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Ein Facebook Interview mit Philipp Meier – 96 Jahre Dada

Florian Kuhlmann‬Philipp Meier 20. Februar um 15:11 in der Nähe von Düsseldorf
Das Interviewgespräch ist ja noch nicht ganz vorbei, deshalb nun eine weitere Frage: Was ist für Dich Postdada? Und welche Rolle könnte Postdada im zuvor genannten Begriffsquartett oder besser Begriffsgemenge spielen?


Philipp Meier gut, dass du da und dort mal was likest oder kommentierst…; dann vergesse ich nicht, dass ich dir noch ne antwort schuldig bin…;) wir teilen das ganze in drei teile auf (im wissen darum, dass es nicht so einfach ist…)

1. dada (oder «original dada»)
der dauerte von ca. 1913 (was in new york rückwirkend als dada bezeichnet wurde) bis 1922 (in weimar offiziell zu grabe getragen)

2. neo-dada
hierzu zählen wir alles was in vergangenheit und bis heute dada kopierte, aufwärmte oder interpretierte. das blenden wir bei uns mehr oder weniger aus, denn es hat einfach keine grosse relevanz mehr, wenn heute jemand auf der bühne lallt oder stottert oder
eine wilde collage zusammenklebt; etc.pp.

3. postdada
hier beschäftigen wir uns mit der frage, wie und wo die dadaisten heute kunst machen und vermitteln würden (zum glück sind alle tot und wir können sie nicht mehr fragen….; denn ich bin mir ziemlich sicher, dass dies die meisten von ihnen nicht mehr
beantworten könnten…;)))

die bühnen und museen haben keine gesellschaftliche relevanz mehr (sie sind höchstens noch geistige wellnesszonen…;). des weiteren haben, ausgehend vom readymade und 4’33, die künstler inzwischen fast 100 jahre unsere alltage geplündert und in die museen, theater und konzertsäle verschleppt und dort sich auf unsere kosten profiliert.
alles kann heute kunst sein (resp. künstlerisch bearbeitbares «material»), alles bühne (halb/öffentl.räume, internet, etc.pp.) und jedeR künstlerIn sein.

zuhause angewendet wäre postdada eben nicht mehr ein bild an der wand (wobei ich überhaupt nichts gegen bilder an der wand habe…;), sondern wenn z.b. ein künstler mein bett um 10cm anheben würde. ein kleiner eingriff in meinen alltag, der einiges verändern kann. macghillie ist ein anderes wunderbares beispiel. die künstlergruppe knowbotiq fand im internet einen ganzkörperjagdtarnanzug und interessierte sich dafür, was passiert, wenn leute mit diesem anzug in die stadt gehen. was passiert in/mit den leuten und in/mit der stadt? sie gaben keinerlei anweisungen. die leute können also tun und lassen was sie wollen.

krcf » macghillie _ just a void

hier gibt es keine kunstbetrachterInnen/zuschauerInnen mehr. wer wissen will, wer die kunstfigur macghillie ist, wie sie denkt und wie sie sich verhält, der oder die kommt nicht darum herum, in diesen anzug zu steigen und raus zu gehen.
wir leihen den anzug im cabaret voltaire interessierten aus und verschicken ihn gezielt weltweit an menschen. ein blog sammelt die bilder und erfahrungsberichte (http://macghillie.posterous.com/)
das projekt hat sich längst verselbständigt. wir raportieren einzig gelegentlich der künstlergruppe, was so abgeht. ich bin mir sicher, dass «macghillie» sich noch massiv weiter entwickeln wird, ohne dass wir wissen, in welche richtung…

Florian Kuhlmann ja die likes und kommentare sind die kleinen subtilen botschaft die dann den faden wieder aufnehmen lassen – gut, dass sie ankommen & danke für die ausführlichen erläuterungen. an wen muss man sich denn eigentlich wenden um macghillie in die eigene stadt zu holen? gibt es irgendwelche voraussetzungen die man erfüllen sollte?

