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Schluss mit dem Herumgeschwurbel und der leidenschaftslosen Betriebsamkeit!

Ein Gespräch mit Erik Stein vom Donnerstag-Blog über Kunst, Netz und unser Medium.

Eigentlich wollte ich diesen Artikel mit einem brüllend komischen Wortspiel beginnen, welches mir noch Heute Morgen im Bett in den Sinn kam. Irgendwas in der Art von ‚ein Interview mit Donnerstag am Donnerstag‘, oder ähnliches. Aber es gibt Ideen die sind auch beim besten Willen nicht witzig, da hilft einfach nix, auch wenn man sich das noch so sehr wünscht. Und wenn man das zum eigenen großen Glück noch rechtzeitig bemerkt, dann lässt man das einfach. Weshalb wir denn nun auch die Kalauer Kalauer sein lassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Denn heute geht es um die Besten; oder besser, geht es um den angeblich besten Kunstblog im deutschsprachigen Raum. Und – Achtung wieder Kalauer – dabei meine ich natürlich nicht uns. Nicht dass wir es nicht sein könnten, aber wir sind bekanntlich viel zu gut erzogen und darüber hinaus auch zu bescheiden um uns selber so loben zu können.
Nein, es geht wie zu Anfang bereits angedeutet um den Donnerstag Blog, welcher aktuell unter Kolleginnen und Kollegen einen hervorragenden Ruf genießt. Matthias Planitzer etwa lobte bereits im März „Der Donnerstag, „Weblog für Kunst & Danach“, führt als derzeit vermutlich bestes deutsches Kunstblog vor, welche Qualität hierzulande online erreicht wurde,…„, Blitzkunst aus Berlin hat aktuell nur Gutes für das Projekt übrig und auch ich gebe zu, dass mir das Projekt immer besser gefällt.

Was zu Beginn ein wenig wirkte wie die verbitterte Abrechnung einiger im Kunstbetrieb zu kurz gekommener, hat sich Stück für Stück in eine ernst zu nehmende, kritische und kluge Instanz entwickelt. Fundierte, vor allem aber nach vollziehbare Analysen und Ausstellungsbesprechungen ohne unnötig aufgeblasenes Herumgeschwurbel treffen auf Humor und Witz. Die Minikolumnen ‚Lesezirkel‘ und ‚Sprechblasen‘ sind kurzweilige Ansätze für den geschickten Umgang mit der medialen Themenflut, das Format ‚Kurzmitteilung‘ ist unter anderem auch eine ironische Remineszenz an den populären Kurznachrichtendienst Twitter. Das sind ohne Zweifel gute und originelle Ideen in dem unsrigen, sonst so konservativen und behäbigen Themengebiet Kunst. Und so merkt man trotz des strikten Fokus schnell, dass hier Leute am Werk sind, die in der Lage sind noch etwas Anderes außer Kunst, Szene und Zirkus wahr zu nehmen.

Einziger kleiner Kritikpunkt am Donnerstag ist die etwas stiefmütterliche Behandlung von Backlinks, sowie Kommentar- und Trackbackfunktionen, das mag sehr technisch klingen ist aber für die Verlinkung und Kommunikation von Blogs untereinander von großer Bedeutung. Kommentare werden derzeit nur nach Freischaltung angezeigt, Trackbacks und damit verbundene Backlinks gar nicht. Das kann man so handhaben, muss man aber nicht.
Mag sein, dass man früher oder später zu der Einsicht kommt, dass Leserkommentare und Diskussionen unter  Blogartikeln und Rezensionen nur wenig erbauliches liefern, derzeit ist es aber noch zu früh die Experimente hier bleiben zu lassen.

Kuhlmann: Wie seid ihr auf die Idee gekommen einen Blog zu machen?

