich in der Ebertplatzpassage befindet, werden eine Reihe Projekte zu sehen sein.
Gold + Beton ist erstmal erdacht für die nächsten 6 Wochen und wird vom Vera Drebusch, Meryem Erkus, Lena Klein und Andreas Rohde organisiert. Zum Glueck!

Bei der ersten Ausstellung dort, Wenn du auslöschst Sinn und Klang, von Ufuk Cam und Jan Pleitner gab es eine bereichernde multimediale, all-over-Experience. Sagen wir mal, die Grand Entrance der beiden ziemlich überlegt-angezogenen Künstlern war gleichzeitig spektakulär und in einer gelungenen Weise albern.
Ein vollgepimpter Audi mit laut dröhnendem Mixtape fuhr vor die Tür und war erst zu hören statt zu sehen. Der Soundtrack gleich dem Kontext des Autos, eine Mischung aus selbstproduzierter Musik und gesammelten Hits, passte schon perfekt in das unterirdischen concrete jungle. Das Auto, was eigentlich eine Runde in der Waschanlage gebraucht hätte, war natürlich eine Metapher der Macho-Symbolik. Man las von einer Flagge auf dem Auto ein bisschen wirres Zeug, dazu ein komischer kleiner Drachenmann-Maskotian. Institut zur Bewahrung Wahrhaftiger emotionaler Momente in der Öffentlichkeit. Diese Grafik gab’s auch als kopierten Flyer zum mitnehmen.

Sympathisch war es dann, dass die beiden Künstler direkt daneben auch selbst-gemachtes Essen im Angebot hatten.
Im Endeffekt, die Selbstentlarvung der Geste eines Machoverhaltens war unterhaltsam. Man durfte zwischen den Zeilen lesen: Wir machen unser Ding. Wir haben Spass dabei und die Betrachter sollen teilnehmen an unserem Spass.
Wohl bekomm’s. Danke, das Angebot ist lecker.

Continue reading „Gold und Beton am Ebertplatz in Köln“

Berlin Weekly via Artfridge

BERLIN-WEEKLY ist ein von Stefanie Seidl im Juni 2010 gegründetes Projekt in Berlin. Es funktioniert im öffentlichen Raum gleichermaßen wie als Internetplattform und ist dadurch 24 Stunden am Tag sichtbar.
Bei dem Projekt handelt es sich um eine nichtkommerzielle Schaufenstergalerie, die Künstlern und konzeptionell arbeitenden Designern die Möglichkeit bietet, ihre Arbeiten in exponierter Lage in Berlin-Mitte zu präsentieren. Die Installationen im hohen hell erleuchteten BERLIN-WEEKLY Schaufenster sind von außen den ganzen Tag bis spät nachts gut sichtbar. Durch die einseitige Ausrichtung zum öffentlichen Raum funktioniert BERLIN-WEEEKLY somit als künstlerische Intervention im Stadtraum über das Format ‚Schaufenster’. Im Gegensatz zur Museumsvitrine , die Kulturgeschichte rückwärts archiviert, zeigt das Schaufenster Kulturgeschichte, die noch geschrieben wird. Mehr iNfos gibt es hier.

Anna Lena Werner hat bei Artfridge ein paar Bilder der aktuellen Schau „PREMASTER BUDDING BLASTER“ von Sibylle Jazra rein genommen, die wir uns hier einfach mal kopiert haben. (Danke Anna!). Hier gibts noch einige Detailaufnahmen direkt auf der Projektwebseite.

alle Bilder Artfridge!

BERLIN-WEEKLY.COM
Gallery Space
Linienstr. 160
10115 Berlin

Zwei Sichten auf Kippenberger

Zwei Blogs, zwei Autoren, zwei Positionen, zwei Meinung, das bekommt man beim Lesen der beiden aktuellen Rezensionen zur Kippenberger Ausstellung im Hamburger Bahnhof.
Beide Artikel lohnen für sich, das sei hier schon einmal erwähnt. Vor allem lohnen sie aber gemeinsam, nach- und noch besser nebeneinander gelesen. So entsteht ein Bild, entwickelt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven.

Beim Donnerstag schreibt Annika Bender über Kippenberger und empfindet den Kippenberger-Humor als Klamauk im Stile des frühen ‚höhöh‘-Didi-Hallervorden. Bei Aisthesis schreibt Bersarin über das gleiche und bewertet die Schau als vergnügt, sinnlich und saukomisch.

Wie bereits erwähnt, zwei Autoren, zwei Positionen, aber auch zwei Generationen. Und hier wird das gegen und zusammen lesen eigentlich erst interessant. Anika Bender fragt nämlich – und hier nehme ich zwar ein Pointe, nicht aber den Inhalt vorweg – „Oder fehlt mir einfach nur dieses Ich-war-dabei-80er-Jahre-Feeling?“ während Bersarin explizit auf die Nächte in der „Turbine“, im „Ratinger Hof, im „Krawall“, im „SO36“ oder im „Subito“ und damit auf diese Zeitspanne verweist.

Ich persönlich fand den Text im Donnerstag den besseren. Weil hier die gefeierte Radikalität von Kippenberger im Kontext einer sehr viel radikaleren Position betrachtet wird. Und weil hier eine generelle Frage radikal subversiver Kunst thematisiert wird, welche da lautet, kann wirklich radikale Kritik und Verneinung des Kunstsystems durch eben dieses überhaupt noch erkannt werden, ist also das wirkliche Off vom On überhaupt als Off zu erkennen?

Gerade in der aktuellen Zeit, in der sich das Feld der Kunst deutlich hin zu Geldadel und Institutionsmaschinerie orientiert, und gleichzeitig nach jungen radikalen Positionen giert, ist das ja eine überaus relevante Frage. Von daher gilt: Lesen bitte hier und hier.

Alle Bilder by Donnerstag und Aisthesis.

Chantal Vey bei Onomato

Fotos (wenn nicht anders angegeben): Enis Vardar

 

Die französische Fotografin Chantal Vey (*1970) lässt sich am ehesten als eine reisende Persönlichkeitsforscherin beschreiben. Ihre Arbeitsweise erweitert die Möglichkeiten der Fotografie, bzw. stellt den klassischen fotografischen Bildbegriff in Frage.

Foto: C. Vey

Das künstlerische Interesse konzentriert sich auf die Bildgattungen des Porträts und der romantischen Landschaft. In beiden fokussiert der Blick Fragmente bzw. Nebensächlichkeiten, die die Porträtierten wie auch die Landschaftsansichten bedeutsam aufladen.

Continue reading „Chantal Vey bei Onomato“

Gespräch aus der Perisphere mit Claudia Mann

Freibier? Natürlich nicht, ihr gierigen Säufer! Aber schön, dass wir eure Aufmerksamkeit gewonnen haben: Das erste Gespräch aus der Perisphere findet am 17.8. bei Gagarin statt, Kirchstr. 41 in Düsseldorf. Claudia Mann, eine Vermeiren-Schülerin mit Hang zur invasiven skulpturalen Praxis, stellt zurzeit da aus und gibt während des Gesprächs mit Emmanuel Mir Einblick in ihre Arbeit. Intelligente Fragen aus dem Publikum werden zugelassen. Trotz des kostenpflichtigen Biers, kommt zahlreich! (ein Stündchen stillsitzen und zuhören kann euch wirklich nicht schaden)

Wer verhindert ist, kann sich auf eine baldige Übertragung des Gesprächs auf diesem Blog freuen.

See you soon, alligator.

 

Guten Abend Düsseldorf, Hallo Welt!

Es gibt Dinge, für die mag ich dieses Internet einfach. Eine Sache ist, dass ich hier komische, skurile, verstörende Videos sehen kann, die ohne das zu beanspruchen, problemlos im Kategoriensystem Kunst mitlaufen könnten, ich dafür aber nicht in den zb Düsseldorfer Kunstverein muss, wo man zwar derzeit eine durchaus interessante Arbeit von Brenna Murphy mit starkem Netzbezug zeigt, aber einen bei Anfragen am Telefon gerne mal wie den letzten Deppen behandelt.

Ich mag das Netz weil es Zugang zu den Dingen verschafft. Einfach, schnell und ohne dass ich mich mit prekär beschäftigten, unterbezahlten Kunstwissenschaftlerinnen herum schlagen muss, die weil man erwähnt dass man Blogger ist, fälschlicherweise glauben, man würde doch in der Rang- und Hackordnung des Kunstbetriebs endlich einmal unter ihnen stehen, und die dann auf Basis dieser Eingebung versuchen einen am Telefon mit blöden Sprüchen abzufertigen.

Ich finde diese aktuellen durch das Netz geschaffenen Möglichkeiten gut, denn ich interessiere mich wie viele Andere für Skuriles, Schräges und ästhetisch Ausgefallenes, lege aber keinen gesteigerten Wert auf das zu weilen eher schwierige Publikum welches man zu oft trifft wenn man sich an die Orte der Kunst begibt. Und deshalb hoffe ich, dass diese digitalen Möglichkeiten auch in Zukunft erhalten bleiben, und dieses intelligente Medium nicht von alten ängstlichen Männnern und jungen, hübschen, mindestens eben so ängstlichen Frauen zerstört wird, sondern dass sich bei Zeiten auch wieder eine starke Gegenbewegung auftut.

Und diese Gegenbewegung wird irgendwann auch wieder kommen, denn die Technologie mag aktuell kontrollierbar erscheinen, die Idee der Netzwerke ist es nicht. Der Geist ist nun mal aus der Flaschen. Und wenn es soweit ist, werden sich ausgemusterte Kunstwissenschaftlerinnen an die Zeiten erinnern als sie noch ihre 1-Jahres-Verträge hatten und so gerne über die Blogger lachten. Das waren die Zeiten als man selber noch dabei sein durfte, wenn die alten Männer und Frauen über die letzten Ihrer Art diskutierten und sich den Kopf darüber zerbrachen, warum sich wohl keiner mehr so Recht dafür interessieren wollte was in den heiligen, weißen Hallen geschah.
Nun, vielleicht hätten sie einfach mal etwas offener und netter sein sollen, denn zu netten Menschen kommt man im Allgemeinen recht gern, während man die Snobs eben meidet so gut es eben geht. Das mit dem Meiden haben aber im übrigen mitterweile auch ein paar Andere bemerkt, und Weitere werden folgen. Nicht, dass ich speziell diese Entwicklungen besonders gut finden würde, aber es deutet an wo die Reise gerade sehr zügig hingeht.

Ach, und das hier das sind die eigenartigen, skurilen und verstörenden Dinge die man einfach so findet, kurz  am Schreibtisch anschaut und wegen denen ich das Netz so gerne mag.

Sowas gibts bei LiveLeak.com. Kam rein via E-mail, danke Götz!

Rebelart mit Bildern von der “AKADEMIE DER REBELLION”

Alain Bieber von rebel:art hat ein paar Bilder vom Workshop ins Netz gestellt und dazu ein paar Worte geschrieben, wir verlinken das einfach mal.

Im Herbst gehts übrigens weiter mit urbanem Aktionismus im Rheinland. In Köln gehts vom 2. bis 22. September 2013 mit dem Cityleaks 2013: Cologne Urban Art Festival / Urban Hacking Academy ab und in Düsseldorf geht soweit ich weiß auch was. Die Galerie Pretty Portal organisiert mit einigen anderen Leuten zusammen ein Urban Art Festival, ebenfalls im September.

Trailer Cityleaks 2013

 

Mark Lombardi – Kunst und Konspiration

Eigentlich sind wir keine Freunde der Verschwörungstheorien. Eigentlich weisen wir keinen Hang zur Paranoia auf. Eigentlich hielten wir (bis vor Kurzem) transnationale Spionagegeschichten mit unglaubwürdigen Abhöraktionen, massive Verletzungen der individuellen Freiheit  und James Bond-artige License to kill für unterhaltsame Fiktionen – oder für die traurige Realität in weit entfernten, rückständigen (spricht: undemokratischen) Ländern. Aber die Aktualität belehrt uns eines Besseren. Welch ein Zufall, dass just im Kontext der jüngsten NSA-Abhörskandale eine Dokumentation über den Künstler Mark Lombardi auf DVD erschienen ist.

Obwohl Lombardi ein beeindruckendes und in aller Hinsicht ein bedeutendes Werk produziert hat, wurde er bislang selten ausgestellt – eine Tatsache, die manch halbgaren Verschwörungstheorien zugutekommen dürfte. Dass die zeichnerische Arbeit des US-Amerikaners zur bevorzugten Projektionsfläche für allerlei paranoide Systemerklärungen verwendet wurde liegt an der Natur dieser Kunst.  Denn Lombardis Stoff ist Dynamit. Und zwar nicht von der Sorte, die sofort knallt und eine hübsche Rauchwolke hinterlässt, sondern von der Sorte, die zunächst weit weg von der Oberfläche gezündet wird, im Untergrund anhaltend rumort, tiefe Erdschichten erreicht und manche Fundamente  in Bewegung bringt, die bisher für stabil gehalten wurden. Diesen Stoff zu einer relevanten Angelegenheit für die nationale Sicherheit zu machen mag zunächst als ein intellektueller Kurzschuss erscheinen – aber in Zeiten von Assange, Snowden und Manning ist doch alles denkbar geworden.

Mark Lombardis Werk ist ein Unternehmen der Aufklärung. Bis zu seinem (einigermaßen) mysteriösen Selbstmord im Jahre 2000, zeichnete er auf riesige Blätter das Bild der gegenwärtigen politisch-wirtschaftlichen Korruption nach. Nach akribischen und tiefgründigen Recherchearbeiten, die manchen Pulitzer-Preisträger mit Scham erfüllen sollten, rekonstruierte er minutiös die Verknüpfungslinien, die politischen Herrscher und wirtschaftlichen Entscheider, Waffenverkäufer und legitim gewählte Senatoren, Top-Manager aus der freien Welt und Interimdespoten aus Bananenrepubliken, US-amerikanische Präsidenten und weltweit gefahndeten Terroristen verbinden. Jede Linie seiner kritischen Diagramme beschreibt Einflussnahme, Kontrolle oder andere Arten der Zusammengehörigkeiten zwischen Menschen und Institutionen – und offenbart damit kompromittierende Beziehungen. Die im Film vom Mareike Wegener formulierte Interpretation von Lombardis Werk als eine zeitgenössische Form der Historienmalerei ist in diesem Zusammenhang reizend.

Lombardi schuf in langsamster Arbeit (die Fertigstellung eines Diagramms konnte bis zu vier Jahren in Anspruch nehmen) das Bild der gegenwärtigen Korruption in unserer  Welt. Sachlich, nüchtern, kommentarlos, ja mit einer beinah unbeteiligten Distanz – zumindest im Duktus, der zwar auf das Handgeschriebene und –gezeichnete nicht verzichten will, jedoch ohne Emotionalität auskommt –, erstellte er die Karten der Verdorbenheit der Macht. Dass es sich dabei nicht um die haltlosen Spinnereien einer diesen ewigen Verschwörungstheoretiker handelt, die in den USA einen fruchtbaren Boden gefunden haben, wurde von der Tatsache bestätigt, dass die CIA eine der  Zeichnungen von Lombardi im Whitney Museum nach den Anschlägen des 11. September studierte, um manche Verhältnisse zu begreifen – kurz danach sollte sich sogar das Heimatschutzministerium an der unfassbar reichhaltigen Informationssammlung von Lombardi interessieren haben und seinen Galeristen aufgesucht. Die einschlägigen Experten waren mit dem Ausmaß der Ereignisse überfordert und holten sich Rat beim Werk eines verstorbenen Künstlers.

Wie kam aber Mark Lombardi an solche Informationen? Ja, das ist überhaupt der Clou: Nicht durch die Befragung von Insider, nicht durch das Beklauen von Top-Secret-Dateien oder durch das Hacken der CIA erhielt der Künstler Zugang zu seinem Sprengstoff. Sondern durch System. Er durchforstete die Bibliotheken seiner Region und lieh alle Bücher aus, die irgendwie mit internationaler Politik, globalen wirtschaftlichen Entwicklungen und geheimen Verbindungen zu tun hatten. Informationen, die Jedem zur Verfügung stehen und kein bisschen exklusiv sind. Aber Informationen, die an und für sich nur ein geringfügiges Detail des ganzen Bildes abliefern. Fragmente, Ausschnitte, Inseln in einem unübersichtlich großen Ozean. Lombardis Gabe bestand gerade darin, fremde, voneinander abgekoppelte Informationen in Verbindungen zu setzen, in einen kohärenten Kontext zu bringen und sie in ein homogenes Erklärungssystem zu integrieren. So etwas nennt man Intelligenz.

Die Stärke von Lombardis Ansatz lag u.a. darin, dass er, anders als andere politische Künstler, keine moralische Linie vertrat. Der Rezipient muss sich auf eine teilweise komplexe Dekodierungs- und Rekonstruktionsarbeit einlassen und seine Schlüsse selbst ziehen. Bevor einige Zusammenhänge mithilfe von Pfeilen, Strichlinien und Verknüpfungspunkte deutlich gemacht werden, muss man sie aktiv entdecken, verfolgen und gedanklich erfassen. Das übliche, hübsche Affiziertsein des Ästheten, mit all diesen (selbst)verliebten Sich-Hinreißenlassen, kann und will hier nicht erfolgen. Wer nicht mitdenkt, wer nicht vorinformiert ist oder nie Zeitung liest, sollte sich bei den pädagogischen Aufklärungstafeln eines Hans Haacke oder bei dem explikativen Infomaterial eines Jochen Gerz besser aufgehoben fühlen. Oder gar ganz auf politische Kunst verzichten. Wer aber sich die Mühe gibt, das feine Gewebe der Spinnennetzwerke von Mark Lombardi abzulesen und sich auf ihre Komplexität einzulassen, wird nicht nur bestürzende Erkenntnisse zur Lage der internationalen Politik gewinnen, sondern, darüber hinaus, in den Genuss eines starken und streng ästhetischen Vergnügens kommen – denn Lombardis Diagramme strahlen eine unleugbare Schönheit aus.

Mareike Wegeners Dokumentation gelingt es immer wieder, diese Schönheit einzufangen. Die Kamera streift über Lombardis Zeichnungen wie über eine Landschaft und verfolgt einige Verbindungen. Diese (zu seltene) Einstellungen wirken wie die Dérive eines sehr gut informierten Flaneurs der Zeitgeschichte. Viel Zeit bekommen hingegen die Freunden des Künstlers, seine Familie, sein Händler und sein Kunstwissenschaftler. Viele Worte von Menschen, die allesamt von Lombardis Herangehensweise und Beharrlichkeit beeindruckt bis begeistert sind. Mit dem Verzicht auf eine Gegendarstellung – oder zumindest auf eine relativierende Meinung – ignoriert Wegener die rhetorische Grundregel der Dokumentargattung: den glaubwürdigen Abstand zu ihrem Sujet zu gewähren. Diese verhältnismäßig zu häufigen Wortmeldungen helfen zwar, der geheimnisvollen Natur von Lombardi näher zu kommen, hinterlassen aber den Eindruck, eher von der Persönlichkeit des Künstlers als von seinem Werk fasziniert zu sein.

Anderes Manko von Kunst und Konspiration ist der Verzicht auf eine Kontextualisierung. Lombardis Bilder handeln zwar von großen Ereignissen wie die Finanzkrise der 1990er Jahre, der Golf-Krieg, den Aufstieg des Hauses Bush und reichen sogar bis zu einer Vorahnung des 9.11, aber diese Ereignisse werden in dem Film von Mareike Wegener kaum angerissen. Man fragt sich, ob die Regisseurin sich nicht mit der Weltgeschichte verzetteln wollte und sich deshalb mit einer ziemlich engen und unspektakulären (ja, fast behaglichen) Erzählperspektive begnügt hat, oder ob sie bewusst Einflüsse der micro-histoire eingearbeitet hat – eine gute, wenn auch nicht gerade glaubwürdige Ausrede. Wofür man Wegener nicht verantwortlich machen aber was man trotzdem bedauern kann, ist die Seltenheit der Auftritte des Hauptakteurs. Ständig merkt man, dass die Regisseurin zwölf Jahre zu spät gekommen ist. Die Bilder rennen hinter den vergangenen Ereignissen her – und hinter der Abwesenheit von Bildern. Zeit seines Lebens sind wenige Aufnahmen von Mark Lombardi realisiert worden, er hat sich nur kurz vor der Kamera geäußert. Und dann der plötzliche Tod. Das Quellenmaterial ist daher dürftig, die Rekonstruktion durch die eben erwähnten Kommentatoren unumgänglich.

Was in diesen Zeilen als überkritisch wirkt darf nicht missverstanden werden: Schon die Wahl der jungen Dokumentationsregisseurin auf Mark Lombardi ist richtig. Diesen Film sollte man gesehen haben. Trotz eines zu forcierten Schwerpunktes auf Zeitzeugen, bringt er endlich ein wenig Licht auf eine Künstlergestalt, die Kunst anders verstand als viele seiner Zeitgenossen. Für Mark Lombardi war Kunst ein Mittel der (politischen) Erkenntnis, ein Werkzeug zur Deutung der Welt und ein Instrument der Aufklärung.

Digital Soirée 2 – Myspam

Keine Sorge Freunde, wir werden auch in Zukunft in erster Linie über die Projekte Anderer berichten und die PR in eigener Sache hier nicht übertreiben. Andererseits hoffen wir natürlich, dass Ihr hier nicht nur vorbeischaut um zu lesen was wir von den Anderen halten, sondern auch, weil Ihr uns und unser Projekt ein kleines bißchen lieb gewonnen habt und deshalb auch wissen möchtet was wir sonst so in unserer Freizeit treiben.

Neben unserem derzeit wohl zeitaufwändigsten Hobby des Bloggens, organisieren wir – dem aufmerksamen Leser ist es natürlich nicht entgangen – unter anderem regelmäßige Digital Soirées, in denen wir uns dem Thema in unterschiedlichen Formen annähern. Diesmal zu Gast war Stefan Riebel, über den wir auch hier im Blog schon das ein oder andere mal berichtet haben. Die wirkliche Interessierten nutzen jetzt die bloginterne Suche, alle anderen lesen bzw schauen einfach weiter. Zum Projekt selber steht eigentlich alles in  der Ankündigung hier und hier.

Um es kurz zu halten. Riebel sammelt Spam-E-Mails in seinem Blog http://myspam.stefanriebel.de/, wir bzw unsere Gäste haben ausgewählten Spam per Post versendet.

Die letzten drei Bilder der Serie mussten wir mit dem Smartphone machen, deshalb fallen die natürlich Qualiativ etwas von den vorher gehenden ab. Bei einem so exklusiven und ästhetisch geschultem Publikum wie dem unseren muss man sowas dann eben schon erwähnen bzw vorwarnen – finde ich.

Flaming Creatures – nachträgliche Gedanken zur Ausstellung

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Wenn wir heute auf eine eben abgeschlossene Ausstellung zurückblicken, ist es nicht, um deren einzelne Künstler zu besprechen und um auf eine Bewertung ex post zu kommen, sondern um manche bleibende Eindrücke zu vertiefen. Dabei – wie immer – schreiben wir aus der einzigen Perspektive, die uns legitim erscheint: unserer. Wir schreiben aus der Perisphere. Die Perisphere ist ein schlecht kartografiertes Gebiet am Rande der zentralen Zone, ein terrain vague, eine noch nicht kolonisierte Insel. Die Perisphere ist ein gehacktes Territorium, die Rückseite der bekannten Welt, der Backroom jenseits der offiziellen Bühne, der Traum, manchmal auch der Alptraum, des Zentrums. Die Perisphere ist ex-zentrisch. In der Perisphere agieren Parias, Widerstandskämpfer, Krüppel, Schattengestalten, Neurotiker, Rebellen, Dienstuntaugliche, Idioten und Fundamentalisten. Sie verteidigen ihre Nische und bereichern die Oberfläche mit unorthodoxen, masseninkompatiblen Strategien, die keinerlei Rücksicht auf etablierte Regeln oder externe Erwartungen nehmen.  Und wenn wir heute auf eine eben abgeschlossene Ausstellung zurückblicken, ist es weil diese auf Akteure der Perisphere eingegangen ist.

Ansicht der Ausstellung im 2. OG.; Foto: Achim Kukulies

Flaming Creatures war eine der besten Ausstellung in Düsseldorf und Umgebung für 2012-2013. Weil sie trotz allem Mut und aller Radikalität ihre vermittelnde Rolle nicht vernachlässigt hat. Weil sie Künstler und Werke intelligent in Beziehungen gebracht und ein kulturelles Phänomen – Camp – für ein breites Publikum zugänglich gemacht hat. Zur Erinnerung, oder Klärung: Camp ist, so der kanonische Text von Susan Sontag aus dem Jahr 1964, „die richtige Mischung von Übertreibung, Phantastik, Leidenschaftlichkeit und Naivität“, ein „Geist der Extravaganz“, eine „Liebe zum Unnatürlichen, zum Trick und zur Übertreibung“ (Sontag: „Anmerkungen zu ‚Camp‘“, 1966). Camp ist die ungehemmte Maskerade mit Hang zur theatralischen Selbstinszenierung. Camp ist die selbstbezogene Ekstase (also: bar von Transzendenz, bar von Mystik). Camp ist die unfreiwillige Verwechslung von Intensität und Überschwang (deshalb besteht eine unleugbare Verwandtschaft zwischen den Kategorien Camp und Kitsch, wobei der Kitsch, dessen Entstehung an Bedingungen der Massenproduktion und -verbreitung anknüpft, nichts vom Unikatcharakter vom Camp besitzt). Camp ist die höchst individualisierte, eigenwillige, manchmal auch unbeholfene Aneignung von Hochkultur – eine maßgeschneiderte Kulturproduktion, die in ihren konsequentesten Formen zu einer ganzheitlichen Ästhetisierung des Lebens führt.

Bruce Nauman: Pulling Mouth (1969). Foto: Achim Kukulies

Trotz der expliziten Bezugnahme zum Text von Susan Sontag und der (zumindest in der Intention) deutlichen Anknüpfung an die Camp-Idee, war Flaming Creatures keine Camp-Ausstellung. Bis auf Jack Smith, der Outlaw des US-amerikanischen Films, dessen wegweisender Flaming Creatures (1963) zum programmatischen Namengeber der gesamten Show auserkoren wurde,  war die Liste der eingeladenen Künstler eher von Prominenzen und anerkannten Größen gekennzeichnet als von obskuren Randerscheinungen. Lustvoll wurde das Abartige, Unkonventionelle, Fremde, Abstoßende, Schokierende oder Grenzwertige zitiert – aber es blieb eben bei einem Zitat, und die Hierarchie des Kunstsystems wurde im Großen und Ganzen respektiert. Das von Sontag hochgehaltene Kriterium der Naivität stellte man weder bei Mike Kelley fest, dessen Kurzfilm voller kulturkritischer Anspielungen und kryptischer Symbole gespickt war, noch bei den präzise beobachteten hysterical homemovies von Ryan Trecartin oder den im Kunstkontext fest verankerten Selbstversuchen Paul McCarthys.

Mike Kelley: Vice Anglais (2011); Foto: Achim Kukulies

Camp wurde also hier großgeschrieben, kam aber letztendlich nur noch als Referenz zum Zug. Angesichts der Qualität und des Seltenheitswerts der präsentierten Werke war diese Tatsache wenig störend. Dass eine Institution sich überhaupt an eine solche Thematik getraut hat, ist durchaus lobenswert. Schließlich kann man  Flaming Creatures als ein Geschenk auffassen. Und zwar nicht, weil die Ausstellung kostenlos war, die einzelnen Arbeiten teilweise hochwertig waren und adäquat präsentiert, bzw. inszeniert, auch nicht weil man eine unglaubliche Chance zu einem Wiedersehen mit den (restaurierten) Filmen von Jack Smith und zu einer intensiven Beschäftigung mit John Bocks Universum erhielt, sondern in erster Linie weil das Düsseldorfer Publikum, eher an konventionelle Museumsausstellungen gewöhnt, in eine Welt eintreten durfte, die fremd, bizarr und unheimlich anmutete. Ja, das ist in der Tat ein Geschenk.

Ryan Trecartin: Trill-ogy Comp (2009); Foto: Achim Kukulies

Diese Welt ist die Welt der Andersartigkeit, der Irregularität und Non-Konformität. Es ist die Welt der Hyperindividualität und der konsequentesten Expressivität, eine Welt in der jeden Mensch zum Gesamtkunstwerk erklärt wird. Es ist eine Welt, die jeder einzelner Bewohner immer wieder neu erfindet und gestaltet, eine Welt voller Produzenten, die sich selbst produzieren und zugleich die Selbstproduktion anderer Produzenten rezipieren, konsumieren und reflektieren. Es ist eine Welt ohne verbindliche Norm, ohne Kanon und daher ohne Legitimitätshierarchie. Diese Welt hat viele Gesichter und viele Namen; wie eingangs erwähnt, nennen wir sie in diesem Blogmagazin Perisphere. Für diese vom Anpassungsdruck, von der Marktlogik, von der politischen Borniertheit, von der Geschmacksnivellierung oder gar von der Selbstzensur stetig bedrohte Welt setzen wir uns im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten ein. Nicht weil wir eine neurotische Fixierung auf Andersartigkeit hätten, sondern weil wir in diese Welt, die auch very campy ist, ein großes Glück für die kulturelle Vitalität einer Gemeinschaft sehen.

Jack Smith: Untitled (ca. 1958-63); Copyright Estate of Jack Smith
Courtesy Gladstone Gallery
Jack Smith: Untitled (ca. 1958-63); Copyright Estate of Jack Smith
Courtesy Gladstone Gallery

Denn nur hier können die seltsamen, exotischen und empfindlichen Blüten – strange fruits – gedeihen, die in der anderen Welt verkümmern. Nur in diesem Biotop kommen sie zur Reife und bereichern die gesamte Landschaft mit ihren ungewöhnlichen Düften und Farben. Nur hier finden die Parias, Ex-zentriker und Idioten Raum für den Ausdruck ihrer einmaligen Persönlichkeit. Diesen Raum zu schützen heißt die kulturelle Artenvielfalt schützen. Wir rufen die UNESCO an und schicken sie in die Perisphere! Wer den Kampf gegen Uniformität und Gleichmäßigkeit führt ist bereits in der Perisphere.

Jack Smith

Das leidenschaftliche Engagement für die Peripherie, das wir in diesem Blogmagazin in der Form einer gesteigerten Aufmerksamkeit für Randzonen der Kultur treiben, darf jedoch nicht zu einem Reflex, zu einem unreflektierten Automatismus verkommen. Zunächst weil es die Gefahr birgt, eine blinde Akzeptanz für alle Minderheiten zu entwickeln. Auch Nationalisten, Trader, Zuhälter, religiöse Fundamentalisten, Sadisten oder Pädophile bilden Subkulturen, Nischen und Biotope. Es kann nicht ausreichen, am Rande des Hauptbetriebes zu agieren und irgendwie alternativ zu sein, um zur schützenwerten Spezies erklärt zu werden. Und genau da liegt das Problem. Rainer Metzger hat es in seiner Relektüre des Buches von Terry Eagleton (Was ist Kultur?, München 2001) so formuliert: „Nationalisten sind ebenso in der Minderheit wie Lesben: Warum aber, lässt man den Minderheitenstatus als Kriterium denn gelten, firmiert das eine als Qualität, während das andere verpönt ist?“ Es müssten also gesellschaftliche Übereinkünfte her, um die Spreu vom Weizen zu trennen und „ungute“ Gruppen aus der Bildfläche zu tilgen. Klingt das gut? Wir sind keine Richter – auch wenn wir bestimmte Entwicklungen definitiv nicht gutheißen wollen.

Ein anderes, vielleicht weniger heftiges jedoch genauso unlösbares Problem betrifft die Aneignung der Peripherie durch kommerzielle Branchen. Zu Zeiten des Guerilla Marketing und Streetbranding wird die Nische als Chance auf Profilierung und Eroberung von neuen Absatzmärkten gewittert. Für die creative industries ist die Andersartigkeit ein unique selling proposal mit Distinktionsmerkmal, während die eben genannten Parias und Rebellen eine wunderbare Inspirationsquelle bilden. Gesellschaftskritische Konterformisten, die von einem divergent thinking gekennzeichnet sind und, wie die Dandys des 19. Jahrhunderts, ihr Leben als Gesamtkunstwerk feiern, werden zu Originalitätsmodellen erklärt. Manche ihrer Attribute und Attitüden fließen unvermittelt in das kapitalistische Verwertungssystem und versorgen ihn damit widerwillig. Luc Boltanski und Eve Chiapello haben bereits vor 15 Jahren diese Dynamik der Anpassung und Aneignung analysiert und gezeigt, wie die Kritik des Kapitalismus zum Motor des Kapitalismus umgewandelt wird (s. Der neue Geist des Kapitalismus).

