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Middle finger Response von Guido Segni

Die ‚Crowd‘ gehört zu den am meisten strapazierten Schlagwörtern zeitgenössischer Netzkultur. Mit Hilfe dieser scheint Alles möglich, egal ob nun die immer gleiche Politik durch die Weisheit der Crowd gesteuert (#Piraten), das magere Wissen durch Crowdsourcing verwaltet (#Wikipedia), oder die klamme Projektkasse durch Crowdfunding aufgefüllt werden soll (#Künstler), die Masse soll es richten.
Und doch ist es nicht nur ein Hype. Denn wenn man die Mode einmal außen vor lässt, den Hype bewust ausblendet und einen kleinen Schritt zurück tritt, um die Welt mit etwas Abstand zu betrachten, fällt auf, dass auch diesem überstrapazierten Thema etwas Substantielles zu Grunde liegt. Man stellt dann nämlich fest, dass selbst das zentralste und aktuell wichtigste politisch-technische Medium unserer Gesellschaft – das Geld – voll und ganz auf den Volkskörper und die Crowd abzielt. Denn besagtes Medium ist mittlerweile durch nichts anderes mehr als durch uns, die Crowd der doofen 99% gedeckt, was die noch dooferen und viel wenigeren 1% entsprechend leidlich auszunutzen wissen.

1% via http://richkidsofinstagram.tumblr.com/post/36629687139/life-rkoi

Aber ich schweife etwas ab, obwohl es natürlich irgendwie auch noch zum Thema gehört…
Vor der Betrachtung des modernen Volkskörpers und seiner Wirksamkeit als Lender of last resort waren wir beim Füllen der klammen Portemonaits per Crowdfunding. Und ich gebe es an dieser Stelle offen zu, natürlich haben auch wir schon mal über Möglichkeiten des Crowdfunding für unsere Projekte nachgedacht, sind da aber etwas skeptisch und glauben, dass der Aufwand den man für das Texten, Filmen, Dokumentieren, Werben und PR aufbringen muss unter den zu erwartenden Erträgen liegt.
Was widerum bedeutet, dass wir auch einfach arbeiten gehen können um unsere Projekte zu finanzieren und somit Kunst als das Begreifen was sie ist, eine unverzichtbare, teure und überaus wichtige Nebensache, mit Hilfe der man fröhlich überschüssige Ressourcen und Energie verbraucht, die man zuvor an anderer Stelle erzeugt hatte. Und in welche man stetig Geld und Lebenszeit hineinsteckt – aber eben nicht akkumuliert und erst recht nicht investiert!


Dies ist eine simple Tatsache, die man vor allem gegenüber all den ambitionierten jungen Kunststudenten und Studentinnen zu Beginn der Künstlerausbildung sehr viel deutlicher hervorbringen müsste. Allerdings ist es eben leider auch eine Aussage die sich nicht recht mit den ausgewachsenen Egos arivierter Künstlerprofessoren verbinden lässt und alleine von daher höchst selten zu hören ist.
Und natürlich ist diese Aussage auch etwas was man NIE und NIMMER in einem Blog tätigen sollte, weil man hier die Bitterkeit vermeiden muss die einer Kritik am Bestehenden innewohnt, weil man dann nämlich noch mehr als das bereits der Fall ist, als enttäuscht zurück gelassener Versager wahrgenommen werden könnte. Denn wer möchte schon freiwillig drin sein, im Club der Verlierer und Totalversager, wenn man doch im unerschütterlichen Glauben lebt, dass man Dank des eigenen Genies früher oder später den Ritterschlag erfahren wird und dann herantreten darf an den gedeckten Tisch, um dort das einstudierte Liedchen zu singen.
Sinnvoll wäre es aber durchaus frühzeitig, intensiv und eindringlich über Beruf, Beschäftigung, Kunst, Leidenschaft und breiten Misserfolg zu sprechen, sowohl im Rahmen der Künstlerausbildung selber als auch auf der Ebene der Bildungspolitik auf der man nicht verstehen will, dass es rein gar nichts bringt jedes Jahr immer noch mehr Menschen kreativ auszubilden. So sorgen der Mythos der Kreativität, als auch die mit der Lüge des Berufskünstlers verbundenen, viel zu oft nicht rechtzeitig zerstörten Illusionen weiterhin mit für das kontinuierliche Anwachsen der Crowd des namenlosen Kunstprekariats, welches wiederum eine Untermenge des anschwillenden Gesamtprekariats darstellt.
Und genau dieses Gesamtprekariat – egal ob nun künstlerisch vorbelastet oder nicht –  ist Thema eines wunderbar pointierten Projekts von Guido Segni. Dieser hat für seine Arbeit auf die Crowdsourcing-Plattform Amazon Mechanical Turk von Amazon  zurück gegriffen. Auf der Plattform stellen Unternehmen zu erledigende Aufgaben ein, welche partioniert und in Kleinstteile zerlegt von einer Masse global vernetzer Crowdworker erledigt wird. Guido Segni schreibt: „The Middle Finger Response is a curated selection of 300+ spontaneous self portraits of cloud workers I commissioned travelling around one of the most represantive crowdsourcing platform: Amazon Mechanical Turk.
Arbeitsaufgabe war mit Hilfer der eigenen Webcam eine Aufnahme zu machen auf der die Arbeiter selbst, ihre Umgebung und ihr erhobene Mittelfinger zu sehen sind. Für die erfolgreiche Bearbeitung der Aufgabe wurden 0,5 Dollar bezahlt, das Ergebnis der Arbeit ist auf der zugehörigen Webseite unter http://www.crowdworkersoftheworldunite.com/ zu sehen.
Und weil gute funktionierende Arbeiten evident sind und keiner weiteren Erläuterung bedürfen beende ich den Text an dieser Stelle und lasse einige der 300 Bilder sprechen.

www.crowdworkersoftheworldunite.com
Guido Segni, 2013