Philipp Meier man kann sich direkt an mich wenden (cv (at) cabaretvoltaire.ch). ich werde intuitiv entscheiden (sehr gerne auch menschen von ausserhalb des kunstsystems). das ganze ist jedoch auch ein opensource kunstprojekt. wer will, kann sich den anzug hier direkt bei unserem lieferanten kaufen:  (wer den anzug direkt bezieht und seine erlebnisse auf dem macghillie-blog teilen möchte, meldet sich bei mir. ich gebe ihm/ihr dann den direkten zugang zum blog)

Paz de Monnay · Mit Philipp Meier und 1 anderen Person befreundet
findet es ja gut, wenn kunts überall stadtfindet. aber was ist, wenn so ein küntsler von seiner arbeit auch leben wil? oder gar muss?l? also die ghilliesuitclothing.com-leute leben wahrscheinlich.. philipp meier auch. paz auch. aber was ist mit den anderen 99%? paz war 1984 in mexico city. dort fand jeden samstag ein kunstmarkt statt. auf einem öffentlichen platz. jeder und jede konnte dort seine kunst ausstellen. zürich hat bloss den rosenhof. streng reglementiert. oder die offene. auch ziemlich streng reglementiert. das cabaret ist wahrscheinlich auch streng reglementiert. dada ist’s nicht mehr. post dada war mal.

Paz de Monnay · Mit Philipp Meier und 1 anderen Person befreundet
da malte man seine eigenen briefmarken, und freute sich diabolisch, wenn die briefe oder postkarten von der ptt auch befördert wurden. und jetzt? ich stottere.. darf ich nicht mehr stottern, auch auf der bühne, weil dies ein rückschritt wäre? was ist dada? und wer sagt uns, was dada ist? ein bezahlter kurator? was ist ein kurator? könnte auch ich ein kurator sein?

Paz de Monnay · Mit Philipp Meier und 1 anderen Person befreundet
gibt gerne zu: paz ist neidisch! 😉 des einen brot ist des anderen neid. auch das ist dada.. oder etwa nicht?

Philipp Meier es fühlt sich gut an, beneidet zu werden… (pardon!;)
das businessmodell eines kunstprojektes interessiert mich nicht (höchstens, das businessmodell ist das kunstprojekt…;). wo kämen wir hin, wenn wir in der kunst neue wege gehen möchten, dabei jedoch auch gleich noch ein businessmodell für die künstlerinnen entwickeln sollten? wohl nicht weit…;)
knowbotic research haben chf 15’000 gekriegt, um das projekt zu entwickeln. aktuell haben sie so gut wie keinen aufwand mehr, denn wir organisieren und finanzieren alles (anzüge ausleihen und verschicken, blog einrichten und berichte sammeln, vorträge halten und z.t. selber als macghillie auftreten) es findet aktuell eine enorme umwälzung in den unterschiedlichsten berufsfeldern statt (da könnten dir z.b. die journalistinnEn auch ein lied singen…;). von dieser entwicklung ist auch die kunst betroffen.
es ist jedoch schon so: ich bin tendenziell auf der sicheren seite (auch wenn wir neben der miete alles geld selber auftreiben und generieren müssen) deshalb stehe ich für das grundeinkommen ein…:)


Florian Kuhlmann‬Philipp Meier 20. Februar um 15:11 in der Nähe von Düsseldorf

lieber philipp, es geht nicht mehr lange aber ein paar letzte fragen kommen noch. 2 max 3. nach dem wir nun dada, neodada und postada etwas näher betrachtet haben, noch das folgende: Eine zweite wichtige Antikunstströmung des 20 Jahrhunderts war und ist FLUXUS. Ohne jetzt Gräben aufzumachen wo eventuell gar keine sind gibt es für dich unterschiede zwischen diesen Strömungen?

Philipp Meier uff. endlich eine frage, die ich einfach beantworten kann…;) ich fand es grossartig, dass adrian notz (co-leiter cabaret voltaire) zusammen mit der zhdk (curating) vor ein paar jahren eine ausstellung zu fluxus machte, denn das sagte mir damals wenig.
wir nennen fluxus gerne als eine von vielen bewegungen, strömungen, die von dada stärk geprägt oder zumindest beeinflusst wurden (wie surrealismus, punk, popart, etc.) in fluxus steckte schon viel, was ich heute als postdada bezeichne. die unterschiede interessieren mich nicht. ohne dada hätte es möglicherweise kein fluxus gegeben und ohne fluxus möglicherweise kein postdada (jemand bastelt aktuell am begriff adad anstelle von postdada

Rdkl Dada · Mit Billie MacGhillie und 1 anderen Person befreundet
Chocolate without cocoa cannot be done 😉