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Kunst? Nein Danke!

Eine ganze Weile mussten sie in der Hauptstadt kämpfen, diskutieren und streiten, letztes Jahr hatten sie endlich Erfolg. Seit 2009 haben sie geplant und geredet, seit 2012 sind sie ein neuer Haushaltsposten. Und so kommt es, dass die Berliner freie Szene nun Preise für Projekträume vergeben kann.
Sieben Räume werden am 18. September durch eine Jury ausgezeichnet, die Preise gehen dieses Jahr an: Altes Finanzamt, Kreuzberg Pavillon, KUNSTrePUBLIK, LEAP, Netzwerk-Projektraum “Hip Hop Stützpunkt mit From Here To Fame & Common Ground Gallery“, uqbar e.V., Walden Kunstausstellungen e.V.

LAST EXIT TO SPACE – 18. September 2013 | 20:00 | HAU1

So eine Auszeichnung ist natürlich schön, wirklich interessieren würde das aber wohl niemanden, wenn diese denn nicht mit einem Preisgeld versehen wäre. Und dieses Preisgeld kann sich mit jeweils 30.000 Euro Förderung pro Projekt für ein Jahr sehen lassen. Das ist im Kontext der freien Szene eine ganz ordentliche Summe, mit der man durchaus  auch etwas bewerkstelligen kann. Zumindest dann, wenn man, so wie wir das hier im Kulturprekariat gelernt haben und gewohnt sind, hocheffizient und kostenbewusst arbeitet.
Begleitet wird das Jurierungsverfahren durch eine Publikation die zur Preisverleihung am 18. September erscheinen wird.

KÜNSTLERISCHE PROJEKTRÄUME 2
Auszeichnung künstlerischer Projekträume + Initiativen im Bereich Bildende Kunst
Preise 2013
herausgegeben von der Berliner Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten
Idee und Realisierung: Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen

Die Publikation wird untern anderem von Kerstin Karge betreut, die im Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen verortert ist, innerhalb von diesem wirkt und die wir wiederum über das Symposium zum Vierwändekunst Festival 2010 kennen gelernt haben.
Das hier nachfolgende Ping-Pong-Interview ist auf Kerstin Karges Einladung zu einem Textbeitrag hin entstanden. Wir bringen diesen Text, ganz im Sinne des totalen Digitalisierungswahns, dem auch wir uns mehr oder minder bereitwillig unterworfen haben, schon einmal vorab, und freuen uns dann aber um so mehr auf Print vor Ort am 18. September in Berlin.

„Kunst: Nein Danke!“?
Ping-Pong-Interview zwischen Florian Kuhlmann (Kunstblog Perisphere) und Stefan Riebel (Institut für alles Mögliche)

Am 05.08.2013 um 12:17 schrieb kontakt | florian kuhlmann:

lieber stefan, sag doch mal. wie nimmst du denn die kunst- und insbesondere die freie-szene des rheinlands von berlin aus derzeit wahr?

Am 06.08.2013 um 03:41 schrieb etc | stefanriebel.de:

ehrlich gesagt bekomme ich wenig mit und sie wirkt sehr übersichtlich, sogar etwas karg … es gibt so ein paar veranstaltungen und projekträume zumeist in köln die immer wieder interessante aktionen durchführen … die ‚boutique‘ und die ‚halle der vollständigen wahrheit‘ fallen mir immer wieder auf … aber so im großen und ganzen höre ich nicht viel aus dem rheinland … das liegt natürlich auch vorwiegend daran dass die projektraumdichte in berlin viel meiner aufmerksamkeit fordert und in ihrem unüberschaubaren ausmass gewisse massstäbe setzt … wie wirkt das auf dich? sind off-projekt-räume über berlin hinaus überhaupt sichtbar oder ist das (wie so häufig) ein sehr abgezirkelter bereich?

Am 06.08.2013 um 22:33 schrieb kontakt | florian kuhlmann:

ich bin da eventuell etwas vorbelastet, um das objektiv beurteilen zu können. durch die arbeit mit unsern blog perisphere.de beobachten wir natürlich schon ziemlich genau was für projekträume es außerhalb düsseldorfs gibt. allerdings ist das gewusel und gewimmel in berlin für außenstehende extrem schwer zu beurteilen. man muss wohl schon vor ort sein, um wirklich sagen zu können welche räume potential haben und sich in interessante richtungen entwickeln.
es gibt da allerdings so ein paar die mich schon interessieren, weil sie auch im kontext der netzkultur immer mal wieder in erscheinung treten, importprojects fällt mir da gerade ein. und ein paar habe ich auch über twitter entdeckt: die lsd-gallery etwa, aber da kann ich wenig über das programm sagen, da finde ich nur den namen ziemlich gut.
aber eventuell reicht das ja auch. so vom programm her läuft das ja alles unter der kategorie kunst, und die ist in ihrer schieren masse doch sehr breiig derzeit, so dass man sie zwar noch wahrnimmt, aber irgendwie auch denkt, was soll das denn eigentlich noch, warum gibts das immer noch?
kannst du mit kunst noch was anfangen?

