Sarkastischerweise heißt die aktuelle Präsentation von Amit Goffer „Integration“. Ein Wort, das nach gutgemeinter Philanthropie, linker Sonntagsrede, Multikulti-Kitsch und weichem Konsens klingt. Ein unbedingt positives Wort. Das sich in einen Alptraum verwandeln kann.
Wenn Amit Goffer eine neue Arbeit ausstellt, wird er unweigerlich auf die politische Situation Israels, seines Herkunftlandes, und auf die dortige Sicherheitshysterie angesprochen. Ohne Mühe entziffert man seine Installationen und Skulpturen als Metaphern von Ausgrenzungspolitik und als kafkaeske Inszenierungen eines übersteigerten Schutzbedürfnisses, die zwar nicht nur in Israel vorzufinden sind, doch dort in besonderem Maße herrschen. Ob der Künstler mit dieser Reduzierung auf eine nationalenZugehörigkeit zufrieden ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist er es langsam Leid, das Klischee zu bedienen. Selber Schuld ist er allemal. Denn sein Formenrepertoire – Bunker, Absperrungsgitter, Wachturm, Überwachungssytem, etc. – ruft nur ein beschränktes Bündel an Interpretationen auf den Plan.
Goffers aktuelle Installation ist im Schauraum des Atelierhauses Hansastraße in Neuss präsentiert und bildet praktisch einen Raum im Raum. Das Areal, dessen Grenzen aus schweren Strahlgitter und Kunstrasenfläche bestehen, ist zwar zu allen Seiten geöffnet und lässt sich unschwer begehen. Ja, es ist gar teilweise transparent und könnte als Schutzraum gedeutet werden. Aber diese Art von Refugium, diese Art von Integration wünscht sich keiner.
Im Kern der Installation dreht sich einen länglichen Körper mit hoher Geschwindigkeit und macht den Raum eng. Wie ein Sonar tastet er die Umgebung und gibt nie Ruhe. Aus dem verschlossenen Korpus weichen unangenehme Geräusche, die auf eine Gefahr hindeuten. Eine erhöhte Kiste, zwischen Wachturm und Vogelhaus in Bundeswehrgrau, blinkt unentwegt. Willkommen in Paranoia.
Amit Goffers Panic Room sorgt selbst für die Panik und schafft keinerlei Sicherheit. Entgegen Sartres grundsätlich missverstandener Äußerung – l’enfer, c’est les autres – ist die Hölle nicht in Externalien, nicht außerhalb des Ichs zu suchen. Im Inneren liegt sie, im behaglichen Kern des Subjekts. Diese allgemein existentielle Interpretation, ohne Rücksicht auf einen konkreten politischen Bezug oder auf die Nahost-Aktualität, ist Goffers Kunst gerechter als allen anderen biografiebasierten Erklärungsmodellen, die in seinen Skulpturen und Raumarrangements eine illustrative, politisch korrekte Reaktion (spricht: Kitsch) sehen möchten. Noch lässt der Künstler diese eingleisigen und einfachen Interpretation zu.
Amit Goffer Integration im Atelierhaus Hansastr. 9 27.4-11.5.2014 41460 Neuss Sa. 15-18 Uhr, So. 11-17 Uhr und Mit. 17-20 Uhr