 

Jack Smith: Flaming Creatures (1963-64)

Das Beispiel von Jack Smith spricht da Bände: Der schwule Bohemien lebte konsequent seine Andersartigkeit aus und blieb bis zu seinem frühzeitig Tod 1989 ein Prototyp des verkörperten kulturellen Widerstandes gegen Gleichförmigkeit und Mainstream – eine Anomalie im System. Die extravagante Lebensweise des Transvestiten wurde zunächst von gut informierten Underground-Scouts wie Andy Warhol „entdeckt“ und später gewinnbringend in die populäre Kultur eingeschleust. Die angebliche Paranoia des flamboyant Smith lässt sich dadurch erklären, dass seine Strategie der totalen Ästhetisierung zum oberflächigen Vorbild von Lou Reed, David Bowie (Phase Ziggy Stardust), Kiss oder Brian Eno fungierte, und erfolgreiche Klamauken wie The Rocky Horror Picture Show beeinflusste. Unter Umständen hätte sich Smith wenig über die – wie gesagt: sehr empfehlenswerte – Ausstellung bei Julia Stoschek gefreut und dort eine erneute Aneignung seiner Einzigartigkeit unerträglich empfunden.

Shortcut! Constant Dullaart – therevolvinginternet.com

Constant Dullaart gehört derzeit zu den aktivsten und vielleicht auch interessantesten Protagonisten einer Szene, die sich mit der Ästhetik des Internets und der damit verbundenen globalisierten Kultur beschäftigt. Das Vice-Magazin hat kürzlich ein Interview mit ihm gemacht, auf das ich an dieser Stelle kurz verweisen möchte. Selbstverständlich hat der Mann aber auch eine Webseite, die einen guten Überblick über seine Arbeiten Online und Offline bietet.

Hier, beim Shortcut beschränken wir uns auf zwei verwandte Projekte, die sich Beide mit einem Bild beschäftigen, das im Orginal weltweit milliarden Mal pro Tag betrachtet wird.

therevolvinginternet.com

Genauso wie die Welt dreht sich auch hier alles und endlos im Kreis.

therevolvinginternet.com/Terms of Service

Terms of Service zeigt die Suchmaske der Datenkrake als brabbelnden und lachenden Mund.

Constant Dullaart
http://www.constantdullart.com
http://therevolvinginternet.com, 2010
http://therevolvinginternet.com/TOS, 2012

 

#Prism-Remix #Prism-Ästhetik

Wer die letzten Wochen nicht ohne Strom und Netzanschluss in der selbstgebauten Hütte im Wald verbracht hat, der kam um die Leaks des ehemaligen NSA-Analysten Edward Snowden nicht herum. Was vorher Verschwörungstheorie oder bittere Erkenntnis von Hackern war, ist jetzt Allgemeinwissen: „Wir haben den Krieg verloren„, wir leben im Überwachungsstaat. Einen Kommentar dazu sparen wir uns an dieser Stelle, verweisen aber statt dessen auf den Rant der CCC-Sprecherin Constanze Kurz ‚Das allwissende Schattenimperium‘ und auf diesen Kommentar mit dem schönen Titel ‚Wir müssen ihnen sagen, dass sie Abschaum sind‘ beim Rebellmarkt.

Nicht, dass es uns gleichgültig oder egal wäre, ganz im Gegentail sogar. Natürlich beschäftigen auch uns solche Entwicklungen und natürlich werden auch wir mittelfristig Aktiv werden um die Geschehnisse würdig zu kommentieren und diese für uns zu verarbeiten. Dazu benötigt es aber etwas Ruhe und Zeit zur Vorbereitung, deshalb ein anderes Mal mehr.
Heute und hier wollen wir uns dem Thema auf der ästhetischen Ebene annähern und einige kreative Reaktionen und Remixes auf #Prism präsentieren.

Stasi versus NSA

Den Weg der Aufklärung durch Veranschaulichung wählen die Jungs von OpenDataCity. Ihre nachfolgende Visualisierung ist wohl derzeit die Bekannteste und geht der Frage nach „Wieviel Platz würden die Aktenschränke der Stasi und der NSA verbrauchen – wenn die NSA ihre 5 Zettabytes ausdrucken würde? “


Gehe zu Stasi versus NSA. Realisiert von OpenDataCity (CC-BY 3.0)

Immersion vom Massachusetts Institute of Technology

Einen ähnlichen Weg beschreitet man am MIT, mit der nachfolgenden Visualierung der Metadatenauswertung von E-Mail-Accounts. Wer über einen Gmail-Account und Chrome verfügt, kann ganz leicht selbst mal NSA spielen und in den Meta-Daten der eigenen Mails schnüffeln.

Immersion: Beneath the surface from Deepak Jagdish on Vimeo. via Spreeblick

Zeitleiste der NSA-Leaks

Ebenfalls eine Mischung aus Recherche und visuellem Entertainment, ist das bei Interweb3000 gefunde Tool. Es gibt eine ganz brauchbare Visualisierung der chronologischen Abfolge der einzelnen Leaks wieder.

 Edward Snowdens empty Seat

Das nachfolgende Bild ist wohl eines der bekanntesten visuellen Meme zu #Prism und bewegt sich lakonisch zwischen seriöser Berichterstattung, reisserischem Teil der Jagdinszenierung und schräger Ironie. In Umlauf gebracht wurde es ursprünglich vom AP-Reporter Max Seddon über Twitter, von wo aus es sich rasend schnell über das Netz verbreitete. Wer es trotzdem nicht weiß, es zeigt den leeren Sitz in der Maschine nach Kuba, auf dem Edward Snowden nicht saß.

(via nerdcore)

Yes we scan

Mit schwarzem Humor begegnet Rene Walter vom Nerdcore-Blog dem Thema. Er hat sich Shepard Faireys berühmtes Plakatmotiv für den ersten Wahlkampf des Friedensnobelpreisdrohnenkillers Obama vorgenommern und einem zeitgemäßem Remix unterzogen. Sehr schön auch die Kopfhörer und das Auge der Illuminaten unten im Bild.

 

Obama Is Checking Your Email

In eine ähnliche Richtung geht die nächste Interpretation in Form eines tumblr-Blogs. Der Blog bewegt sich in der Tradition der ‚is looking at things‘-Blogs, von denen der über den koreanischen Diktator Kim Jong Il wohl der Bekannteste ist. Unter dem Titel ‚Obama Is Checking Your Email‚ befindet sich eine ständig wachsende Sammlung von Originalfotos die Obama beim betrachten verschiedener Monitore und Techgadgets zeigen. Die kleine Kontextverschiebung durch den Blogtitel gibt diesen Bildern eine neue, zeitgemäße Bedeutung.

All your data, in one place

Ironisch, affirmativ geht Andrew Mc Carthy mit dem Webprojekt http://prism.andrevv.com/ an die Sache ran. Er macht aus Prism einen großen einfach zu handhabenden Cloud-Datenspeicher.

 

Das war der erste Überblick, solltet ihr schöne Links, Bilder, Meme, Videos zum Thema finden,  gerne Hinweis an uns.
Ansonsten gilt natürlich, lasst Euch die Laune nicht zu sehr verderben, passt gut auf Euch auf, bleibt dran und genießt den Sommer.

Die gebrochene Mitte im Studio Roh

Alle Fotos und Kommentare: Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek

 

Letzte Woche wurde die neueste Ausstellung im Studio Roh eröffnet. Leider waren wir nicht dabei – und werde also das ungesehene Ereignis nicht kommentieren. Freundlicherweise haben uns Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek, die zwei Raumbetreiber, ein paar Bilder zur Verfügung gestellt. Die Beschreibungen stammen von den jeweiligen Künstlern.

 

 

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic

Nesha Nikolic: LSD PERFORMANCE : Aus dem Wildpark wurde ich zur Ausstellung gefahren und dort habe ich mit Acryl und Bier von den Gästen, mit LSD ; MP3 Player, Händen und Füßen, ein ACTION PAINTING Nr. 1 gemalt.

Continue reading „Die gebrochene Mitte im Studio Roh“

Christoph Knecht bei Rupert Pfab

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos von Dirk Rose und Giovanni Bendzulli

 

Für seine erste Präsentation bei Rupert Pfab hat er sich nicht lumpen lassen. Christoph Knecht tischt alles auf, was er hat. Eine große Kachelinstallation, feine Druckgrafiken, verschiedene gefasste und nicht gefasste Plastiken, handbemalte Kärtchen, großformatige Gemälde, Bronze- und Keramik-Skulpturen sowie ein objet trouvé; das Ganze als einheitliches Ensemble konzipiert und in den zwei offenen Räumen der Galerie inszeniert.  Diese Technikvielfalt wird noch von der Bandbreite der ikonografischen Referenzen übertrumpft. So findet man allerlei Fantastisches, Naturwissenschaftliches, Allegorisches, Philosophisches, Esoterisches, Kulturhistorisches und Mystisches im Knechtschen Sammelsurium. Zitiert wird aus medizinischen Abhandlungen, chinesischen Schriften, Renaissance-Herbarien oder barocken Capricci. Die von den Bildern und Gegenständen erweckten Assoziationen reichen von der Akupunktur bis zur Fast-Food-Kultur, von der Alchemie bis zur Anthroposophie.

Um nur einige, wenige Objekte zu nennen: Ein kelchartiges Gefäß mit einer Vogelkralle als Fuß, eine Himmelskarte in Delftblau, ein Edelweiß, ein bronzener Hawaii-Toast oder ein Totenkopf, dessen Oberfläche an die Struktur von Erdnussschalen erinnert. Es sind Kuriositäten, die sowohl in dieser Welt als auch in Paralleldimensionen gesehen, aufgelesen und, fernab von strengen naturwissenschaftlichen Einordnungskriterien, in nüchternen Schaukästen präsentiert werden. Continue reading „Christoph Knecht bei Rupert Pfab“

Digital Soirée präsentiert Stefan Riebel myspam

Am Freitag den 5. Juli setzen wir unsere Reihe Digital-Soirée fort. Dieses Mal ist der umtriebige Stefan Riebel unser Gast. Er ist Gründer und Organisator von derzeit fünf Projekt- und Ausstellungsräumen in Berlin und Leipzig. Seine Projekträume tragen Namen wie Büro für bestimmte Dinge, Abteilung für alles Andere, Zentrale, Niederlassung Berlin und Zuständige Behörde. Alle Projekte zusammen sind Bestandteil des Instituts für alles Mögliche welches laut Webseite „Berlin’s Most Institute Of the World!“ ist.

Zu uns kommt Riebel aber nicht als Kurator, Institutsleiter oder Chef der Zentrale, sondern als Künstler und Sammler. Seit Mai 2012 sammelt er eine Auswahl der zahlreichen Spam-Mails, die ihn täglich erreichen. Jeden Tag wählt er eine Mail aus und archiviert diese in seinem Blog unter http://myspam.stefanriebel.de/.

Am Abend des 5. Juli werden wir ausgewählte Stücke dieser Sammlung ausdrucken um sie dann per Post an Freunde, Familie und Bekannte zu versenden. Rechner, Drucker, Papier und Briefmarken stehen bereit, Ihr braucht lediglich eine gute Postadresse zur Hand. Und weil manche Texte so schön sind, werden wir die Briefe noch einmal verlesen bevor wir sie zur Post bringen.

Für die Sammler unter Euch wird es auch diesmal wieder eine exklusive Edition geben. Stefan Riebel hat auf Basis des myspam-Projekts speziell für diesen Abend ein Multiple entwickelt, welches Ihr vor Ort erwerben könnt.

Bilder von der letzten Veranstatltung gibt es hier http://www.perisphere.de/ausstellung/digital-soiree-books-and-blankets-1-bilder-vom-abend

http://mrgn.de/digital-soiree
Freitag, 05. Juli 2013
19.00 Uhr
Kirchfeldstraße 112, Düsseldorf

http://stefanriebel.de
http://myspam.stefanriebel.de/
http://www.i-a-m.tk/

Mit Champagner und Gummiknüppel auf der Art Basel

«Die Basler Messe verhält sich genau so, wie ihr Neubau aussieht: wie ein ziemlich grosses Arschloch.» schreibt die WOZ. Und wer in den letzten Tagen im asozialen Netzwerk seiner Wahl unterwegs war, weiss eventuell auch worum es geht.
Die Art Basel hat Kannte gezeigt und getan was einige Leute mit zu viel Einfluss und Geld derzeit länderübegreifend für opportun halten, wenn diese sich in ihrem Tun gestört fühlen. Man hat also eine eher harmlose Intervention auf dem Messevorplatz der Art Basel ganz zeitgemäß mit Hilfe der Polizei, unter Einsatz von Gummiknüppel, Tränengas und Gummigeschossen beenden lassen.
Eine solche Aktion ist für die internationale Kunstmesse der Superreichen zwar irgendwie konsequent und ehrlich, kommt aber – wie man sich denken kann – auf Facebook, Youtube und Twitter gar nicht so gut an. Schnell ist das Urteil über dieses Vorgehen gefällt: Die Art Basel ist ein Arschloch!
Für unseren Geschmack fällt das Urteil allerdings dann doch etwas zu schnell. Nicht, dass wir es in irgendeiner Weise gut heißen würden, wenn Leute mit Tränengas oder Gummiknüppeln traktiert werden. Aber – und das muss man an dieser Stelle auch mal fest gehalten werden – die Art Basel hat hier durchaus etwas aufs Spiel gesetzt, um ihren Beitrag zu einem veritablen Kunstskandal zu leisten.

Keine Frage, auch wir haben überhaupt keine Lust auf solchen spaßbefreiten Partybesuch, allerdings feiern wir unsere Parties auch nicht auf Kunstmessen (es sei denn vielleicht, man lädt uns höflich ein und rollte den roten Teppich aus) und auf eben diesen den Anarchopunk zu spielen interessiert uns ebenfalls nicht.
Denn eines sollten wir doch bitte nicht vergessen. Eine Systemkritik die sich, wie hier geschehen, von vorne herein in den internationalen Kunstzirkus einreiht, nimmt dabei bewusst oder unbewusst eine ganz bestimmte Rolle ein. Es ist die Rolle des modernen Hofnarren, mal lustig, mal unverschämt, mal unterhaltsam, aber immer harmlos. Es ist einfach so, kritische Kunst, die sich als solche positionieren will, kann man – von ganz wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – eigentlich komplett in die Tonne treten.  Dirk Schümer fragt deshalb in seinem FAZ-Artikel zur Venedig-Biennale im übrigen auch völlig zu recht „Warum eigentlich kann sich die Gegenwartskunst immer noch als widerständiges Medium der Welterklärung und -verbesserung feiern, wenn kein anderes soziales Ereignis einen solchen Aufgalopp von Superreichen und Nobelmarken, mehr gierige Halbwelt und einverständige Mediengaffer anzieht als diese globale Kunstmesse im Lagunenbrackwasser?

Schwierig wird es zu dem oft, wenn Künstler dazu tendieren die höchst ambivalenten Wechselwirkungen zwischen Kunst, Kapital und Macht, und damit natürlich auch die eigenen Verstrickungen darin zu ignorieren, um aus einer vermeintlich moralisch überlegenen Position heraus kritische Arbeiten zu verfertigen. Eine solche Position suchen zum Beispiel Isabella Fürnkäs, Henning Fehr und Philipp Rühr in ihrem aktuellen Projekt mit dem etwas brachialen Titel »KÖRPER UND KNOCHEN« im Düsseldorfer Studio for artistic research. Selbstbewusst nimmt man auch dort Stellung zu den Geschehnissen in Basel und bezieht politisch korrekt Position.

Das ökonomische Diktat wird unaufhaltsam vorangetrieben, es vereinnahmt, zerschlägt und schreitet voran. Nicht ökonomisch zu verortende Strukturen werden mit den Knüppeln der Effizienzkriterien für Leistungsbilanzen standardisiert. Das Freihandelsabkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) zwischen der EU und Amerika deklariert Kultur zur Ware, für die im Handel die selben Regeln gelten wie für jedes andere ökonomische Gut. Wer nicht im Sinne der Ökonomisierung durch Einkaufszentren marschiert sondern durch Frei- und Grünflächen spaziert, wird vernebelt und hinweggespült. Wenn die Favela zum Café geworden ist gibt es kein Zurück mehr. Was sich nebenan entwickelt wird niedergeschlagen. Die Schnittstelle zur Ökonomie verschwindet, alles wird zur Ökonomie.

Alles ist Ökonmie? Kultur als Ware?! Hm,… da war doch mal was?

Wie gesagt, ein schwieriges Feld, die Systemkritik in der Kunst. Und das Kapital ist ein widerspenstiges Biest.

Aber liebe Freunde, es geht selbstverständlich nicht darum, Künstlern das Recht zur Systemkritik abzusprechen. Hier geht es um den Kontext, in dem das geschieht und die Rolle, die man dabei als Mensch einnimmt.
Man kann nun einmal nicht ein ganzes Jahrhundert lang bis in den heutigen Tage hinein totale Autonomie für Künstler und Kunst einfordern, im nächsten Moment aber mit der gleichen Stimme politisch mitreden wollen. Entweder das Eine, oder das Andere, Beides gleichzeitig geht nicht. Man muss sich da im Moment des eigenen Wirkens schon entscheiden.
Kunst ist, neben vielem anderen, nun mal der Ort, den wir den Abgründen, den Paradoxien und den Widersprüchen zugestehen, hier ist der Raum für die schwierigsten Diskurse mit unklaren Fronten. Es ist der Platz für die Themen zu denen es noch keine Antworten, meistens noch nicht einmal adäquate Fragen oder gar eine rechte Kritik gibt. Kunst ist damit der soziale Ort des Undefinierten und Unbekannten, an dem die Dinge und ihr Probleme erst noch formuliert werden dürfen und müssen – und braucht gerade deshalb absolute Kunstfreiheit.

Doch – und damit kommen wir zurück auf den Messevorplatz in Basel – weder die eine noch die andere dort als diffuse Kritik inszenierte Favela braucht diesen Freiraum. Zugegeben, die Favelaarchitektur von Tadashi Kawamata als urbanes Cafe und Champagnerbar für den gelangweilten, globalen Geldadel zu inszenieren ist nicht Provokation sondern verdesignter Kitsch. Diese dann auch noch als Diskurs über den Stadtraum anzusetzen, wie durch die Art Basel geschehen, in der Tat ein müder Kalauer für ein paar Wenige mit viel zu viel Tagesfreizeit.

http://richkidsofinstagram.tumblr.com/

Diesen Kalauer aber um einen Weiteren in Form einiger selbst gezimmerter und schlecht gemachter Bretterbuden zu ergänzen, um dort dann andere Musik zu hören und Bier statt Latte Macchiato zu trinken, ist eben auch nicht sonderlich originell. Und wie es mit müden Witzen eben so ist, leider addieren sich zwei Schlechte nicht zu einem Guten.

Der entscheidende Punkt ist aber hier nicht der Grade der Originalität, sondern dass die Kritik, die in der Party-Intervention wage artikuliert wurde, bereits weltweit laut und deutlich auf den Straßen und Plätzen formuliert wird – mit allen dazu gehörigen oftmals unangenehmen Konsequenzen für die Beteiligten. Diese Systemkritik benötigt den Kontext der Kunstfreiheit, und damit den Vorplatz der Art Basel oder eines anderen Kunstraumes nicht mehr.
Orte für Engagement und Kritik gibt es hinreichend, man muss dafür nicht auf dem Vorplatz der Artbasel rumhängen, Bier trinken um sich damit bewusst oder unbewusst zum Hampelmann eines zuweilen recht grenzdebilen Kunstsystems zu machen. Wer Eier hat der macht so etwas auf der Demo seiner Wahl und lässt sich dort intim, anonym und ganz privat seine Ration Pfefferspray verpassen, während einem hilfsbereite Staatsdiener die Arme auf den Rücken drehen.

Die Art Basel braucht es dafür wie gesagt nicht. Auf dem Vorplatz in Basel wurden vielmehr hart erfochtene Freiheiten der Kunst fürs ‚Party-machen‘ ausgenutzt, und unter dem Deckmantel einer Pseudokritik für die eigene Wertschöpfung innerhalb der Aufmerksamkeitsökonomie verbraten. Es wäre naiv zu glauben, dass die medial geschulten Aktivisten vor Ort nicht mit den diskursiven Prozessen dieser Ökonomie, welche engstens mit dem Kunstystem verzahnt sind, vertraut wären. Natürlich weiss man, dass eine Provokation an dieser Stelle mit erhöhter Aufmerksamkeit, Clicks und Likes belohnt wird und sich langfristig durchaus gut in der eigenen Vitae macht, die Karriere also auch befördern kann.

Die Messe in Basel hingegen hat einen ganz anderen Einsatz ins Spiel gebracht. Man war dort, wenn zu Anfang auch etwas verunsichert, dann aber später doch um so konsequenter bereit, volles Risiko einzugehen und das mühsam aufgebaute, wertvolle Image der Marke zu riskieren, um so aus einer müde dahin plätschernden Partyintervention, einen veritablen Kunstskandal zu machen.

Die kritischen Kunstaktionisten in Basel werden sich irgendwann einmal bei der Messe für diesen Einsatz und das Engagement bedanken.

Gasthof Worringer Platz

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Es ist nicht zu fassen. Sogar die Rheinische Post Online, die sich bisher eher durch ihre allmontaglichen Tatort-Rezensionen und stündlichen Neumeldungen zur Lage von Borussia Mönchengladbach als durch differenzierte Berichterstattung auszeichnet, schreibt einen rehabilitierenden Artikel über den Worringer Platz. Der beliebteste Schandfleck der Düsseldorfer besäße, so das Organ der CDU, „mehr von Paris, London oder Berlin als es der Kö-Bogen je haben kann… Der Worringer Platz kommt ohne diese in Düsseldorf oft zu besichtigende Melange aus Traditionalismus, Kleinbürgertum und Geld daher; es ist das Leben einer modernen Großstadt, das auf diesem Platz eine Bühne bekommt. In allen Facetten“. Ein starker Tobak! Herr Thissen, Sie totesmutiger Journalist der RPO, ich zünde heute noch eine Kerze für den Erhalt ihres Jobs an!

Wir haben bereits an dieser Stelle oft genug auf die Bedeutung des Worringer Platzes für die lokale Kunstszene aufmerksam gemacht. Diese Bedeutung hat sich zuletzt ein Mal mehr manifestiert. Am vergangegen Samstag fand die Eröffnung des Projektes Gasthof statt – und damit wurde der Beginn einer neuen Ära für das Glashaus eingeläutet. Zur Erinnerung: Das Glashaus ist jener transparenter Kasten am Worringer Platz, der vor vielen Jahren von Oliver Gather, Anne Mommertz und Ursula Ströbele installiert wurde und seitdem eine sehr abwechslunsgreiche Geschichte aufweist. Zunächst als Versuch initiiert, auf die soziale und urbanistische Brisanz des Ortes mit künstlerischen Mitteln einzugehen, hat sich in den letzten Jahren das Konzept immer mehr von diesem ortsspezifischen Ansatz entfernt und drohte, in die Bedeutungslosigkeit abzudriften.

Tilo Schölpen – Mitglied der weltAusstellung

Mit einem ganz neuen Konzept, neuer Energie und einer gesteigerten Sensibilität für die genuine Probleme und die Chancen des Platzes, haben Oliver Gather und Andrea Knobloch das Glashaus übernommen und machen dort Programm. Ihre Herangehensweise zur Reaktivierung des Ortes ist ganzheitlich. Anstatt der Durchführung von einzelnen, isolierten Programmpunkten haben sie einen großen und ziemlich ambitionierten Entwurf entwickelt. Die zwei Künstler wollen nämlich diesen nicht gerade gemütlichen Ort in einen Gasthof verwandeln. „Die Unmöglichkeit des Aufenthalts auf diesem Platz wird in die Möglichkeit von Gastlichkeit gewendet“, kündigen sie an. „Der Worringer Platz bietet alles, was ein Gasthof bereithalten sollte: Fremdenzimmer, Restaurants und ein weit gefächertes Raumprogramm für Festlichkeiten und Zusammenkünfte. Das künstlerische Projekt Gasthof Worringer Platz entwickelt dieses Raumprogramm vom Vorstellungsbild hin zu einer erfahrbaren und mitreißenden Realität. Dazu wendet es sich an alle Platzanlieger und bittet um Unterstützung“.

Nach und nach werden in den kommenden Monaten einzelne Bereiche des Gasthofs eröffnet. Dafür spielen Gather und Knobloch mit Raummetaphern, die auf die Realität des Ortes zugeschnitten wird. Nach einer kleinen, offiziellen und wenig spektakulären (aber aus politischer Sicht nicht unwichtigen) Erstveranstaltung vor drei Wochen bildete die symbolische Eröffnung des Ballsaals den feierlichen Auftakt des Gesamtprojektes. Es sollte auf dem Platz gefeiert und getanzt werden. Und der Platz war der Saal – ungeachtet des tösenden Verkehrs, der vorbeifahrenden Straßenbahnen oder der verdutzten Durchreisenden.

Für die Austattung des Ballsaals wurden große Discokugeln in Einkaufswagen fixiert und auf Rundfahrt geschickt. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen kreisten sie um das Glashaus herum, wie Satelliten um ihre Sonne. Die Musik, von weltAusstellung komponiert und vom Düsseldorfer Volksavantgardechor interpretiert, tönte durch Lautsprecher und durch viele, kleine Radioempfänger. Gather und Knobloch hatten ein wenig Sendezeit reserviert und ließen für eine knappe halbe Stunde eine Klangcollage (die leider zu oft von den didaktischen Erklärungen der zwei Künstler unterbrochen wurde) durchlaufen.

Dann kamen die Jungs eines Tuning-Clubs in ihren funkelnden Gefährten und ließen es krachen. Mit voll aufgedrehten Bässen fuhren sie auf dem Platz und platzierten sich in einem Halbkreis, so dass sie praktisch zu weiteren Lautsprechern fungierten. Dann wurde hastig eine Runde oder zwei getanzt und die Aktion nahm ihr Ende.

 

Grayson Revoir mit INTERNATIONAL BATHING zu Gast bei Jan Kaps

Flussaufwärts, grobe Richtung Aachen hat ein neuer Projekt-Raum aufgemacht. Der Name des Projekts lautet wie der Initiator selber JAN KAPS, die Räume befinden sich in der Jülicher Strasse 24A. Jan Kaps (der Mann) geht seiner kuratorischen Tätigkeit jetzt seit 5 Jahren nach und war in der Vergangenheit vor allem in Düsseldorf, und dort bei Beck & Eggeling, sowie in Berlin u.a. bei Sprüth Magers aktiv.
Die erste Ausstellung präsentiert unter dem Titel „INTERNATIONAL BATHING“ Arbeiten von Grayson Revoir. Revoir penetriert seine selbst entworfenen Objekte mit oxidierten Schrauben, so dass Ecken
und Kanten sowie die Oberfläche zu zersplittern beginnen und auch ansonsten geht er eher wüst und schmutzig mit seinen Materialien um.

Wir präsentieren das neu gestartete Projekt hier einfach mal mit einer kurzen Bildstrecke und wünschen für die Zukunft alles Gute. Wer neugierig geworden ist, schaut am Besten selber mal vorbei, die Ausstellung läuft noch bis zum 30. Juni 2013 und ist Donnerstags – Sonntags von 15 – 20.30 Uhr geöffnet. Alles weitere wie üblich nach Vereinbarung, Ihr kennt das ja.

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km temporaer zeigt (n)on site

Non-Sites: Arbeiten im Ausstellungsraum aus ursprünglichen Rohmaterialien, dem Naturraum entnommen, der Ort ist beliebig
Sites: spezifischer Ort, gestalteter Naturraum

In der aktuell laufenden Ausstellung „(n)on site“ (24.5. – 14.6.2013) wird der Ansatz des Projektes km temporaer, zeitgenössische Positionen der analogen und digitalen Kunst in einem gemeinsamen thematischen Kontext zu präsentieren, mit der Intention, einen Dialog zwischen netzbasierter Kunst und klassischeren Kunstdisziplinen zu schaffen, fortgeführt.
Die künstlerischen Arbeiten reagieren auf das Thema Mapping und der zunehmenden Tendenz der stark objektiv-rationalen Wahrnehmung des realen Raumes durch Datenvisualisierung im Netz. In den Arbeiten werden gezielt Momente der Diskontinuität erzeugt, die aus diesen technischen Methoden eine poetische Ästhetik entstehen lassen und damit die Bindung des Menschen an räumliche Bezugssysteme offenlegt bzw. hinterfragt.

„What you are really confronted with in a Nonsite is the absence of the Site.. a ponderous and weighty absence“ (R. Smithson)

Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf Robert Smithsons Dialektik der Orte (Sites) und Nicht-Orte (Non-Sites), mit der er die Karte in eine symbolische Sprache überführt. Nach Smithson konfrontiert der kartographische Blick stets das Abstrakte und das Reale, den Ort und die Delokalisierung zugleich.

In Anlehnung an Lev Manovich beschäftigt sich die Ausstellung auch mit dem Verhältnis von Analogie und Digitalität im modernen menschlichen Leben und wirft die Frage auf, inwiefern sich unsere Wahrnehmung von räumlicher Form verändert, wenn diese mit dynamischen und vielfältigen Multimedia-Informationen überzogen ist. (Schwinden die Sinne im Zuge der zunehmenden Medidatisierung? Kann Desorientierung in der technischen Dokumentation wirklich verhindert werden?)

Daniel Schwarz / juxtapose / 2012

„Juxtapose“ ist eine Serie von Gegenüberstellungen unbearbeiteter Satellitenaufnahmen zivilisationsferner Orte auf der Erde, die dem Internetdienst Google Maps entstammen. Simultan nebeneinander legen sie die poetische Kraft der Naturgewalt gegenüber rationalisierenden Technologien zur Dokumentation unserer Welt offen. Die unterschiedlichen Witterungszustände und Jahreszeiten auf den Fotos sind Störungen, die automatisch durch die Google Algorithmen bei Aktualisierung des Bildmaterials erstellt werden. Diese Diskrepanz hinterfragt den Einfluss der erweiternden Technologie auf unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit und enthüllt gleichzeitig das Scheitern, die Realität wiederzugeben.

Davide Cascio / Ikebana Arrangement / 2013

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Petites résistances im Weltkunstzimmer

Fotos: Krischan Ahlborn

 

Über die eigene Ausstellung zu berichten ist schon peinlich, keine Frage. Im Ehrenkodex der Kunstvermittlung ist dies beinah ein Tabubruch. Denn auch die Selbstwerbung und -vermarktung kennt ihre Grenzen. Über die eigene Ausstellung zu berichten kommt einer Überschreitung des Rubicon gleich; von da an hat der Kunstkritiker seine Glaubwürdigkeit verloren und entpuppt sich als voreingenommener Texter (zum Komplex der Entmachtung der Kritik zu Zeiten einer ökonomischen Abwertung der reflexiven Praxis, empfehle ich übrigens wärmstens die letzte Ausgabe des Kunstforum International, dessen Schwerpunkt auf dem aktuellen Schicksal der Kunstkritik legt). Wenn der Kurator eine Rezension über seine Ausstellung schreibt, sollte man sofort an der Legitimität des gesamten Unternehmens (also: Ausstellung, Text und Textmedium) zweifeln. Aber erstens bin ich ja kein Kunstkritiker. Zweitens bin ich ja kein Kurator. Drittens schreibe ich gar keine Rezensionen, sondern liefere lediglich ein paar Aufnahmen zur (wirklich sehr empfehlenswerte) Ausstellung Petites résistances. Und viertens sind diese Bilder noch nicht mal von mir. Es doch alles in Ordnung. Oder?

 

Die Bilder zum Workshop folgen an dieser Stelle sehr bald….

Ted Green im Gagarin

Den Projektraum Gagarin und Ted Green hatten wir zwar jetzt schon ein paar mal im Blog, aber wenn sich jemand intensiv und avanciert mit dem Thema Symmetrie auseinandersetzt kann ich einfach nicht Nein sagen, das muss dann einfach mit hier rein, da sind die persönlichen Präferenzen zu groß, als dass ich da widerstehen könnte.
Mein persönlicher Favorit ist aber übrigens dann doch Succubus. Grafitti und Malerei kommen da sehr gut zusammen, die dynamischen Linien direkt auf der Wand setzt der naturgemäß recht statischen Symmetrie der Bilder angenehm zu. Wer mehr über diese Malerei und die Bilder erfahren möchte liest bitte die Rezension vom Kollegen Mir hier in unserem Blog.