Stein: Es gehört zu den verführerischen Eigenschaften des Internets, dass es relativ leicht ist, eine Publikation zu gründen. Das ging also schnell und lag Nahe, weil Kunst und Kunstkritik sich vor vier Jahren fast durch die Bank auf leidenschaftslose Betriebsamkeit verständigt hatten. Das war unser Eindruck, und in einem Anflug von apokalyptischem Kulturpessimismus sahen wird die Kunst schon vor die Hunde gehen. Also dagegen anschreiben und vor allem: Das Format Ausstellung wieder ernst nehmen. Ausstellungen sind Behauptungen, denen die Gesellschaft mehr oder weniger großzügig Platz einräumt. Ist der auch noch so winzig und unbedeutend, heißt das nicht, dass man dort nur gemütlich vor sich rumdaddeln muss. Wenn es schon im Kleinen um nichts mehr geht, wie dann im Großen? Deshalb: Jede Ausstellung ernst nehmen! Die Herausforderung bestand für uns weniger in der Gründung des Blogs, eher in Etablierung und kontinuierlichem Update. Das ist bis heute so, aber wir werden besser.

Kuhlmann: Wieviele Autoren seid ihr? Und wie laufen bei Euch die Redaktionsprozesse ab?

Stein: Derzeit sind es fünf oder sechs Autoren, die in unterschiedlichen Städten leben. Jeden zweiten Donnerstag sind wir zu großen Skype-Konferenz verabredet. Dort machen wir uns dann gegenseitig seltene Biersorten der jeweiligen Region schmackhaft und streiten um aktuelle Ausstellungen. Wenn neue Artikel vorliegen, werden auch die besprochen. Mittlerweile redigieren Annika Bender und ich die Texte relativ konsequent. Uns ist es derzeit lieber, wir veröffentlichen mal einen Artikel weniger, als dass wir bei Argumentation und Haltung Abstriche machten. Für voreilige Schnellschüsse haben wir schließlich ein eigenes Format: die „Kurzmitteilung“ – Ausstellungskritik in 160 Zeichen.

Kuhlmann: Habt ihr mal darüber nachgedacht die Skype-Konferenzen öffentlich zu machen oder diese aufzunehmen und zu publizieren? Auf Eins-live gibt es den Plattenstreit, eine Sendung in der Musikkritiker auf ähnliche Weise mit Neuerscheinungen verfahren.

Stein: Amüsante Vorstellung. Es kämme dann hinzu, dass einige von uns unter Pseudonym publizieren. Bei denen müsste man dann Stimmen-Filter drüberlegen und das Bild verpixeln… Wir werden drüber nachdenken.

Kuhlmann: Was bedeutet das Betreiben eines Kunstblogs derzeit für dich? Lässt sich mit Bestimmtheit sagen was Euch antreibt?

Stein: Erstmal bedeutet es viel Arbeit. Aber unterm Strich steht die Freude daran im Vordergrund, an einigen, noch zarten Koordinaten eines neuen Diskurses mitzuzeichnen. Denn am Anfang stand eigentlich bei allen eine generelle Frustration gegenüber der Kunstwelt. Die meisten von uns gehören zur Generation der in den achtziger Jahren Geborenen. Als wir anfingen uns für Kunst zu interessieren, befand sich die Kunstwelt in einer Art Kollektivrausch. Immer neue Verkaufsrekorde, Künstler, die plötzlich in People-Magazinen auftauchten und Handtaschen gestalteten, dazu der Hype um Berlin als Weltstadtkulisse einer neuen kreativen Elite… Was wir jenseits dieser ganzen Euphorie und Glamour-Lust beobachteten, war eine sichtliche Verflachung der Auseinandersetzung. Es klingt vielleicht böse, aber nicht jedes neue Kunstmagazin war ein Gewinn für den Diskurs. Nicht jedes neue Privatmuseum ein Gewinn für das kulturelle Archiv, nicht jedes Festival eine Bereicherung der Kulturlandschaft. Um aber nicht in einem diffusen Unbehagen steckenzubleiben, brauchte es Argumente. Wir nutzen das Format der Ausstellungskritik also, um eigene Kriterien zu entwickeln. Warum finden wir eigentlich so vieles langweilig von dem, was momentan gefeiert wird? Ist das nur persönlicher Verdruss oder gibt es tatsächlich Gründe, die nach Widerspruch verlangen? Dasselbe umgekehrt: Warum gibt es dann doch immer wieder Arbeiten, die einen aus den Socken hauen?

