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Porn in the City

Der Karneval ist gerade vorbei. Die wilde fünfte Jahreszeit, in der in jedem Straßenwinkel gefummelt, in jeder Sitzung seitengesprungen und auf jeder Kneipentoilette gefickt wurde, ist beendet. Die animalischen Triebe sind wieder gebändigt. Die meisten Menschen sehen immer noch lächerlich und grotesk aus, aber nun unwillkürlich. Die öffentliche Ordnung kehrt wieder ein. Und mit ihr kehrt auch eine ihrer Töchter zurück: die Zensur. Sie ergriff eine eigentlich eher harmlose und nette Ausstellung im Karat, das Vitrinenprojekt von Yvonne Klasen, Malo und Paul Leo, und führte zu einer öffentlichen Aufregung, die man an diesem Ort und zu dieser Zeit nicht hätte vermuten können.

 

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Fotos: Yvonne Klasen

 

Im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung mit Theresa Reusch zeigte Magdalena Kita im Karat eine Reihe von Stoffdrucken in naivem Stil und mit poppigen (zu diesem Adjektiv hat der Kölner Express bereits ein schlüpfriges Wortspiel produziert; wir entziehen uns also) Farben. Die Szenen stellen eine Art Kamasutra dar, das ein Hobbymaler unter Acid und mit Reminiszenz an die swinging sixties hätte malen können. Paare nehmen sich von vorne und von hinten vor psychedelischen Hintergründen; Orgien werden gefeiert und einige sexuelle Praktiken ausprobiert. Das Ganze ist extrem flächig gemalt, mit direkter Anlehnung an der Hobby Malerei oder an Art Brut, erinnert ein wenig an die kultigen Zeichnungen von George Dunning (der Regisseur vom Zeichentrickfilm Yellow Submarine) und entspricht schließlich jene Dekorlust, die wir bereits in früheren Arbeiten von Kita kennengelernt hatten. Der Corpus Delicti ist für alle sichtbar und – wie man aus offiziellen Pressemeldungen erfährt – unweit einer Schule präsentiert.

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Das ist natürlich schlecht für unsere Jugend, Frau Kita! Sie pervertieren unschuldige Blicke, sie schockieren ahnungslose Kinder, möglicherweise traumatisieren sie ganze Existenzen mit ihrem immoralischen Schund! Junge Eltern zeigten sich empört, Anrainer beschwerten sich, das Ordnungsamt intervenierte und kaum 48 Stunden nach der Eröffnung mussten die Teufelsbilder wieder abgehängt werden. Auf welchem Scheiterhaufen sie verbrannt wurden, wurde indes nicht verraten. Die schelmische Künstlerin ließ sich aber etwas einfallen und ersetzte die Stoffdrucke durch QR-Codes, die direkt auf die Bilder verweisen. So muss man also das verbotene Material erst scannen um es anzusehen – so ist unsere Jugend gut geschützt!

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Diese QR-Codes sind übrigens nicht nur eine kluge Art, die Zensur zu entgehen, sondern schaffen eine – notgedrungene – Erweiterung der erotischen Vignetten. Aus der Not geboren, führen diese flächige Muster den ornamentalen Impetus von Kita in eine weitere Dimension fort und wurden ausdrücklich als autonome Bilder konzipiert. Diese gewiefte Antwort an die Zensur war das intelligenteste, was die Künstlerin in diese Situation machen konnte. Denn es ist selbstverständlich, dass, zu Zeiten einer ständigen Verfügbarkeit von Informationen, die Sittenüberwachung des öffentlichen Raums völlig obsolet geworden ist. Wenn YouPorn auf den Smartphones von achtjährigen Schulkinder läuft und die krassesten explicit contents überall herunterzuladen sind, muss man sich nicht mehr um die Natur des Bildes in der Stadt sorgen. Denn dieses Bild, ob als Plakat, Anzeigetafel, Vitrinenschmuck oder eben als Kunstaktion, ist genauso öffentlich und genauso exponiert, wie alle Bilder, die im Netz zirkulieren und die von jedem Standpunkt abrufbar sind. Wer diesem Argument nicht folgen kann, bekommt Nachhilfe in der Transprivacy.

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Die physische Entfernung von Bildern mit explizit sexuellen Inhalten ist also ein verzweifelter und völlig ineffizienter Schritt der Behörden, der eine kleine Off-Ausstellung zu großer Sichtbarkeit verholfen hat. Die Karat-Truppe mitsamt Künstlerinnen darf sich bei ihren Zensoren für das breite Forum bedanken. Und übrigens, um das Ganze abzuschließen: So explizit sind die Bilder von Magdalena Kita nicht. Die gezeichneten Geschlechtsteile und schön bunt bemalten Sexszenen sind so weit stilisiert, so stark abstrahiert und in einer so künstlichen Sprache gehalten, dass die angebliche Pornografie weitgehend auf Abstand gebracht wird. Wer verwechselt heute noch das Bild des Objektes mit dem Objekt selbst? Dies ist keine Pfeife, Kardinal Meisner – du bist die Pfeife!

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