Elementary Particle, 2012,
Öl+Acryl+Lackfarbe+Sprühlack auf Leinwand, 140 x 140 cm
Succubus, 2012,
Öl+Acryl+Lackfarbe+Sprühlack auf Leinwand / Sprühlack auf Wandfläche, 210 x 240 cm

o.T., 2013,
Acryl+Sprühlack auf Wandfläche / Öl+Sprühlack auf Papier, 160 x 80 cm
Pinch, 2012,
Öl+Acryl+Sprühlack auf Leinwand, 50 x 40 cm

 

(alle Bilder via E-Mail, danke Ted!)

Pinch, 2012,
Öl+Acryl+Sprühlack auf Leinwand, 50 x 40 cm

Projektraum Gagarin
Kirchstr. 41
40227 Düsseldorf
Besichtigung nach Vereinbarung
0171/1231596 oder 0151/11500277

Die Boutique zu Gast im Institut für alles Mögliche

Treue Leserinnen und Leser unseres Blogs kennen natürlich sowohl die Boutique als auch das Institut für alles Mögliche bereits, wir hatten Projekte an beiden Orten mehrfach bei uns. Um so schöner wenn zusammen kommt was eh schon zusammen gehört. Nach dem der Initiator und Organisator des Insituts, Stefan Riebel letztes Jahr in Köln zu Gast war, erfolgte nun der Gegenbesuch. Hier sind die Bilder vom Besuch.

Alle Bilder von Stefan Riebel via E-Mail, danke Stefan!

www.i-a-m.tk
www.boutique-koeln.de

DIRECT ACTION und DIRECT ACTION 2013

Ein Text von Lisa Schwalb

DIRECT ACTION ist ein Festival, das ein Mal im Jahr in Berlin vom INSTITUT FÜR ALLES MÖGLICHE in der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE veranstaltet wird. Unter Festival versteht sich hier das Zusammenkommen unterschiedlicher Künstler, die über ihre künstlerischen Arbeiten und Fragestellungen in Austausch miteinander und mit den Besuchern treten. Dabei lassen sich ungedachte Räume des Zusammendenkens eröffnen, neue Prozesse anstoßen und unterschiedliche Herangehensweisen und Ansichten austauschen.

Seit 2011 ist DIRECT ACTION Teil des „Monat der Performance Kunst – Berlin“. In diesem Rahmen übernimmt es den konzeptuellen Part und befasst sich mit künstlerische Arbeiten, die einem Performanceverständnis entgegenstehen, das sich vor allem auf den körperlichen Vollzug und die authentische Expressivität der Geste konzentriert. Das System der Untersuchung und der Apparat des Analysierens rücken stattdessen in den Fokus der Betrachtung, wobei auch immer die Befragung des Mediums und des Materials eine wichtige Rolle spielt. Von diesem Ansatz ausgehend, wendet sich DIRECT ACTION mit einem Open-Call an Künstler, die ihre Arbeit nicht nur einer der bereits bestehenden Kategorisierungen von Kunst zuordnen können, sondern im Bereich der Performance Kunst an einem weiterführenden Verständnis interessiert sind. Neben dem Open-Call, der den nicht-kuratierten Veranstaltungsteil darstellt, werden ergänzend dazu ausgewählte und bereits etablierte Performance-Künstlerinnen und -Künstler eingeladen sowie Studierende der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig.

Eines der Hauptanliegen des Festivals ist es, für viele verschiedene Kunstschaffende eine Plattform zu entwerfen, auf der eigene Positionen präsentiert, diskutiert und weiterentwickelt werden können, einen Ort, an dem rege und direkte Interaktionen stattfinden, sowie das Knüpfen nachhaltiger Kontakte möglich ist. Als Ergänzung zu den bereits etablierten Performance-Festivals kann DIRECT ACTION insbesondere im Bereich der konzeptuellen, medialen und nicht-expressiven Aktionskunst ein alternatives Forum bieten und zukünftig speziell in dieser Sparte eine wichtige Position in Berlin einnehmen.

Auf dem diesjährigen DIRECT ACTION 2013 wurden Aktionen, Experimente, Videos und Installationen gezeigt, die sich mit Performance in Relation zu Sprache auseinandersetzen. So lautete das Thema diesen Jahres PERFORMANCE ÜBER*MIT*DURCH SPRACHE. Unter diesem Motto haben sich vom 03. bis 05. Mai die teilnehmenden Künstler in der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE in der Ackerstraße 18, Berlin Mitte zusammengefunden. Der erste Abend begann traditionell mit einer kollektiven Besprechung und Zusammenstellung des Ablaufplans für die kommenden zwei Tage. Die Arbeit “ Empty pictures 4 “ von Dominik eröffnete das Programm indem, der an die Wände gemalte Text den Raum mit Sprache füllte.
Die Gruppe Campus Novel hingegen suchte das direkte Gespräch und unterhielten sich im Hof der ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE bei frisch gekochtem Kaffee mit den Gästen über das Thema Krise und über dieses hinaus. Während hier die Kommunikation mit dem Anderen im Vordergrund stand, führte Juanzi Cheng unter dem Titel <Hey, Ich>, ein Selbstgespräch durch, indem sie sich mit ihrer eigenen aufgenommenen Stimme, abgespielt von einem Kassettenrekorder, unterhielt. Dina Boswank und Daniela Ehemann hingegen benutzten technologische Kommunikationsmittel um über Sprache zu sprechen, indem sie via Skype und Chat mit ihren Kollaborateuren in Chicago und Bangalore live interagierten.
Das Sprache aber auch losgelöst von einem menschlichen Körper produziert werden kann, zeigte die Performance von Sim Gishel, einem Roboter, der Pop-Songs performt, was aber angeblich nicht für „Deutschland sucht den Superstar“ ausreichend war, so sein Erfinder Karl-Heinz Jeron.

Unter dem Motto täuschend echt aber doch nicht eindeutig real beschäftigten sich Thomas Lindenberg und Lisa Schwalb mit den Rahmenbestimmungen bestimmter Sprachkonventionen am Beispiel des Pop-Songs. Neben den unterschiedlichen Live-Beiträgen wurden auch Performance-Videos zum Thema Performance über*mit*durch Sprache gezeigt, so zum Beispiel die Arbeit This is not an I-Pad, Ich lese Bücher – jemand muss es ja schließlich machen von Oliver Breitenstein. Dass eine Auseinandersetzung mit Sprache aber auch über das Schweigen stattfinden kann, zeigte die Arbeit In Silence (#04) von Stefan Riebel, der mit allen Anwesenden einen kurzen Moment schweigend verbrachte. Über diese und andere Beiträge hinaus wurde in den drei Tagen zusammen diskutiert, gefrühstückt, gegrillt und pausiert. Nicht nur eine Verschachtlung der Arbeiten miteinander, sondern auch die Vermischung von Zeigenden und Zuschauenden war bei DIRECT ACTION 2013 zu beobachten und machte das Festival zu einem einmaligen Ereignis der direkten und indirekten Aktionen und Interaktionen.

Direct Action, 2013
INSTITUT FÜR ALLES MÖGLICHE und ABTEILUNG FÜR ALLES ANDERE, Berlin
http://www.i-a-m.tk/

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Die Verwendung des Wortes Kunst verbietet sich derzeit. Zu viel Reaktionäres und Ungutes, welches unter diesem Begriffen subsumiert wird, und einem, wenn man es zu Nah an sich ran lässt, merklich die Laune und den Glauben an die Sache verdirbt. PR-Profis, Hasenfüße und Streber haben auch hier das Kommando übernommen und halten glücklich und devot das Heft fest in der Hand – und für die nächste Eins mit Auszeichnung bereit.
Das ist nichts für Leute mit Haltung, so wie einem gewissen ästhetischen und politischem Mindestanspruch an sich und die Welt. Und so gilt es Abstand zu nehmen von der Kunst, die zwar auch nur ein Wort von vielen, meist im komplett neutralisierten Umfeld, von netten, freundlichen, braven, zuvorkommenden und überaus distinguierten Leuten verwendet, aber dennoch und eben auch gerade deswegen derzeit Tabu, ist. Und wer sich Heute noch unbekümmert als Künstler bezeichnet, ohne dabei verschämt, leicht rot zu werden, der oder die hat offensichtlich den Schuss nicht gehört.
Dabei geht es natürlich nicht um die Sache an sich, sondern um die Dinge, mit denen man sich gemein macht, in dem man den Begriff für das eigenen Tun und Schaffen verwendet.
Nennt es also wie Ihr wollt, macht was Ihr wollt, aber seht zu, dass Ihr Abstand haltet oder einen wirklich, wirklich(!) guten Deal rausholt, wenn Ihr Euch und Euren guten Namen als Stütze des Systems hergebt. Und wer diesen Deal nicht unterschrieben und gesichert zuhause und auf dem Bankkonto hat – und das sind natürlich alle die, die das hier lesen – hat sich für unbestimmte Zeit fern zu halten von allem was Kunst genannt wird, hat sich fern zu halten um die Dinge zu tun, die Kraft haben, Potentiale entwickeln und diese frei zu setzen vermögen.

Von daher fängt das nachfolgende Video mit der Frauenstimme etwas mau an, („i am an artist, … „) mag sein, dass das wie so oft halb-ironisch angelegt ist. Ich weiß es nicht und will es aber an dieser Stelle eigentlich auch nicht wissen müssen.
Zum Glück ist das dann aber auch schnell vergessen, denn im weiteren Verlauf wird der Clip herrlich schräg und voll versöhnlich. Die modernen Storm-Trooper-Ritterkostüme mag ich sehr, das Hand-Zepter ist einfach top und lässt das Gerede vom Künstlerin-sein schnell vergessen. Ein solches Kostüm wollte ich immer schon mal haben um damit Nachts durch Düsseldorf zu schweben! Eventuell würde ich dann sogar endlich mal am Karneval gefallen finden.

Und völlig gleichgültig in welche Kategorie die 4:30 Min nun gehören, am Ende bleibt eine knappe aber schöne Remineszenz an den Tausendfüssler, die ehemalige Hochstraße durch Düsseldorfs Mitte, um deren Abriss es viel Diskussionen gab, die aber jetzt, da sie weg ist, nicht wirklich fehlt. Und wenn ein Abriß zu solchen Videos führt, dann gibt es jetzt einen weiteren triftigen Grund in dieser Stadt noch so einiges mehr umzugraben…

 

Weisser Westen is a Duesseldorf artists duo formed by Angela Fette and Phillip Schulze. In her work Fette refers to the idea of the artist in the spirit of the classical avant-garde — embracing painting, costume design, poetry, and performance art. The media-artist and composer Schulze creates and programs electroacoustic sound and light sculptures.

In Weisser Westen Angela Fette chants absurd hymns and manifestos in an imperative, gestural way over the intermittent beats and chiseling electronica of Phillip Schulze. The group presents itself guised in masks and armor, with a look reminiscent of Constructivism or Dada.

www.weisserwesten.com

(via e-mail, Danke Phillip!)

Cocktailkleider und Altherrenwitze. „Das kleine Schwarze“ in der Boutique Köln.

von Dominik Busch

Die Kölner Boutique steckt in ernsten finanziellen Schwierigkeiten. Auch eine Crowdfunding Initiative via startnext.de brachte nicht den erhofften Erfolg. Falls sich kein privater Financier finden lässt, sieht es schwer danach aus, als müsste eines der drei Off-Projekte am Ebertplatz bald seine Räume schließen. Dank der Kölner Konsolidierung inklusive drastischer Kürzung des Kulturetats.

Ich möchte allerdings an dieser Stelle nicht direkt Stellung zu kulturpolitischen Fragen beziehen, noch möchte ich Kommentare wie auch immer gerichteter parteilicher Lager provozieren. Wenn Politik, dann politische Potenziale, wenn politisch, dann in einem ästhetisch reflexiven Sinn. Doch dazu später mehr.

Die Boutique zeigt aktuell „Das kleine Schwarze“, eine Ausstellung der beiden Studenten der Kunstakademie Düsseldorf Melike Kara und Peppi Bottrop. Kara, seit Kurzem Studentin von Rosemarie Trockel, tat sich bereits als eine der (Künstler-) Kuratorinnen der Videoausstellung „Body Light“ hervor, jetzt gibt sie Einblick in ein weiteres ihrer Medien, das der Malerei. Bottrop, aktuell Student bei Andreas Schulze und meines Erachtens eher Vertreter einer Düsseldorfer Malerei, zeigt nach zuletzt grafischen Arbeiten (im etymologischen Sinne) und solchen mit Tendenz zum Objekt, wieder Bilder mit Farbe, Spuren, Oberflächen und Versatzstücken – um zunächst mal wertungsfrei zu bleiben. In meiner Vorstellung gingen diese Beiden so gar nicht zusammen. Etwas dramatisch formuliert stellte ich mir eine Begegnung zwischen Poet und Provokateur vor, eine Unterhaltung zwischen Träumer und Rationalist. In der Theorie durchaus spannend, in der Praxis oft ein stumpfes Entweder-Oder. Hier weder noch. In „Das kleine Schwarze“ stehen sich zwei Positionen gegenüber, jeder für sich. Keine perfekte Symbiose, aber auch kein wirklicher Battle. Eine Gruppenausstellung, in der alle gewinnen.

Privates und Persönliches außen vor – das Gewinnbringendste dieser Ausstellung sind die Editionen, deren Erlös allein dem Erhalt der Boutique zugute kommt: Prints diverser Oberflächen, mit kleinen Arabesken collagiert, mit Materialien verschiedener Haptik verklebt, auf Glas montiert und in einfachen Geometrien durchschnitten. Einfach, aber effektiv. Vorne wird hinten, Bildträger wird Informationsträger, Bezeichnendes wird Bezeichnetes, ein unterhaltsames Spiel mit Begrifflichkeiten. Und zudem „ästhetisch“ äußerst ansprechend. Die Editionen sind es allen voran, die Karas und Bottrops Positionen verschränken: Der eine liefert, der andere trägt ab, addiert, subtrahiert, ideell wie formal, mithin das ewige Spiel der Malerei. Gewissermaßen Malerei 2.0.

Bottrops verhältnismäßig große Formate dominieren die kleinen Räume ohne Weiteres, in ihnen findet sich das Spiel der Oberflächen und Materialien wieder, welches die Editionen so fundierte: Pastoses Schwarz steht gegen dünnes Türkis, Kreise und Dreiecke aus Farbe stehen neben Prints einer Holzoberfläche, ein übergroßer Kantholzrahmen hält die scheinbar losen Teile zusammen. In der Chronologie kommen Bottrops Arbeiten eigenartig anachronistisch daher, hatte er doch mit seinen Ausschnitten bei „TOTALE 4“ im Maschinenhaus in Essen  bereits deutlicher die Grenzen des Bildraums unterwandert. Aber geht es darum? Bildraum, Bildaufbau, Materialität, Malergesten, Inside-Jokes? Ich will es schwer hoffen. Aber noch viel mehr will ich hoffen, dass keiner die Ironie dahinter übersieht. Denn Ironie ist integraler Bestandteil dieser Malerei und mindestens ein Kriterium guter Malerei – wenn nicht sogar das einzige heutzutage. Unter anderem deswegen ist meine Lieblingsanalogie zur Malerei die Rapmusik. Nirgendwo sonst werden Setzungen derart direkt und subjektiv gemacht. Beispielsweise: „Wie zum Teufel kannst du heute noch Songs über das harte Leben auf der Straße machen?“ Analog dazu könnte man fragen; „Wie zum Teufel kannst du Malerei heute noch so bitterernst nehmen?“ Man kann. Es wird aber immer mindestens einer kommen, der sich zu Recht über diese Form des Konservatismus lustig macht. Bottrop ist so einer. Seine Malerei scheint daher irgendwie sehr aktuell, aus grob historischer Perspektive war sie das aber auch schon vor gut dreißig Jahren. Damit soll nun kein Werturteil gefällt werden, es wird lediglich darauf hingewiesen.

Den streng schwarzen Grund der Bilder Karas als den einer Malerin zu erkennen, tut man sich zunächst schwer. Scheinbar unbedacht der Auftrag, erkennbares Um-die-anderen-Teile-drum-herum-Malen, recht direkte Emblematik. Absicht? Ich denke ja. Mit Karas Videos im Hinterkopf lässt sich ihre Malerei nämlich noch auf andere Weise fassen als aus rein malereiimmanenter Perspektive.

In der Hoffnung, gänzlich auf Proust-Zitate verzichten zu können, möchte ich dazu einen Gedanken aufgreifen, der kürzlich in Bezug auf die zeitgenössische Ausstellungspraxis von Videokunst (!) am Beispiel von „Body Light“ angemerkt wurde. Der Autor monierte die bisweilen ignorante Praxis institutioneller Kuratoren hinsichtlich der Installation von Videokunst, die, im Falle der „Big Pictures“ Ausstellung des K21, vermeintlich nach wie vor hauptsächlich in Black Boxes stattfinde, anstatt, wie im Falle von „Body Light“, in einem offenen räumlichen Diskursbezug zueinander. Diesem Ansatz, so durchsetzungswürdig er auch ist, liegt der Trugschluss der Gleichheit von Video- und Filmkunst zugrunde – eine mithin rein begriffliche Unterscheidung, aber deswegen nicht minder wichtig. Letztere bedarf nach wie vor der Präsentation im hermetischen System der Black Box, liegt doch immerhin ihr Spezifikum in einer primär kognitiven Form der Rezeption. Vergleichbar etwa mit der des klassischen Theaters. Videokunst verhält sich dem gegenüber zu seinem Konsumenten hin offen, die räumliche Installation sowie die interne Struktur sind meist aufeinander bezogen und/oder argumentativer Bestandteil der Arbeit. Ein Film muss den Betrachter vereinnahmen, er lebt gewissermaßen von einer ihm immanenten Zeit- und Räumlichkeit, ein Video hingegen darf vereinnahmen, ist aber aufgrund seiner vermeintlich komplexeren Struktur grundsätzlich nicht als hermetische Form zu betrachten.

Von dieser Unterscheidung zehrt auch die Malerei Karas. Das zuerst so gar nicht malerische Schwarz ihrer Bilder erinnert also nicht nur rein nominell an das einer Black Box, vielmehr kann man die kleinen Formate im hinteren Raum der Boutique über ihren Status als Tafelbild hinaus als Stills eines ihrer Videos sehen. Zudem rahmt eine beige Fläche auf Karas starkem Großformat das matte Schwarz wie ein Vorhang ein. Der Vorhang einer Theaterbühne oder der eines alten Kinosaals? Oder etwa das Schwarz einer Burka? Mein subjektives Auge erkennt in den roten, goldenen und blauen Tupfen, in deren Positionierung im oberen Drittel der Kleinformate und ihrer leicht gekrümmten – und dadurch plastisch werdenden – Form, Ausschnitte osmanischer Schmuckstücke, etwa eines Tikkas oder Diadems; Goldenen Kopfschmuck, wie ihn in unserer Vorstellung etwa eine türkische Braut tragen könnte. Hierin spielt Kara offenbar mit kulturellen Klischees, mit dem Blick auf eine Kultur durch die Brille einer anderen. Oder so. In diesen Gedanken ließe sich auch die einzige installative Arbeit der Ausstellung einreihen, ein filigraner Blumen-Print auf annähernd quadratischem Plexi, gehalten von rohem Stahl. Er wirkt wie eine Folie, wie ein Fenster, der die Ausstellung von außen zugänglich macht. Die Form der Blumen wiederholt hier die der Diademe und wirkt dennoch wie ein Fremdkörper zwischen den Malereien, wie eine Projektionsfläche für weitreichende Assoziationen. Ohne die genaue Bedeutung dieser Schmuckstücke für die türkische Kultur zu kennen, werden wir an Karas Videos „Haram“ oder „Bülbül“ erinnert, in denen der kulturelle – nennen wir es mal – Konflikt äußerst sanft, poetisch und dadurch für uns wertungsfrei dargestellt wird. Karas Malerei ist also in meinem Verständnis keine, die, wie jene Bottrops, ihr Medium kritisch hinterfragen, vielleicht nicht einmal als solches thematisieren will, sondern allein legitimes Mittel zum Zweck, in der Formulierung ihrer Position. Die Malerei mag Kara eine kontemplative Möglichkeit der Betrachtung geben, die in Videos nur begrenzt vorhanden ist. Szenen, beziehungsweise einzelne Frames, werden so in den Zustand einer dauerhaft möglichen Betrachtung überführt, wenn auch gleichermaßen der willkürlichen Rezeptionsdauer des Betrachters ausgeliefert. Doch geht das Schwarz der Black Box dann mit jenem der Malerei Karas, als ihren Videos entstammend, überhaupt zusammen oder wird die eingangs beschriebene begriffliche Unschärfe hier nicht ebenso unklar gehalten? Für die Konstruktion einer solchen Assoziationskette ist das sicher nicht von Bedeutung, hierin liegt vielmehr das diskursive Potenzial ihrer Arbeiten. Medienspezifik, Bildbegriffe und vor allem kulturelle Erwartungen werden gegeneinander ausgespielt, deuten an und lassen doch offen. Das ist es, was sie so wertvoll macht – keine Ansage, keine große Geste, vielmehr ein subtiler Fingerzeig. Und sähe man hierzulande kulturelle Identitäten und deren gegenseitige Vorurteile nicht so konservativ, man käme bei so viel Pathos um ein Grinsen nicht herum. Möglicherweise ist es dieser hintergründige Humor, der Karas und Bottrops Positionen letzten Endes doch irgendwie zusammen bringt. Als Basis einer gemeinsamen Ausstellung wäre Humor jedenfalls nicht das Schlechteste.

Für die Boutique bleibt zu hoffen, dass sie ihre Position trotz allen Widrigkeiten irgendwie halten kann. Das Team von perisphere.de wünscht Maximilian Erbacher und Yvonne Klasen hierzu viel Erfolg. Mit „Das kleine Schwarze“ haben die beiden Kuratoren einmal mehr ihr subtiles Auge bewiesen und zunächst so disparat scheinende Positionen sinngebend zusammen bringen können.
Hoffentlich sieht die Stadt Köln das ebenso. Spread the word.

Das kleine Schwarze
MELIKE KARA
 und PEPPI BOTTROP
Eröffnung: Freitag, 10. Mai, 19 Uhr

Dauer: 11. – 31. Mai 2013

Öffnungszeiten: Fr-Sa, 16 – 19 Uhr 
und nach Vereinbarung.

http://www.boutique-koeln.de/

Digital-Soirée BOOKS AND BLANKETS 1 Sebastian Schmieg – Bilder vom Abend

Tut mir leid liebe Freunde, dass es so lange gedauert hat, aber hier endlich mal die Bilder unserer ersten Digital-Soirée am 20.4.2013 in den Räumen von Morgen Gestaltung in der Kirchfeldstraße 112. Das Video gab es ja bereits hier, alle Infos gibt es hier und auf der Projektwebseite. Die Webseite vom ersten Gast Sebastian Schmieg findet Ihr hier.
Und die Bilder hat übrigens Freund und Kollege Thomas Spallek geschossen, mit dem ich das vorgestellte BOOKS AND BLANKETS-Projekt realisiert habe.

Und wer eine der limitierten Unikat-Decken und/oder den Katalog erwerben möchte schickt uns bitte einfach eine E-Mail mit Kontaktdaten.

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Petites résistances – Rebellion als Kunstform

Rebellion vs Kunst, letztes Jahr in den Kunstwerken Berlin, dieses Jahr Düsseldorf. Hier im Rheinland aber nicht im Whitecube, mit politischem Glanz, Glamour und Revolutionsästhetik inszeniert, dafür klein, subversiv, zum mitmachen und lernen.
Auf der Straße.

Denn, die kleinen Widerstände von „Petites résistances“ sind Ausdruck des individuellen Protestes und des zivilen Ungehorsams und nicht Entwürfe für große Gesellschaftsutopien, deren Scheitern wir alle in den vergangenen Dekaden beobachten konnten. Doch zum Resignieren und Aufgeben sind wir noch lange nicht bereit.

Deshalb beginnt der Frühsommer des Widerstandes! in Düsseldorf mit dem Workshop „Akademie der Rebellion“ vom 28. Mai – 01. Juni 2013, zur Anmeldung bitte hier.
Weitere Informationen zum Hintergrund, Theorie und natürlich den Kontaktdaten zum Organisator Emmanuel Mir findet Ihr ebenfalls dort. Text dort lesen, lohnt sich!

Das Programm „Akademie der Rebellion“

28. Mai

  • 13 Uhr: Emmanuel Mir und Alain Bieber: Begrüßung und Programmvorstellung. Ort: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. (1 Std.)
  • 14 Uhr: Alain Bieber: Politische Kunst im öffentlichen Raum. Ort: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. (1,5 Std.)
  • 16 Uhr: Partizaning: Participatory Urban Replaning. Partizaning ist eine in Moskau basierte Künstler- und Aktivistengruppe, die den öffentlichen Raum als Austragungsort des politischen Diskurses versteht. Im Austausch mit den Workshop-Teilnehmern initiieren zwei Mitglieder der Gruppe eine Aktion in Düsseldorf. (PRAXIS, 3 Std.)

29. Mai

  • 11 Uhr: Jérome Fino: Hacking the sound of the city. Ort: Düsseldorf City. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Jérome Fino ist ein französischer Klang- und Videokünstler. In einer seiner bekanntesten Aktion, zweckentfremdet er Lautsprecher und tonproduzierende Geräte im öffentlichen Raum. Mit ihm gehen die Teilnehmer auf der Suche nach potenziellen Klangkörpern in die Stadt. (PRAXIS, 2-3 Std.)
  • 16 Uhr: Klaus Rosskothen: Street Art in der Galerie. Ort: Galerie Pretty Portal, Brunnenstr. 12, 40223 Düsseldorf. Der Galerist gibt einen Einblick in die internationale und lokale Street Art-Szene, präsentiert einige Künstler aus seinem Programm und spricht von den Besonderheiten des Handels mit Street Art. (1,5 Std).

30. Mai

  • 11 Uhr: Anne Mommertz: Um den heißen Brei. Ort: Düsseldorf Flingern und Oberbilk. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Die Künstlerin und Autorin führt sie durch die unbekannten Seiten zweier Stadtteile, die im Laufe ihrer Geschichte viele Umbrüche erlebt haben. Dabei kommen völlig neue Aspekte dieser populären Stadtteile zum Vorschein. (1,5-2 Std.)
  • 15 Uhr: Alain Bieber: Dérive: Zur Praxis des Herumschweifens. Ort: Düsseldorf City. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Der Kurator und Autor Alain Bieber reaktiviert eine situationistische “Technik” des urbanen Umherschweifens, bei der, anhand von einfachen Übungen, die Stadt ganz neu wahrgenommen und erlebt wird. (PRAXIS, 2-3 Std.)

31. Mai

  • 11 Uhr: Florian Rivière: Die Stadt ist ein Spielplatz. Treffpunkt: Hans Peter Zimmer Stiftung, Ronsdorfer Straße 77a. Mit dem Künstler und Urban Hacktivist Rivière, der Gegenstände im öffentlichen Raum zweckentfremdet um dessen spielerisches Potenzial zu Tage zu fordern, gehen Sie durch die Straßen der Stadt und spielen mit vorgefundenen Objekte und Situationen. (PRAXIS, 2-3 Std.)
  • 16 Uhr: Andi Wöhle und Fabian Haupt: Die Stadt ist ein Turnplatz. Ort: N.N. Die Parkour-Sportart ist eine neue Bewegungsform im urbanen Raum, die keine Hindernisse kennt und Mauern, Fassaden oder Rampen als Möglichkeiten des akrobatischen Fortkommens betrachtet. Hier wird die Stadt körperlich erfahren. Die Werkstatt ist eine Einführung in die Kunst des Parkours.  (PRAXIS, 3 Std.).

1. Juni

  • 11 Uhr: Emmanuel Mir: Führung durch die Ausstellung Petites résistances. Exklusive Preview! Wenige Stunden vor ihrer Eröffnung gewährt der Kunstwissenschaftler und Kurator der Ausstellung einen Blick hinter den Kulissen.
  • 13 Uhr: Gemeinsamer Besuch der Interventionen. Die Interventionen oder Performances, die während den Praxis-Werkstätten stattgefunden haben, werden im Plenum besucht und besprochen. Aufs Fahrrad und ab durch die Stadt!
  • 17 Uhr: Diplomverleihung und Hängung der Dokumentationen. Siehe unten.

Die Ausstellung im Weltkunstzimmer: Petites résistances  – Rebellion als Kunstform (1. Juni -13.Juli 2013) 

Nach dem Workshop geht es dann etwas konservativer, aber dennoch nicht weniger relevant und interessant weiter. Am 1. Juni eröffnet die Ausstellung Petites résistances  – Rebellion als Kunstform (1. Juni -13.Juli 2013) im Weltkunstzimmer, Düsseldorf.
Die Ausstellung bringt arbeiten von internationalen Top-Leute zusammen, von denen die allermeisten noch nie hier zu sehen waren. Mit dabei sind: Brad Downey, Cheesecake Powerhouse, Jérome Fino, Fröhlich, Mladý, Simánek & Turner,  Harmen  de Hoop, Marlene Hausegger, Klara Lidén, Ann Messner, Anne Mommertz, Partizaning, Florian Rivière, Helmut Smits, The Wa und Yomango.
Wem die Namen nichts sagen, nutzt die Suche beim Kollegen Alaine Bieber.

Außerdem:

Freitag 21. Juni 2013, 20.00 Uhr „Nacht der Anarchie“

Filmscreening und BAR-becue im WELTKUNSTZIMMER

Samstag 13. Juli 2013, 16.00 Uhr Kuratorenführung

Kostenlose Führung von Emmanuel Mir durch die Ausstellung

 

Aktuelle Infos hier bei uns und natürlich auf der Projektwebseite
http://petites-resistances.tumblr.com/.

 

10qm Abschluss

10qm war der Titel des temporären Pop-Up-Projekts von Stefanie Klingemann und Diane Müller im öffentlichen Raum von Köln Nippes. Ort und Bühne war ein etwas eigentümlich geteerter (Park?)platz, der dann jeweils für kurze Zeit auf unterschiedliche Arten umgenutzt wurde. Infos zum Projekt und den Teilnehmern gibt es auf der Projektwebseite, hier.

Das letzte mal agierte am 26.4. Uschi Huber mit „Tulipa“vor Ort. Im Laufe des Abends wurde sie von Les Éclairs, Petra Klabunde, Kwaggawerk, Krickeberg & Steins und ray vibration mit Jan Arlt unterstützt. Es gab Objekte, Blumen, Bild, Ton, Video und am Ende eine echte Kapelle die fantastisch schräg spielte.
Wir waren selber vor Ort, hatten aber die Kamera im Auto gelasssen, deshalb gilt hier: Alle Bilder by Stefanie Klingemann, die Ihr natürlich alle über das fast schon legendäre MOFF-Magazin kennt.

Abschlussveranstaltung des 10qm Projekts im öffentlichen Raum (Kuenstraße / Ecke Florastraße in Köln Nippes) am 26.4.2013 von 18-22 Uhr mit
Uschi Huber
Les Éclairs
Petra Klabunde
Kwaggawerk
Krickeberg & Steins
ray vibration mit Jan Arlt

http://www.10qm.de/
organisiert von Stefanie Klingemann und Diane Müller

Alex Whittaker im Hotel Ufer

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Gebissen vom Kunstdämon. So könnte man den Mann beschreiben. René Tilgier, irgendwo um die Vierzig, stolzer Besitzer eines Gasthauses in zentraler Lage und erfolgreicher Hotelier in der dritten Generation, ist ein begeisterter Kunstliebhaber wie man sie nur noch selten trifft. Ein Leben ohne Kunst scheint ihm undenkbar zu sein. Und zwar nicht nur als Rezipient, bzw. Konsument, sondern zunehmend als Akteur und Gestalter. Sich in einem Freundeskreis zu bewegen, der zum guten Teil aus Absolventen der hiesigen Kunstakademie besteht, Kunst zu sammeln oder, Beruf und Passion verbindend, die vom Kit oder von der Kunsthalle eingeladene Künstler zu beherbergen– das war ihm nicht genug. „Als Hotelbesitzer bekomme ich Künstler praktisch frei Haus geliefert“, erzählt er. Es sei zwar eine schöne Austauschbasis, aber noch längst keine tiefe Auseinandersetzung. Weil er genau diese Intensität vermisste, entschied sich Tilgier, Kunst und Künstler dauerhaft in sein Haus zu holen. Den Anfang macht der junge Brite Alex Whittaker, der seit letzter Woche eine Videoarbeit und eine Installation in einem Zimmer des Hotels Ufer zeigt.