Kuhlmann: Euer Blog ist vergleichsweise kritisch, gerne auch mal etwas polemisch und sarkastisch. Wie würdest Du Eure aktuelle Position im bzw. zum Kunstsystem beschreiben?

Stein: So wie wir das mitbekommen, wird der Donnerstag mittlerweile recht gut wahrgenommen. Das freut uns, aber ob das wirklich etwas bedeutet, ist schwer zu sagen. Mangelndes Sendungsbewusstsein wird man uns zwar nicht vorwerfen, aber als relevanten Akteur innerhalb des „Systems“ empfinde ich uns noch nicht. Man muss ja leider sagen, dass die Bedeutung der Online-Medien in der deutschen Kunstszene insgesamt immer noch ziemlich hinterher hinkt. Es gibt zwar mehr und mehr Blogs, auch gute, aber noch fehlen die wirklich übergreifenden Debatten. Ich glaube aber, die werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Kuhlmann: Kunstblogs bewegen sich, je nach Wahrnehmung, irgendwo zwischen trendiger Subkultur und prekärer Resterampe. Wie schätzt Du das derzeitige Potential ein? Handelt es sich eher um Strohfeuer, in Form von Karrieresprungbrettern in die fest bezahlten Posten des Systems, oder doch um Projekte, die langfristig das Geschäft der Kunstkritik wandeln werden?

Stein: Über kurz oder lang wird das Internet auch die Struktur von Kunstdiskurs und Kunstkritik grundlegend verändern. Wie genau wage ich nicht zu prognostizieren. Im Besten Fall könnte es dazu führen, dass es insgesamt weniger zirkulär abläuft, weil es leichter wird, neue Stimmen zu etablieren. Es kann aber auch zum Gegenteil führen, wenn sich der Diskurs in immer mehr Spezialgruppierungen aufspaltet, die sich nur untereinander verlinken und vernetzen. Ein wichtiger Punkt könnte sein, dass Belanglosigkeit im Netz viel schneller bestraft wird, als in klassischen Formaten. Es versendet sich einfach schneller – das ist eine große Chance. Dadurch fällt zum Beispiel diese ganze Coffee-Table-Sparte einfach weg, die bei Magazinen ja noch eine große Rolle spielt. Man kann im Netz eben weniger durch opulentes Layout und Haptik ausgleichen. Das zwingt auch die Autoren dazu, sich und ihre Argumente verständlich zu machen. Angesichts der häufigen Wortschwurbeleien in der Kunstrezeption eine weitere Chance. Optimistisch gesehen könnte es in den digitalen Medien verstärkt darauf ankommen, ob man wirklich etwas zu sagen hat. Derzeit wissen viele Blogs noch nicht, was sie eigentlich wollen. Das gilt aber in ähnlichem Maße für die Webseiten der Printmagazine, die oft sehr stiefmütterlich gepflegt werden. Zum Glück gibt es für Beides immer mehr Gegenbeispiele. Und eine weitere Chance des Internets besteht ja in der Bündelung und Vernetzung dieser tatsächlich empfehlenswerten Inhalte. Umso wichtiger, dass Blogger und Webredakteure anfangen, sich selbst und gegenseitig ernster zu nehmen.

Kuhlmann: Ihr experimentiert viel mit Text- und Artikel-Formaten, wie z.B. dem „Lesezirkel“, den „Kurzmitteilungen“ und den „Sprechblasen“. Alles sehr schöne Formate, die gut zum Leseverhalten im Netz passen. Gibt es weitere Ideen mit denen ihr schwanger geht?