Am 07.08.2013 um 01:23 schrieb etc| stefanriebel.de:

ich kann mit kunst im moment wieder was anfangen trifft es eventuell … es stellt sich natürlich häufig die frage ‚warum braucht es dieses oder jenes jetzt noch oder nochmal?‘ und irgendwie stellt sich diese frage ja auch bei jedem dieser räume, also ‚braucht es jetzt wirklich noch einen dreihundertfünfundsiebzigsten projektraum in berlin?‘ und ‚was ist hier nun so anders als in all den anderen räumen und in all den millionen veranstaltungen die ständig überall sind?‘ … es kann einen schon eine gewisse verdrossenheit befallen besonders nach besuchen auf gewissen wiederkehrenden kulturfestivals wo man in bestimmten stadtteilen mit gefühlten einemilliardeoffeneateliers und gefühlten achtundneunzigprozent lauwarmer präsentationen überschwemmt wird …
aber eigentlich glaube ich geht es um etwas anderes dabei – etwas das ich in berlin sehr zu schätzen gelernt habe und auch in zukunft nicht missen möchte: es ist die selbstverständlichkeit mit der kunst und kultur betrieben wird … leute geben sich mühe und betreiben räume, projekte und entwickeln ihre ideen trotz oftmals gar keiner unterstützung … ich finde es geradezu bewundernswert, wenn sich menschen zu ihren brotjobs und zu ihren familien noch ambitionierte künstlerische projekte aufhalsen und damit den brisanten markt- und verwertungslogiken und lebensrealitäten etwas entgegensetzen … dass manche sachen sich dabei wiederholen, manche eventuell nicht gut geraten oder viele einfach scheitern ist das eine – aber dass es passiert, dass sehr viele menschen sich mit künstlerischem handeln freiräume erobern, die stadt beleben und immer eine klein-wenig-veränderte ausdrucksweise / perspektive anbieten finde ich extrem wichtig und nehme das als eine form von lebendig-sein wahr …
aber wie denkst du darüber? deine frage klingt ein wenig danach als sollte besser ausgesiebt werden … als sollte die „breiige masse“ weniger breiig und weniger massig sein 😉 ?

Am 08.08.2013 um 12:03 schrieb kontakt | florian kuhlmann:

nein, nein. aussieben muss nicht sein.
ich finde das auch gut wenn sich die leute mit fragestellungen und problemen der ästhetik beschäftigen. das ist doch total ok. ist ja irgendwie auch ne gute sache, dass im zuge des kreativitäts-hypes mittlerweile so viel menschen unterwegs sind die gerade in diesen bereiche hervorragend ausgebildet wurden. darauf kann man doch eigentlich aufbauen.
was mir nur auf den sack geht ist dieser damit leider all zu oft verbundene wille zur kunst, und die damit einhergehend überhöhung.
meine meinung ist: beschäftigung mit den anderen, komischen, schrägen seiten der realität ja, ambitionierte und wahnsinnige projekt: ja! kunst: nein danke! da macht man sich mittlerweile einfach mit zu vielen dingen gemein mit denen man eigentlich nichts mehr zu tun haben will. mir ist das eigentlich richtiggehend peinlich für die ganze sache. fremdschämen ist da oftmals angeagt.
also bei mir ist da mittlerweile aus einer gesunden antipathie eine echter widerwille mit ekel entstanden. und wenn ich dann doch mal wieder irgendwo in den räumen der kunst unterwegs war, fühle ich mich danach meist sehr verkatert, für lange zeit – obwohl da oftmals die besten texte für den blog bei raus kommen. aber trotzdem ist das wie wenn man schlechten und billigen fusel gemischt trinkt.
kennst du das? hast du auch machmal einen kater nach kunst?

Am 09.08.2013 um 03:52 schrieb etc| stefanriebel.de:

hihi … sehr schön … das zitat würde ich gern irgendwann mal verwenden: „Kunst: Nein Danke!“ (Florian Kuhlmann, 2013) … ich habe vor einiger zeit eine zitate sammlung angefangen und habe schon sehr schöne exemplare dabei – duchamp sagt da z.b. so treffend in einem interview mit georges charbonnier: „Was mich ein bißchen stört ist die Anzahl an Leuten, die sich Künstler nennen, die es sind oder die glauben, es zu sein, und dass es einen phantastischen Abfall geben wird in einer Produktion, wie wir sie heute haben, anders ist das nicht möglich.“
… ich gehe viel zu selten auf eröffnungen und dieserlei veranstaltungen und wenn ich dann aber doch gegangen bin kenne ich dieses gefühl oft sehr gut: viele eindrücke, bisschen übersättigt, ein wenig verärgert und etwas betrübt – ja kunstkater ist schon eine gute formulierung dafür … eine alternative wäre dann evtl ein wenig mehr orientierung am situationismus / spontane aktionen / nichts fertiges, geplantes, poliertes / nichts konzeptuell schlüssiges / kunst unterwegs / irgendwas unterwegs. (anbei ein bild dass ich vor 2 monaten in neukölln geknipst habe)