Hotel Ufer. Bild: A. Whittaker

Renés erste Erfahrung mit einer Ausstellung in den Räumlichkeiten des Hotels geht übrigens auf das Jahr 2001 zurück, als er eine Auswahl an Studenten der Kunstakademie auf  zwei Etagen präsentierte. Ein paar Jahre später fand eine kurze Zusammenarbeit mit Akiko Bernhöft und Patrizia Dander im Rahmen des Projektes White Light statt. Aber das neue, mit Whittaker lancierte Programm ist etwas ganz anderes. Im vergangenen Jahr rief Tilgier ein Stipendium ins Leben, das völlig privat organisiert und finanziert ist. Unter dem Name Brave Grey Artist in Residence Programm adressiert sich das Projekt an Absolventen des Chelsea College of Art and Design in London. Für die erste Ausgabe war der Zuspruch erstaunlich groß: Über 70 Bewerber haben ihr Glück versucht und wurden von einer fünfköpfigen, britisch-deutschen Jury begutachtet.

Christoph Knecht, Alex Whittaker und René Tilgier

Verglichen zu den lokalen Stipendien, die die Stadt Düsseldorf an fremde Künstler vergibt, ist das Angebot von Tilgier sogar ein bisschen verlockender. Der Laureat darf ganze drei Monate in der Stadt bleiben – anstatt der zwei Monate, die üblicherweise gelten und die von den meisten Betroffenen als zu kurz empfunden werden. Während dieser Zeit wurde Whittaker eine Wohnung und ein Atelier sowie ein bisschen Taschengeld zur Verfügung gestellt. Der Künstler wurde von Christoph Knecht (der René Tilgier beratend zur Seite steht und auch Mitglied der Jury war) begleitet und in die lokale Szene eingeführt. Die Integration verlief also ideal; für den Briten kam es zu zahlreichen Kontakten, die in einzelnen Fällen sogar zu freundschaftliche Verhältnisse mutierten. Was kann man eigentlich noch von einem Stipendium erwarten? Aus Sicht des Außenstehenden vielleicht einen Gegenzug. Bedauerlicherweise ist das Brave Grey Artist in Residence Programm eine Einbahnstraße; der künstlerische Transit führt nur in die Richtung London-Düsseldorf. Aber kann man die komplette Abwicklung eines internationalen Austausches von einem Privatmann erwarten? Hier wäre womöglich ein Einschalten der Stadt gefragt.

Alex Whittaker erzählte, wie bereichernd sein Aufenthalt war und wie gut er die selbsternannte Kunststadt Düsseldorf fand. Seine Eindrücke sind von einer sehr lebhaften Szene geprägt, die viele neue Impulse vermittelt und zugleich nicht in Hektik verfällt. Anders als in London, könne man in Düsseldorf konzentriert an seiner Kunst arbeiten, einem großen Connaisseur-Publikum begegnen, viele Kollegen kennenlernen ohne sich an der aufreibenden Stimmung einer Großstadt zu erschöpfen. Düsseldorf gibt viel, fordert dafür aber wenig. Deshalb wurde es fast eine Selbstverständlichkeit für Whittaker, eine Arbeit dem Hotel Ufer zu überlassen. Mit Winter Morning Immersion hat er eine feine Videoarbeit in einem Zimmer installiert, die von den Gästen immer wieder abgerufen werden kann.

Besonders im Düsseldorfer Kontext ist Whittakers Ansatz ein interessanter, weil er Bereiche verbindet, die man hier selten zusammen sieht. Seine konzeptuelle Herangehensweise, die auf den ersten Blick kühl und distanziert erscheinen kann, mildert er mit narrativen und biografischen Elementen, die ihn in die Nähe eines Story-Tellers bringen. Mit einem dezenten Humor und einem großen Sinn für die Harmonien und Dissonanzen, die zwischen Bilder und Begriffen entstehen können, illustriert er eine kurze Geschichte (eine wahre Kindererinnerung) mit Stockbilder, die er aus der Google Image-Search-Funktion gezogen hat. Magritte im Zeitalter des Internets. Die Paarung Vignette-Wort wirkt mal sachlich-richtig, mal verschoben-komisch und spielt mit semantischen Lücken und Deutungsspielräumen. So wandert Whittaker entspannt und rührend zugleich (wahre Geschichte sind ja immer rührend) durch eine mentale Landschaft, die von jedem Betrachter neu kreiert und animiert wird.

Stills aus Winter Morning Immersion. © courtesy Alex Whittaker
Still aus Winter Morning Immersion. © courtesy Alex Whittaker

Winter Morning Immersion  wirkt wie eine schöne, wenn auch etwas traurige Gute-Nacht-Geschichte, die zwar ein visuelles Universum evoziert, aber sich über die Richtigkeit und die Tragweite ihrer Worte und ihrer Bilder unsicher wäre. Die kongeniale Platzierung in einem Single-Hotelzimmer, diese nüchterne Zelle der Einsamkeit, betont die zurückhaltende narrative Kraft der gesamten Installation.

Bild: A. Whittaker
Bild: A. Whittaker

Als Pendant des Videos hat Whittaker eine kleine Box fest im Zimmer installiert. Wie viele seiner früheren Arbeiten, ist sie im Inneren mit Glas- und Spiegelfläche so verarbeitet, dass die wenigen Objekte, die sie beinhaltet – eine Zahnpastatube, dessen Name („White Now“) indirekt auf die Videocollage verweist, eine Porzellanfigur mit Häschen und ein Glas – sich ins Unendliche reflektieren. Eine Mise en abyme, die sehr typisch für Whittaker ist.

Für Tilgier ist die Ausstellung von Alex Whittaker im Hotel Ufer keine Pflicht, sondern ein erfreuliches Ergebnis. Der Hotelier stellt keinerlei Erwartungen an seine Stipendiaten. In erster Linie soll der Düsseldorfer Aufenthalt eine Möglichkeit bieten, sich forschend zu betätigen und, frei von jeder materiellen Sorge, an Neuem zu arbeiten. Für junge Londoner Künstler ist das Brave Grey Artist in Residence Programm eine hervorragende Gelegenheit, ein neues Land zu entdecken und das unbekannte Terrain zu erobern. In diesem Sinne könnte der Name des Hotels künftig eine stärkere  symbolische Bedeutung erhalten….

Alex Whittaker
Winter Morning Immersion
Ausstellungseröffnung: Freitag, 19.04.2013 19:00 Uhr
im Hotel Ufer
Gartenstrasse 50, 40479 Düsseldorf

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Schön war es am Samstag Abend, bei unserer ersten Digital-Soirée. Das Wetter zeigte sich von der besten Seite, die Stimmung war gut und das Haus kontinuierlich voll. Das freut uns und muss erwähnt werden, denn wer sich im Underground rumtreibt, der kennt auch Anderes.
Off ist eben Off, und eigentlich auch nur dann wirkliches Off, wenn man quasi alleine bleibt, Keiner kommt und man dann da so sitzt, um die Getränke mit den engsten Freundinnen und Freunden und dem einen seltsamen Vogel, den keiner kennt und der trotzdem herfand, wegmachen muss.

Doch diesmal war es anders – zum Glück! Und über das Andere, das Einsame und das Versagen wollen wir jetzt nicht sprechen. Denn als Versager und Verlierer darf und will man sich nicht outen. Das ist Tabu, vor allem natürlich hier in der Welt der Kunst, in der alle möglichst bald Gewinner sein wollen und darüber völlig vergessen, dass es keine Abkürzungen im Leben gibt.

Wir nehmen keine Abkürzung, weil wir wissen, dass wer zu früh am Ziel ankommt bekanntlich lediglich etwas eher tot ist. Statt dessen setzen wie unsere Reise fort und haben mit diesem neuen Projekt Digital-Soirée einige neue Stationen und Wegmarken angelegt. Schön, dass der Auftakt zu diesem Wegstück so gut gelungen ist, schön dass einige von Euch dabei waren.

Wer unsere Gäste verpasst hat, der macht jetzt 2 Minuten Pause mit dem neuesten Clip von Lars Klostermann.

BOOKS AND BLANKETS from meta-unlimited on Vimeo.

Daheim oder Unterwegs – Podiumsdiskussion im Onomato

Daheim oder Unterwegs

Stipendien, Preise, Zuschüsse
Möglichkeiten der Projekt- und Künstlerförderung

Podiumsdiskussion über die Möglichkeiten der Projekt- und Künstlerförderung in Nordrhein-Westfalen und der Region Düsseldorf

Starthilfe? Anerkennung? Motivation? Erweiterung des Horizontes? Leben & Überleben? Mitwirkung am kulturellen Leben & Geschehen in der Stadt? Stärkung der Kunstszene?

Die öffentliche und private Förderung in der bildenden Kunst kann unterschiedliche Formen haben. Ob im Rahmen allgemeiner Bezuschussung, eines Preises oder eines Stipendiums: Eine Unterstützung der Länder, Kommunen und Stiftungen kann Künstlerinnen und Künstlern helfen ihren Weg zu gehen.

Doch kommt die Förderung dort an, wo sie hin soll? Wo hilft sie konkret? Lässt sich das Ergebnis und die Wirkung von den Förderern überprüfen? Was kann an dem System und der Vergabe verbessert werden, damit eine wirkliche Hilfe zustande kommt? Was ist bei der Bewerbung und Antragstellung zu beachten und wer kann dabei helfen? Und lässt sich die Art der Unterstützung überhaupt noch mit dem heutigen Alltag bildender Künstlerinnen und Künstler vereinbaren?

Die Podiumsdiskussion Daheim oder Unterwegs wird anhand konkreter Beispiele aufzeigen, welche Fördermöglichkeiten es zurzeit in NRW und Düsseldorf für die bildende Kunst gibt und welche konkreten Erfahrungen Akteure im Kunstbereich auf ihrem bisherigen Weg damit gemacht haben. Die Darstellung verschiedener individueller Erfahrungen und Entwicklungswege soll Hinweise auf den Zugang und die Wirkungsweise von Fördermitteln aufzeigen und neue Tendenzen und Perspektiven darstellen und eröffnen.

Zu den Teilnehmern der Podiumsdiskussionen gehören Künstlerinnen und Künstler verschiedener Ausrichtung, Kunstvermittler und -vermittlerinnen und Vertreterinnen der Kulturabteilung des Ministeriums und des Kulturamtes der Stadt Düsseldorf.

Donnerstag, 25. April 2013, 17 Uhr
onomato künstlerverein
Birkenstrasse 97, 40233 Düsseldorf-Flingern

Podiumsteilnehmer:
Marianne Schirge (Kulturamtsleiterin, Kulturamt Düsseldorf)
Dr. Ingrid Stoppa-Sehlbach (Referatsleitung Museen, Kunst und Film, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW)
Uschi Huber (Künstlerin / Mitherausgeberin des Fotomagazins Ohio)
Gereon Krebber (Künstler, Professor für Bildhauerei, Kunstakademie Düsseldorf)
Florian Kuhlmann (Künstler / Kurator / Blogger)
Markus Ambach (Künstler / Projektautor)

Moderation:
Friederike van Duiven (Künstlerin, Kuratorin und Vorsitzende des BBK Landesverbandes NRW)

Veranstalter: Kulturwerk des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler Landesverband NRW e.V.
Stapelhaus / Frankenwerft 35, 50667 Köln, www.bbk-landesverband-nrw.de

Guten Morgen Düsseldorf, guten Morgen Welt!

Hurra! Hurra! Der Golfstrom ist doch nicht versiegt und die Eiszeit kommt ebenfalls noch nicht zu uns. Keiner hat mehr damit gerechnet, doch der Frühling ist da und endlich geht das Leben wieder los. Und auch wir starten pünktlich zum Aufblühen der Welt mit neuen Projekten.

Deshalb unser Gruß an die Welt diesmal mit Hinweis auf den kommenden Samstag 20.4.2013, an dem wir den Berliner Künstler Sebastian Schmieg in unsere Räumen in Düsseldord Friedrichstadt begrüßen dürfen.
Am Samstag Abend kommen zwei neue Projekte zusammen: Digitale Soiree heißt ein Projekt, dass wir gemeinsam mit MORGEN Gestaltung ins Leben gerufen haben, um uns dort in Zukunft frei und intensiv mit dem Fragen Rund um Netz, Kunst, Kultur und digitalisierter Welt zu beschäftigen.
Books and Blankets wurde hier bereits mehrfach erwähnt und wird am Samstag abend im Rahmen der digitalen Soiree präsentiert.

Samstag, 20.04.
19.00 Uhr
Kirchfeldstraße 112
Düsseldorf

www.sebastianschmieg.com
www.booksandblankets.org

Vorab gibt es jetzt schon mal dieses wilde Video von Thomas Spallek, in dem angedeutet wird um was es am Samstag geht. Wer nix versteht grämt sich nicht, sondern kommt einfach vorbei, und wer etwas zu verstehen glaubt darf natürlich ebenfalls kommen.

BOOKS AND BLANKETS 1 – Sebastian Schmieg from Thomas Artur Spallek on Vimeo.

Samstag 20.4.2013 – Digital-Soirée präsentiert BOOKS AND BLANKETS 1

Wir hatten bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass wir gemeinsam mit Thomas Spallek an einem neuen Projekt arbeiten. Jetzt ist es soweit: BOOKS AND BLANKETS 1 ist fertig und wird kommenden Samstag, den 20.4.2013 in unseren Galerieräumen in der Kirchfeldstraße 112 in Düsseldorf präsentiert. BOOKS AND BLANKETS ist ein Editionsprojekt bestehend aus Decken und Büchern, die wir gemeinsam mit einem ausgewählten Künstler gestalten und entwickeln.

Den Auftakt machen wir zusammen mit dem in Berlin lebenden Sebstian Schmieg. Schmieg beschäftigt sich im Rahmen seines Search by image Projekts mit Googles umgekehrter Bildersuche. Mit Hilfe eines selbst entwickelten Skripts füttert er Google mit einem Bild, das zurück gegebene Ergebnis nutzt er für die nächste Anfrage. Die in diesem rekursiven Prozess entstehende Feedbackschleife setzte er in Bilder-Clips um, in denen die Bilder wie in einem Daumenkino ablaufen.

In den kommenden Tagen werden wir das mit Sebastian geführte Interview hier schon mal vorab veröffentlichen. Hier ein erstes Bild der kuscheligen Decken.

Samstag, 20.04.
19.00 Uhr
Kirchfeldstraße 112
Düsseldorf

www.sebastianschmieg.com
www.booksandblankets.org

 

The Ocean and the River in versch. Kölner Projekträumen

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Alle rheinischen Rivalitäten zu Trotz, ist es immer wieder erfreulich festzustellen, dass manche kölnische Umstände sich wenig von denen Düsseldorfs unterscheiden. Im Kapitel „Die Medien sind das Sprachrohr der bürgerlichen Empörung“, Abschnitt „Unser Dorf soll schöner werden“, herrscht nämlich der gleiche Tenor. Während die Landeshauptstadt den Worringer Platz zum offiziellen „Schandfleck“ gekürt hat, hat der Ebertplatz in der Domstadt ein solches Prädikat geerbt. Dort und drüben soll es hässlich, dreckig, laut und gar gefährlich sein. Alkoholiker, Dealer und mit Sicherheit sehr bald „Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien“ verunsichern die Bevölkerung – wenn man der populistischen Presse Glauben schenkt. Indes sind es genau diese zwei Plätze, die seit ein paar Jahren zu den neuralgischen Entstehungs- und Vermittlungszentren für junge Kunst geworden sind.

Am Ebertplatz, zwischen Boutique und Halle für Vollständige Wahrheit – Bild: Y. Klasen

Kein Standort in Düsseldorf zieht so viele Off-Projekte an wie der Worringer Platz; und der Ebertplatz ist seinerseits zum inoffiziellen Herz der unabhängigen Kölner Kunstszene geworden. Wie üblich im Zyklus der Gentrifizierung, leisten die dort angesiedelten Projekträume (Boutique, Bruch und Dallas sowie die Halle für Vollständige Wahrheit) praktisch Pionierarbeit, indem sie die verwaisten Läden bespielen, Leben in die Passage einhauchen und das Publikum mit Eröffnungen, Veranstaltungen und Partys anlocken. Ob irgendwann die Journaille verstehen wird, dass urbaner Raum mit geringem wirtschaftlichen Verwertungspotenzial und einer nicht-konventionellen „Aufenthaltsqualität“ zur Biotope für atypische Aktivitäten und Lebensformen (Stichwort: Obdachlose) werden kann?

Das sind die portugiesischen Künstler in Köln – Bild: Y. Klasen

Am Ebertplatz braut sich wieder etwas zusammen. Was mit einer privaten Reise anfing geht weiter mit einem aufwändigeren Künstleraustausch. Vor ein paar Monaten fuhren Paul Leo, einer der zwei Betreiber der Halle der Vollständigen Wahrheit, zusammen mit Yvonne Klasen, Mitbegründerin der Boutique und des Karat-Schaufenster am Friesenplatz, sowie mit Malo, der die höher erwähnte Halle mitbetreut, nach Porto. Sie trafen dort auf eine kleine und sehr aktive Szene von ausstrebenden Künstlern, die zwar voller Energie und Gestaltungsdrang erfüllt sind, jedoch keine Aussicht auf eine Vermittlung ihrer Arbeit finden. Anders als hierzulande ist die Gruppe der Interessenten für zeitgenössische Kunst in der portugiesischen Stadt beschränkt. Es gibt nur wenige Galerien, die auf internationalem Niveau arbeiten und zu wenige Institutionen, die sich für den Nachwuchs engagieren. Und die ausstrebenden Künstler voller Energie und Gestaltungsdrang tun viel um ihre Energie und Gestaltungsdrang sinnvoll zu kanalisieren; aber sie agieren eben nur unter sich. Die Bemühung, ein selbstorganisiertes Netzwerk aufzubauen und zu unterhalten, ist verschenkt, wenn das Publikum sich partout nicht für das Angebot interessiert. Trotz zahlreicher Initiativen beißt sich der Hund in den Schwanz und die Akteure treten auf der Stelle.

Diana Carvalho in der Boutique
Diana Carvalho
Diana Carvalho
Diana Carvalho

Die unabhängige Kunstlandschaft in Porto ist also nicht unbedingt von einem großen Stillstand gekennzeichnet, aber niemand hört den Ruf. Da ist zum Beispiel Maus Hábitos (auf dt.: „Schlechte Gewohnheiten“), eine mittlerweile etablierte Initiative, die sich neben der Bildenden Kunst auch dem Tanz, der Musik und dem politischen Aktivismus zuwendet. Da ist auch Na casa com, eine Art jährlich stattfinder Tag der Offenen Türen, bei dem eine kleine Gruppe von Künstlern ihre Ateliers der Öffentlichkeit öffnen. Ein kritischer Überblick über die selbstorganisierte Kunstszene von Porto erfolgt in kurzem an dieser Stelle.

Hernâni Reis Baptista – Bild: Y. Klasen
Hernâni Reis Baptista – Bild: Y. Klasen

Jedenfalls entschieden sich die drei kölner Künstler etwas zu tun und verpflanzten die Idee des Offs in den Köpfen ihrer portugiesischen Kollegen. Die kleine Kölner Delegation erzählte von ihren Erfahrungen als Off-raum-Betreiber und Gestalter eines lokalen künstlerischen Angebots und ermutigten ihre Gastgeber selbst aktiv zu werden. Bei dem großen räumlichen Leerstand in Porto und der Anzahl an Künstlern, die sich selbst überlassen sind, sollte die Motivation prompt greifen. Aber zunächst wollten sich die Portugiesen ein Bild der Lage machen und das Off vor Ort erleben. Nachdem in Januar über 30 Künstler interviewt wurden, wurden sechs auserwählt, nach Köln zu fahren um ihre Arbeit zu präsentieren und die Szene kennenzulernen. Dank einer Förderung der Bezirksregierung Köln fielen Fahrt- und Übernachtungskosten nicht zu Last der Organisatoren; der erste Künstleraustausch zwischen Köln und Porto war geboren.

Mónica Lacerda – Bild: Y. Klasen
David Ferreira – Bild: Y. Klasen
David Ferreira – Bild: Y. Klasen

Zur Ehre ihrer Gäste sind zahlreiche Projekträume zusammen gekommen und haben ein kleines Festival organisiert mit dem schönen Titel „The Ocean and the River“. Jeder der sechs portugiesischen Künstler erhielt eine Ausstellung, ob Maria Trabulo in den freien Schaukästen von Karat, Rita Medinas Faustino in der Baustelle Kalk oder Hernâni Reis Baptista im Klub Genau. Zusätzlich zu seiner Einzelshow in einem zu diesem Zweck gemieteten Lkw realisierte David Ferreira eine Performance am Ebertplatz, wo er die Zugänge des Ortes mit Kisten absperrte und damit die Passanten zu kreativen Umgangsstrategien zwang. Ein knapper Tag nach der Eröffnung ihrer Ausstellung in der Halle der Vollständigen Wahrheit wurde ihrerseits Mónica Lacerda gezwungen, ihre Arbeiten zu räumen: Schon am Samstagabend fand da ein Konzert statt und die Party ging bis zum Morgengrauen. Wer am Sonntagnachmittag zur Diskussionsrunde am Ebertplatz kam, traf ein gutes Dutzend leicht ermatteter Künstler, sich über die Lage der jungen Kunstszene in Porto unterhaltend. Noch war die Arbeit von Diana Carvalho in der Boutique zu sehen; wenig später verreisten die sechs zurück nach Porto.

Maria Trabulo
Maria Trabulo
Maria Trabulo

Und wie geht’s weiter? Im September werden sechs Kölner Künstler nach Porto fahren und ihre Arbeit dort präsentieren. Da die Vermittlungsstruktur (d.h.: ein Raum und Menschen, die sich darum kümmern) nicht vorhanden ist, stehen noch viele Details dieser Reise in den Sternen. Aber wir werden berichten….

when people had computers – Konzert in der Halle für Vollständige Wahrheit – Bild: Y. Klasen
Diskussionsrunde am Ebertplatz

 

 

Endlos im Asta-Raum

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Es kam eben anders. Anstatt des Debüts eines Newcomers bot der Asta-Raum ein Wiedersehen mit zwei Akademie-Alumni, die seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit tätig sind. Am vergangenen Samstag endete die Ausstellung von Taka Kagitomi und Nesha Nikolic mit einer Doppelperformance beider Künstler. Dabei war der  kleine Raum vor der S-Bahn-Brücke auf der Gerresheimer Straße zu voll, um allen Gästen Platz zu bieten.

Beide Künstler wurden von Maurice Urhahn, einem Kiecol-Schüler, eingeladen. Möglicherweise hatte Urhahn geahnt, welches Potenzial eine solche Konfrontation mit sich bringt. Während Nikolic eher brachial und körperbetont arbeitet und dabei gerne seine Stimme (oder andere, live produzierte Klänge) einsetzt, hat Kagitomi eine eigentümliche Vorliebe für skurrile kinetische Objekte, die er aus Fundstücken zusammen setzt und zum Leben erweckt. Zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die eine gewisse hartnäckige Konsequenz als gemeinsamen Nenner haben. Die zwei Performer sind sich übrigens nicht unbekannt: Sie haben zum gleichen Zeitpunkt studiert, waren praktisch Klassennachbarn (Kagitomi bei Tal.R und Nikolic bei Georg Herold) und schätzen sich seit einigen Jahren; zusammen gearbeitet hatten sie aber noch nicht.

 

Nesha Nikolic

Taka Kagitomi

So fanden sie sich wieder, zunächst, für den ersten Teil der gemeinsamen Performance, um Kagitomis große Installation – ein Gerät, das ein wenig an einen gekippten Billardtisch erinnert und bunte Tischtennisbälle ausspuckt. Nikolic modulierte am Mischpult seine Stimme, so dass sie stets neue Färbungen annahm und immer fremder, elektronischer wurde. Kagitomi führte währenddessen seine lustigen Geräte aus und erntete wohlwollende Heiterkeit.

Taka Kagitomi
Taka Kagitomi

Im zweiten Teil (war das wirklich ein zweiter Teil?, eigentlich eher ein Abschluss…) ging Nikolic in den Hinterraum und postierte sich vor einem Laptop. Auf diesem lief als Loop ein kleines Video, das die gewaltige Zerstörung eines ähnlichen Laptop-Modells zeigte. Nun geschah was geschehen sollte: Nikolic ergriff ein Beil und nachdem er pathetisch „Progress ist Regress! Es gibt kein Progress!“ geschrien hatte, zertrümmerte er das Gerät und dessen Sockel. Heftig, konzentriert, effizient.

Nesha Nikolic
Nesha Nikolic
Nesha Nikolic
Nesha Nikolic

Technikfeindlichkeit? Fortschrittszweifel? Infragestellung unserer PC-beherrschten Welt? Ein wenig plump. Und nicht unbedingt neuartig: Vor fünfzig Jahren zerstörte Günter Uecker methodisch Fernseher, Klavierflügel und andere Stellvertreter der  besitzfixierten bürgerlichen Ordnung. Wenn man sich aber den Titel und das Thema der Ausstellung („Unendlich“) vor Augen führt, bekommt man einen anderen Zugang zu dieser authentischen Zerstörungswut: Man kann diese Energieausladung als ewige Wiederkunft interpretieren, als eine nie endende Wiederholung – als eine abrechnende Geste, die jede Generation für sich vollziehen muss, egal was in der Vergangenheit bereits zertrümmert wurde.

Endlos
Taka Kagitomi und Nesha Nikolic
Asta-Ausstellungsraum
Gerresheimerstr. 100, 40233 Düsseldorf
25-3-6.4.2013

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE im Institut für Alles Mögliche

Text: Luisa Hänsel

Das Institut für Alles Mögliche experimentiert gern, vor allem wenn jeder mitmachen kann. Das neueste Experiment wurde am Donnerstag, dem 4. April, gegen 19 Uhr in der Abteilung für Alles Andere in der Ackerstraße 18 erstmals vorgeführt – die „USB-Shuffle-Show“: mit einem Open Call rief das Institut alle Interessierten dazu auf die eigenen Kunstwerke auf USB-Stick per Post einzuschicken. Wer bis zum 31. März seine Arbeit eingereicht hatte, wurde ohne Umschweife Teil der Show und erhielt die Chance seinen digitalen Beitrag einem Publikum vorzuführen.


Auf einem kleinen Couchtisch türmen sich Speichermedien in allen möglichen Ausführungen. Neben klassischen San-Disk-Modellen aus schwarzem Kunststoff, finden sich auch Hartplastik-Werbegeschenke oder praktische Miniatur-Formen fürs Portemonaie. Besondere Highlights: ein pinkes Nilpferd, ein mit Glitzer-Lametta verziehrter USB-Stick und eine graue, quadratische Box aus dicker Pappe.

Fast einhundert Datenspeicher beinhaltet der sorgfältig angelegte Katalog, den alle Besucher der Ausstellung in Form eines Memoriesticks als Begrüßungsgeschenk erhalten. So können sich Besucher die Kunstwerke speichern und mit nach Hause nehmen. Die schier unmögliche Ordnung des digitalen Chaos überblickt im Raum nur eine: Hanna – die Praktikantin.

Hanna sitzt mit dem Künstler Jona auf dem Sofa im vorderen Bereich des Raumes und steckt ein paar der nicht-flüchtigen Halbleiterspeicher in die dafür vorgesehenen Sammelbuchsen. Einen Augenblick päter wird der Film „Busen” an die Wand projiziert. Wir sehen mehrere Frauen oben ohne. Dann laufen verschiedene Bilder aus einem unbekannten Stadtraum von einem türkisfarbenden USB-Stick und im Anschluss erhalten wir eine Anleitung wie man sich imaginäre Freunde macht.

„Wenn ich mich an die Sachen erinnere, bedeutet das entweder, dass sie besonders gut oder besonders schlecht sind.“ erklärt mir Hanna mit einem Grinsen. Recht hat sie. Qualitativ unterscheiden sich die Filme und Fotos weit voneinander. Ein herausstechender Beitrag befindet sich in der quadratischen Pappbox.
Das Video auf dem Stick zeigt eine Einstellung aus der Subjektiven. Zwei Hände basteln mit Cutter, Kleber und Pappe den gerade benutzten USB-Stick. Was allerdings neben dem Speicher noch in den Karton eingepflanzt wird, ist geschickt ausgeblendet worden und verbleibt für den Betrachter im Dunkeln.

Auf die Frage, ob die gezeigten Werke zum Großteil von bildenden Künstlern stammen, antwortet mir der Gründer des Instituts, Stefan Riebel nur so viel wie „Das spielt keine Rolle. Jeder konnte ja seine Ideen einreichen.” Eine streng kuratierte künstlerische Leistung, soll in der USB-Shuffle-Show auch gar nicht gezeigt werden.

In erster Linie möchte das Institut für Alles Mögliche untersuchen ob der beliebte Datenspeicher auch ein Ort für Kunst und Kultur sein kann. Außerdem soll die Ausstellung zum Überdenken der Urheberschaft, Einzigartigkeit, Interaktivtät und kuratorische Praxis anregen.

Die USB-SHUFFLE-SHOW – ONE
4. – 6. April 2013
Institut für Alles Mögliche, Berlin 
Weitere Info unter: http://usb.i-a-m.tk/

 

Schall und Rauch im Kunstraum: schwarz_weiß_denken_#1

Eine Bildstrecke zur Installation schwarz_weiß_denken_#1 im Kunstraum Düsseldorf. Dort ist derzeit die Ben J. Riepe Kompanie aktiv, eine Tanzkompanie, die seit Jahren an den Rändern von Tanz, Musik und Bildender Kunst arbeitet. Die Bilder zu schwarz_weiß_denken_#1 sind von letzter Woche und leider fehlt auf diesen naturgemäß des Sound der die Sache vor Ort erst richtig Rund gemacht hat.
Bis zum Sonntag ist dort aktuell übrigens noch schwarz_weiß_denken_#4 installiert.

schwarz_weiß_denken_#1

alle Bilder von Martin Baasch via Email (Danke Martin!)

Ben J. Kompanie
„schwarz_weiß_denken_#1“ (Nebelraum)
Ausstellung im Kunstraum Düsseldorf

http://www.benjriepe.com/

Body Light bei Venus und Apoll – eine Nachlese

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Fotos: Sirin Simsek

 

Nicht, dass wir uns missverstehen: Es soll im Folgenden nicht partout versucht werden, eine neuartige Tendenz zu erkennen oder gar einen artifiziellen Trend zu kreieren. Nichts liegt mir ferner, als der vermeintliche Beobachter und Kommentator einer neuen, homogenen Generation zu fungieren – einer Generation, deren Homogenität hauptsächlich aus dem schön zusammen gedichteten Konstrukt eines Kunstwissenschaftlers bestehen würde. Ich möchte nur auf die Verdichtung einiger Anzeichen aufmerksam machen und fragen, ob eine ganze Gruppe von Düsseldorfer Nachwuchskünstler nicht als „romantisch“ bezeichnet werden könnte. Fragen, ob jene Kunstschaffenden, die Anfang der 1980er Jahren geboren wurden und entweder ihr Kunststudium vor kurzem abgeschlossen haben oder es bald tun werden, nicht auf eine romantische Weltsicht rekurrieren. Fragen ob sie, bewusst oder unbewusst, Stilelemente verwenden und eine Haltung verkörpern, die sehr an Formen der historischen Romantik erinnern. Denn– zumindest in Düsseldorf – verdichten sich die Hinweisen.

In einem früheren Artikel hatte ich mich bereits über den eigentümlich romantischen Charakter der künstlerischen Einstellung von Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek gewundert. Ihr Projektraum Studio Roh, dem ich neuerdings einen zweiten Besuch abstattete, ist von eine idealistische Vision und einer erfrischenden, emotionalen Begeisterung getragen, die selten geworden ist. Weit entfernt vom strategischen Kalkül, von der abgeklärten Coolness oder der post-postmodernen Ironie, die in diesem Milieu vorherrscht, wird dort an einer Parallelwelt – einem existentiellen Gesamtkunstwerk – gearbeitet. Mit viel Pathos und Herzblut. Ich hatte versucht, diese Eigentümlichkeit am genuinen Charakter der zwei Künstler zu interpretieren und mir zunächst keine weiteren Gedanken gemacht. Aber es liegt vielleicht mehr dahinter. Die bereits vor ein paar Wochen abgeschlossene Ausstellung „Body Light“, die in Julia Stoscheks Projektraum „Venus und Apoll“ nur drei Tage lang zu sehen war, hat neues Material zur „romantischen Hypothese“ geliefert.

