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Sebastian Fritzsch zu Gast in der Wohnung – Finissage am 03.03.18

Erinnerung ist für Sebastian Fritzsch Antriebfeder und Essenz seiner künstlerischen Produktivität. Erinnerung als Bildspeicher, Erinnerung als objekthafte Manifestation, Erinnerung als auratische Be- und Durchsetzung, sind wiederholte Motive seiner Arbeitsweise, die sich in einem mannigfaltigen Werkrepertoire ästhetisch verarbeitet vorfinden lassen. Die in der Ausstellung gezeigten Werke reichen von fotografischen Experimenten, über Tuschezeichnungen zu installativen sowie plastischen Werken und sind aus dem autobiographischen Kontext des Künstlers entstanden. Zentrales Ausstellungswerk ist die fragile Konstruktion eines Etagendoppelbettes aus angebrannten Holzleisten, welches seiner Tragfähigkeit durch die Materialbearbeitung beraubt wurde. Vereinzelt an den vertikalen Streben des Bettes liegen, zunächst unscheinbar, schwarz glasierte Keramiken in Form von überdimensionierten Insektenkokons auf. Der Kokon als natürliches Schutzgehäuse für die Entstehung von Leben und Metamorphose kann als Leitbild für die Bettkonstruktion gelesen werden, als Rückzugs- und Ruheort, Ort des Intimen, des Urvertrauens sowie Zwischenmenschlichen und der größtmöglichen Verletzbarkeit. Fritzsch Doppelstockbett kreiert inmitten der Wohnung mittels materieller Qualitäten und Lichtinszenierung eine beklemmende Atmosphäre, die den gesamten Raum durchdringt und die Erwartungen verkehrt und kippt. Die am Boden platzierten Keramiken scheinen durch die schwarze Farbgebung und gereihte Position eher zum leblosen Gegenstand einer Untersuchung zu werden.

Das im 19. Jahrhundert primär in der Naturwissenschaft genutzte fotografische Reproduktionsverfahren der cyanotypie, verwendet Fritzsch gekonnt als Stilmittel, um zwei alte Fotografien seines Großvaters, die zwei menschenleere Interieurszenen im Großelternhaus zeigen, in den Kontext einzubinden. Eine Cyanotopie offenbart den zentralen Querverweis zur Bettkonstruktion: Im rechten Bildbereich steht ein einladendes, von Decke und Kissen bedecktes Schlafsofa, welches Sebastian Fritzschs’ Großvater eigenhändig baute. Über die künstlerische Auseinandersetzung mit seinen Lebenserinnerungen und Einbindung von Bildern, die Auslöser und zugleich Erinnerungsträger sind, bildet Fritzsch mittels der Überführung in neue Arbeiten verlassene Schwellenräume, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit changieren.


In der gesamten Ausstellung finden sich groß- und kleinformatige Tuschezeichnungen, mal mehrere in einer gerahmten Komposition, mal freiliegend auf einem Tisch angeordnet. Seit den letzten fünf Jahren durchzieht das Zeichnen archaisch anmutender Wesen und Zeichen konstant Fritzschs’ künstlerische Praxis. Die sich aus vorwiegend linearen Elementen und schwarzen Flächen zusammensetzenden mysteriösen Bildzeichen, scheinen durch ihre Einfachheit einerseits für jeden leicht durchdringbar und entziehen sich andererseits einer endgültigen Interpretation. Durch nahezu obsessive Wiederholung und Modifizierung seiner Bildsprache ist ein großes Konvolut an Tuschezeichnungen entstanden. Neuartig für Fritzsch ist die Überführung der archaischen Bildzeichen auf die holzfurnierte Oberfläche seines alten Studienschreibtisches. Der Schreibtisch als funktionales Möbelstück für geistige Arbeit, ist nun selbst zum künstlerischen Material avanciert.

Sebastian Fritzsch (*1977 in Köln), lebt und arbeitet als Filmemacher und freischaffender Künstler in Köln. Nach einem Studium der Kultur-und Theaterwissenschaften in Berlin, verfolgte er ein Fotografiestudium an der Leipziger HGB und nahm anschließend ein Studium an der KHM in Köln mit dem Schwerpunkt Filmregie und Kunst auf.

(via e-mail / web danke!)

Die Wohnung
Brunnenstrasse 55
40223 Düsseldorf

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