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Neuigkeiten aus der Düsseldorfer Kunst im öffentlichen Raum

Wäre ich Karl-Heinz Schmit (Kunstzeitung), hätte ich diesen kurzen Artikel zur Lage der Kunst im Düsseldorfer Stadtraum „Von solala bis holala“ benannt. Auf das Niveau wollen wir uns nicht einlassen. Auf einen Bericht, meinetwegen sogar auf eine kleine Debatte aber wohl.

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Anlass dieses Artikels ist die neue Plastik im öffentlichen Raum von Mark Pepper und Thomas Woll. Die Herren arbeiten seit ein paar Jahren zusammen; wir haben hier bereits ein paar Male die Gelegenheit gehabt, über ihre Kooperation zu berichten. Zurzeit läuft ein Aufsehen erregendes Projekt in Dortmund, das den sozialkritischen Ansatz und die physische Präsenz des Duos aufzeigt. Im Gegenteil zum Stein mit Vollausstattung (so der Name der Dortmunder Installation), der den öffentlichen Raum regelrecht erobert und sich penetrant durchsetzt, ist der Parkhaus-Pudel an der Ecke Charlottenstraße-Friedrich-Ebert-Straße alles andere als auffallend. Man muss schon sehr aufmerksam sein oder gezielt in die Höhe schauen, um da überhaupt etwas wahrzunehmen.

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Mark Pepper & Thomas Woll

 

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Ich hatte das Tier zunächst in einer Ausstellung in Köln gesehen und, informiert über dessen unvollendeten Zustand, war froher Erwartung über die plastische Weiterentwicklung von Bello. Ein Riesenpudel in Habachtstellung – das fehlte gerade der geschniegelten Landeshauptstadt. Der neueste Streich von Pepper&Woll hätte zu einem bissigen Kommentar der architektonischen Prahlerei einer Stadt werden können, die immer mehr exklusiv und exkludierend wirkt. Leider hat die Platzierung des Werkes auf dem höchsten Deck eines Parkhauses das Tier schrumpfen lassen. Von der Straße aus ist die Metallstruktur unmerklich und sogar schwer als Pudel identifizierbar; die Plastik ist eben zu stilisiert, zu abstrakt, um von dreißig Meter Entfernung eindeutig erkannt zu werden. Schwacher Trost: Jeder Fahrer, der die vierte Ebene erreicht, kann Hund und Accessoires von ganz nah erleben.

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Pepper&Woll, die zwei Bracchialskis der Düsseldorfer Kunstszene, haben uns bisher mit lauten und kräftigen Aktionen an der Stange gehalten. Nun überraschen sie mit einer ungewöhnlichen Dezenz. Irgendetwas ist schief gelaufen… Aber längst nicht so schief wie das allerneueste Kunst-im-öffentlichen-Raum-(Mist-)Stück aus dem Hause Günther Uecker. Die Pietät verbietet mir eigentlich, auf einem 83-Jährigen herumzureiten, der Kunstgeschichte geschrieben hat und Mitglied einer der spannendsten Avantgarde-Bewegungen des Landes war. Aber seine Nagel-Masche, die sich in dieser Stadt bereits in allen Varianten verkauft hat, wirkt in ihrer neuesten Form gruselerregender denn je.

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Günther Uecker

Schlimmer als die uninspirierte Ausführung des Objektes ist die Intention des Künstlers: „Ein Nagel mit Kopf, eingeschlagen, erinnernd an die Gründung industrieller Entwicklung, am Ort des Aufbruchs eines neuen Zeitalters, am Arbeitsplatz der größten Bevölkerungsdichte in Europa, etc…“ steht auf einer Gedenktafel nebenan. Ach, eine Hommage an die Industrie, ein historischer Bezug, ein Werk mit Botschaft ist das! Verstehe! Und noch schlimmer als die Intention des Künstlers ist die gutgemeinte Großzügigkeit des Industrieclubs, der der Stadt Düsseldorf diese Skulptur geschenkt hat. Muss man alle Geschenke auspacken und annehmen? Kann man es in diesem Fall nicht umtauschen? Vielleicht hat der Industrieclub den Kassenbon immer noch…

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Nach diesen mittelmäßigen bis inakzeptabel schlechten Okkupationen der Stadtluft, gibt es doch einen Lichtblick in Düsseldorf: Es ist das Bild von Christine Erhard, das seit ein paar Wochen in der U-Bahn-Station Oststraße hängt. Die Collage ist ein typisches Vexierbild, bestehend aus realen Gegenständen und Fotografien, das den Betrachter, das sich auf eine vollständige Dechiffrierung des räumlichen Aufbaus einlässt, sehr verwirrt. Die Stadtlandschaft oszilliert so zwischen Inszenierung, Dokumentation, Modell und gar Abstraktion, mit dem Einsatz von Farbflächen, die sowohl als kompositorische Bildelemente als auch als reale Objekte fungieren.

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Christine Erhard

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Klar, diese Kunst, die nun über die Rolltreppen flüchtig rezipiert wird, hätte auch in der Galerie hängen können. Aber wer hat behauptet, dass Kunst im öffentlichen Raum unbedingt ortsspezifisch sein muss, um qualitativ relevant zu sein? Erhards Bild nimmt jedenfalls locker Bezug auf den Stadtraum (als Motiv) und zitiert zugleich die Kunst- und Architekturgeschichte (hier: den Konstruktivismus), bedient sich der üblichen Bildgrammatik im öffentlichen Raum (Lichtkasten) und schafft es trotz (oder gerade wegen) der ungünstigen Platzierung, den Passant auf dem falschen Fuß zu erwischen. Nicht revolutionär aber solide und gelungen. Das reicht schon.