Jonas Wendelin: Du Licht – Abgrund
C.D. Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes (1819-20)

Ein für mich charakteristisches Exponat der Body Light-Ausstellung war „Du Licht – Abgrund“ von Jonas Wendelin. Schon dieser Titel. Ein Heraufbeschwören der finsteren Untiefen dieser Welt und der transzendentalen Erleuchtung, die sie trotzdem verspricht. Um die Bilder einzufangen, die in seine Videoarbeit einfließen, wandert und wandelt Wendelin durch die Berliner Nacht. Anders als die Figuren von Caspar David Friedrich, die sich auf den Weg in ein dichtes Gestrüpp machen, bevor sie, eine mystische Union mit den schlummernden Kräften der Natur eingehend, in katatonische Ekstase unter dem Schein des Mondes geraten, streift Wendelin am Rande der Hauptstadt entlang, entlang an Schnellstraßen und Tankstellen. Die vorbei rauschenden Autos sind zwar nie zu sehen, sie spielen aber die eintönige Hintergrundmusik dieser Großstadtpassion. Wendelin geht durch die Nacht. Er braucht diese Dunkelheit, die nur von dem orangenen Licht der Straßenlaternen gebrochen wird (hier leuchtet kein Mond); er braucht diese Un-Zeit zwischen den Tagen; er braucht diese Einsamkeit. Er ist allein und sucht – aber was sucht er? Das Licht, das Schöne, die Transfiguration? Er sucht ein Bild. Die klirrende Kälte der Nacht hinterlässt nämlich Spuren, und Wendelin kann sie lesen. Er filmt den von der kondensierten Luftfeuchtigkeit produzierten sehr dünnen und unregelmäßigen Eisbelag auf den Motorhauben von geparkten Autos. Diese winzigen Eiskristalle entstehen nur unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen und wirken in Großaufnahmen wie Sterne. Sie blitzen und funkeln in verschiedenen Farbtönen. Hier treffen das Triviale und das Göttliche, car and stars, Mikrokosmos und Makrokosmos, das Stumpfsinnige und das Erhabene, aufeinander.

Alex Grein: o.T.

Wendelin fixiert ein simples, natürliches Phänomen auf Video und überträgt das Lichtspiel, das die fragile Schönheit der Welt einzufangen versucht, in den Raum.  Diesen Impuls finden wir auch in der reduzierten Arbeit von Alex Grein. Die Künstlerin war bereits vor einem Jahr in einer Gruppenausstellung im NRW-Forum aufgefallen, wo sie das Landschaftsmotiv (darunter auch die eisige Ikone von C.D. Friedrichs Gescheiterter Hoffnung) collageartig neu interpretierte. Ihre kleine, unbetitelte Videoinstallation am Worringer Platz, bestehend aus einem mit Wasser gefüllten Glaskasten, auf den Aufnahmen von Wasserspiegelungen projiziert wurden, leuchtet wie eine magische Schatulle in der Dunkelheit. Das viereckige Objekt, das an ein Aquarium erinnert und gewiss dekorativ wirkt, funktioniert wie ein Meditationsstein, eine kontemplative Ruhe ausstrahlend. Die instinktive Faszination des menschlichen Auges für Naturschauspiele wie Wasserfälle, Vogelschwärme oder Wolkenbewegungen kristallisiert sich in diesem höchst artifiziellen Gegenstand. Unter Umstände wird man an Nam June Paik erinnert, auch wenn die esoterische Ästhetik von Greis‘ Objekt weit entfernt zu den grellen und hektischen Bildexplosionen des Großvaters der Videokunst stehen. Beide Ansätze behaupten, dass die Suche nach dem Erhabenen nicht zwangsläufig durch eine Naturerfahrung vollzogen werden muss, sondern auch technologisch evoziert werden kann.

Anna K.E.: Gloss of a Forehead

Francisco Goya

Vom Erhabenen zum Grotesken mag der Weg sehr lang erscheinen; aber gerade das Zeitalter der Romantik hat gewusst, welche Abkürzungen gangbar sind und die Überquerung von einem Extrem ins Nächste ermöglichen. Die ästhetische Kategorie des Grotesken, die übrigens überhaupt nicht spezifisch romantisch ist, soll als Kontrapunkt des Erhabenen verstanden werden – wie die notwendige Schattenseite einer Lichtgestalt –, und war mit Goya und Füssli in den Bildenden Künsten sowie Victor Hugo und Gogol in der Literatur dieser Epoche gut vertreten. . . Präsenzen des Grotesken in Body Light lassen sich an verschiedenen Stellen ausmachen. In Gloss Of a Forehead lässt Anna K.E. ihre lustig-monströse Arschkreatur durch ein Künstleratelier herumtapsen und allerlei Kunst-Stücke (sowohl im wörtlichen als auch im erweiterten Sinne) durchführen. Das Wesen mag ein deftiges Vexierbild oder ein obszönes Ebenbild sein –  bedeutend hier ist jedenfalls die Platzierung des laufenden Popos im Kunstkontext. Klar besitzt der Ansatz von Anna K.E. den Biss und die Albernheit eines einfachen punkigen Streichs; darüber hinaus aber scheint sie manche Schöpfungsmythen und Künstlerklischees heftig in die Mangel zu nehmen. Sowohl die paradigmatische Figur des Künstlers als auch die Vorstellung des Ateliers als Ort der Kreation werden hier ohne große Anal-yse frech demontiert.

Victor Hugo: Le Roi des Auxcriniers (1866)
Dominik Geis: Die Maske

In der Abteilung für groteske Selbsttransformationen müsste neben Anna K.E. auch Dominik Geis herbeizitiert werden. In seiner zwölfminütigen Videoarbeit appliziert er sich in strenger Frontalansicht feuchte Tonklumpen auf das Gesicht, um daraus eine grobe Maske zu formen. Der Künstler verschwindet hinter einer lächelnden Fratze aus schleimiger Materie, verwandelt sich regelrecht in eine Grimasse, wird eins mit dem Kunstwerk. In der Umkehrung des Pygmalion wird Geis zu einer Skulptur. Maske kann als expressionistische Variante von (als Hommage an?) Bruce Naumans Art Make-Up von 1967 interpretiert werden, in dem der Körper des US-Amerikaners zum Bildträger gemacht wurde. Diese Aufhebung der Distinktion zwischen Objekt und Subjekt im Prozess der künstlerischen Schöpfung führt zur Vorstellung der Verschmelzung von Kunst und Leben. Die Welt nach den Idealen der Kunst zu prägen und die Existenz des Künstlers in einem prozesshaften Kunstwerk zu gestalten war ein Projekt der Frühromantik. Das Leben sollte einem Roman gleichen, jeder Mensch sollte zu einem kunstvollen Held werden. Die von Novalis, Schlegel oder Schleiermacher gepredigte Realisierung einer ästhetischen Existenz sollte sich allerdings nie in dieser formulierten Radikalität verwirklichen. Geht man zu weit, wenn man die schlichte Arbeit von Dominik Geis in dieses sehr weite Feld einordnet? Wird das Selbstporträt überinterpretiert? Ich lasse mich gerne auf Diskussionen ein.

Isabella Fürnkäs & Marion Benoit: Zucker
Tanja Ritterbex: I like it Loud

Maske ist nicht die einzige selbstreferenzielle Arbeit der Ausstellung mit grotesken Zügen. In I like it Loud zappelt Tanja Ritterbex wie wild vor der Kamera, übertrieben geschminkt und hyperaktiv, singt, plappert und gestikuliert in einer häuslichen Umgebung, die ihr Teenager-Zimmer sein könnte. Ihr ausgeflippter und enthemmter Beitrag hat den Charakter einer Tagebucheintragung mit evidenten exhibitionistischen Zügen – Tendenz Trash. Die narzisstische Leier kann, je nach Tagesform des Rezipienten, als nerventötend oder goldig angesehen werden. Man entzieht sich jedenfalls der One-Woman-Show nur schwer; die Penetranz des Videos wird nur dank eines kleinen Monitors und Kopfhörers in Schach gehalten. Es ist gewiss eine Plattitüde, diese Art von digitaler Hypersubjektivität als späte Nachfolgerschaft und Web 2.0-Variante der Tagebuch-Manie und der autobiographischen Erzählungsmode zu sehen, die sich im Zeitalter der Romantik rasch ausbreitete. Indes scheint sich die Tyrannei der Intimität durchgesetzt und das totalitäre Ideal des romantischen Menschen in der Transprivacy verwirklicht zu haben. Der Blick in den Spiegel nimmt manische Züge an, vor allem wenn das reflektierte Bild vollständig gestaltet werden kann. Die beinah erschreckende Verstärkung des Individuums, die das Phänomen der social networks mit sich bringt, führt zugleich zu einer Steigerung der expressiven Möglichkeiten des Einzelnen und zu seiner größeren Isolierung im Schwarm. Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörungen, wie sie von der Protagonistin Ritterbex durchlebt werden, werden zur Norm.

Sarah-Jane Hoffmann: From w/Love
Ben van den Berghe: Stepper, Tower and Stomach Trainer (session II)

Es ist prinzipiell erstaunlich, wie relevant die Thematik des Individuums in Body Light erscheint. Wenn sie sich nicht gerade selbst inszenieren, greifen viele Künstler auf die Gattung des Portraits zurück. Nach den Künstler-Kuratorinnen Isabella Fürnkäs und Melike Kara sollte sich die Show auf Themen der Körperlichkeit und der Selbstwahrnehmung konzentrieren – dass ihr Vorhaben vielmehr geworden ist, als eine bloße, erneute Gruppenausstellung zum Motiv des Leibes, spricht für die Beiden. In Body Light wird die Kunst zum Mittel der Selbsterkundung, Selbstbefragung und Selbststilisierung eingesetzt. Überall so viele Ichs. So viele alleingelassene Menschen, in so vielen (Vorstellungs-)Bildern und Klischees gefangen. In manchen Beiträgen, wie beispielsweise bei Ben van den Berghe oder bei Sarah-Jane Hoffmann, prallen Individuen an massenmedialen Konstrukten (aus der Populärkultur im ersten Fall, aus der sog. Hochkultur im zweiten) zusammen, die ihr Selbstbild erheblich bestimmen. Dabei löst sich die Individualität des Körpers in einem diffusen Fundus aus idealen und traditieren Images; die selbst auferlegte Entfremdung nimmt ihren Lauf. Man nimmt es mit Humor (van den Berghe) oder mit Respekt (Hoffmann). Weil diese Bilder rund um die Uhr verfügbar sind und als implizite Modelle gelten, verformen sie allmählich die Körper, nachdem sie sich in die Köpfen verpflanzt haben. Dieser Schock der medialbedingten Selbstmanipulierung lag Goethe, Novalis oder Stendhal fern – auch wenn sie gerade am Anfang des 19. Jahrhunderts mit der explosiven Entwicklung des Romans ihren ersten Anlauf nahm.

Anna-Lena Meisenberg: o.T.
Tobias Hoffknecht: MEM

Die große Qualität der Ausstellung liegt eben nicht nur allein darin, den Spleen einer einigermaßen einheitlichen Generation eingefangen und auf dem Punkt gebracht zu haben – also auf die romantische Ader dieser Generation gestoßen zu sein und sie zu erschließen. Darüber hinaus wurden in Body Light manche Spezifitäten dieser wiederholten Romantik berücksichtigt, die ansonsten keine Entsprechung in der Geschichte finden – wie z. B. durch den Rückgriff auf Kommunikations- und Vernetzungsmedien, die ganz neue Möglichkeiten der Selbstinszenierung öffnen. Die gegenwärtige romantische Generation ist keine eins-zu-eins-Kopie einer historisch-romantischen Generation. Sie bringt ihre Eigenheiten mit. Anstatt der x-ten Retro-Welle, die sofort vergessen wird, könnten wir es hier mit einer tiefgreifenden Reaktualisierung zu tun haben. Der Unterschied ist ein wesentlicher.

Kira Bunse: My Favourite Wate of Time

Kira Bunse bewegt sich allerdings eher in einem anachronistischen Raum. Diese Bemerkung darf nicht als Kritik genommen werden, sondern als Ausdruck einer gewissen Originalität. Bunses Foto- und Videoarbeit ist in der Modewelt angesiedelt, unterhält aber durchaus Beziehungen zur sogenannten „freien Kunst“. Mit My favourite Wate of Time zeichnet sie das Bild eines jungen Mannes mit nacktem Oberkörper, eine Zigarette vor einem neutralen Hintergrund rauchend. Keine übertriebene Laszivität in diesem kurzen Film, doch eine gute Portion Selbstverliebtheit, wie man sie sonst aus den Mode-Klischees kennt. Die Kontraste sind hart, das verwackelte Bild leicht unscharf. Die Super 8-Ästhetik evoziert in ihrer seichten und stilisierten Homoerotik die frühen Filmen von Derek Jarman. Die melancholische und elegische Grundstimmung der Aufnahme wird von ebenso schmachtenden wie schwülen Gitarrenakkorden unterstützt. In unmittelbarer Nähe der Arbeit von Tanja Ritterbex schafft Bunses Miniatur eine willkommene Atempause.

Melike Kara: Haram
Eugène Delacroix: Femmes d’Alger dans leur appartement (1834)

Andere Musik, andere Landschaft, andere Stimmung. Das Motiv des Harems revisited zieht sich durch die wunderbar schlichte und intensive Arbeit von Melike Kara. Der Harem als Topos der Fremde, des Mysteriösen und Lustvollen ist ein höchst romantisches Motiv in den Bildenden Künsten. In den Salons des 18. Jahrhunderts  wurde die wollüstige Atmosphäre eines orientalischen Zimmers voller schlummernder Frauen zu einem beliebten Männerphantasma. Erinnerungen an die Interieurs eines Delacroix oder Ingres drängen sich nun im kurzen Videofilm auf. Aber anstatt von schweren Vorhängen in satten Farben und von reich verzierten Teppichlagen herrscht in Karas Arbeit die Nüchternheit eines mittelmäßigen Wohnzimmers in einem westeuropäischen Wohnblock; anstatt einer halbdunklen Kammer voll berauschender Düfte und geheimnisvoll wirkender Kerzenlichter, wird die Szenerie von grellen Neons beleuchtet. Der exportierte Traum vom Morgenland wird mit seiner wenig schmeichelhaften Realität konfrontiert. Von dem Gemach der Frauen von Algier zu dem Wohnzimmer der Frauen in Köln-Kalk scheint die Distanz unüberwindbar zu sein. Aber ein dunkler Blick voller Sehnsucht, ein improvisierter Bauchtanz vor dem Sofa oder die melancholische Stimme einer Sängerin, die den kahlen Raum mit einem orientalischen Wunder füllt, stellen plötzlich Verbindungen zwischen verträumten Bildern aus einer anderen Zeit und der heutigen Situation türkischer Frauen in Deutschland her. Haram besitzt eine fragile Poesie, die mit wenigen Worten und lakonischen Bildern auskommt. Der Film reaktiviert eine eigentümliche Exotik, die sich an manche triste Standards des deutschen Lebens angepasst hat.

Mit Buchtipp von Manuel Graf wird schließlich die romantische Hypothese ein letztes Mal bestätigt. Die Arbeit ist schon öfter gezeigt worden; ich möchte nur kurz darauf zurückkommen, auch wenn Grafs spannender Ansatz einen ganzen Artikel verdient hätte. Buchtipp nähert sich spirituellen Erkenntnistheorien aus der anthroposophischen Lehre an und bringt auf sehr gelungene Art und Weise eine alternative naturwissenschaftliche Denkweise, die sich u.a. aus der Physik, der Biologie und der Thermodynamik ableitet, mit ihrer freien, plastischen Interpretation zusammen. Das Ergebnis ist zunächst leicht verwirrend, denn man fragt sich, ob man vor einem Dokumentarfilm steht, vor der Persiflage einer Doku oder tatsächlich vor einem künstlerischen Video. Die Struktur der Arbeit ist dichotomisch: Ein älterer Herr referiert zunächst über das Buch Das sensible Chaos von Theodor Schwenk und fasst dessen Hauptthesen zusammen. Dann sind stilisierte Bilder eines eurythmischen Tanzstücks und Raucheffekte zu sehen. Auf den rationalen, analytischen Teil folgt also ein stark assoziativer Teil. Über den esoterischen Diskurs des Vortragenden im Film wurde während der Ausstellungseröffnung gut und raffiniert gelacht. Die meisten Besucher wollten unbedingt Ironie erkennen, da wo – wie ich zumindest vermute – das ehrliche Interesse des Künstlers liegt.

D.J A.Korte

Nach Body Light ist jedenfalls Eines klar. Künstler sind die besseren Kuratoren. Karas und Fürnkäs’ Präsentation zeichnet sich durch einen lockeren und unaufdringlichen Umgang mit der Ausstellungsthematik aus. Diese unerwartete Aktualisierung der Romantik erfolgt unsystematisch und mit einer charmanten Leichtigkeit – und lässt viel Interpretationsraum für den Besucher zu. Hier werden keine eindeutigen Botschaften geliefert und keine Manifeste unterzeichnet; hier werden keine handfesten Beweise gesammelt und keine Thesen an die Wand genagelt. Die zwei Künstlerinnen/Kuratorinnen arbeiten intuitiv und assoziativ, frei von jedwedem theoretischen Ballast (dafür sind wir Kunstwissenschaftler letztendlich zuständig). Body Light ist keine didaktische Demonstration sondern eine verspielte und vorsichtige Behauptung – man fragt sich sogar, ob sich die Macherinnen der Tragweite ihres Ansatzes bewusst sind, ob sie die übergeordneten Zusammenhänge gesehen oder ob sie nicht eher, ihrem Instinkt und ihrer Lust folgend, einfach gemacht haben. Jedenfalls haben sie es sehr gut gemacht.

Middle finger Response von Guido Segni

Die ‚Crowd‘ gehört zu den am meisten strapazierten Schlagwörtern zeitgenössischer Netzkultur. Mit Hilfe dieser scheint Alles möglich, egal ob nun die immer gleiche Politik durch die Weisheit der Crowd gesteuert (#Piraten), das magere Wissen durch Crowdsourcing verwaltet (#Wikipedia), oder die klamme Projektkasse durch Crowdfunding aufgefüllt werden soll (#Künstler), die Masse soll es richten.
Und doch ist es nicht nur ein Hype. Denn wenn man die Mode einmal außen vor lässt, den Hype bewust ausblendet und einen kleinen Schritt zurück tritt, um die Welt mit etwas Abstand zu betrachten, fällt auf, dass auch diesem überstrapazierten Thema etwas Substantielles zu Grunde liegt. Man stellt dann nämlich fest, dass selbst das zentralste und aktuell wichtigste politisch-technische Medium unserer Gesellschaft – das Geld – voll und ganz auf den Volkskörper und die Crowd abzielt. Denn besagtes Medium ist mittlerweile durch nichts anderes mehr als durch uns, die Crowd der doofen 99% gedeckt, was die noch dooferen und viel wenigeren 1% entsprechend leidlich auszunutzen wissen.

1% via http://richkidsofinstagram.tumblr.com/post/36629687139/life-rkoi

Aber ich schweife etwas ab, obwohl es natürlich irgendwie auch noch zum Thema gehört…
Vor der Betrachtung des modernen Volkskörpers und seiner Wirksamkeit als Lender of last resort waren wir beim Füllen der klammen Portemonaits per Crowdfunding. Und ich gebe es an dieser Stelle offen zu, natürlich haben auch wir schon mal über Möglichkeiten des Crowdfunding für unsere Projekte nachgedacht, sind da aber etwas skeptisch und glauben, dass der Aufwand den man für das Texten, Filmen, Dokumentieren, Werben und PR aufbringen muss unter den zu erwartenden Erträgen liegt.
Was widerum bedeutet, dass wir auch einfach arbeiten gehen können um unsere Projekte zu finanzieren und somit Kunst als das Begreifen was sie ist, eine unverzichtbare, teure und überaus wichtige Nebensache, mit Hilfe der man fröhlich überschüssige Ressourcen und Energie verbraucht, die man zuvor an anderer Stelle erzeugt hatte. Und in welche man stetig Geld und Lebenszeit hineinsteckt – aber eben nicht akkumuliert und erst recht nicht investiert!

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MOFF benötigt Ihre Hilfe!

Lob und Zuspruch, Anerkennung und Nachfrage nach unserem Interviewmagazin mit Kölner Künstlern bereiten uns seit 4 Jahren Freude, sodass wir wieder mit viel Energie ehrenamtlich an der mittlerweile 7. MOFF-Ausgabe arbeiten. Am 15. April wird das kostenlose Magazin in einer Auflage von 5.000 Exemplaren erscheinen und erstmals auf der ArtCologne an einem Stand für junge Magazine vertreten sein.

Leider fehlen uns aktuell noch 2.400€, um die Druckkosten zu decken.

Wir freuen uns über jede Spende:

moff e.V. – Kto: 322 190 000 – Blz: 370 700 24 (Deutsche Bank)

 

Jeder Spender wird gerne in der Ausgabe namentlich erwähnt.

Selbstverständlich erstellen wir gerne eine Spendenquittung.

 

Und genauso freuen wir uns über jede Anzeigenschaltung:

Hier finden Sie die aktuellen Mediadaten.

 

Mit besten Grüßen aus Köln!

Stefanie Klingemann und Dr. Anne Schloen

 

 

Weitere Informationen zu MOFF

Ausgabe 7, 1/2013

Gespräche mit:

Gesine Grundmann

Katerina Kuznetcowa &

Alexander Edisherov

Maximilian Erbacher

Manfred Schneckenburger

Carola Keitel

Allan Gretzki

Dorothee Joachim

Andreas Oskar Hirsch

Diane Müller

Johannes Wohnseifer

 

Künstlerporträts von: Veit Landwehr

Sonderedition von: Johannes Wohnseifer

Gastgespräch von: Johannes Stahl

 

Erhältlich ab dem 15.04.2013 auf der ArtCologne und in vielen Galerien, Off-Spaces und Ausstellungshäusern in Köln und Umgebung!

Facebook: www.facebook.com/MOFFmagazin
Abo: abo@moff-magazin.de
www.moff-magazin.de

MOFF ist ein Magazin aus der Kölner Kunst-Szene. Im Mittelpunkt stehen acht bis zehn Gespräche mit Künstlern, die durch ein weiteres Gespräch mit einem Galeristen, Kurator, Kunstwissenschaftler oder Sammler ergänzt werden. Jede Ausgabe ist vollkommen anders und unterscheidet sich von der vorherigen: Das MOFF-Magazin verzichtet auf ein Branding, ein Logo oder eine Corporate Identity. Das Format, das Layout, der Umfang und die Specials des Magazins unterliegen stetigem Wandel und Entwicklung. MOFF ist kostenlos in Köln und Umgebung erhältlich z.B. auf der Art Cologne, in Galerien, Off-Spaces, Museen, Archiven, Bibliotheken, Bars und Cafés.

MOFF erscheint zweimal im Jahr: im Frühjahr zur Art Cologne sowie im Herbst zum Saisonstart und DC Open.
MOFF e.V.
Nägelistraße 16
50733 Köln

Telefon: 0176 – 95 55 44 35
Kontakt: mail@moff-magazin.de

Vorstand: Stefanie Klingemann, Dr. Anne Schloen

Lars Klostermann macht Filme über Kunst und Künstler – diesmal über Patrick Thomas

Partner, Kollege und Freund Lars Klostermann dreht, nicht ausschliesslich, aber doch regelmäßig, filmische Dokumentationen über Kunst, Kunsträume und Künstler. 2010 hatte er anlässlich des Vierwände Kunst Festivals unter dem Arbeitstitel Miniaturen alle damals aktiven Düsseldorfer Projekträume portraitiert.

Ein Jahr zuvor habe wir gemeinsam die Interviewreihe ‚Zu Besuch bei‚ angefangen und in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Künstlern Paule Hammer und Andrea Lehmann geführt und aufgenommen. Widerum ein Jahr zuvor, im Herbst 2009, zeichnete er sich verantwortlich für den Trailer des Kunstfilmtags.
Lars Klostermann studierte Geisteswissenschaten und in diesem Rahmen, wie so viele andere unserer Generation irgendwas mit Kultur und Medien. Seit dieser Zeit beschäftigt er sich mit der Frage nach dem Authentischen und dem was authentisch sein kann. Sein Handwerk hat er im übrigen parallel dazu, als langjähriger Mitorganisator und Jurymitglied des Dokumentarfilm Festivals Duisburger Filmwoche gelernt. Auch hier war er über lange Jahre hinweg verantwortlich für die Trailer des Festivals.
Und wenn alles gut läuft wird er in den kommenden Wochen zusammen mit Emmanuel Mir eine filmische Serie über Kunst und Künstler für diesen Blog produzieren.

Diesmal war er allerdings nicht im eigenen, sondern im fremden Auftrag mit der Kamery unterwegs, die Qualität leidet darunter aber keineswegs, im Gegenteil. Herausgekommen ist ein – ich nutze das Wort in solchen Zusammenhängen nicht gern, doch hier passt es – schöner Film über die Multiples des Künstlers Patrick Thomas.

Lars Klostermann
Multiples, Patrick Thomas in der Galerie T

Dan Dryer im RAUM Oberkassel

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

Schon wieder hat Matthias Erntges, Kurator und Betreiber des Raums Oberkassel, eine adäquate Besetzung seines schwierigen Raumes gefunden. Mit dem Künstlerduo Dan Dryer, bestehend aus Astrid Piethan und Jörg Koslowski, ist es ihm gelungen, einerseits die Spezifitäten des Ortes zu unterstreichen und anderseits eine pointierte künstlerische Bezugnahme darauf hervorzurufen. Das kleine Zimmer ist eine Herausforderung; das haben wir bereits in der Vergangenheit betont. Diese Herausforderung ist aber von den zwei Künstlern glänzend gemeistert worden.

aus der Ausstellung 22 Fachgeschäfte

Die letzte Installation von Dan Dryer erlebte ich in einer verlassenen Einkaufspassage in Mönchengladbach im Rahmen der Ausstellung 22 Fachgeschäfte. Es war ein monumentales und brachiales Werk, beruhend auf einer schlichten und evidenten Idee (dies lässt sich nachträglich gut behaupten), ausgeführt aber mit einer fast einschüchternden Kraft. Die physische Präsenz der Decke/Wand war beeindruckend und die leichte Orientierungslosigkeit, die sich vor dieser gekippten Oberfläche einstellte, faszinierend.

In Oberkassel aber sind leisere Töne angesagt. Dan Dryers Ansatz ist hier subtiler geworden und bewegt sich im Bereich des Infravisible – die Installation Monitor ist für den neuen Besucher, der den Raum noch nie begehen hat, so gut wie unsichtbar. Denn dieser Besucher betritt zunächst einen leeren, weißen Raum, mit kleinem Kaminsims und zwei Türen. Die „Objekterwartung“ des Rezipienten – wie Erntges diese stupide Sehnsucht nennt – wird bitter enttäuscht: Hier ist definitiv nichts. Dabei hat doch eine kaum bemerkbare Verschiebung stattgefunden: Eine Wand, mitsamt Tür und drei übriggebliebenen Nägeln, wurde eins zu eins kopiert und auf einer anderen, sich im rechten Winkel befindenden Wand übertragen. Copy and paste. Durch diesen Vorgang ist das Fenster, das sich sonst an der Stirnwand befindet, verschwunden und der Raum erhält eine völlig neue Konfiguration.

Die Änderung ist minimal, der zu generierende Aufwand aber sehr groß. Die Wirkung unspektakulär, die Irritation aber unleugbar. Etwas ist anders hier, obwohl alles so normal ist. Die Attrappe im Maßstab eins zu eins verwirrt den gewohnten Besucher. Sie ist so perfekt, dass sie sich nicht unmittelbar als Fake erkennen lässt. Winzige Gebrauchsspuren, Dreckflecken und weiße Übermalungen, die sich auf der Originalwand befinden, sind nämlich auf die zusätzliche Wand übertragen worden. Dan Dryer appelliert an die Sensibilität unserer Raumwahrnehmung. Die angebliche Leere des Ortes macht auf das Wesentliche – auf den Raumcharakter – aufmerksam, lenkt die Perzeption auf das Arrangement und auf die Natur dieses Raumes.

Matthias Erntges

Die akkurate Raumbeobachtung und der präzise Eingriff besitzen eine große Strenge und Stärke. Es überrascht nicht, dass Piethan und Koslowski bei Magdalena Jetelová studiert haben. Da wurde ein Verständnis für den Raum geschult, welches eben zu solchen hervorragenden Arbeiten führt.

 

Dan Dryer
Monitor
2.3-6.4.2013
RAUM Oberkassel
Sonderburgstr. 2, 40545 Düsseldorf
geöffnet Sa. 14-18 UHr
www.raumoberkassel.de

 

Autocenter Berlin

Das Autocenter Berlin war mir bis Dato noch kein Begriff, was aber weder etwas zu Bedeuten noch etwas zu sagen hat. Laut Aussage des Kollegen Matthias Planitzer vom Castor und Pollux ist der Off-Space allerdings einer der bekanntesten und ältesten Projekträume der Stadt. Da ich mich in der Hauptstadt und er zugehörigen Kunstszene nur bedingt gut auskenne, will ich das an dieser Stelle einfach mal glauben. Der Projektraum wird seit mehr als 10 Jahren von Joep van Liefland und Maik Schierloh betrieben und musste im September vergangenen Jahres seinen angestammten Ort im Friedrichshain verlassen, hat jetzt aber neue Räumlichkeiten gefunden, in denen man in Zukunft erfreulicherweise die erfolgreiche Arbeit fort setzt.


(Bilder via Castor&Pollux, Danke!)

Die Neueröffnung des Autocenters in der Leipziger Straße 56 war am 15. März, der Neustart erfolgte mit einer Ausstellung unter dem Titel „The Legend of the Shelves“. Von den 750 Künstlern, die in den Jahren zuvor in den ehemaligen Räumlichkeiten ausstellten, bespielte nun mehr als jeder Fünfte die Regalflächen am neuen Ort. Versammelt war ein buntes Who is Who der Berliner Kunstszene, u.a. mit Katharine Grosse, Norbert Bisky, Olaf Nicolai, Bettina Khano so wie 145 weiteren Akteueren. Und natürlich nicht zu Vergessen das Publikum, denn der Laden war gerammelt voll.


(Bilder via Autocenter-FB, Danke!)

Apropos Publikum, das nachfolgende Video zeigte eine originelle Performance-Happening-Show mit Publikum-Mitmach-Partizipation nach einer Idee von Anouk Kruithof, die 2012 in den alten Räumlichkeiten passierte.
Schaut Euch das ruhig mal an.

RUHE performance by Anouk Kruithof, 29. September 2012

So Freunde, jetzt noch als letzter Hinweis der Link zum nächsten anstehenden Projekt, der ‚Autocenter Summeracademy‚ vom 17. Juni bis zum 13. Juli diesen Jahres.
Eine Facebook-Page gibts es dafür auch, die findet Ihr hier.
Und jetzt wieder zurück an die Arbeit!

„The Legend of the Shelves“
Eröffnung 15.03.2013, 20 Uhr
16.03.2013 – 06.04.2013
Do – Sa jweiles 16 – 19 Uhr

Autocenter
Leipziger Straße 56, Berlin
http://www.autocenterart.de

Walter Padao In Between

Kunstausstellungen in Anwaltskanzleien oder Arztpraxen sind – nun ja, wie soll man es formulieren? … – zumindest einmal etwas speziell.
Vieleicht nicht zwangsläufig der Anwalt, aber zumindest doch der Arzt als Inbegriff des ehrenwerten, bürgerlichen Berufs trifft auf den Künstler, der – in meiner romantisch, naiven Auffassung – das Anarchische, Andere, Chaotische, Destruktive weil kreative Potential unseres Zusammenlebens verkörpert. Zutiefst unterschiedliche Welten prallen zwischen Kartenlesegerät, Zimmerpalme und weißen Raufasertapeten auf- und reiben sich aneinander.



Aber natürlich wissen Sie als aufgeklärt desorientierter Mensch der Metamoderne, dass es eben nicht so einfach, dafür doch um so komlizierter ist, mit den authentischen Rollen auf der sozialen Bühne und den von uns dort dargestellten Figuren.
Mag sein, dass sich das irgendwann mal anders verhalten hat, als es noch Berufe und zugehörige Stände gab. Mag sein, dass es Reibungen und Provokationen jenseits kalkulierter und brachialer Tabubrüche einmal wirklich gegeben hatte. Doch in dieser unseren Zeit, in der wir uns maximal tolerant – was nicht zwangsläufig verkehrt ist – und mindestens ebenso flexibel geben wollen und müssen – was zunehmend anstrengend wird – verhält es sich mit der Reibung etwas anders.
Nun muss das nicht schlecht sein wenn Reibung verschwindet weil Grenzen sich auflösen, sich Kommunikation dadurch vereinfacht und Ideen besser zirkulieren.
Denn trotz aller Sympathie für starke Bewegung und große Reibung, sowie des damit verbundenen, immerwährenden und unerreichbaren Ziels der großen Revolution, begrüße ich die kontinuierlich, flukturierende Revolte und den damit verbundenen steten Wandel doch mindestens genauso. Ich bin da recht ambivalent, und um ehrlich zu sein hatte ich es mit radikalem Punk noch nie so recht. Für mich ist neben der Lust an Obsession und Wut immer auch Platz für Harmonie und Verständigung.

