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Schichtwechsel in Wuppertal

Abseits der Rhein-Ruhr-Schiene ist die Off-Szene in Nordrhein-Westfalen mehr als überschaubar. Die Schwerpunkte bleiben Köln, Düsseldorf, Bochum und Dortmund. Städte wie Bonn, Essen, Mönchengladbach oder Duisburg sind lediglich mit wenigen Initiativen in unserem inoffiziellen Off-Verzeichnis vertreten. Aber überall wo eine Kunsthochschule steht und/oder billige Räume zu haben sind, können unverhofft Projekträume entstehen. Neuerdings tut sich was in Wuppertal, und wir sind natürlich dabei.

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Marian Mayland: o.T./ 20 x 20 cm / Mischtechnik auf Leinwand / 2013

Die Hauptstadt des Bergischen Landes war bisher nicht unbedingt durch ihre lebhafte Kunstszene aufgefallen. Dabei könnte sich Wuppertal in näherer Zukunft zu einer interessanten Künstlerreserve entwickeln. Während die Mieten in Düsseldorf weiter steigen und sogar schäbige Atelierräume unbezahlbar werden, verwandeln sich die vom Wachstum nicht betroffenen Nachbarstädte zu günstigen Ausweich-Standorten. Da wo die Infrastruktur nicht ganz kaputt ist und die Quadratmeter-Preise vernünftig sind, da wo Freiraum, in allen Sinne des Wortes, noch vorhanden ist, und da wo eine Künstlerschaft, auch so klein, auch so wenig entwickelt, aktiv ist, könnte in den kommenden Dekaden der Humus für eine vitale, alternative Kunstszene entstehen. Die Gentrifizierungsprognose eines artist drain in Düsseldorf ist an sich nicht gewagt und könnte sowohl Wuppertal als auch vergleichbare Satellitstädte wie Krefeld oder Duisburg zugutekommen.

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Bernd Klaus: o.T / 20 x 25,5 cm / Collage und Klebestreifen / 2014

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Indes warten die Einheimischen nicht auf die Verstärkung der mittellosen Künstler aus Düsseldorf oder sonst woher, sondern nehmen die Sache in die Hand und  werden selbst tätig. Ein paar Absolventen der Freien Akademie der Bildenden Künste in Essen – eine private Kunsthochschule am Rande des Baldeneysees; wir berichteten bereits – hat sich zu einer festen Künstlergruppe zusammengeschlossen und sucht dezidiert nach freien Räumen zur Zwischennutzung, wo sie ihre Kunst und die von anderen Kollegen ausstellen können.

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Dennis Strootmann: zwei Pole / 9 x 8,5 x 6 cm / benutztes Wattestäbchen, MDF, Acrylglas / 2012
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Dominik Geis: o.T. / 4:3, Farbe / Video / 2013
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Gio Mauro Cassata: o.T. (NON-Serie) / 20 x 20 cm / Mischtechnik / 2011

Einer dieser Räumen befindet sich auf der Schreinerstraße und wird nun für sechs Wochen bespielt. Für die Nicht-Ortskundigen: Die Schreinerstraße ist mitten im Ölberg-Viertel, ein durchaus nettes Wuppertaler Stadtteil mit Flair und einer gemischten Bevölkerung, mit Türken in ihren üblichen Kulturvereinen, Studenten in ihren üblichen Studentenbuden, coolen Plattenläden, angeranzten Spielhallen, Mittelstandfamilien, mehr oder weniger ernsthaften Künstlern, freundlichen Spielplätzen unter alten Bäumen, Bourgeois Bohemiens und Alteingesessene, die ihren Berg nur ungern verlassen. Am vergangenen Freitag wurde dort unter dem Titel Schichtwechsel die erste von insgesamt vier Ausstellungen eröffnet, organisiert von Adrian Eiserlo, Inka ter Haar und Dennis Strootmann.

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v,l.n.r.: Inka ter Haar, Bernd Klaus (versteckt im Hintergrund), Dennis Strootmann und Adrian Eiserloo
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Bernd Klaus o.T. / 18,5 x 13 cm / Collage, Mischtechnik / 2013

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Das Konzept der Ausstellungsreihe ist nicht gerade konzeptuell überfrachtet. Man bringt gute Leute in einem Raum zusammen. Fertig. Bei der ersten Ausstellung sind alle neun Positionen mit jeweils einer Arbeit (oder drei oder vier, wenn die einzelne Beiträge kleinformatig sind) vertreten. Danach gibt es jede Woche eine neue Ausstellung mit drei Künstlern aus der Neuner-Gruppe, drei Wochen lang. Die Kuratoren sind Künstler, die ihre Wahl diskursunabhängig rechtfertigen können. Man beruht sich auf die Qualität der einzigen Beiträge und nicht auf die Schlüssigkeit einer übergeordneten Thematik. Das geht völlig in Ordnung. Ob man dadurch eine gute Gruppenausstellung generiert ist fraglich; aber eine gute Ausstellung ist es allemal geworden.

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Dennis Strootmann: o.T. / 34 x 19, 5 cm / Video / 2011
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Evelina Velkaite: “myli” (liebst du?) / 37 x 44 cm / Druckerschwärze auf Papier / 2013
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Inka ter Haar: Wolf! / 145 x 160 cm / Öl auf Leinwand / 2012

Da ich nur die erste Show erlebt habe, kann ich mich auf keine Andere beziehen. Aufgrund der großen Anzahl an Positionen und der beschränkten Raumgröße lässt sich keine allgemeine Bewertung formulieren (dafür müsste ich schon mehr sehen). Auffallend ist jedoch die bereits erwähnte Abneigung (oder, weniger krass formuliert: die skeptische Reserve) gegenüber konzeptueller Kunst. Eine solide handwerkliche Basis, egal ob sie sich in den grafischen oder malerischen Medien ausdrückt, lässt sich bei allen Positionen erkennen (bis auf die von Evelina Velkaite eingereichte Arbeit, die keineswegs repräsentativ für die hohe Malqualität der Dame ist). Diese Rückbesinnung auf traditionelle Werte der Kunst ist übrigens ein Markenzeichen der FADBK/HBK. Da bewegt man sich manchmal an der Grenze zum Konservatismus; dafür aber wird die Gefahr des Hipstertums, die in manchen Kunstakademien überdeutlich ist, souverän umgegangen.

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Adrian Eiserlo: o.T. / 97,5 x 123 cm / Glas, Mischtechnik / 2013
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Katharina Rüll und Adrian Eiserlo: Albtraumkiste / variabel / Mischtechnik / 2009-2013

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Mittelfristig suchen die Künstler größere Räume in Wuppertal, die sie bespielen können. Am liebsten Industriehallen, damit Bildhauer und Installationskünstler auf ihre Kosten kommen. Ein Atelierstipendium ist auch angedacht; die Idee wäre, externe Künstler in Wuppertal zu fixieren und eine Auseinandersetzung mit der lokalen Künstlerschaft zu provozieren. Diesbezügliche Gespräche mit der Stadt werden gegenwärtig geführt. Wir bleiben dran.

 

 

Schichtwechsel
Eröffnung der 2. Ausstellung am 17.1.2014 um 19 Uhr
mit Bernd Klaus, Adrian Eiserlo, Dominik Geis
der dritten Ausstellung am 31.1
mit Dennis Strootmann, Inka ter Haar, Marian Mayland
und der vierten am 14.2
mit Katharina Rüll, Evelina Velkaite, Gio Mauro Cassata
je samstags von 17-20 Uhr und sonntags von 11-14 Uhr
Schreinerstr. 31, 42105 Wuppertal