Stein: Wir sind mit den Bestehenden schon ganz gut ausgelastet. Vielleicht mit Ausnahme von Annika Bender, die vor Kurzem angefangen hat, unseren Twitter-Account (@donnerstag_blog) wiederzubeleben. Seither etabliert sie dort einen etwas absurden Mix aus Katzenbildern und langweiligen Ausstellungsansichten von Contemporary Art Daily. Ich bin gespannt wohin das führt…

Kuhlmann: Sowohl „Lesezirkel“ als auch „Sprechblase“ leben vom Zitieren und Kommentieren. Macht ihr Euch eigentlich gerade Gedanken um das seit 1.8.2013 in Kraft getretene Leistungsrecht?

Stein: Natürlich. Was die Verlage in den letzten Jahren für einen Verzweiflungslobbyismus betreiben, ist schon bemerkenswert. Die Klagen von Süddeutscher und FAZ gegen den Perlentaucher etwa oder die hässliche Kampagne gegen die digitalen Filmarchive der öffenlich-rechtlichen Sendeanstalten. Man muss sich Letzteres mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir alle finanzieren mit unseren Gebühren ja die Produktion von unglaublich viel und immer mehr Mist. Soweit so schlecht. Mitunter sind darunter aber auch wichtige Dokumentations-, Diskussions- und Informationssendungen. Immerhin. Die Idee war jedenfalls, dass sämtliche Sendungen der öffentlichen Sendeanstalten online zur Verfügung gestellt werden (und somit denen, die sie finanziert haben). Das hätte bedeutet, dass wenn mich ein Thema interessiert, sagen wir die historischen Umstände, die zum ersten Weltkrieg führten, hätte ich auf sämtliches Material zugreifen können, das aus öffentlicher Hand dazu produziert wurde. Nicht nur auf das Guido-Knopp-Infotainment von letzter Woche, sondern auch auf Dokumentationen der siebziger Jahre oder eine Radiodebatte aus den sechziger Jahren. Das alles wurde abgewürgt durch einen völlig absurden neuen Rundfunkstaatsvertrag, der die Sender dazu verpflicht, ihr Material nicht länger als sieben Tage online zu stellen. Man sollte öfter mal daran erinnern, wer diesen enormen Schaden für die Bildungsmöglichkeiten hierzulande vorangetrieben hat – nämlich allen voran die Verlage von Spiegel, FAZ und Co. Unserer Ansicht nach betrifft das neue Leistungsschutzrecht die von dir angesprochenen Formate nicht. Falls jemand anderer Ansicht ist, sollte er bitte zuerst den Spiegel wegen seiner Zitatrubrik „Hohlspiegel“ verklagen oder die FAZ wegen ihrer „Stimmen der Anderen“, die sie wie eigentlich alle ernstzunehmenden Zeitungen sammelt und zitiert.

Kuhlmann: Die Autoren eures Blogs nehmen sich vergleichsweise stark zurück. Während viele Blogs einen sehr subjektiven Stil mit starker Präsenz des Autors pflegen, ist das bei euch nicht der Fall. Auch mit Kontaktmöglichkeiten geht ihr sparsam um. War das eine bewusste Entscheidung sich so zu positionieren?

Stein: Das ist innerhalb der Artikel schon Absicht und hängt mit dem beschriebenen Versuch zusammen, aus dem subjektiven Unbehagen oder subjektiver Begeisterung heraus zu allgemeinen Kriterien zu kommen. Zur Kontaktmöglichkeit: Die meisten unserer Autoren kann man auch direkt per Email anschreiben. Einige wollten das nicht, vielleicht weil sie dem betriebsinternen Socializing generell misstrauen. Andere wie Annika Bender sind als Person vielleicht etwas durchscheinender. Aber unterm Strich, da hast du Recht, versuchen wir die Person hinter das Argument zurücktreten zu lassen. Mein Gott, das klingt jetzt echt schwer idealistisch… egal!

Kuhlmann: Vielen Dank für die genommene Zeit und das Gespräch, wir wünschen Dir und Eurem Team weiterhin viel Erfolg und alles Gute!

www.donnerstag-blog.com
Weblog für Kunst & Danach