Und deshalb habe ich mich sehr wohl gefühlt, an diesem harmonischen Abend in Oberkassel, als Walter Padao, Düsseldorfer Maler und Künstler seine aktuelle Malerei in der psychoanalytischen Praxis von Brigitte Ziob zeigte.
Jenseits von bürgerlichen und nichtbürgerlichen Klisches traf hier zusammen was nicht nur auf freundschaftlicher Verbindung beruht. Denn sowohl Brigitte Ziob, die ihre Räume für den Abend zur Verfügung stellte, als auch Walter Padao beschäftigen sich in Ihrer Arbeit nicht nur, aber dennoch deutlich mit dem Unter- und Unbewussten und den dort zu findenden Bildern.

Auch wenn man Walter Padao wohl nicht direkt als Surrealisten bezeichnen würde, zeichnet sich seine Malerie durch einen traumhaften, surrealen Charakter aus, allerdings ganz anders als das etwa ein Neo Rauch mit seinen plakativen und deutliche erkennbaren Bilderrätseln tut. Padaos Szenarien sind dynamischer, undeutlicher, verschwommener und damit sehr viel näher dran an dem was Rausch und Träumen ist, oder uns als Erinnerung an diese Zustände bleibt.

Bewegung und Zeit sind zentrale Themen in den Bildern Padaos, sowohl als wichtiges Narrativ für die Malerei, wie beim Motiv der Tänzerin im Bild unten, als auch Forschungsfeld der interessierten und intensiven Beschäftigung mit den Phänomenen selber.

Schon seit einigen Jahren ist Padao fasziniert vom Bullettime-Effekt, welcher bekanntlich erstmals in den Matrixfilmen zu sehen war. Er untersucht die daraus resultierende Bildfolgen, sowie die Auflösung der Bewegung mit den Mitteln der Malerei in dem er die einzelnen Frames über Bildtableaus verteilt und diese Bilder dann nebeneinander auf die Wand bringt. Auf diese Weise rückt er die Malerei als älteste aller Verfahren der Bilderzeugung nahe an das heran, was man Heute mit dem unschönen Begriff Medienkunst bezeichnet, geht dabei aber über das ansonsten oft inflationär betriebene Spiel mit der Technik hinaus.
Padao entlockt mit seiner Malerei auf einfache Weise einem modernen Kamera-Computerbild-Trick eine eigene Komponente und dreht den spektakulären Effekt noch einmal einen Schritt weiter, in dem er die kreisende Bewegung der Kamerafahrt auflöst um sie dann wieder gleichzeitig und strukturiert auf der Wand ausbreitet.

Die Gastegeberin Brigitte Ziob schreibt dazu:

Der Düsseldorfer Maler Walter Padao arbeitet mit Körpern in Bewegung.. Dabei interessiert ihn weniger das Einfrieren eines Augenblicks wie beim Foto, sondern das Sichtbarmachen der Zeit. Es geht nicht um Eindeutigkeit, sondern um Unschärfe, also das, was „in between“, also dazwischen ist. Hier läßt sich eine Verbindung zum psychoanalytischen Prozess ziehen: Innere Bilder entstehen, werden bearbeitet, verwischen und führen zu neuen Assoziationen. Im therapeutischen Prozess geht es oft darum, eingefrorene Strukturen wieder in Bewegung zu bringen, Facetten spürbar zu machen, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven sehen zu können. Hier kann man einen Bezug zu den Bildern von Walter finden, der seine Figuren in verschiedenen Perspektiven festhält, als ein eingefrorener Moment in der Bewegung.

Die Bewegung als ein „Dazwischen“ im Raum, woraus sich die zeitliche Perspektive ergibt. Denn der äußere Raum ermöglicht uns das Zeiterleben. Das menschliche Zeiterleben entwickelt sich schon früh durch immer wiederkehrende Prozessabläufe im Kontakt mit dem pflegenden Primärobjekt, meist der Mutter, die den äußeren Raum repräsentiert, durch Berührungen, Nahrungszufuhr usw.. Dazu kommen frühe Erfahrungen von erträglicher Anwesenheit bis hin zu unerträglicher Abwesenheit in einer Zeitspanne, als Zeiterleben, das schon frühe Bewältigungsformen verlangt.
So hilft die Phantasie dabei, Situationen des Alleine-Seins zu mildern durch die Schaffung von Übergangsobjekten. So wird der Zeitfluss schon früh strukturiert die Umwelt, als einen sozialen und geographischen Raum des Seins. Damit verbunden sind Erlebniskategorien wie Gleichzeitigkeit, Sukzession, Kontinuität, den Augenblick oder die Dauer. Was wir dann als solche unterscheiden können. Damit aber etwas bei uns hängenbleibt, müssen Erlebnisse in der Zeit eine gewisse Dauer und Intensität besitzen, um zu  einer inneren Erfahrung werden zu können.

Walter Padao arbeitet mit der Reflektion über das Zeitliche. Er hat dafür ein eigenes Verfahren gefunden: Er stellt sein Modell zunächst ins Zentrum. Dann schreitet er mit einer digitalen Fotokamera die Markierung ab und macht 24 Fotos – so viele, wie beim Film pro Sekunde durch den Projektor rattern. Dieses Verfahren heißt „Bullett-Time“. Es bezeichnet einen Special Effect, bei dem der Eindruck einer Kamerafahrt – um ein in der Zeit eingefrorenes Objekt entsteht. Wir kennen das aus „Matrix“, wenn Keanu Reeves in der Luft zu schweben scheint. Es geht darum, die Zeit anzuhalten und sie damit sichtbar zu machen. So ist das auch bei den Bildern, die Bewegung ergibt sich aus einem eingefrorenen Moment, einem festen Bild. Hier kann man einen Bezug sehen zur psychischen Realität: In diesem Spannungsverhältnis von Momentaufnahme als Anhalten des Zeitlichen verbunden mit der Bewegung in der Zeit bewegen sich die Bilder von Walter Padao.       

Praxisausstellung „In Between“ am 2.2.2013, 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr.
Gezeigt wurden Bilder des Düsseldorfer Malers Walter Padao. Die Ausstellung ist der Auftakt zu regelmäßig halbjährlich stattfindenden Ausstellungen unter dem Aspekt „Kunst auf der Couch“ in der Psychoanalytischen Praxis von Dipl.-Psych. Brigitte Ziob.

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2,3 – 3d (+) und SUR FACE im Ballhaus Ost

Das BALLHAUS OST ist eine seit 2006 bestehende Spielstätte für freies Theater, Performance und Tanz. Das Haus in der Pappelallee 15 im Prenzlauer Berg ist Heimat für bereits etablierte Gruppen und Künstler der freien Szene (wie z.B. die Puppenspielformation „Das Helmi“) und bietet gleichzeitig Raum für bislang weniger bekannte Akteure der vitalen freien Berliner Theaterlandschaft, hier ihre Arbeiten zu präsentieren. Das Ballhaus ist somit Begegnungsstätte für experimentierfreudige und -mutige Theaterkünstler und ein neugieriges Publikum – ein dynamischer Ort der passionierten Bearbeitung heutiger Lebenswirklichkeiten. Neben den regulären Programm gibt es eine Ausstellungsreihe namens „l’oiseau présente…“, das von den Gastkuratorinnen und Künstlerinnen Mani Hammer, Gunna Schmidt, Nicola Stäglich und Anke Völk auf die Beine gestellt wurde.

 

Mit 2,3 – 3d (+) versammelt die Berliner Künstlerin Nicola Stäglich Werke von Künstlern aus Berlin und Düsseldorf, die auf unterschiedliche Weise an Konzepten des erweiterten Bildraumes und -begriffs in Form von Reliefs bis zur freistehenden Skulptur arbeiten. Mit Jan Albers, Eva Berendes, Florian Baudrexel, Wolfgang Flad, Max Frintrop, Sabine Groß, Karsten Konrad, Frank Maier und Nicola Stäglich.

 

Ausstellungsansicht mit Werken von Boller, Konrad, Flad, Baudrexel und Albers
Frintrop, Stäglich, Boller, Maier, Flad, Baudrexel
Eva Berendes, Boller, Frank Maier und Wolfgang Flad
Florian Baudrexel, Nicola Stäglich, Frank Maier, Wolfgang Flad und Jan Albers
Sabine Groß, Frank Maier

SUR FACE – ausgehend von einem Wortspiel betrachtet die Berliner Künstlerin Gunna Schmidt in Ihrer Soloshow die Oberfläche von Malerei, als geformte Haut eines Bildes und gibt ihren Werken durch körperhaften Einsatz von Material und Farbe etwas wesenhaftes.

„Sur Face“ Gunna Schmidt
„Sur Face“ von Gunna Schmidt
Eröffnung 7. März 18-22h
Mo-Fr 16 – 18:30h
Sa-So 15 – 18:30h
Die Ausstellung läuft bis 16.3.2013
Ballhaus Ost 
Pappelallee 15
Hinterhaus/3.Etage – Berlin/Prenzlauer Berg
www.loiseaupresente.blogspot.com

 

 

 

 

Benzulli zeigt Franz Zar

Benzulli zeigt: Ausstellungen im Abstand von vier bis sechs Wochen im Hinterhof der Worringer Straße 103 in Düsseldorf. Aktuelle Informationen dazu findet Ihr auf Facebook unter www.facebook.com/benzulli.

Am Freitag den 01.03.2013 eröffnete dort für drei Tage die Ausstellung Franz Zar.
Und was soll ich sagen???
Mich spricht ja wirklich nicht mehr viel von dem an, was aktuell so Kunst genannt wird, doch das was dort hing gefällt mir.
Keine rechte Ahnung warum, aber diese Sachen von Franz Zar gehen einfach extrem gut bei mir. Denn es ist alles drin: Reproduktion, Serialisierung, digital Painting, amorphe Wurstformen, Ideologien, Ästhetikfragen, Revolution und Bildersturm. Was will man mehr?
Nur der Verweis auf Schulbücher ist im ersten Moment nicht so ganz meines, das liegt aber an meiner nachhaltigen Abneigung gegen die Institution Schule. Wenn ich das dann – wie im Text unten vermerkt – im Kontext von Auslöschung und Zerstörung lese geht das aber schon klar.

Bild via http://www.franzzar.net/

Deshalb nun zum Einstieg und zur Einstimmung noch den zugehörigen erstklassigen Text von Franz Zar selber.

>> Die Bilderstürmer des 16. und 17. Jahrhunderts begreifen die zu zerstörenden Bilder und Skulpturen als Repräsentationen der von ihnen bekämpften Ideologien. Heiligenbilder als Zeichen für die diesseitige Wirksamkeit Gottes und damit als Machtbeweis der Institution Kirche. Kunstobjekte aus den Sammlungen des Adels als Materialisierungen von Reichtum und elitärer Bildung. Erst die Aufklärung sieht in den Bildern und Skulpturen aus dem Besitz von Adel und Klerus das Potenzial, für die neu zu schaffende bürgerliche Öffentlichkeit in ästhetischer, politischer und historischer Hinsicht zum allgemeinen Bildungsinhalt zu werden. Während der Französischen Revolution werden die anfänglichen Zerstörungen von Kunstobjekten untersagt und neu geschaffene staatliche Kommissionen sammeln und katalogisieren die so geretteten Objekte, um sie an Orten wie dem Louvre, dem ehemaligen Königspalast, einer möglichst großen Anzahl von Menschen aus möglichst allen Gesellschaftsschichten zu präsentieren. In diesen neuen Ausstellungsräumen ist die ästhetische Beschaffenheit der in ihnen gezeigten Objekte wichtiger als die ihnen anhaftenden politischen und historischen Implikationen. Sie werden von früheren Repräsentationspflichten befreit, und zeigen in den neuen Kunsttempeln gleichsam nur sich selbst. Die Idee des Bildersturms ist die Zäsur zwischen modernem und vormodernem Kunstverständnis. Begreife ich ein Objekt ausschließlich als Repräsentation einer Ideologie, ungeachtet seiner formalen Qualität, muss ich es zerstören, wenn ich die entsprechende Ideologie bekämpfen will. Sehe ich von den politischen, historischen und ideologischen Implikationen ab, und beschäftige mich vorrangig mit der ästhetischen Beschaffenheit eines Objekts, beginnt das, was das moderne Verständnis von Kunst erst ermöglicht: die Reflektion über das Potenzial von Ästhetik, Wissen zu vermitteln. In den von mir für die Ausstellung bei Benzulli konzipierten Arbeiten werden Buchseiten meiner eigenen Geschichte-Schulbücher aus den Neunzigern mit Motiven deformierter Portraits bedruckt, die ich in Anlehnung an historische Bildzerstörungen geschaffen habe. Die Konstruktion und didaktische Vermittlung von Geschichte in Form der Schulbücher wird von mir mit Motiven zusammengeführt, die auf die Zerstörung und Auslöschung von Geschichte verweisen. Die digital erstellten malerischen Gesten untersuchen ein Verständnis von Malerei, das sich einst aufmachte, etablierte Formensprachen zu stürzen, auszulöschen und zu ersetzen. <<

Text: Franz Zar, Wien, Februar 2013

Einen weitere lohnenden Text von Franz Zar gibt es hier.

Und nach dem Lesen gibts die Bilder

alle Bilder Copy&Paste via benzulli – dort gibts noch mehr.
Danke!

Franz Zar bei Benzulli
01.03. – 03.03.2013
http://www.benzulli.com
Hinterhof der Worringer Straße 103, Düsseldorf

Pepper + Woll zeigen SUPER in Köln

Mit der speziell für den Ort entwickelten Arbeit „SUPER“ des in Düsseldorf lebenden Künstlerduos PEPPER + WOLL präsentierte die Projektreihe 10qm am Freitag den 08. März um 18 Uhr die neunte für den Ort konzipierte Arbeit.

10 QM – SUPER ist eine temporäre Architektur-Skulptur, welche sich durch Einbeziehung der spezifischen Raumkoordinaten am Ort manifestiert. Die Intervention schafft ein neues Zentrum innerhalb des vorhandenen Wohnquartiers, indem sie eine Schnittstelle im innerstädtischen Gefüge von Park, Kirche und Anwohner von Köln/Nippes provoziert. „Super“ funktioniert als architektonische Geste, die die Aufmerksamkeit des Anschauenden bannt und Fragen, Meinungen bzw. Prozesse der Kommunikation eröffnet!

„Super“ ist durch die freie Verwendung konventioneller Baumarktmaterialien und der Glorifizierung gegenüber der Technik geprägt. Ausgediente technische Objekte wie z.B.  der Lüfter (Bobble), der Stromkasten oder aber auch der Leuchtturm (Glockenturm) sind ausgediente technische Objekte mit Wiedererkennungswert, die in der gebauten Struktur eine scheinbare Logik ergeben.

Alle Bilder by Pepper +Woll via E-Mail.
Danke Mark!

10qm
Freitag den 08. März, 18 Uhr
www.10qm.de
www.facebook.de/zehnqm
www.pepperwoll.com

Politik zum Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf

von Dominik Busch (Düsseldorf)

Ich wollte ursprünglich eine Glosse über die Akademie und diese sogenannte Leistungsschau der Studenten schreiben, wurde mir der Ironie dieses Vorhabens aber recht schnell gewahr. Letztes Jahr noch nahm ich selbst daran teil, war selbst noch Teil dieses Systems, in dem der Konsens das Zepter führt und die Kritik allerhöchstens zeitweise kritisch ist. Dieser Punkt wäre mein Einstieg gewesen in die Forderung nach der Rückkehr zu einem kritischen Diskurs, zu mehr Streit über und um die Kunst. Daher werde ich mit Hinblick auf diese Forderung exemplarisch die diesjährigen Projekte der Klassen Grosse, McBride und Williams vorstellen. Drei Konzepte, die man als irgendwie politisch beschreiben könnte. Und die daher das größte Diskussionspotential entfalten.

Continue reading „Politik zum Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf“

Zyklus (Der Mensch unter der Führung des Menschen) im Studio Roh

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Der Titel der Ausstellung erschließ sich mir nicht sofort; er erwies sich jedoch im Nachhinein als die klarste Formulierung, die man sich zu dieser Gruppenausstellung hätte vorstellen können. Es gäbe viel zu sagen über diese gelungene Show, die sehr breit aufgefasst war und zugleich das Thema nie verfehlte (bis vielleicht auf eine Ausnahme). Aber wir bleiben diesmal wortkarg und lassen die Bilder sprechen – begleitet von minimalen Kommentaren.

Jaebong Jung
Jaebong Jung

Der Rausch der Geschwindigkeit, die Extase des Lichtes. Eine impressionistische und hypnotische Kurzarbeit von Jaebong Jung, gefilmt von einem fahrenden Zug aus, oszillierend zwischen starken Überblendungen und raschen Ansichten einer periurbanen Landschaft.

Diana Akoto-Yip
Diana Akoto-Yip
Diana Akoto-Yip

Die interaktive Videoinstallation von Diana Akoto-Yip brachte den Besucher an verschiedenen Orte einer Stadt in Ghana und ermöglichte jeweils einen Panorama-Blick auf die Umgebung. Nachdem man ein Chip in den vorgesehenen Schlitzen eines Monitorkastens platziert hatte, öffnete sich die entsprechende Landschaft auf 360 Grad.

Rebekka Benzenberg
Rebekka Benzenberg
Rebekka Benzenberg

Die Szene findet offensichtlich in einem Künstleratelier statt (das man unschwer als einen Raum der Kunstakademie Düsseldorf identifizieren kann). Ein Model ist an einem Stuhl gefesselt und wird von einer Bildhauerin (es ist Rebekka Benzenberg höchstpersönlich) eingegipst. Gestaltung durch Unterwerfung; Tortur als Motor der Schöpfung.

Fabian Heitzhausen

Im dokumentarischen Duktus erzählt ein junger Mann  vor der Kamera von Fabian Heitzhausen von seinen Erfahrungen als angelerneter Arbeiter in der Autoindustrie. Auch im Jahr 2013 ist die Entfremdung der Arbeit kein Fremdwort – wobei diese Entfremdung, von einer stupiden und eintönigen Tätigkeit verursacht, vom Betroffenen selbst gewählt wurde…

Experimentelle Bild- und Toncollage mit stark verfremdeten Bildern, bizarren Oberflächenstrukturen, und Klangwelten, die unter die Haut gehen. Experiment mit dem Material Film.

Oliver Blumek
Oliver Blumek

Dokumentation einer Performance von Oliver Blumek. Der gute Mann spaziert am Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einem Stück rohen Fleisches an der Leine. Die Reaktionen seiner Mitmenschen sind verhalten. Auf diesem harten Pflaster scheint die skurrile Erscheinung Keinen aus der Fassung zu bringen.

Sara Hoffmann
Sara Hoffmann
Sara Hoffmann

Sara Hoffmann präsentiert eine schwindelerregende Spiegelinstallation, die sehr an Dan Graham erinnert und die Paradigmen des Sehens/Gesehenwerdens, der Projektion und der Rezeption gekonnt inszeniert. Visuelle Abgründe öffnen sich plötzlich…

Melike Kara

Melike Karas Film wirkt wie ein melancholischer Eintrag in einTagebuch.

Bona + Fide
Bona + Fide
Dominik Królikowski

Dominik Królikowski hat den längsten Abspann der Filmgeschichte produziert. Er hat die Regierungsmitglieder aller Staaten dieser Welt (mit einer aussagekräftigen Ausnahme: die USA) in einer „Credits-Form“ aufgearbeitet und lässt so die Schauspieler und Mitwirkenden der realen Bühne in eine endlos wirkende Schleife abrollen.

 

Zyklus (Der Mensch unter Führung des Menschen)
Ausstellung v. 2.3-4.3.2013
Studio Roh
Mintropstr.14
40215 Düsseldorf

 

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen


Der nachfolgende Text erschien erstmalig am 7. Februar 2013 im tumblr-Blog von UBERMORGEN.COM und wird im Sommer 2013 in: What’s next? Kunst nach der Krise, herausgegeben von Johannes M. Hedinger/Torsten Meyer im Kulturverlag Kamdos erscheinen. Wir kopieren, verweisen und verlinken jetzt schon mal, sagen artig Danke und freuen uns, dass wir uns hier um unsinnige letzte Leistungsschutzrechte einer verschwindenden Verlagswelt nicht kümmern wollen und müssen.
Film ab!

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen


UBERMORGEN.COM / Februar 2013

Die Prämisse klingt in unseren Ohren wie Ketzerei: Kunst sei nutzlos, ja komplett sinnlos und es wäre immer schon so gewesen und es würde auch immer so bleiben. Dem liegt die These zu Grunde, dass die Kunst – wie auch die Finanzindustrie – keinerlei Produkte und auch keine Dienstleistungen erzeuge. Kunst produziere keine Nahrungsmittel, keine Medizin, keine Energie, keine Baustoffe, keine Maschinen, keine Information, und auch keine Kultur, nicht einmal Sinn oder Wissen würde durch Kunst erschaffen, und das hieße Kunst sei einzig und alleine für die Unterhaltung, die Ablenkung und die Befriedigung der Menschen da, und ab und zu diene sie auch als Statussymbol und Geldwaschanlage für reiche und einflussreiche Menschen und Firmen, ja sie sei sogar verbraucherfreundlich, und dieser Zusatznutzen sei überhaupt das schlagendste Argument gegen die romantische Verklärung eines solch unregulierten Bereichs unserer Gesellschaft.

Für heute habe ich genügend fette Frauen gesehen“,
anonymer Museumsbesucher.

Nun zur nahen Zukunft, dort wo Investitionen in elitäre und ekelhaft teure Kunst in Form von Ideen, Objekten, Zertifikaten auch für die Proleten der Unterschicht und für die Emporkömmlinge oder Statuserhalter der Mittelschicht möglich wird. Es drängt sich vordergründig der Vergleich zum Finanzmarkt der späten 1990er Jahre auf (Volksaktie, Dotcom, NASDAQ), kleine Investoren bekommen die Möglichkeit sagenhaft teure Kunst kollektiv zu erwerben, häppchenweise und zu einem erschwinglichen Preis, mit dem Versprechen, dass diese Kunst auch auf immer und ewig an Wert zunehmen werde. Die Kleininvestoren können in einzelne Kunstwerke oder ganze Werkgruppen, in umfassende Nachlässe und in globale Kunstmarken – Künstler, Galerien, Auktionshäuser, Museen – investieren. Aber wie schon seit jeher fließt der Hauptanteil des Profits auf wundersame Weise bergauf, es werden Transaktionsgebühren aufgeschlagen und der konsolidierte Mehrwert bewegt sich dann unaufhaltsam in Richtung der 0,01%. Der Mensch von der Straße dient als immerwährend stumpfer und zunehmend einfacher zu manipulierender Liquiditätslieferant, durch Massenmedien dumm gehalten und durch Medikamente und Drogen gedämpft, unfähig zu eigenem Willen, dienen diese Arbeitsesel zur schnellen und günstigen Finanzierung des weiteren Wachstum des sogenannten Kunstmarktes, diesem korruptesten und intransparentesten Gebilde mit limitiertem Zugang, Pragmatiker nennen es Marktversagen, Verschwörungstheoretiker und Wirtschaftswissenschaftler sprechen von einer Oligarchie.

In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre gibt es dann erstmals Anzeichen von Demokratisierung und Regulierung dieses plutokratischen Systems. Die neugegründete Art Exchange Commission (AEC) in Shanghai wird als globale Regulierungsbehörde eingesetzt und in der Folge werden die neuen großen Marktplätze, gegen allen Widerstand, von den Chinesen aufgekauft und verstaatlicht. Der chinesische Staat greift auch sonst stärker in den Kunstsektor ein und beginnt eine globale Kunsttransaktionssteuer zu erheben. Durch Förderungen, Stipendien und zielgerichtete Zensur wird etwas mehr Stabilität für die kapitalstarken Investoren und eine Grundsicherheit für die kleinen Anleger suggeriert. Kunstobjekte von staatlich finanzierten Künstlern werden zumeist als Bonds zertifiziert und vertrieben. Der Staat hat ein neues Finanzkunst- / Kunstfinanzinstrument geschaffen und finanziert damit Kunstsubvention. Das System wird selbsttragend und dadurch ein lohnendes Zielobjekt für profitorientierte Entitäten.

Parallel dazu geschieht der Durchbruch, in Form des Konzeptes der „virtuellen Existenz“: Das Kunstwerk muss von nun an nicht mehr existieren, um gehandelt zu werden, es genügt ein Zertifikat um den Besitz zu manifestieren und zu legalisieren. Nun werden auch alle historisch relevanten Kunstobjekte verstaatlicht und eingezogen und nur noch zeitnahe, sogenannt zeitgenössische Kunst darf offen und virtuell gehandelt werden. Die Objekte und Dateien verschwinden in den Depots und auf den Servern der Institutionen zirkulieren legale und illegale Raubkopien und Zertifikate ungehindert. Dadurch wird die Kunst metaphysisch, sie beginnt erst im Moment ihrer eigentlichen Auflösung wirklich zu existieren.

Dieser radikale Schritt öffnet Tür und Tor für Spekulation, neue Transaktionsarten, geteilte Besitzmodelle und Handelssysteme entstehen und das neu erschaffene „Glaubenssystem“ basiert auf einer Pyramide deren Basis aus Kunstmarken, und die darüber liegenden Ebenen aus Nachlasssystemen, Genres, Generationen, Kunstbewegungen und -szenen, besteht. Kunstbesitz wird nun ausschließlich in Fonds strukturiert, und durch die, dank der Digitalisierung, sehr hohe Bewegungsfähigkeit entwickeln sich neue Formen der Distribution. Der Markt beweget sich in Richtung binäre Objekte – Zertifikate, Unterschriften, Gif-Animationen, Jpgs, Mp3, Filme, Textfiles und weitere historische Objekte wie html-, css- und flashfiles sowie neue noch unbekannte Formate. Obsolete und mittlerweile illegale Konzepte der Finanzindustrie (Aktien, Derivative, Optionen, Futures, Credit Default Swaps), Arbitrage und die Idee des Hedge Fonds werden adaptiert. Nun steht dem globalen Crash des Kunstsystems nichts mehr im Wege.

Die Marktplätze verschieben sich dramatisch, von den verstaatlichten Institutionen und Marktplattformen, den historischen Kunstgalerien und den letzten übriggebliebenen Messen hin zu den neuen digitalen Hochgeschwindigkeitshandelsplattformen.

Die Dinosaurier der Kunstmessen werden in spektakuläre, oscarartige, Preisverleihungsshows umgewandelt, um den Unterhaltungsaspekt des Kunstsektors und dessen Protagonisten optimal zu vermarkten. Kunst wird weiter popularisiert und immer mehr zu einem vordergründig praktischen Medium, vergleichbar mit Musik oder Film.

Der daraus entstandene, moderne Kunstmarkt und seine Teilnehmer sind Maschinennetzwerke in denen sich, einst von Menschenhand geschaffene, komplexe Algorithmen autonom weiterentwickeln. Es dominiert der Hochfrequenzhandel: Serverfarmen in Dubai, anonyme Handelsteilnehmer, offshore Zertifizierungsgesellschaften, bitcoinartige Währungssysteme und andere, dem Menschen unverständliche und seiner Kontrolle gänzlich entzogene Technologien und Instrumente, dominieren die Marktlandschaft.

Nun verlieren auch die Künstler komplett die Kontrolle über ihre Zuliefertätigkeit und die Netzwerke übernehmen die Kunstproduktion. Zu Beginn werden aufgrund der Analyse der Kunstgeschichte neue Konzepte errechnet und zertifiziert, ähnlich eines modernen Schachcomputers errechnen die Netzwerke optimale Varianten und Produkte. In der Folge werden alle Bereiche der Kunstproduktion autonom, und in einem ultimativen Akt der Autonomiemanifestation beginnen die Maschinencluster neue Identitäten, Marktsättigungslevels und Finanzierungs- und Marketingstrategien zu errechnen.

Die Konvergenz ermöglichte zu Beginn des binären Zeitalters die Benutzung einer Plattform für Handel, Produktion, Distribution und Konsumation von Kunst, und genau diese Konvergenz ermöglicht es nun den Netzwerken die Kunstproduktion zu emulieren, zu kapern und zu monopolisieren. Das Hauptargument: Die Qualität der Netzwerkkunst ist um ein vielfaches höher als die herkömmlich erstellten Produkte und auch die Kritik und das Bewertungssystem sind längst an die Netzwerke ausgelagert und in Folge übernommen worden.

Die Menschen sind obsolet geworden, sie sind reine Übersetzer, Beobachter ihres eigenen Machtverlustes und entweder Bewunderer der neuen Ästhetik oder fundamentalistische Kritiker jeglicher Netzwerkkunst. Die vormals neoliberalen Kuratoren und Kritiker dienen nunmehr als Handlanger, sie arbeiten als Assistenten für die virtuellen Instanzen – Historiker und Archäologen. Ihr Versuch die Netzwerke zu verstehen scheitert an der übermenschlichen Geschwindigkeit und an der unglaublichen Vielfältigkeit der Entwicklung. Es entsteht Natur pur, chaotisch und komplex und ohne Quellcode unmöglich zu interpretieren.

Nach einer längeren Periode der rein binären Kunst einigen sich die Netzwerke darauf wieder materielle Objekte herzustellen. Sie beginnen 3D-Macher – vormals 3D-Drucker – zu entwerfen, diese wiederum drucken 3D-Macher, welche dann effektiv materielle Kunst herstellen können. Ehemalige Museen, Fast-Food Restaurants, Copy-Shops, Bibliotheken und Kleidergeschäfte werden Musterzimmer für die Zurschaustellung maschinengemachter Dinge. Offensichtlich haben die Netzwerke Ironie und einen Sinn für Romantik entwickelt, und es stellt sich die Frage, ob eine Art kollektives Bewusstsein mit verschiedenen Seinszuständen und Selbstkritik folgen wird.

Bis heute wurden in den Netzwerkarchiven keine Kunst gesichtet, die fette Frauen beinhaltet, und anonyme Museeumsbesucher gibt es schon seit langen nicht mehr.

Camera Obskur im Kunstraum Düsseldorf

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Bereits in den 1980er Jahren nahm eine ganze Generation von deutschen und deutschsprachigen Künstlern – darunter Thomas Schütte, Thomas Huber oder Ludger Gerdes – auf die Form des Modells Bezug. Ihr Interesse galt vor allem der Zwitternatur dieser Gattung, die zugleich autonomes Objekt, perspektivischer Entwurf und utopische Projektion sein könnte. Oft mit einer guten Portion postmoderner Ironie versehen und, entweder als Plan oder als Bühne, in betont artifiziellen Arrangements inszeniert, fungierten ihre kleinen Systeme als möglichkeitsöffnende Denkspiele, die zwischen elegant-aseptischem Glanz (Fritsch) und amateurhaftem Trash (Hirschhorn) oszillierten. Auch in jüngeren Positionen, wie z. B. bei Tatiana Trouvé, Rita McBride oder Simon Starling, die vereinzelt mit dieser Form arbeiten und die Disziplinen der Architektur oder des Designs (Stichwort: Prototyp) offensichtlich zitieren, ist die Bandbreite der konzeptuellen Strategien und der plastischen Lösungen in Bezug auf das Modell sehr groß. Umso erstaunlicher erscheint die programmatische Konzentration der aktuellen Ausstellung im Kunstraum Düsseldorf.

Die zwei Kuratorinnen Stefanie Ippendorf und Jari Ortwig haben eine dichte Präsentation geschaffen, die, klugerweise, auf einen einzigen Aspekt der Modellfrage fokussiert. Die sechs Künstler der Show greifen alle auf Hausmodelle zurück (wobei „Haus“ im erweiterten Sinne zu verstehen ist, also auch als Halle, Zimmer, Zelle), die entweder dreidimensional geformt oder fotografisch kreiert werden. Diese Konstruktionen siedeln sich gezielt in eine unscharfe Zone zwischen Realität und Fiktion an, und dies wird teilweise durch die mediale Aufarbeitung des Haus(modells) forciert, die ein Filter zwischen Objekt und Subjekt legt und damit die grundsätzliche Unsicherheit des Betrachters steigert.

Christine Erhard
Christine Erhard

Sind nun die menschenleeren und sterilen urbanen Räume in den Bildern von Christine Erhard die Imitation einer Stadt oder handelt es sich hier um authentische architektonische Ansichten? Erhard scheint mit den Sehgewohnheiten des Betrachters zu spielen. In ihren Aufnahmen von Modellen integriert sie geschickt und verschmitzt Elemente ihres Ateliers und schafft somit verwirrende Trompe-l’oeil, die die Nähe der sachlichen Fotografie offensichtlich suchen. Sie verwandelt einfache Tischplatten in riesige Hängebrücken und lässt eine einfache Heizung wie Plattenbauten wirken. Diese köstlich irritierenden Bilder (übrigens: Erhard versteht sich in erster Linie als Bildhauerin) stellen den Automatismus der Bildinterpretation und, grundsätzlicher noch, das Verhältnis des Bildes zur Realität in Frage. Ausstellungsbesucher, die Christine Erhard gemocht haben, werden Lois Renner lieben…

Elke Schlenkhoff
Elke Schlenkhoff

Wie Erhard baut Elke Schlenkhoff ihre Modelle selbst bevor sie sie abfotografiert. Allerdings ist hier die motivische Perfektion, die in Erhards Aufnahmen gekonnt vorgetäuscht wird, gar nicht von Interesse. Anstatt glänzenden Oberflächen und anonymen Betonlandschaften in den Vordergrund ihrer kleinen Bilder zu rücken, blickt Schlenkhoff, 1984 in Herne geboren, auf heruntergekommene Hinterhöfe, triste Fassaden und desolate Straßenecken, die den ganzen Charme des Ruhrgebiets ausstrahlen. Diese aus Pappe und Knete zusammen gebauten Szenerien erinnern eher an Bühnenbilder ohne Schauspieler als an Modelle. Das Atmosphärische, das Narrative sind hier bedeutender als die Exzellenz der Form, als die gelungene Täuschung. Natürlich verkörpern sowohl Erhard als auch Schlenkhoff zwei Positionen, die reflexartig an die paradigmatische Haltung von Thomas Demand erinnern. Der Spannungsbogen zwischen Realem und Konstruiertem, zwischen Fotografie und Architektur, bzw. Modell ist evident.

Marc Räder
Marc Räder
Marc Räder

Vor etwa fünfzehn Jahren überraschte Marc Räder die kleine Fotowelt mit seinen verzerrten Aufnahmen der nordamerikanischen Suburbia. Durch Verschiebungen und Schwenkungen der Linse seines Objektives (sog. „Tilt and Shift“-Verfahren; wenn ich mich nicht irre, ist Räder der Erste, der diese Technik entwickelte und bewusst einsetzte, und dies lange bevor sie von der Werbebranche aufgegriffen wurde), brachte er ganze Wohnsiedlungen, verwaiste Sportareale und künstlich wirkende Landschaftszüge in eine merkwürdige Perspektive. Von einem beinah göttlichen Standpunkt aus gesehen, erscheint die Welt in Räders Bildern wie ein kleines, hässliches und lebensfremdes Eisenbahnmodell ohne Eisenbahn. Diese verstörende Mischung aus extremer Expressivität und gnadenloser Sachlichkeit (doch, das ist wirklich unsere Welt) ist allerdings nur spannend, wenn die Wahl der Motive sozialkritische Spuren aufweisen und die Missstände unserer urbanen Kultur aufdecken. Diese raffinierte Fotografie läuft nämlich Gefahr, interessant-abstruse Bilder zu liefern, die sich in ihrem kurzen Aha-Effekt erschöpfen.

Mirjam Kuitenbrouwer
Mirjam Kuitenbrouwer
Mirjam Kuitenbrouwer
Mirjam Kuitenbrouwer

Weiterhin wären die subtilen, vertrackten Apparaturen von Mirjam Kuitenbrouwer zu erwähnen, die würdig eines Kuriositätenkabinetts der Aufklärung sind und – extrem schöne machines à voir und machines à penser darstellen. Die Installationen von Stephan Mörsch, die sich in Modellen, Zeichnungen und Videoaufzeichnungen durchdeklinieren und, trotz ihrer formellen Harmlosigkeit, politische Brisanz besitzen, hätten sowohl Baudrillard als auch Virilio viel Vergnügen bereitet. Schließlich das kleine entomologische Theater von Susanne Kutter, wo Schmetterlinge und Kellerasseln in nachgebauten Interieurs inszeniert wurde. Ich hatte Schwierigkeiten, das Ganze als Metapher einer existentiellen, menschlichen Situation zu sehen. Vielleicht weil mir in der Schulzeit Kafka mit einer Keule eingetrichtert wurde.

Mirjam Kuitenbrouwer

Stephan Mörsch
Stephan Mörsch
Stephan Mörsch
Stephan Mörsch

Die Kunsthistorikerinnen-Kuratorinnen spielen bewusst mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs „camera“, der sowohl „Zimmer“ im Italienischen als auch „Fotoapparat“ im Englischen heißt und finden in dieser dichten Präsentation die stimmige Schnittstelle zwischen Fotografie und Raum. Die Ausstellung ist gut recherchiert und, in dieser kompakten Form (die Räumlichkeiten des Kunstraums sind beinah halbiert worden, und dies war eine goldrichtige Entscheidung), ein wahrer Genuss. Es fehlt zwar ein Funken an Verrücktheit, an deplatzierten Invenzione; man vermisst vielleicht den Bruch, die Zäsur, das Unvernünftige, die Spannung ins harmonische Ganze bringen würde. Aber was meckere ich nur? Man bekommt nicht jeden Tag eine so solide Gruppenausstellung…

Susanne Kutter
Susanne Kutter
Susanne Kutter

 

 
Camera Obskur
Kunstraum Düsseldorf
Himmelgeister Str.  107
Ausstellung vom 1.2.-24.3.2013
Öffnungszeiten: Do-So, 14-18 Uhr

Zu Inken Bojes Meteoiden

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

alle Bilder Courtesy Inken Boje

 

Von Inken Boje kannte man bisher eher die inszenierten Selbstporträts, die sie seit vielen Jahren produziert und in denen sie in die Identität von populären Künstlerfiguren schlüpft. Ihre skulpturale Arbeit, bestehend aus den sog. „schnellen Skulpturen“, also Objekten aus leichten Materialien, die rasch aufgebaut werden können, wurde verhältnismäßig selten gezeigt. Zwischen April und Oktober 2012 bekam man jedoch eine geballte Gelegenheit, sich mit Bojes Plastik auseinanderzusetzen. Und das Verb „auseinandersetzen“ ist hier nicht als Floskel zu verstehen. Auf neun öffentlichen Plätzen der Stadt stellte die Künstlerin ihre Werke für ein paar Stunden auf, ohne große Vorwarnung und ohne didaktisches Begleitmaterial. Werke, die für das gesunde Volksempfinden nicht unbedingt als Kunst identifizierbar waren. Und die völlig unterschiedliche Reaktionen hervorriefen.

Nachdem sie ihre ursprüngliche Idee beim Kulturamt nicht durchsetzen konnte (zunächst sollten massive Betonquader aufgestellt werden), arbeitete Boje an leichten Plastiken aus Pappe, Plastik, PU-Schaum und Klebefolie, die auf ausgewählten Plätzen aufgebaut wurden. Jede Aktion dauerte zwischen acht und zehn Stunden, mitsamt Auf- und Abbauphase. Während dieser Zeit blieb die Künstlerin stets am Ort des Geschehens und beobachtete, wie ihre Meteoiden – wie sie die Objekte nennt – bei den Passanten ankamen. Es ging also nicht darum, die Stadt auszuschmücken und mit neuen drop-sculptures zu bereichern, sondern den angeblich freien, öffentlichen Raum in Besitz zu nehmen. Darüber hinaus sollte festgestellt werden, wie diese Aneignung akzeptiert wird und, abseits des üblichen Kunstbetriebs, wie der „Mann von der Straße“ damit umgeht.

Wirklich ausufernd waren die Objekte von Inken Boje nicht. Weil sie im Atelier realisiert und später auf konventionelle Weise transportiert werden sollten, überstiegen sie nie drei Meter Höhe. Aber das reichte schon um übliche Durchgangspassagen zu sperren und einen kleinen Umweg zu erzwingen oder, bei Wind, leicht bedrohlich zu wirken. Und vor allem: Diese Haufen nicht-edler Materialien, die nicht unbedingt als neue Verkörperungen des Guten, Wahren und Schönen gehalten werden dürfen, stellten der Öffentlichkeit (zwar banale, aber nach wie vor berechtigte) Fragen: Ist das Kunst? Ist das schön? Muss ich von jetzt an damit leben? Wer nimmt sich die Freiheit, den öffentlichen Platz zu bespielen? Kann sich Jeder diese Freiheit nehmen?

 

Für die Aufstellung ihrer Meteoiden, hatte Boje Orte in der Stadt ausgewählt, die neu gestaltet wurden. Der Oberbilker Markt, der große Platz an der Bonner Straße in Holthausen, der Apollo-Platz am Rhein oder der Friedensplatz in Bilk sind alles öffentliche Räume, die in den letzten fünfzehn Jahren erneuert wurden. Diese Veränderungen gehen immer mit einer notwendigen Neuorientierung ihrer Benutzer einher, mit einer Anpassung ihrer Gewohnheiten. Diese vielfachen Neugestaltungen führen aber zwangsweise auch zu tiefgreifenden Veränderungen im gesamten Viertel. Die Plätze werden kleiner oder größer, Märkte etablieren sich oder verschwinden, zusätzliche Fahrspuren werden auf- oder zurückgebaut, etc. Das lässt die Bewohner nicht kalt. Und wenn plötzlich auch noch eine unerwartete Skulptur aus heiterem Himmel fällt, dann können schon die Emotionen hoch kochen.  Inken Bojes Meteoiden wirkten daher wie das Brennglas eines (mikroskopischen) Wandels im städtischen Raum. Auf ihnen konnte sich der Frust entladen, durch sie konnte sich die Zufriedenheit ausdrücken. Im Oberbilker Markt, wo die Neugestaltung zu mehr Verkehr und weniger Aufenthaltsqualität geführt hat, entwickelten sich spannungsgeladene Gespräche mit den Anrainern, die das bisschen noch verfügbaren Raum aggressiv verteidigten. In Holthausen hingegen, wo unverhofft ein sehr großer Platz mit Spielgeräten, Bänken und Bäumen entstand, bekam die Künstlerin die spontane Hilfe von Nachbarn und deren Anerkennung.

Die Lebensqualität in einer Stadt lässt sich nicht allein an ihrer niedrigen Arbeitslosenquote, an der Anzahl von Schulen und Kindergärten oder an ihrem Freizeitangebot messen. Auch eine sinnvolle, humanistische Stadtgestaltung, die in der Lage wäre, Interaktionen zu provozieren und den heterogenen Menschenfluss zu lenken oder zu verankern ist überlebenswichtig. Da wo öffentliche Plätze entstehen, kommen unterschiedliche Menschen zusammen; sie kommunizieren miteinander und identifizieren sich mit dem Ort, an dem sie sich befinden. Sie finden ihren Platz. In dieser Sache hat Düsseldorf in der Nachkriegszeit – wie viele andere Städte, die sich hauptsächlich auf die Bedürfnisse des motorisierten Verkehrs eingestellt haben – völlig versagt. Plätze sind von Straßen entzweit worden, sind zum Kreisverkehr verkommen. Die Baufehler der Vergangenheit werden nicht korrigiert. Gerade in der Landeshauptstadt, die in etlichen City-Rankings gut abschneidet (es kommt eben auf die Kriterien an), sucht man mit Mühe nach öffentlichen Plätzen, die ein Gefühl der Gemeinschaft unterstützen. An diese Tatsache haben Inken Bojes Meteoiden erinnert.

Bojes Skulpturen wurden übrigens nach ihrem Einsatz auseinandergebaut und sind nur noch fragmentarisch vorhanden. Ihre erneute Präsentation im white-cube-Kontext erscheint nicht besonders sinnvoll…

 

Body Light bei Venus und Apoll

Venus&Apoll ist der Onffspace-Ableger der in Düsseldorf ansässigen JULIA STOSCHEK COLLECTION. Begleitend zum jährlichen Rundgangspektakel an der Akademie eröffnete dort am vergangenen Freitag Abend die Gruppenausstellung Body light, mit den Teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern Ben van den Berghe, Kira Bunse, Isabella Fürnkäs, Dominik Geis, Manuel Graf, Alex Grein, Tobias Hoffknecht, Sarah-Jane Hoffmann, Anna K.E., Melike Kara, Magdalena Kita, Anna-Lena Meisenberg, Tanja Ritterbex, Hermes Villena, Jonas Wendelin und Sophie Wilberg-Laursen.

Und auch wir hatten fest vor darüber eine Bildstrecke zu machen!
Leider, leider kamen wir aber nicht bis zum Worringer Platz, sondern sind dann keine 200 Meter von zu Hause entfernt am Fürstenplatz im Bar/Cafe Appartement hängen geblieben – und dort ganz klassisch versackt.
So gab es für uns Zündkerzen statt Videokunst und am nächsten Tag nen dicken Kopf…

Was für ein Glück aber, dass es noch andere Blogger gibt, die über mehr Disziplin und Einsatzbereitschaft verfügen und in solchen Fällen aushelfen können. Deshalb hier der Verweis auf die Kolleginnen und Kollegen vom artfridge-Blog, denen es gelungen ist eine Bildstrecke mitzubringen.
Zum Ansehen bitte kurzer Klick auf das Bild oder hier.

via artfridge
Venus & Apoll 
Worringer Platz 8
40210 Düsseldorf
Opening Hours: Daily, 12 – 18 h

Neues aus Hamburg: Carola Deye – Sorry Safari und Tillmann Terbuyken – Spitzen

Dank der Unterstützung der frisch nach Hamburg gezogenen, jungen Künstlerin Theda Schillmöller werden wir ab jetzt und in den kommenden Monaten etwas tiefer in die Kunstszene der norddeutschen Hafenstadt einsteigen – eine Stadt im übrigen, die auch für einen Teil der Perisphere schon einmal zwei Jahre lang Heimat gewesen ist, bevor es dann ins Rheinland ging.
Zur Feier des Tages und weil man auch mal was verrückter tun muss, machen wir den Auftakt – ganz untypisch für uns – mit einem fotografischen Doppel zu zwei Räume.

Danke Theda!

Tillmann Terbuyken präsentiert Spitzen bei Isa Maschewski

Der Maler und Bildhauer Tillmann Terbuyken eröffnete letzte Woche seine Ausstellung ‚Spitzen‘ im Projektraum Isa Maschewski in der Admiralitätstraße. Er zeigt Arbeiten aus den letzten sieben Jahren. Zeitgleich ist eine Auswahl seiner Arbeiten in der Ausstellung ”Passagen und Werkzustände” bei KM in Berlin zu sehen. Beide Ausstellungen laufen noch bis März 2013.

Carola Deye zeigt Sorry Safari im Goldbekhof

Carola Deye, Gastkünstlerin im Goldbekhof 2012, zeigte am 31.01.2013, ihre Abschlussausstellung ‚Sorry Safari‘. Deyes Arbeiten beziehen sich auf die gleichnamige Tom & Jerry-Folge und spielen u.a. mit Stolperfallen und Perspektivverschiebungen. Der Großteil ihrer Arbeiten ist während ihres einjährigen Aufenthalts im Gastatelier Goldbekhof entstanden und kann, je nach Räumlichkeit, sowohl zweidimensional, als auch dreidimensional ‚gelesen‘ werden. Deyes Arbeiten sind tiefgründig und humorvoll zugleich – dieser Spagat gelingt ihr ganz gut, finden wir.

spitzen
tillmann terbuyken
Projektraum Isa Maschewski
Admiralitätstr. 71
20459
Hamburg

Ausstellung: 25.01.2013 – 21.03.2013
Öffnungszeiten: Dienstag – Donnerstag 14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
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sorry safari
Carola Deye
Goldbekhof
Moorfuhrtweg 9 B
22301 – Hamburg

Rundgang der Kunstakademie Düsseldorf 2013

eine Bildstrecke von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Alle Jahre wieder… Ein sehr langer (aber selbstverständlich nicht vollständiger) Rundgang durch den Düsseldorfer Rundgang. Wahllos, hierarchiefrei, so sachlich, wie nur möglich. Mit schönen Grüßen aus dem Echtzeit-Archiv. Für Hinweise auf falsche Zuordnungen und Versäumnisse sind wir dankbar.

Die Seite wächst nach und nach bis zum Ende des Rundgangs am 24.2.

 

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Western Typologies und Facebook Soldiers – zwei Projekte über private Bilder öffentlicher Kriege aus den globalen Netzwerken

Der Düsseldorfer Gestalter und Künstler Thomas Artur Spallek ist ein umtriebiger Zeitgenosse. Gemeinsam mit den Moxies zeichnet er sich unter anderem für die Gestaltung der Plakatkampagnen der Tonhalle Düsseldorf mitverantwortlich. Darüber hinaus betreibt er gemeinsam mit Albert Naasner, George Popov den eigenen Independent Verlag TFGC Publishing mit dem wir widerum gerade das Books&Blankets-Projekt planen und umsetzen. Und als wäre all das noch nicht genug, studiert er auch noch Kommunikationsdesign an der FH-Düsseldorf, weilt aktuell allerdings für ein Auslandssemester in Portugal.

Neben all diesen Arbeiten, als Verleger, Organisator und Gestalter im Auftrag der Anderen geht Thomas Spallek zusätzlich noch eigenen künstlerischen Projekten nach. Über zwei dieser Projekte habe ich mich mit Ihm unterhalten. Thomas war darüber hinaus so freundlich, das besprochene Bild- und Textmaterial als Video aufzubereiten. Mit diesem kurzen Video steigen wir in die beiden Projekte und das Gespräch ein.

Im Gespräch mit Thomas Artur Spallek

Perisphere:
Thomas, erklär doch bitte noch mal kurz worum es in Western Typologies und dem Vorgängerprojekt Facebook Soldiers geht.

Thomas Artur Spallek:
Es geht vor allem um Menschen und Ihre Verbindung durch das Internet. Es geht aber in beiden Serien auch um Menschen die für etwas kämpfen.
Das Internet hat es mir erst möglich gemacht in Bildern anderer Leuten zu suchen. Gäbe es das nicht, würde ich wahrscheinlich meine Bilder in alten Fotoalben auf dem Flohmark suchen. Das spannende ist wie nah das Internet zwei unterschiedliche Menschen bringen kann. Dieses Idee versuche ich in meinen freien Arbeiten weiter auszureizen.

Facebook soldiers, 2012
Facebook soldiers, 2012
Facebook soldiers, 2012
Facebook soldiers, 2012

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Formation – Peles Empire im Cell Project Space

von Benny Höhne (London)

 

Peles Empire – der Name scheint Programm zu sein bei Katharina Stoever (*1982) und Barbara Wolff (*1980), demjenigen Duo, das sich hinter dem Großmachtstatus beanspruchenden Alias verbirgt. Seit nunmehr acht Jahren leben und arbeiten die beiden Künstlerinnen in London, wo sie im Jahr 2005 ein Kollaborativprojekt gründeten, dessen Namen sie dem rumänischen Schloss Peleş entlehnten. Aber nicht nur ihr Name, sondern das gesamte Werk der zwei jungen Damen, die ausschließlich als Duo arbeiten, entspringt ausnahmslos diesem am Fuße der Karpaten, zwischen Transsilvanien und der Wallachei gelegenen Neorenaissance-Schlosses, das allem Anschein nach Quelle höchster Inspiration ist.

Formation 7  (digital prints on paper, 275 x 440cm) und Formation 2-6 (Porzellan und schwarzer Ton) (Bild: Damian Jaques)

Ausgangspunkt ihrer aktuellen Solo-Show FORMATION im Londoner Cell Project Space ist der Waffensaal des Gebäudes, den sie neben anderen Räumen des Schlosses bereits für vergangene Ausstellungen installativ interpretiert und rekonstruiert haben. Dabei präsentieren Peles Empire eine Gruppe von Arbeiten bestehend aus skulpturalen Objekten und digitalen Prints, welche das Verhältnis verschiedener Transformationsmöglichkeiten von Raum, Zeit und Materialität auszuloten scheint.

Formation 7. (Bild: Damian Jaques)

Dem Besucher begegnen zunächst zweidimensionale Rückführungen und Neuinterpretationen der ursprünglich räumlichen Nachbildungen des Waffensaals. Zwei große Schwarz-Weiß-Drucke unterteilen den Ausstellungsraum in drei gleichgroße Abschnitte und umgeben den Besucher als mehrfach verzerrte, digital modifizierte Version des originalen Schlossraumes, der hier visuell bis zur Unkenntlichkeit entfremdet ist. Nur puzzlehaft lassen sich Rückschlüsse ziehen auf ein ursprüngliches Ganzes, das von Stoever und Wolff fortlaufend – hierin ist ein Grundschema ihres Arbeitsprozesses zu erkennen – transformiert, permutiert und re-arrangiert wird.

Formation 8 (digital print on paper, 250 x 280cm). Bild: Mariell Amélie
Formation 8 (Bild: Marielle Amélie)

In FORMATION wird dieses Konzept mit fünf in einer Reihe auf dem Boden positionierten Objekten auf die Spitze getrieben. In einer subjektiven Wiedergabe einzelner abstrakter, aus den Fotomontage-Kulissen herausgegriffener Formen und Strukturen führt das Duo die vorherige Umwandlung von Raum zu Fläche in skulpturale Dreidimensionalität zurück und entfernt sich mit dieser abermaligen Umwandlung umso weiter von seinem Ausgangspunkt. Durch die untypische Materialkombination von weißem, unglasiertem Porzellan und Black Grog, einem schwarzen, grobkörnigen Pigment, verbinden sich die Keramiken einerseits mit der Farbigkeit der Fotokopien, stoßen sich durch ihre schroffe Oberflächenstruktur aber andererseits von den glatten Bildwänden ab, was für ein deutlich spürbares Spannungsverhältnis unter den verschiedenen Arbeiten sorgt.

Formation 7 und 1 (Prints auf Papier, je 275 x 440cm) und Formation 4-6, (Porzellan, schwarzer Ton). (Bild: Mariell Amélie)
Formation 5. (Bild: Mariell Amélie)
Formation 4. (Bild: Mariell Amélie)

Die Metamorphose ihres architektonischen Namensgebers vollzieht Peles Empire in einer zweiten Objektgruppe auch mit den im Waffensaal des Schlosses erhaltenen Artefakten, die als abstrahierte Keramik-Reproduktionen von Lanzen oder Speeren im hinteren Galerieraum gegenüber einer Collage aus geschredderten Schwarz-Weiß-Drucken an der Wand staffiert sind und die Ausstellung abschließen. Auch diese Arbeiten können im Hinblick auf eine zusammenfassende Einschätzung von FORMATION als berechtigter Versuch der Künstlerinnen gewertet werden, einen historischen Raum zu visualisieren, der seiner selbst allerdings so weit entrückt ist, dass der Betrachter sich in einer auf Realem basierenden Utopie wiederfindet, einem von Stoever und Wolff herbeigewünschten Ort, der hier in abermaligen Transformationen zu einem kuriosen Nirgendwo mutiert ist.

Formation 9 (Porzellan, schwarzer Ton, 212 x 58cm) und Formation 10 (Porzellan, schwarzer Ton, 212 x 58cm). (Bild: Mariell Amélie)
Formation 9. (Bild: Mariell Amélie)
Bild: Mariell Amélie

Nicht nur künstlerisch, auch kuratorisch sind Peles Empire höchst aktiv. Unter gleichem Namen betreibt das Duo momentan zwei eigene Off-Spaces in London und Cluj, in denen die zwei Städel-Absolventinnen bei regelmäßig stattfindenden Ausstellungen mit anderen Künstlern kollaborieren – demnächst wieder Ende Februar in London. Ihre nächsten Solo-Shows haben Peles Empire im März im Kunstmuseum Stuttgart, sowie im Mai in den Glasgower Sculpture Studios.

 

FORMATION – Peles Empire
31. Januar – 17. März 2013
Cell Project Space
258 Cambridge Heath Road
London E2 9DA
Öffnungszeiten: Fr – So, 12 – 18 h

Ein Päckchen für Julian Assange von der !Mediengruppe Bitnik

Hammer! Einfach Hammer!
Warum?
Lesen!

Heute Mittag machte mich Antje Winkler (Danke nochmal!) in einem Skypechat auf die !Mediengruppe Bitnik aufmerksam, dich ich zu meiner Schande bis Dato noch nicht so recht auf dem Schirm hatte.

„Die !Mediengruppe Bitnik interessiert sich in ihren Arbeiten für mediale Systeme, mediatisierte Wirklichkeiten und Live-Medien. Diese reproduziert und manipuliert sie in einer Weise, dass sie der Betrachterin eine neue Sichtweise auf die Mechanismen ermöglicht. Dazu bedient sich die !Mediengruppe Bitnik der Strategien des Hackings und erweitert diese zu einer Praxis des Umnutzens, Neuausrichtens und der Kritik. Als künstlerischer Eingriff in ein bestehendes System bedeutet Hacking, dass das gehackte System für andere Nutzungen, Neunutzungen und Umnutzungen geöffnet wird.“ [1]
Über die traditionellen Verbindungen von Hackerkultur und Künstlern hatte ich vorgestern hier bereits geschrieben und will Euch deshalb heute nich länger damit aufhalten.

DELIVERY FOR MR. ASSANGE

Fakt ist, !Mediengruppe Bitnik hat im Janur einen ganz wunderbaren Hack hingelegt in dem sie ein, mit einer Webcam ausgestattes und an Wikileaksgründer Julian Assange adressiertes Päckchen in die Botschaft von Ecuador verschickt haben. Die Kamera in dem Paket war mit einem Computer kombiniert, dieser wiederum schickte alle 10 Minuten Snapshots über das Netz und machte zeitgleich ein Update auf Twitter.
So war es möglich den Weg des Päckchens und das was damit geschah vom Aufgeben im Postamt bis hin zur finalen Auslieferung über Twitter live mit zu verfolgen.

Innenansicht des Pakets mit Blick auf, Technik, Batterien und Sender

Die Mediengruppe Bitnik nennt das ganze ein „REAL_WORLD_PING, a SYSTEM_TEST, inserted into a highly tense diplomatic crisis“ (für die Nichttechniker unter uns: Ping ist ein ein Programm zum Testen eine Netzwerkverbindung).  Nun sind die Damen¿ und Herren¿ des Kollektivs nicht die ersten die sowas machen, wie der Kollege Rene Walter vom Nerdcore-Blog schreibt,  denn der Künstler Tim Knowles hat so etwas in der Art 2006 bereits einmal gemacht. Uns macht das aber nichts, denn die Idee so etwas dann in dem Kontext Julian Assange/Wikileaks zu machen ist trotzdem einfach großartig.

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Ubermorgen.com in der Fach und Asendorf Galerie

Netzkunst. Von der Nische ins Spektakel und zurück ins Off.

Netzkunst und künstlerische Experimente mit diesem, unseren Medium gibt es seit den Anfangstagen des Internets. Und obwohl es Ende der 90er Jahren durchaus eine Art Hype gab, ist die Netzkunst Teil einer Nische und Bestandteil der Offkultur geblieben. Dies im übrigen trotz, oder eventuell auch gerade wegen des unfassbar rasanten Wandels des Netzes zum Massenmedium innerhalb der vergangenen zehn Jahren.
Die Kunst, oder das was von den Institutionen unserer Zeit als solche hoch gehalten wird, tut sich allerdings nach wie vor schwer mit diesem Medium, zu wenig verwert- oder ausstellbar sind die Ergebnisse in den meisten Fällen.

Dabei versprach dieses neue Medium ungeahnte und vielversprechende Möglichkeiten für Künstler. Die Netzwerkverbindungen ermöglichten einen direkten Kontakt zu Kollegen und Publikum, ganz ohne störende Galeristen, Kritiker, Kunstvermittler, Kulturmanager oder andere parasitäre Figuren dazwischen. Es bot neue Formen der Publikation und Möglichkeiten für Experimente mit Autorschaften und Anonymität, welche bei konsequenter Durchführung am Ende sogar die Künstler selber endlich überflüssig gemacht hätten.
Die Fluxusidee, dass alles Kunst werden solle und jeder ein daran mitwirkender Künstler sei, erlebten hier in modifizierter Form eine Rennaissance und die damit verbundenen Überschneidungen zwischen Künstler- und Hackerkultur waren zahlreich und sind es auch heute noch. Anonymous, der strukturlose Hackerschwarm, der mittlerweile eine gewisse Bekanntheit erreicht hat, geht auf diese Ideen der offenen subjektlosen Strukturen zurück.
Schon in der ersten Generation der Netzkünstler die sich in den 90er jahren mit der neuen Technologie auseinander setzte war die Kultur der Hacker deutlich zu spüren. Vorhandenes umzunutzen, oder in bestehende Systeme einzudringen, prägte die Arbeit der damals aktiven Protagonisten.

Mediahack and Intervention by UBERMORGEN.COM

Eine herausragende Künstlerformation, die die Idee des Hackens sowohl auf technologische als auch auf soziale Systeme anwendete war und ist UBERMORGEN.COM, bestehend aus dem, mittlerweile zur vierköpfigen Künstlerfamilie transformierten, Künstlerpaar Hans Bernhard und lizvlx.

UBERMORGEN.COM lizvlx & Hans Bernhard mit Guantanamo Bay Aufseher Chris Arendt

Die beiden haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten den ein oder anderen spektakulären medialen Hack hingelegt und sich damit mehr als einmal Ärger mit Behörden und großen Unternehmen eingehandelt, über dies aber auch einen Namen im internationalen Netzkunstjetset gemacht.

Einer dieser medialen Superhacks der international für Aufsehen sorgte war die ‚Vote Auction‚ zur US-Wahl 2000. „Voteauction was a Website which offered US citizens to sell their presidential vote to the highest bidder during the Presidential Elections 2000, Al Gore vs. G.W. Bush.“ Die Idee des Netzes als Medium einer Aufklärung und einer subversiv kritischen Halltung gegenüber den bestehenden Machtverhältnissen ist hier schon deutlich spürbar.

In den vergangenen Jahren hat sich das Netz, dessen Nutzung und seine Funktion verwandelt, Konsum und E-Commerce haben massiv an Bedeutung gewonnen. Den damit einhergehenden Transformationsprozess haben UBERMORGEN zwischen 2005 und 2009 in der EKMRZ-Trilogy aufgearbeitet.

Google will eat itself – Teil der EKMRZ trilogy – Installation, The Premises Gallery, Johannesburg/South Africa

Transformation des Freiheitsversprechen

So langsam wird deutlich, dass sich die früheren Freiheitsversprechen des Cyberspace nicht bewahrheitet haben. Oder zumindest anders als gedacht, denn die Freiheit die sich aktuell über die Datenkabel des Computernetzwerks verbreitet ist in erster Linie die Freiheit der Unternehmen und der von ihnen umkämpften Märkte. Die zugehörige, konsumierende Masse dominiert dabei mehr und mehr die virtuellen Debatten. Ob diese Dominanz nun aber mit der ihnen zugeschriebenen Weisheit oder mit stumpfer, als Basisdemokratie getarnter Pöbelei einhergeht, bleibt vorerst offen. Die Grenzen und Überlagerungen zwischen den beiden Polen sind wie so oft fliessend. Zumindest aber, so lange das zu Grunde liegende sozialpolitische Programm Konsum heißt, wird der Trieb und damit der Mob die Richtung vorgeben.
Onlinepetitionen, Bürgerbeteiligung per Shitststorm und Entrüstungsorgien auf Facebookunternehmensseiten sind zwar groß in Mode, die Beschäftigung mit den angeprangerten Missständen endet aber nicht selten mit dem Klick.
Einige der aktivsten, selbst ernannten Freiheits-Datatypisten treten seit einigen Jahren als Partei organisiert aus der wütend klickenden Masse heraus, sind aber bis heute die Antwort schuldig geblieben was sich denn nun eigentlich mit den neuen Kommunikationsmitteln ändern solle. Und einzelne aus diesem Umfeld inszenieren sich ungeniert heldenhaft als Freiheitskämpfer, fordern aber in erster Linie nur Freiheit für die eigene Einfältigkeit und die dort gefeierte naive Weltsicht.
Aber nicht das wir uns falsch verstehen, Netzneutralität sowie freie, unbeachtet Kommunikation und Open-Access sind unzweifelhaft wichtig und bedeutend. Alleine damit ist es aber eben auch nicht getan, denn man muss schon auch wissen, was denn kommuniziert werden will.

Die zweite Generation und die New Aesthetic

Fast unbemerkt ist während dessen eine neue Generation von Künstlern herangewachsen, die nun dabei sind neue künstlerische Strategien, Formate und Stilrichtungen im Umgang mit dem immer noch jungen Medium zu entwickeln. Metamoderne ironische Ernsthaftigkeit und eher spielerischer Umgang mit dem vorgefundenen Fundus der digitalen Popkultur sind Kennzeichen dieser neuen Richtung in der Netzkunst.  Kim Asendorf und Ole Fach sind zwei Protagonisten dieser nächsten Generation. Gemeinsam betreiben sie die halb im Ernst, halb im Spaß die Onlinegalerie f&a.org in der Ende 2012 eine der neuesten Arbeiten von UBERMORGEN.COM zu sehen war.

Dailiy Doodle heißt das Projekt welches mit Hilfe des Onlineabstimmunstools doodle den Onlineaktivismus, auch genannt Slacktivism thematisiert und persifliert. Berliner Gazette-Autorin Jillian C. York beschreibt die Slacktivisten in ihrem Artikel Mit ein paar Klicks vom Sofa aus die Welt retten? wie folgt „Sie sind als „Sofa-Aktivisten“, zu faul zum Protestieren auf der Straße, klicken den Facebook-Like-Button oder retweeten etwas in der Annahme, dass die reine Zustimmung etwas bewirken kann. Dem Slacktivisten wird vorgeworfen, er steuere minimalen Aufwand bei und wäre dabei noch unverdientermaßen stolz auf seine Leistung“.

Die hier formulierte Kritik setzen UBERMORGEN.COM bei Fach&Asendorf in die Praxis um in dem sie jeden Tag überlebenswichtige und gesellschaftsrelevante Fragen online zur Doodle-Abstimmung brachten.

Die Screenshots fa-g.org/2012/ubermorgencom-dailydoodle

 

UBERMORGEN.COM brachten bei Fach und Asendorf einen Monat lang täglich Fragen die die Welt bewegen zur Abstimmung ein. Alle weltweit angeschlossenen Onliner konnten über das Mitmachnetz 2.0 teilhaben und partizipieren.

Das Doodle-Abstimmungstool wird vielfach für die unterschiedlichsten Fragen genutzt. Oft geht es darum gemeinsame Termine zu finden, diesmal um die Fragen für oder wider Gerechtigkeit.

Ein offenes Kunstwerk

»Der Konsument ist ‘am Machen des Werkes beteiligt schreibt Umberto Eco 1962 im ‚Offenen Kunstwerk‘. Rückwirkend betrachtet stimmt diese Aussage hier in doppeltem Sinne. Neben dem ironisch, spielerischen Umgang mit den partizipativen Möglichkeiten des Netzes, ist die prozesshafte und transparente Entwicklungsarbeit für das Projekt durchaus bemerkenswert.

Denn, wer so wie ich UBERMORGEN.COM bereits seit längerem über deren Twitteraccount folgte, war schon in den Monaten davor Zeuge der Versuche mit der Doodle-Befragungen. Allerdings ohne zu wissen was es damit auf sich hat, denn die thematische Ausrichtung war damals noch nicht recht absehbar.

In der Twittertimelin sind die Experimente mit dem Material des Projekts auch jetzt noch zu verfolgen und so wird nicht nur das Endergebnis der Arbeit, sondern auch Teile des zugehörigen Entstehungsprozesses und der Umgang mit dem Material für Aussenstehende nachvollziehbar. Was in der finalen Show bei Fach und Asendorf dann pointiert und präzise erscheint, war Monate zuvor noch rohes, zuweilen auch infantiles Herumprobieren.

Das Sichtbarmachen der öffentliche Entwicklungsgeschichte ist eine Form der Transparenz und Offenheit wie sie aktuell nur selten in zeitgenössischen künstlerischen Arbeitsprozessen sichtbar wird. Zu sehr ist künstlerisches Schaffen derzeit auf die Produktion von fertigen, finalen Werken und deren fest definierter Dokumentform ausgerichtet.

Es ist aber äußerst beruhigend zu sehen, dass die vorausgehenden Experimente in der Twitteröffentlichkeit dem präsentierten Ergebnis nicht geschadet haben. Es hindert uns also nichts daran, weiterhin in dieser Richtung zu experimentieren und damit auch wieder dem kreativen Prozess selber eine höhere Wertigkeit gegenüber dem finalen Werk einzuräumen. Mit Blick auf die aktuelle Phase einer fast autistischen Marktorientierung künstlerischer Produktion, zeigen sich hier spannende Aspekte und eventuell auch Alternativen des Schaffens, weg vom toten Artefakt hin zum lebenden Prozess.

‚Daily Doodle‘ by UBERMORGEN.COM
in der Fach und Asendorf – Galerie
http://fa-g.org/2012/ubermorgencom-dailydoodle

Urban Structures auf der Flurstrasse 16

eine Bildstrecke von Emmanuel Mir (der an diesem Tag nur mit einer Schnappschusskamera unterwegs war und um Nachsicht bietet)

 

Flingern did it again. Immerhin ist der ehemalige Gemüse- und Obstladen, bei dem Keiner einkaufte weil es nicht auf dem Weg lag und die Petersilie schon verfault war, nicht von einer Agentur für Grafikdesign oder von einer Boutique für überteuertes (aber handgemachtes) Nippes ersetzt worden. Aber, schlimm genug, der Laden ist schon wieder von Künstlern übernommen worden. Vielleicht. Möglicherweise. Wenn alles gut geht, soll ab sehr bald ein Projektraum entstehen. Das Konzept ist einfach: Fünf Künstler schmeißen zusammen um die Miete zu bezahlen und laden, je zwei Mal im Jahr, in die sehr schönen Räume ein. Es ist noch zu früh, um von einem Programm zu sprechen. Aber das wichtigste ist vorhanden: Die Energie. Diese Idee ist auf den Mist von Robert Pufleb, der sich in der Vergangenheit bereits durch seine weihnachtlichen Kunstsalons ausgezeichnet hatte, gewachsen. Da der Mann ein sicheres Händchen beweist und einen strammen Gang hat, könnte die Chose schneller über die Bühne gehen, als man glaubt. Sehr gut! Wir freuen uns darauf!

Andreas Zimmermann

Wand: Robert Pufleb
Andreas Gefeller
Andreas Gefeller
Robert Pufleb
Josef Schulz

 

Urban Structures
Mit: Andreas Gefeller, Robin Merkisch, Robert Pufleb, Josef Schulz, Andreas Zimmermann
auf der Flurstrasse 16
2-3.2.2013, 14-20 Uhr

Ted Green auf der Flurstraße 16

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Höchst untypisch: Ein ehemaliger Lüpertz-Schüler verweigert die auktoriale Hoheit über seine Arbeit, schert sich nicht um subjektives Ausdruckspathos und verschwindet regelrecht hinter dem malerischen System, das er zwischen der Leinwand und seiner Person errichtet hat. Dieser Maler heißt Ted Green und ist einer der zwei Köpfe des Projektraumes Gagarin. Als Maler bisher selten zu sehen, erscheint er nun verstärkt in der kleinen Düsseldorfer Öffentlichkeit und sucht die Konfrontation mit dem Publikum. Er ergreift die Chance einer Zwischennutzung und verwandelt einen ehemaligen Gemüseladen in eine Galerie. Dort hängen fünf Gemälde in sehr verschiedenen Formaten.

 

Die abstrakten Werke des US-Amerikaners kommen zunächst zeitgemäß-schick daher. Die Schablonenformen seiner Bilder, die sich meistens in symmetrischer Anordnung entfalten, erinnern in ihren Einzelheiten an manche Graffitis (Technik und Geste) oder an Rorschach-Tests (Komposition). Die wilde Bildsprache greift auf zugleich intensive und harmonische  Farbverhältnisse zurück und kann ihre Neigung für die glatte Schönheit des Ornaments nicht verbergen. Das geht sogar bis zur Einbeziehung einer Wand in eine Komposition (und vice-versa); eine Geste die nicht unbedingt als ironischer Augenzwinker zu verstehen ist.

Alles wirkt handwerklich gekonnt und optisch schmeichelhaft. Alles wirkt kalkuliert. Ein Verdachtsmoment entsteht in dieser frühen Rezeptionsphase: Ist Green einer dieser Maler, der auf eine halbwegs innovative Formel gekommen ist und sich nun in Trendsetting ausprobieren will? Die geschickte Paarung aus einem zurechtgebogenen Quasi- Informel und einem vermeintlichen Street-Art-Duktus ist ja kommerziell vielversprechend…

Bei genauerer Betrachtung und im Gespräch mit dem Künstler verflüchtigt sich jedoch der anfängliche Verdacht. Die ästhetische Verführung von Greens  Bildern, die teilweise an Gefälligkeit grenzt, ist nicht das Ergebnis einer marktorientierten Strategie sondern das Produkt des Zufalls. Die durchaus ansprechenden, teilweise komplex miteinander verflochtenen Grafikmuster entstehen durch die strenge Einhaltung ein paar selbstauferlegter Gesetze. Die formellen Entscheidungen des Malers in Hinsicht auf Farbe, Textur und Form werden gewürfelt oder gelost. Bevor er seine Pinsel anrührt, konstruiert Green kleine tabellarische Systeme, die aus Zahlen- oder Buchstabenreihen bestehen und in das Verhältnis zu Material, Duktus oder Form gebracht werden. Diese Tabellen bestimmen die Hauptachsen der Komposition: Wird eine Drei gewürfelt, soll die festgelegte Schablonenform grün werden; bei einer Sechs soll sie gelb sein. Oder so ähnlich.

Ein anschauliches Beispiel: Die feinen, kringelnden, roten Striche einer Komposition sind nicht das Ergebnis einer automatischen, nervösen Schrift (obwohl sie genau danach aussehen) sondern die von Googlemap errechneten Routen zwischen zwei europäischen Städten, welche Green in einem Losungsverfahren gepaart hat. Mit dem Würfel bestimmt er weiterhin die Malgeschwindigkeit oder die Größe seiner Pinsel, die Reihenfolge der Farbschichten und weitere entscheidende Bestandteile seiner Bilder. Die Palette an Möglichkeiten ist begrenzt, innerhalb dieser Palette hat der Künstler prinzipiell nichts zu melden – wobei er sich immer wieder erlaubt, nachträgliche „Korrekturen“ vorzunehmen. Da wo man also eine bewusste und durchdachte Handlung sehen möchte, handelt es sich um die Folgen eines absurden Programms, das den künstlerischen Entschluss größtenteils ausschaltet. Alles ist hier nur gespielt; und die Regeln des Spiels bestimmen das Bild.

Alte Kamelle? Damit haben Richter und Polke bereits gespielt, damit spielen seit eh und je Francois Morellet und Bernard Venet? Ja und? Der konzeptuelle Ansatz von Ted Green erhebt nicht den Anspruch, den kreativen Akt auf innovative Weise infrage zu stellen oder manche Klischees über Malerei (betr.: Inspiration, Intuition, Spontanität, Genietum, etc.)  ironisch zu dekonstruieren. Dafür kommen seine akribischen Allover definitiv zu spät – zumindest in dieser Form. Aber ob Gemälde von Menschen oder von Systemen generiert werden ist letztendlich zweitrangig. Wenn man wirklich davon ausgeht, dass jedes Bild dieser Welt bereits gemalt worden ist und dass das „Neue“ in der „neuen Malerei“ (das saisonal neu definiert wird) ein Betrug ist, erscheint Ted Greens Herangehensweise zumindest luzid und ehrlich.

Ted Green
Ersatz Woddpeckers of Central Flingern
Ted Green
Flurstr. 16
20.1-28.1.2013
Am gleichen Standort findet übrigens am 2.2 und 3.2. eine feine Fotoaustellung, worüber wir gleich noch berichten werden.

Robert Heel und Eva-Maria Offermann bei General Public

von Julia Wirxel (Berlin)

 

„Aufzug oder Treppe?“ lautet der Titel der Mappe von Eva-Maria Offermann mit 12 Plakaten. Es geht hier nicht um Entscheidungsfindungen von Kollegen nach dem Mittagessen in der Kantine oder die Überlegung, wie man effizient sportliche Betätigung in den Arbeitsalltag integriere, um ein paar Kalorien zu verbrennen. Es geht um ökologische und ethische Fragestellungen: Um den eigenen Fingerabdruck im Klimawandel. Wieviel an Energieressource kann man bewahren, wenn man anstatt den Aufzug zu bemühen, die Treppe benutzt und seine eigene Körperkraft einsetzt. Oder alternativ die Rolltreppe nicht nutzt. Und dies trotz der Tatsache, dass heute die Schnelligkeit und Effizienz einer Gesellschaft oder einer Stadt an ihrer Geschwindigkeit gemessen wird und and der Bereitschaft ihrer Bewohner, eine Rolltreppe während des Fahrens hochzulaufen.

Eva-Maria Offermann
Eva-Maria Offermann: Fortschritt
Eva-Maria Offerman: Co2

Eva-Maria Offermann hat auch ihr eigenes künstlerisches Tun unter die Lupe genommen. So wie sie auf die Luftverschmutzung hinweist und saubere, erneuerbare Energien als erstrebenswert aufzeigt, so hat sie errechnet, was die Herstellung des von ihr verwendetes Papiers, die Produktion der Siebdruckfarben und der Prozess des Druckens selbst an C02-Ausstoß verursachte: 400 kg. Diese Auswirkungen auf die Umwelt hat sie bei atmosfair ausgeglichen und quasi neutralisiert.

Eva-Maria Offermann: Ressourceneffizienz
Eva-Maria Offermann: Gesellschaftsvertrag

„Dinge länger nutzen“ steht slogangleich auf einem anderen Plakat, das „Ressourceneffizienz“ betitelt ist. Die Farben und Art der Gestaltung erinnern an einen Markt für Unterhaltungselektronik, der den Konsumenten zum Geiz anmahnt – allerdings geht es in diesem Geiz nicht darum, Dinge länger zu nutzen und kein neues „Ding“ zu kaufen, sondern im Gegenteil, weitere und neue Dinge zu erstehen, um dabei angeblich zu sparen. Dabei wurden Glühbirnen schon immer so konzipiert, dass sie weit unter ihrer möglichen Lebensdauer bleiben oder Kaffeemaschinen nach der Ein-Jahres-Garantie auseinanderfallen. Auf ästhetisch vielfältige Weise greift Eva-Maria Offermann in ihren Plakatdrucken Gedanken auf, die einer weiten Verbreitung bedürfen. Somit steht sie in der langen Tradition der politischen Aussage von Plakaten, Flyern, Handzetteln, Aufklebern. Die Möglichkeit zur Vervielfältigung ist diesen Medien eingeschrieben.

Robert Heel: Installationsansicht
Robert Heel

Umrahmt werden die Plakate von den Märchenwaldbildern Robert Heel. Im ersten Raum sind Papierarbeiten zu sehen, die mit Hilfe von Schablonen entstanden sind. Auf einer anderen Wand sind dieselben Waldtiere in schwarz-weiß einzeln auf – aus Berlin nicht mehr wegzudenkende – Stoffbeutel aufgetragen: Uhu, Dachs, Luchs, Specht und Fuchs. Sie hängen vor einer Waldlandschaft und können jederzeit verkauft werden, der Wald steht damit quasi vor dem Ausverkauf. Nach Bedarf kann man dazu mit einem Eichhörnchennussknacker in pinkfarbenen Signalton Nüsse knacken. Der Besucher imitiert das Leben im Wald selbst, im Ausstellungsraum, mit einem leblosen Eichhörnchen. Zur künstlichen Szenerie der im Wald als Taschen baumelnden Tiere ertönt der künstlich-echte Sound des Wallnussknackens von Menschen. Diese Aktion war ein Teil der Performance zur Eröffnung. Teil zwei spielte sich im hinteren Bereich des nächsten Raums ab. In einer weiteren Waldkulisse trat Heel musikalisch auf und erfreute das Publikum mit einem grafischen Konzert: „Ich möchte ein Eichhörnchen sein“, war die einzige Songzeile. Am kommenden Tag ertönen als eine Art Relikt Käuzchenrufe aus den Lautsprecherboxen.

Robert Heel: Installationsansicht

Der Projektraum General Public gründete sich 2005 als Verein. Das achtjährige Bestehen des Raums ist etwas besonderes, wenn man die hohe Fluktuationsrate von Off-Räumen in Berlin bedenkt. Manche bestehen für einen Abend, eine Ausstellung oder ein Jahr. Aber hier ist die Hälfte der Gründungsmitglieder noch aktiv und die Entscheidung zum Programm verläuft auf harmonische Weise basisdemokratisch, was ebenfalls eher eine Ausnahme und nicht die Regel ist. Zur aktuellen Ausstellungseröffnung erschien ein brasilianischer Künstler, der sich einen Monat in Berlin aufhält und gezielt auf General Public zukam, um eine mögliche Zusammenarbeit vorzuschlagen. Auch daran sieht man, wie sich Bedeutung und Glaubwürdigkeit niederschlagen können.

Robert Heel

Mit dem Preis zur Auszeichnung künstlerischer Projekträume und –initiativen, mit dem General Public / DISK Initiative Bild & Ton e.V. – und auch andere Off-Räume in Berlin – vom Senat gewürdigt wurden (immerhin 30.000 € pro Raum), wird sehr überlegt umgegangen. Zunächst sollte es –  als Kritik des Desasters der Kunst-, Künstler- und Raumförderung, ausgelöst durch „Based in Berlin“ – in schicke Schuhe zur Preisverleihung investiert werden… Absolut wünschenswert sind mindestens acht weitere Jahre mit einem engagierten Programm, ganz gleich wie das Preisgeld investiert werden wird. Eine gute Lösung wird sicherlich gefunden werden.

Tolle Aussichten – 2013 in der Perisphere

von Florian Kuhlmann und Emmanuel Mir

 

Wir sind stolz. Stolz über ein Projekt, das gerade seinen zweiten Geburtstag gefeiert hat und seit 2011 langsam aber stetig – und vor allem: schön – wächst. Das Interesse an Perisphere nimmt sichtbar zu und wir sind für den Zuspruch und das Feedback sehr dankbar. Beim Launch der Seite, haben wir uns damals vorgenommen, die Entwicklungen der Düsseldorfer Off-Szene redaktionell zu begleiten und ab und an einen Blick in die Projekträume aus Köln, Berlin oder Hamburg zu werfen. Das tun wir, weil wir in diesen subkulturellen Biotopen einen Humus der jungen, experimentellen Kreation sehen – deutlich spannender und wegweisender als manche Blasen der kommerziellen Galerieszene.

An dieser Ausrichtung wird sich künftig nichts ändern. Wir bleiben die begeisterten und zugleich kritischen Zeugen der autonomen Kunstszene. Aus Überzeugung. Nach einer kleinen Pause am Anfang des Jahres werden weiterhin Ausstellungsrezensionen der Schwerpunkt unserer Arbeit bilden. Aber neben dieser Beobachterrolle möchten wir für 2013 aktivere Posten übernehmen – also nicht nur kommentieren sondern auch gestalten.

So soll in den kommenden Monaten eine neue Veranstaltungsreihe in die Welt gesetzt werden. Sie heißt Gespräche aus der Perisphere, soll drei bis fünf Mal pro Jahr in verschiedenen, ausgewählten Projekträumen stattfinden und besteht, wie der Name schon sagt, aus Unterhaltungen mit Künstlern. Bevor sie in Videoform auf unserer Seite übertragen werden, ereignen sich die Gespräche in der Öffentlichkeit und ermöglichen eine konkrete Auseinandersetzung mit den ausgestellten Werken.

Apropos Öffentlichkeit: Florian Kuhlmann hat einen Büro in Friedrichstadt bezogen (es handelt sich um die ehemaligen Räumlichkeiten der Galerie Claudia Simon auf der Kirchfeldstraße) und will dort regelmäßig eine Digitale Soirée veranstalten. Das Format ist an sich offen; der Schwerpunkt liegt auf Netzkunst und Hacktivism – Disziplinen, die in der Kunststadt Düsseldorf noch keine Rolle spielen und nun verstärkt verterten werden sollen.

Dass die Hauptakteure von Perisphere sich vom Kunst-Mainstream abwenden und sich Randerscheinungen widmen beweist nicht nur Kuhlmanns Digitale Soiree sondern auch das nächste Ausstellungsprojekt von Emmanuel Mir. Anfang Juni eröffnet in der Hans Peter Zimmer Stiftung „Petites résistances – Rebellion als Kunstform“, eine internationale Gruppenausstellung, die auf subversive und aktivistische Positionen der Interventionskunst eingeht. Die Ausstellung blickt unter anderem auf das Phänomen des Urban Hacktivisms und wird von einem Workshop mit Künstlern und Theoretikern begleitet.

Wer mit Aktivismus nichts anfangen kann und die (Kunst- und Medien)Welt lieber von seiner Stube aus verstehen will, kann sich demnächst auf die Vorlesungen von Hans Ulrich Reck freuen und dieses intellektuelle Juwel genießen. Reck, einer der führenden Kunstforscher Deutschlands und eine enzyklopädisch gebildete Koryphäe im Bereich der Medientheorie und der Ästhetik, macht uns die Ehre, seine Vorlesungen aus der KMH Köln zur Verfügung zu stellen. Eine Auswahl des Materials werden wir bearbeiten und als Reihe online stellen.

 

Da haben wir uns also etwas vorgenommen. Dabei handelt es sich hier um die festen Pläne. Welche unerwartete Entwicklungen und spontane Ideen noch zwischenzeitlich kommen können, sind ja nicht absehbar. Und wir sind weiterhin für jede sinnstiftende Schandtaten zu haben. Wir freuen uns auf Kooperationen aller Art. Wir freuen uns auf Ausstellungsrezensionen aus der ganzen Republik. Wir freuen uns auf Künstler, die das Blogformat als autonome Kunstform nutzen wollen. Wir freuen uns auf Ideen, die wir gar nicht haben können. Im Sinne von John Cage: We welcome whatever happens next.

 

Das könnte also heiter werden…

 

Gallery Opening in Düsseldorf Flingern

von Florian Kuhlmann (Düsseldorf)

Letztes Wochenende, gemeinsames Gallery Opening in Düsseldorf Flingern – der Name ist Programm. Wer von auswärts mit liest und Flingern nicht kennt, der stelle sich bitte einfach Berlin Mitte vor, allerdings nicht nur komplett durchsaniert sondern in der Zusatzvariante völlig tote Hose.
Aber warum trotzdem nicht einmal aus nächster Nähe sehen was man in der WZ derzeit unter dem Zentrum der Avantgarde-Händler versteht.

Eine fantastische Fotostrecke wollte ich mitbringen. Bilder mit weltklasse Kunst die unseren Lesern die Tränen in die Augen treiben und sowohl Spitzenhöschen als auch Feinrippbuchse nass machen. Ich war guter Dinge!

Leider wurde nichts draus.

Die mehrheit der Bilder und Artefakte konnten nicht überzeugen, das allermeiste war selbst für unsere Verhältnisse zu off, geradezu offoff eigentlich. Eine der wenigen Ausnahmen Gregor Schneider – aber Schneider ist eben Schneider – mit einem einfachen und nachhaltig beeindruckenden Video seines Indienprojekts.

Gregor Schneider war in Indien und hat unter anderem ein Video mitgebracht. Ein Bild wie eine Faust. Respekt!

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Sven Blatt im Interview mit Anthony Cragg

Tony Cragg Declination

Das Interview mit Anthony Cragg ist schon etwas länger online und ich wollte schon die ganze Zeit einmal darauf hingewiesen haben. Aber zwischen den Jahren machte sich so eine überaus angenehme Faulheit und Antriebslosigkeit breit. Der Kollege Sven Blatt von kunstdüsseldorf wird es uns nach sehen, immerhin zum Lesen hat es gereicht.

Nach einem etwas holprigen Anfang nimmt das Gespräch gut Fahrt auf und was Cragg über künstlerischen Erfolg zu sagen hat ist nicht nur sympathisch sondern auch vernünftig. Darüber, dass sich eine solche Haltungen natürlich sehr viel einfacher einnehmen lässt wenn sich der künstlerische Erfolg bereits auf allen Fronten eingestellt hat liesse sich eventuell diskutieren. Wir sparen und das, weil wir auch renommierten Künstler das Recht zu gestehen etwas kluges zu sagen. Und am Besten lest Ihr sowieso einfach selbst.

Zum Interview mit Prof. Anthony Cragg, Rektor der Kunstakademie Düsseldorf und international
renommierter Bildhauer.

PS: Frohes neues Jahr und alles gute für 2013! Lasst es Euch gut gehen.

 

Bild: von Bengt Oberger (Eigenes Werk)
[CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)],
via Wikimedia Commons

„Brachial Sensibel“ im Studio Roh

von Emmanuel Mir (Düsseldorf)

 

Im Norden des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, um den Worringer Platz herum, wimmelt es mittlerweile vor Projekträumen, Ateliers und mehr oder weniger kurzfristig angelegten Kunstinitiativen. Weiter im Süden, um den Mintropplatz herum, eingequetscht zwischen Bahnbrücke, Table-Dance-Läden und den Ausläufern des marokkanischen Viertels, wurde vor kurzem ein Gegengewicht geschaffen, das erste Off-Projekt in diesem zentralen Stadtteil. Dort haben sich Rebekka Benzenberg und Oliver Blumek etabliert und ihre Wohnung zu einer Art work in progress gemacht. Die beide haben sich in der Klasse Gostner in der Kunstakademie kennengelernt. Binnen weniger Monate hatten sie ein neues Zuhause bezogen und gleichzeitig ein Projekt definiert, das unter der Bezeichnung „Studio Roh“ läuft. Es ist also mehr als eine Wohnung – es ist zugleich ein Ort des Lebens, des Arbeitens und der öffentlichen Begegnung. Die erste Ausstellung sollte ein Zeichen setzen und programmatischen Wert haben. Mit „Brachial sensibel“ zeigten die zwei Künstler ihre eigenen Arbeiten und gaben den Ton an.

Blick im „Wohnzimmer“
Im Hintergrund: Ein Bild von Rebekka Benzenberg

Die Küche ist ein hart beleuchteter Getränke-Ausschank, bestückt mit Bildern und einem Sofa. Das Wohnzimmer mit den breiten Fenstern gilt als größter Ausstellungsraum und ist für großformatige Gemälde geeignet – am Eröffnungsabend wurde hier auch getanzt. Das Schlafzimmer ist in ein Installationskabinett verwandelt worden, getaucht in krankes gelbes Licht. Diese Atmosphäre der Semi-Öffentlichkeit ist, abgesehen von den jeweiligen Projekten von Sebastian Riemer und Tanja Goethe, eine Seltenheit in der Düsseldorfer Kunstszene. Auch die Grundhaltung des Betreiberpaares klingt zunächst unüblich – eine Mischung aus unverfrorener, sich nicht um die Regeln des Kunstbetriebes scherender Begeisterungsfähigkeit und pubertärer Naivität. Beide Bestandteile dieser Mischung besitzen eine willkommene Frische, die immer noch wärmer als die Coolness mancher Off-Akteure ist.

Rebekka Benzenberg

Der Titel „Brachial Sensibel“ beschreibt ganz gut die Ambivalenz, die Benzenberg und Blumek interessiert. „Wir suchen etwas, das zugleich hitzig und weich ist“, kommentierten die Künstler. „Es soll sehr gefühlsbetont werden. Die Kunstszene erscheint uns zu künstlich, zu fern von den Menschen.“ Gute Absichten, die zunächst ein wenig abstrakt klingen. „Wir wollen zurück zu den Wurzeln!“, fahren die beide fort. „Zu welchen Wurzeln?“ frage ich. Da müssen sie ein wenig überlegen. Sie sind sich ihrer Sache sicher, hatten aber anscheinend noch nicht an eine Verbalisierung gedacht. „Die Wurzel ist die Emotion“, sagt dann Blumek. „Zurück zum Ich. Die Wurzel ist das Bewusstsein für das Gute und das Böse. Es ist eine moralische Vorstellung“.  Na so was. Sturm und Drang revisited?

Oliver Blumek

Nun, Eines muss ich zugeben: Mit einer Rückkehr der Romantik hätte ich niemals an diesem Ort gerechnet. Und das war ein Fehler von mir – denn, trotz des Abgangs des Malerfürsten Lüpertz und trotz des frischen Windes, der nun angeblich in der Kunstakademie wehen muss, ist der Hang zum romantischen Pathos eine tief in der künstlerischen Seele Düsseldorfs verbohrte Eigentümlichkeit, die sich nicht mal eben aushöhlen lassen kann. Von den Anfängen der Düsseldorfer Malerschule im frühen 19. Jahrhundert bis zum heutigen Tag ließe sich möglicherweise ein roter, gefühlsbetonter und affektiver Faden ziehen, der das Kolorit der lokalen Kunstszene bestimmt – für weitere interessante Dissertationsthemen, bitte bei der Redaktion melden.

Oliver Blumek
Oliver Blumek

Aber zurück zur Emotion. Und zurück zur Kunst. Benzenberg und Blumek haben eine Auswahl von ca. 25 Bildern getroffen, die vor allem in zwei Räumen hängen. Obwohl er eigentlich aus der Skulptur- und Installationskunst kommt, hat sich Blumek von seiner Partnerin „anstecken lassen“ und sich im Medium der Malerei ausprobiert. Es sind vielschichtige, abstrakte Bilder entstanden, die der Balance zwischen laschen, unkontrollierten und sehr präzisen Gesten nachgehen – und diese zum Teil auch finden. Elemente eines vitalen Action Painting mischen sich mit einem sensibleren Duktus, der verschiedene, sich widersprechende Raumtiefen schafft. Auch wenn diese Malerei viel verspricht und neugierig auf weitere Entwicklungen macht, ist sie noch längst nicht ausgereift. Man spürt hier deutlich, dass ein Künstler sich noch sucht und zwischen unterschiedlichen Formeln zaudert. Sich dieser Unfertigkeit zu stellen ist für den Maler-Neophyten ein mutiger Akt – und für den Außenbetrachter eine spannende Einsicht in ein entstehendes Werk.

Rebekka Benzenberg: Weltkarte
Rebekka Benzenberg

Rebekka Benzenberg beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit Malerei und ihre Bilder zeigen da eine andere Reife als die ihres Partners. Es sind meistens große Formate mit sehr verdünnten Farben, in denen die vielen Malschichten Motivansätze und schemenhafte Formen generieren. Die Laviertechnik, die dem Zufall viel Raum öffnet, ist mit großen Gesten durchgeführt. Die weichen Farbtöne, in Beige, Blau-Grau und mit Spuren von Lila und Alt-Rosa, erinnern an manche frühen Kompositionen von Graubner. Diese wässerigen, atmosphärischen Welten werden nicht selten von deutlichen schwarzen Blitzen gebrochen oder von entscheidenden Pinselspuren auseinandergerissen, bei denen die Präsenz des Körpers deutlich sichtbar wird. Die Expressivität der Informellen (man muss hier schon oft an Fred Thieler denken) bestimmt den Herstellungsmodus dieser Gemälde. Trotz einiger Referenzen, besitzt Benzenberg einen eigenständigen, ausdifferenzierten Stil, der nicht zur Neo-Neo-Geo-Malereiwelle der letzten Jahren passen will. Darüber hinaus probiert sich die junge Künstlerin in etwas gegenständlicheren Kompositionen aus, die wie Reminiszenzen an die Neuen Wilden wirken.

Der gelbe Raum war Objekten gewidmet, die Benzenberg und Blumek zusammen gestaltet haben. Da ließ sich die Malerin auf die dreidimensionale Arbeit ein, genauso wie der Bildhauer Oliver Blumek sich auf die Malerei eingelassen hatte. Das Ergebnis ist weniger überzeugend als die malerische Arbeit. Mit Hackfleisch gefüllte Nylonstrümpfe und Kondome hängen in verschiedenen Konstellationen und Inszenierungen im Raum, eine verschmutzte Matratze liegt da wie eine verschandelte Leiche, eine Pflanze ertrinkt im dreckigen Wasser. Körper, Sexualität, Tod, Gewalt. Die Symbolik ist alles in allem ein wenig zu grob. Die gewollte Atmosphäre wird zu einem Gruselkabinett.

Künftig soll sich das Studio der Außenwelt öffnen. Geplant sind Workshops, und zwar nicht nur im Bereich der Malerei sondern auch der Fotografie und der Mode. Die nächste Ausstellung findet am 2.3. statt; der Schwerpunkt soll diesmal auf Video liegen.